Im Bus von Hosped nach Hampi sitzen einige Leidensgenossinnen aus dem Nachtbus neben mir, drei hübsche Mädchen aus Polen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie klein die Welt ist und wie schnell man sich mit wildfremden Menschen anfreunden kann. Das erweist sich als Universalmittel gegen jede Art von Fremdenfeindlichkeit. Man erkennt sich im Fremden wieder und stellt erstaunt fest, dass kaum etwas anders ist.

Und so verschwindet alles Fremde und wird zu etwas Bekanntem.

Die alte Hindu-Hauptstadt

Eine halbe Stunde später tauchen bizarre Felsformationen aus der Wüste auf und kündigen das Nahen der alten Hindu-Hauptstadt an.

Da ist es wieder, das Déjà-vu. Wo um Himmels willen habe ich dieses Arrangement aus Reisendenkneipen, Souvenirständen und jugendlicher Gemütlichkeit schon einmal gesehen? Es muss in Nepal gewesen sein, auf dem Annapurna-Trek, aber ich bin mir nicht sicher.

So verschmelzen die Reiseerlebnisse ineinander, werden zu einem Konglomerat von Eindrücken und Erinnerungen, die sich nicht mehr zuordnen lassen. Am Ende ist das sonst so gute Gedächtnis überfordert, der Film gerissen. Mir ist das egal.

Main street in New Hampi
Hauptstrasse im neuen Hampi
Children's work - while the man watches
Kinderarbeit – während der Mann zusieht

Ruinen

Ich bin nicht unbedingt der klassische Besucher alter Ruinen und Monumente, so beeindruckend sie auch sein mögen. Ich fühle mich unter Menschen wohler, im Trubel der Märkte, Gassen und Plätze.

Also mache ich mich auf den Weg zu den weit entfernten Ruinen der ehemaligen Hindu-Hauptstadt. Es ist heiß, nicht überraschend, aber es macht mich glücklich. Mit langsamen Schritten steige ich die Hügel hinab, bleibe immer wieder stehen, um das atemberaubende Panorama auf mich wirken zu lassen.

Es ist ein Problem: Wie soll man etwas beschreiben, das nur noch aus einer Ansammlung lebloser Steine besteht, aber immer noch die majestätische Pracht einstiger Größe zeigt? Ich bewundere alles, was noch da ist, und frage mich, wie es hier wohl ausgesehen haben muss, als die Stadt noch Hauptstadt war. Mit Tausenden von Bewohnern, Tieren, Leben. Es ist immer das Gleiche mit alten Ruinen: Man sieht nur noch die klägliche Gegenwart.

Und immer wieder stellt sich die Frage, warum ausgerechnet an diesem kargen, von Gott und der Welt verlassenen Ort diese Hauptstadt gegründet wurde? Strategische, taktische Gründe? Bessere Verteidigung? Man kann nur spekulieren, aber sicher scheint mir, dass es einen sehr triftigen Grund gegeben haben muss.

Ebenso unerklärlich ist die Frage, warum die Stadt verlassen wurde. Ging das Wasser aus? Eine ganz einfache Erklärung also? Manchmal sind es nicht die großen Dinge, die große Veränderungen bewirken. Es sind die vermeintlich kleinen, wie Wassermangel, die alles verändern.

Hamoi from above - a scarred desert
Hampi von oben – eine verdorrte Wüste
One single emptyness - except the tourists
Eine einzige grosse Leere (ausser den Touristen)
Strange rocks - do they mean something
Seltsame Felsen
However, not quite empty ...
Doch nicht ganz leer …

Verlassene Stadt

Vom Hügel aus sieht es jedenfalls beeindruckend aus. Ein quadratisch angelegter Teil einer Stadt mit bizarren Türmen und Erkern. Vieles zerstört, kaum noch erkennbar, anderes gut erhalten, kaum Spuren des Verfalls.

Ich lasse mich wie immer langsam treiben, versuche den Hauch des vergangenen Lebens in mich aufzunehmen, aber da ist nicht viel. Es ist einfach tot, verlassen, eine Ruine, die träge in der Hitze dahindämmert, bewohnt von Geistern, die nachts Feste feiern.

Typisch: Im einzigen wirklich gut erhaltenen Tempel (Eintritt!) gefallen mir drei lärmende giftgrüne Papageien am besten. Es scheint sich um ein Trio zu handeln, dessen Geschlechterrollen und Zusammengehörigkeit noch ungeklärt sind, was sich immer wieder in lautem Gekreische und wildem Herumflattern äußert.

Dem Fluss entlang

Der Weg entlang des Flussufers ist einfach wunderschön. Runde Felsen liegen im Wasser, das sich langsam und gurgelnd seinen Weg sucht. Seltsame runde Boote aus geflochtenem Stroh (?) treiben darauf.

River with remains of whatever
Fluss mit Überresten von irgendwas
And again and again ruins of temples
Und immer wieder Ruinen von Tempeln
Are these woven boats?
Sind das Boote? Geflochten?
The purpose is unclear
Der Zweck ist unklar

Klein-Jerusalem … und ein Heiliger

Ich setze mich in ein kleines schattiges Restaurant und gehe weiter am Fluss entlang. Dieser führt mich vorbei am Fähranleger (wo nur Hebräisch gesprochen wird) auf einem immer schmaler werdenden Weg. Plötzlich scheine ich der einzige Mensch auf der Welt zu sein.

An einem schmalen Durchgang zwischen steilen Felsen sitzt ein heiliger Mann und wartet würdevoll auf ein paar Rupien, seine Rolle im Leben ist unklar, auf jeden Fall sieht er sehr schön aus in seinem bunten Umhang.

Sadhu - holy man with an aura of calm and contemplation
Der heilige Mann mit einer Aura der Ruhe und Kontemplation

Dorfalltag

Irgendwo gibt es sogar Felsmalereien, die ich aber erst nach langem Suchen entdecke (wobei ich mir bis heute nicht sicher bin, ob ich nicht etwas anderes fotografiert habe). Der Weg durch ein kleines Dorf zeigt den dörflichen Alltag, wie man ihn als normaler Tourist nicht sieht. Und immer wieder denke ich darüber nach, warum diese Menschen so fröhlich sind. Sie gehen liebevoller miteinander um als wir.

Village life in Hampi
Dorfalltag in Hampi

Es gibt sogar einige Souvenirläden in Hampi, die recht schöne Kunstwerke verkaufen. Ein Tier aus Bronze (erst ein Esel, dann ein hinkendes Kamel) hat es mir angetan. Das Verkaufsgespräch mit dem Ladenbesitzer entwickelt sich zu einem philosophischen Diskurs über die Unvollkommenheit der Welt.

Und eine Lehre in Freigebigkeit

Ja, und dann wird es langsam dunkel, mein TukTuk-Fahrer hat mich versetzt, also kommt ein anderer dran. Ich lasse mich durch die langsam hereinbrechende Dämmerung Richtung Hospet fahren, wundere mich, dass der Fahrer einem offensichtlich geistig behinderten Jungen ein paar Rupien gibt („keine Eltern, niemand kümmert sich um ihn“) und verstehe wieder einmal die Welt nicht. Oder anders gesagt, ich verstehe sie doch, denn auch ich lasse mich von dem Geschwätz, einem Bettler nie etwas zu geben, nicht beeindrucken und gebe viel und oft ein paar Münzen in die ausgestreckten Hände.

PS Song zum Thema: Linkin Park – Forgotten

Und hier geht’s weiter …

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