Der Kreis hat sich geschlossen, ich bin zurück in Kathmandu. Also wieder schlechte Luft, schlimmster Verkehr, Lungen wie ein Kettenraucher.

Und trotzdem fühlt es sich an wie eine Heimkehr.

Ein paar Stunden früher

Mit Chitwan lasse ich Ruhe hinter mir. Stille. Natur. Den Platz, wo ich mich wohlgefühlt habe. Trotz einigen Erkenntnissen, die nicht zu innerem Frieden geführt haben. Aber es muss sein. Kathmandu, die letzten Tage.

Ich nehme also wieder einmal Abschied. Besteige den tausendsten Bus, schaue mir zum millionsten Mal die vorbeihuschende Welt an, bin verwundert, aufgeregt, neugierig. Aber auch etwas müde.

Die Fahrt ist lang, wir fahren den gleichen Weg zurück, wieder durch die Berge, dem Fluss entlang, erreichen am Nachmittag Kathmandu, der Lärmpegel steigt, in gleichem Mass wie die Luftqualität abnimmt. Dann bin ich im Hotel, ein neues, packe auch zum tausendsten Mal aus, strecke mich müde auf dem Bett aus, starre lange an die fleckige Decke.

Der Weg nach Bodnath

Doch ungeachtet der inneren Unruhe bleiben ein paar Sehenswürdigkeiten übrig, die ich mir nicht entgehen lassen will.

Da ist einmal Bodnath. Eigentlich ein Vorort von Kathmandu, aber vor allem bekannt und berühmt für eine der heiligsten Stätten des tibetischen Buddhismus.

Und natürlich Pashupatinath. Ebenso heilig, aber für die Hindus.

Der ältere freundliche Mann in der Hotel-Reception fragt mich nach meinen Tageszielen. Als ich ihm von Bodnath und Pashupatinath erzähle, nickt er zustimmend, doch die Absicht, zu Fuss dorthin zu gelangen, löst mitleidiges Kopfschütteln aus.

Eine Stunde später ist klar, was er gemeint hat.

Ich habe mir mal wieder etwas vorgenommen, was ich früher oder später bereuen werde.

Es beginnt ganz harmlos. Sobald man Thamel verlässt, zeigt sich ein anderes Kathmandu, städtisch, beinahe geordnet, mit breiten Strassen und Trottoirs. Man atmet unwillkürlich auf und stellt sich die nächsten Kilometer ähnlich vor.

This is Kathmandu - loud and dirty and dangerous for the pedestrians
Kathmandu – laut und dreckig und gefährlich für die Fussgänger

Das trifft auch eine gute Stunde zu. Natürlich ist der Verkehr dicht und laut und unangenehm, aber im Vergleich zum Höllenpfuhl Thamel beinahe paradiesisch. Das ändert sich aber schlagartig, sobald man in die Aussenquartiere gelangt. Die Strassen sind nun eher Gassen, eng, löchrig, staubig, ein Auto hinter dem anderen . Die Aussicht auf ruhigere Aussenbezirke mit wenig Verkehr und grünen Flächen entpuppt sich als Schimäre.

Vor mir staksen ein paar Schulmädchen in ihren properen Uniformen der Strasse entlang, und ich stelle mir vor, dass sie diesen Weg durch schlechte Luft und der permanenten Gefahr, umgefahren zu werden, jeden verdammten Tag gehen müssen. Die Statistik zeigt: es sterben sehr viele Einwohner an Lungenkrebs. Es wundert mich nicht.

Ich stelle mir vor, wie es sich für die Bronchien und Lungen anfühlen muss. Oder nein – ich stelle es mir lieber nicht vor.

Bodnath

Aber es wird nicht besser, es wird schlimmer, viel schlimmer. Die Strassen, die von ausserhalb in die Stadt führen, werden zwar wieder breiter, dafür der Verkehrsstrom dichter. Es gibt keinen Asphalt mehr, nur noch Staub und Dreck. Und Pfützen voller Wasser, die man umgehen muss, während Motorräder und Autos und Busse daneben durchrasen.

