Nebliger, grauer Morgen.

Sonntag. Keine Kirchenglocken, dafür Vogelgezwitscher in der Ferne (oder bilde ich mir das bloss ein?). Die Luft riecht wie immer, eigentlich nicht nach Sonntag, sondern nach TukTuk-Abgasen und Küchengerüchen im Hintergrund des Restaurants, wo ich eben einen Cinnamon-Bagel mit Butter und selbstgemachter (!) Konfitüre verdrücke. Dazu natürlich einen meiner geliebten Kaffee Mon mit jeder Menge Kondensmilch aus der Tube.

Heute ist Sport angesagt, um meine eingerosteten Muskeln zu lockern. Velofahren in die Umgebung von Luang Prabang, vielleicht schaffe ich es sogar bis zum Elephant Village.

Ein Wasserfall könnte das erste Ziel sein, doch er bleibt auch nach sehr anstrengender Fahrt über unbefestigte Strassen, über muskelübersäuernde Steigungen ein Phantom. Der Schweiss rinnt in Strömen, so muss es sein. Das Velo könnte zwar aus dem letzten Jahrhundert sein, ein Damenvelo, ohne Gänge, aber es bewährt sich tapfer. Und ich fühle mich ebenso tapfer.

 

Ein harter Weg bergauf

Ein Schild weist den Weg zu einem Elefantenzentrum, es erweist sich später allerdings nicht als dasjenige, das ich suche. Macht nichts. Anfänglich ist die Strasse recht ordentlich, doch dann wird sie steiler, kurviger, staubiger. Eine veritable Bergstrasse, die Meter um Meter schlechter wird, voller Löcher, spitzen Steinen und Abschnitten, wo Baumaschinen an der Arbeit sind. Die Aussicht, mit meinem schwächlichen Velo den ganzen Weg wieder zurückfahren zu  müssen, erweckt doch etwas flaue Gefühle.

 

Hard Road  Baumaschinen

Es wird härter – was hier gemacht wird, ist schleierhaft

Lastwagen donnern vorbei, dicke Staubwolken hinter sich herziehend. Manchmal muss ich absteigen, wenn es zu steil wird und die Pumpe ins Stottern kommt. Doch irgendwie schaffe ich es, im Sinne des Wortes über Stock und Stein, ins Camp.

 

Meine Lieblingstiere

Und da sind sie, meine Lieblingstiere (neben Katzen, Tigern, Bären, Eisvögel, Steinadler und allen andern mit 2, 4 oder mehr Beinen), etwa zehn Elefanten, die genussvoll an ihrem Zuckerrohr kauen.

Wenn man sie so ansieht und in ihre kleinen schlauen Augen blickt, im Wissen, welches Schicksal ihnen und ihren Artgenossen blüht, überkommt einen Traurigkeit. Von der Million Dickhäutern, die einmal das Land bewohnten, sind gerade noch mal etwa tausend übrig geblieben, ein ansehnlicher Teil als Arbeitselefanten, die aber durch den Ersatz durch Maschinen auch nicht mehr gebraucht werden.

 

Elephant Camp
 Ein bisschen einsam, ein bisschen traurig

 

Ein junger Mann mit Plänen

Die Rückfahrt dauert viel weniger lang als erwartet, und mein zerbrechlich aussehendes Gefährt hält wesentlich mehr aus als es aussieht. Nach einer Cake-Pause folge ich dem Mekong Richtung Norden, kaufe Bananen zu einem Preis, der mir die Schamröte ins Gesicht treibt, und unterhalte mich mit einem jungen Mann, der sich zu mir setzt.

Ein junger Mann
Zufallsbegegnungen

Er studiert ganz in der Nähe und spricht ein leidlich gutes Englisch (auf jeden Fall besser als mein Laotisch, dass immer noch aus Sabaidee und Kopdschai lai lai besteht). Er hat Pläne für seine Zukunft, glaubt felsenfest daran, dass er eine Zukunft hat, wenn er sich nur genug anstrengt.

Diese jungen Leute sind bewundernswert. Es gibt keine Hindernisse, die nicht überwunden werden können, obwohl die Aussicht auf Erfolg gering ist.

Ich wünsche ihm alles Glück dieser Welt.

 

Dem Mekong entlang

Dann zweige ich in eine Strasse ab, die direkt am Fluss liegt, durchquere kleine Ansammlungen von Hütten auf unbefestigten Strassen, weiche watschelnden Hühnern und Enten und Hunden und Kindern aus und fühle mich einfach göttlich. Das sind wieder diese Momente, die Glücksgefühle, die grossen, diejenigen, die alles erst ausmachen.

 

Spielende Kinder  Dem Mekong entlang

Brücke über einen Mekong Zufluss
Brücke über einen Mekong Zufluss

Manchmal braucht es so wenig für ein kleines Glücksgefühl und Wohlbehagen. Eine warme Dusche nach einem anstrengenden Tag, ein mundendes Nachtessen, ein bequemes Bett. So wie jetzt.

 

Patrick Leigh Fermor

Ich vertiefe mich ein weiteres Mal in Patrick Leigh Fermors 2-bändiges Opus Magnum Die Zeit der Gaben: Zu Fuß nach Konstantinopel. Also sozusagen das Ur-Werk aller Wanderbücher, erlebt und geschrieben von einem damals 18-jährigen Engländer.

 

Ich zitiere aus dem Klappentext:

18 Jahre alt ist Patrick Leigh Fermor, als er sich aufmacht, Europa zu erkunden. Sein Ziel vor Augen, er will nach Konstantinopel, wandert er zunächst von Hoek van Holland rheinaufwärts. Tief hinein nach Deutschland geht die winterliche Reise, durch Wiesen und Wälder, verschneite Städte, die Donau entlang, nach Wien und Prag, bis in die ungarischen Marschen. Es ist das Jahr von Hitlers Machtergreifung. In seiner poetischen und präzisen Sprache lässt Patrick Leigh Fermor vor unserem inneren Auge das alte Europa erstehen, das wenige Jahre später in Schutt und Asche versinken wird.

Während des Zweiten Weltkriegs stand Fermor im Dienst der Special Operaions Executive. Die SOE setzte Major Fermor unter anderem im besetzten Kreat ein. Dort lebte Fermor im Untergrund, organisierte den Widerstand gegen die deutschen Besatzer und entführte schließlich zusammen mit einem Offizierkameraden den deutschen Generalmajor und Befehlshaber der deutschen Besatzungstruppen auf Kreta. Er wurde dafür mit zwei Orden ausgezeichnet und zum Ehrenbürger von Iraklio ernannt.

Ich habe vor kurzem erfahren, dass Fermor im letzten November mit 96 Jahren gestorben ist. Ich fühle einen Verlust, als hätte mich ein guter Freund verlassen. Ein Wanderer, ein ewig Reisender. Ein poetischer Schriftsteller von Gottes Gnaden. Ich werde ihn vermissen, auch wenn ich bis vor drei Jahren nicht mal etwas wusste von seiner Existenz.

 

PS Song zum Thema:  Tame Impala – Elephant

Und hier geht die Reise weiter …

 

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