Was kann eine kaputte Wasserpumpe bedeuten?
In einem Land wie dem Iran, einer Stadt wie Teheran, einem Campingplatz wie dem unseren – sehr viel. Es ist nicht nur ein dummes Missgeschick, es ist eine ausgewachsene Katastrophe.
Man stelle sich einen Wassernotstand vor
Wir im reichen Westen sind uns gewohnt, alles zu erhalten, was wir uns wünschen. Energie, Lebensmittel, Benzin – und Wasser. [Ich wage es fast nicht zu erwähnen, aber heute, 2022, Jahrzehnte später, sieht die Geschichte etwas anders aus, aber davon ein anderes Mal.]
Anyway, einen echten, spürbaren Wassernotstand zu erleben, steht nicht zuoberst auf der Bucket List. Es ist eine ziemlich grauenhafte, grauslige Erfahrung.
Jeder schreit nach Wasser.
Doch die Toiletten sind verstopft, die Hahnen tropfen bestenfalls, keine Dusche, kein Zähneputzen, kein Wasser zum Kochen. Der Manager, verantwortlich für die schnellstmögliche Behebung des Schadens, im Normalfall sehr cool und sehr lässig, hat wenig Lust, sich des Problems anzunehmen. Und so bleibt er das, was er immer war, ein aufgeblasener Wicht.
Und wir, wir müssen eine Art orientalischer Gelassenheit lernen, indem wir uns entspannt der Misere ergeben.
Falsche Vorstellungen
Wer an eine Stadt wie Teheran denkt, stellt sich etwas Orientalisches vor, Basare, Moscheen, verträumte Innenhöfe, exotische Menschen, verschleiert, mit Turbanen und langen luftigen Kleidern, während sie entspannt und ernsthaft dem Muezzin lauschen.
Weit gefehlt.
Wir sind ja bereits bei der denkwürdigen Ankunft eines Besseren belehrt worden und wissen nun, dass diese Stadt alles andere als eine verträumte orientalische Kapitale ist. Nachdem wir den gestrigen Ausfall der Wasserpumpe einigermassen, wenn auch etwas streng riechend, überstanden haben, gilt es nun endlich, die Stadt zu erkunden.
Öffentliche Verkehrsmittel und andere Kalamitäten
Um unseren Wagen, der endlich wieder in gutem Zustand ist, nicht unnötig zu Schrott zu fahren, benutzen wir die sogenannten öffentlichen Verkehrsmittel. Sogenannt, weil sie so gar nicht unserem Begriff entsprechen. Es handelt sich schlicht um bizarre Vehikel, die man allerdings selten zu Gesicht bekommt.
Ausserhalb der Stadt ist es noch einigermassen möglich, einen Bus oder ein Gemeinschaftstaxi zu erwischen, allerdings nur bis zum ersten Umsteigen.
Da fängt die erste Stufe zur Hölle an.
Das Getümmel ist unbeschreiblich. Man stelle sich hunderte von Menschen vor, zornige schwitzende Männer mit schwarzen Bärten, schüchterne Frauen mit und ohne Verschleierung, mit Kindern an der Hand und Babies an der Brust, und alle schreien durcheinander, rufen den heranfahrenden Taxis ihre jeweiligen Bestimmungsorte entgegen, manche mit Erfolg, die meisten ohne.
Der Verkehr ist eine Hölle aus tausenden von Vehikeln, die Luft ist stickig vom Rauch der Abgase, Motoren dröhnen, Polizisten pfeifen, Hupen hupen … Man muss es erlebt und gesehen haben, um es zu glauben.
Das Alte muss weg
Je näher das Stadtzentrum kommt, desto westlicher und wohlhabender sieht die Stadt aus. Boulevards werden breiter, Gebäude höher, mehr Beton, mehr Fenster, noch mehr riesige Wolkenkratzer, man glaubt, in Manhattan zu sein.
Diese Stadt scheint wie ein Magnet Geld und Wohlstand anzuziehen. Ein ungeheurer Reichtum hat dieses Land, vor allem aber diese Stadt in kürzester Zeit wie eine Lawine überrollt und alles umgekrempelt.
Nichts ist so, wie es noch vor wenigen Jahren war.
Doch wie immer hat alles seine Schattenseite. Das bei uns schon länger Verpönte – unmenschliche Betonklötze, verpestete Luft, Verkehrszusammenbrüche, Staus und Stress – feiert hier ein genussvolles Wiederauferstehen. Das Alte muss weg, um dem Neuen Platz zu machen.

Die alten Basarstrassen und -gassen mit den verträumten Krämerläden sind verschwunden, mussten weichen. An ihrer Stelle stehen nun riesige Gebäude mit den üblichen Verdächtigen – Banken, Versicherungen, Modeketten, Anwaltskanzleien.
Man glaubt, in einem Märchenland gelandet zu sein, einem Märchen, wo der böse Zauberer unsichtbar ist und im Hintergrund an seinen Fäden zieht. Wo man lange nicht merkt, dass hier eine Triage passiert, wo der Reichtum neu verteilt wird.
Einigen wenigen viel, ganz vielen wenig.
Es ist heiss und deprimierend
Die Umgebung beeinflusst Körper und Geist. Man ermüdet schnell, will nur noch weg, irgendwohin, wo man atmen kann.
Dazu kommt, dass dieser Tag es generell nicht gut mit uns meint.
Das afghanische Konsulat ist geschlossen, wir finden keine Briefe auf der Post (hat man uns bereits vergessen?), und zu guter Letzt haben wir die grössten Probleme, in dieser Monsterstadt so etwas Ähnliches wie ein Restaurant zu finden.
Ein Restaurant? Wofür denn?
Anyway, am Nachmittag ist die Flasche leer, wie man so schön sagt, und wir machen uns auf den Heimweg. Beziehungsweise wollen wir uns auf den Heimweg machen. Doch alle Mühe, ein geeignetes Transportmittel in der gewünschten Richtung zu finden, schlägt fehlt. Kein Taxi, kein Bus, kein Irgendwas, das uns zum Campingplatz bringt.
Kann man sich vorstellen, dass Teheran-City stündlich an positiver Resonanz verliert? Wir machen uns also zu Fuss auf den Weg, kein Problem, es ist ja nur weit über 30 Grad heiss, die Luft steht, die Sonne brennt.
Immerhin, am grossen Platz, wo wir am Morgen zum ersten Mal umsteigen mussten, finden wir tatsächlich ein Taxi.
Passender Song zur Zeit: Deep Purple – Mistreated
Und hier geht der Trip weiter … in Teheran und über das Elburs Gebirge