Eventually even the worst gets used to
Irgendwann wird auch das Schlimmste zur Gewohnheit
A tangle of power cables
Ein Gewirr von Stromkabeln

Der Stupa

Aber da taucht endlich der riesige Stupa auf, zwischen den Hausdächern herausragend. Mit einer Höhe von 36 Metern gehört er zu den größten seiner Art.

Bekannt ist Bodnath wegen des großen Stupa, der seit Jahrhunderten eines der bedeutendsten Ziele buddhistischer Pilger aus Nepal und den umliegenden Regionen des Himalaya ist. Seit dem Jahr 1959 haben sich in der unmittelbaren Umgebung des Stupa zahlreiche geflohene Tibeter angesiedelt. Der Cini-Lama, der dritthöchste Würdenträger der Tibeter nach dem Dalai Lama und dem Panchen Lama, residiert in Bodnath. 

Die Entstehung des mit ca. 36 m Höhe einer der größten Stupas seiner Art geht der Überlieferung nach zurück auf die Licchavi-Könige des 5. Jahrhunderts. Im Mittelalter hatte er so gut wie keine Bedeutung, da der Buddhismus aus dem Alltagsleben der Inder und Nepalesen verschwunden war. Erst mit der Zuwanderung zahlreicher Tibeter ins Kathmandu-Tal erlangte er wieder viel von seiner ursprünglichen Bedeutung zurück.

Beim Erdbeben in Nepal am 25. April 2015 wurde der Stupa beschädigt. Um die Reparatur durchzuführen, wurde die gesamte Spitze abgetragen und neu aufgebaut. Die Weihe des wiederhergestellten Stupas fand im November 2016 statt. Es erinnert mich an Burma: trotz empörender Armut erhalten religiöse Kultstätten jede nur mögliche finanzielle Unterstützung, während die Bevölkerung sehen kann, wo sie bleibt.

The look is serious and penetrating
Der Blick ist ernst und durchdringend

 

Man muss das Bauwerk und seine sakrale Umgebung auf sich wirken lassen. Ich bewege mich langsam im Uhrzeigersinn durch die Pilger und Touristen, atme die heilige Luft ein, die allerdings auch nicht viel besser scheint als die diejenige draussen auf der Strasse.

clockwise direction around the Holy Place
Man umrundet die heilige Stätte im Uhrzeigersinn

Es gibt eine Menge zu sehen und zu bestaunen. Obwohl die Heiligkeit des Ortes spürbar ist, scheint er doch eine Art Disneyland nach buddhistischer Art zu sein. Es erinnert mich einmal mehr an Burma oder Laos, wo die heiligsten Orte auf seltsame Weise irdisch sind.

Wo der Buddha noch das Preisschild um den Hals trägt. Wo unter dem Heiligtum ein Abstellplatz für Autos eingerichtet ist. Wo neben dem Buddha eine Micky Mouse Figur steht.

Warriors on battle elephants
Kriegerische Gestalten auf Kriegselefanten

Prayer flags

Buddhisten finden sich vor allem im Morgengrauen und zur Abenddämmerung bei dem Bauwerk ein, um es im Uhrzeigersinn zu umrunden. In Vollmondnächten werden tausende Butterlämpchen auf den Terrassen, welche den Stupa im Grundriss eines Mandalas umgeben, entzündet.

Mehr zwischen Himmel und Erde …

Natürlich wird der Stupa von zahlreichen Tempeln gesäumt, jeder schöner und eindrücklicher als der andere. Ich suche mir den schönsten aus und einmal mehr erfüllt mich ein seltsames Gefühl, als würde ich daran erinnert, dass es zwischen Himmel und Erde mehr gibt, als man zu wissen glaubt.

Temple in the vicinity of the Stupa

 

Pashupatinath

Aber ich muss mich verabschieden, ein weiteres Heiligtum wartet auf meinen Besuch.

Es führt ein direkter Weg von Bodnath zum Tempelbezirk von Pashupatinath, der an den Ufern des Bagmati-Flusses östlich von Kathmandu liegt.

Ich nähere mich über einen Hügel, der oberhalb des Tempelbezirks liegt und eine wunderbare Aussicht auf die umliegende Stadt bietet. Ich bin beinahe der einzige, sieht man von einer farbigen Frauenriege und zahlreichen Rhesusaffen ab.

Rhesus monkeys and coloured ladies

Von oben scheint der Bagmati-Fluss nicht ganz so verdreckt zu sein wie befürchtet, doch je näher man kommt, desto erschreckender wird es. Der Fluss ist ine einzige stinkende Kloake; rechts der Pandra Shivalaya Komplex – 15 Schreine, die zu Ehren verstorbener Persönlichkeiten errichtet wurden.

Hier bin ich vor tausend Jahren schon mal gesessen, und schon damals war der Fluss eine einzige stinkende Kloake. Trotzdem und auch trotz der vielen Touristen strömt der heilige Ort eine eigene Würde aus.

Such a long time ago
Lange her …

Der Shiva Tempel

Hier wird Shiva als Pashupati („Gott des Lebens“ – Pashu = „Leben“) verehrt. Der eigentliche Tempel ist nur für Hindus zugänglich, der äußere Tempelbezirk darf hingegen von jedermann betreten werden. Der Tempel bildet eine Pagode mit zwei Dachebenen, die mit vergoldetem Kupfer bedeckt sind. Die vier Eingangstüren sind mit Silberplatten bekleidet. In der Cella (garbhagriha) im Inneren des Tempels befindet sich ein ca. 1,80 m hoher viergesichtiger Shiva-Lingam mit einem Durchmesser von etwa 1,10 m hat. Er darf ausschließlich von vier Priestern (bhattas) berührt werden, die immer aus dem Süden Indiens stammen müssen, daneben gibt es noch zahlreiche, mit Hilfsaufgaben betraute Priester niederen Ranges (bhandaris).(Wikipedia)

Der Ansturm der zahlreichen Touristen und Gläubigen lässt die heilige Stätte gelegentlich aussehen wie am Kirmes. Trotzdem ist es erstaunlich ruhig, als würde man merken, dass dieser Ort etwas Besonderes ist.

Shiva Temple

 

Temple at the river

 

View of the part of Pashupatinath accessible only to Hindus
Blick auf den nur für Hindus zugänglichen Teil von Pashupatinath

Die Verbrennungsstätten – die Arya Ghats

Der Bagmati teilt die Anlage in zwei große Bereiche. Auf dem rechten Ufer des Bagmati liegen der Pashupatinath-Tempel und die Verbrennungsstätten, die Arya Ghats (Verbrennungsstätten der höheren Kasten) und die Surya Ghats (Verbrennungsstätten der niederen Kasten). Dieser Ort hat für viele Gläubige als Platz für die „letzten Riten“ besondere Bedeutung: es gilt als erstrebenswert, seine Leiche hier verbrennen zu lassen.

The incineration sites
Die Verbrennungsstätten

Die meist in gelbe Tücher gehüllte Leiche wird zu den Verbrennungsstätten getragen, wo ein Scheiterhaufen errichtet wird. Vor der Verbrennung bespritzt man die Leiche mit dem Wasser des heiligen Flusses oder wäscht die Füße im Wasser. Die Leiche wird dann von oben mit feuchtem Stroh bedeckt. Wenn die Familie es sich leisten kann, verwendet man zur Verbrennung neben normalem Holz zusätzlich das kostbare, duftende Sandelholz (Wikipedia).

 

PS Song zum Thema:  Gillian Welch – I’m not afraid to die

Und hier geht die Reise weiter …

 

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