Angezeigt: 1 - 27 von 27 ERGEBNISSEN
Reisebegleiter Südostasien

Die Südostasien Bücher

Rachel Joyce – The unlikely Pilgrimage of Harold Frey

Harold Fry will nur kurz einen Brief einwerfen an seine frühere Kollegin Queenie Hennessy, die im Sterben liegt. Doch dann läuft er am Briefkasten vorbei und auch am Postamt, aus der Stadt hinaus und immer weiter, 87 Tage, 1000 Kilometer. Zu Fuß von Südengland bis an die schottische Grenze zu Queenies Hospiz. Eine Reise, die er jeden Tag neu beginnen muss. Für Queenie. Und seine Frau Maureen. Für seinen Sohn David. Und sich selbst. Und für uns alle.

Dieses Buch hat mich bei dieser Reise am meisten beeindruckt.

Es ist eines dieser raren Leseerlebnisse, die lange nachwirken. Man verfolgt die unwahrscheinliche Reise mit Spannung, mit Tränen, mit der Einsicht, dass so vieles nicht planbar ist und dass man manchmal über seinen Schatten springen muss, um das zu tun, was das Herz will.

Da sieht man wieder einmal die Macht der Literatur („Die Feder ist mächtiger als das Schwert“).

 

Charlotte Brontë – Jane Eyre

Nach dem Tod ihrer Eltern wächst die Waise Jane Eyre bei ihrer hartherzigen Tante auf. Doch für Mrs. Reed ist Jane eine Bürde, die sie schnellstmöglich wieder loswerden will. So wird Jane erst in ein spartanisches Mädcheninternat geschickt und nimmt schließlich eine bescheidene Stelle als Gouvernante auf Thornfield Hall an. Dort weiß sie ihren Dienstherren, den finsteren Mr. Rochester, mit ihrer Klugheit, ihrer Ehrlichkeit und ihrem Witz zu beeindrucken. Als er ihr seine Liebe gesteht und ihr einen Antrag macht, scheint Janes Leben endlich eine glückliche Wendung zu nehmen. Doch die Mauern des Landsitzes bergen ein furchtbares Geheimnis …

Ach ja, die Bronté-Sisters. Eine begabter als die andere. Eingeschlossen in einer Welt aus Literatur formen sie in unterschiedlicher Weise selbst Weltliteratur, sei es Emily mit Wuthering Heights oder eben Charlotte mit diesem Hammer von einem Roman.

Und alle starben sie viel zu früh …

 

John Lanchester – Capital

Großstadtleben in Zeiten der Finanzkrise: Jedes Haus in der Südlondoner Pepys Road hat viel Glück, Liebe und Leid gesehen. Anhand der Leben der Bewohner dieser mehr oder weniger normalen Straße zeichnet John Lanchester ein hochaktuelles Panorama unserer Gegenwart. Alles geht seinen gewohnten Gang, bis an einem ganz normalen Tag bei den stolzen Eigenheimbesitzern dieser Straße eine merkwürdige Nachricht im Briefkasten liegt: »Wir wollen, was ihr habt.« Ein Roman voller Mitgefühl, Humor und Protagonisten, die man nicht mehr missen möchte.

Man möchte manchmal schreien oder zumindest dem Autor zurufen. dass die heutige Welt genau so ist. Aber man schweigt und ist verstimmt. Nicht wegen des Buchs, das ist Weltklasse, aber wegen allem anderen …

 

 

Malcolm Gladwell – Outliers

Warum sind manche Menschen Gewinnertypen – und andere nicht?

Der Wissenschafts-Guru Malcom Gladwell untersucht, was einen Überflieger ausmacht. Denn nicht das Wie spielt beim Erfolg die Hauptrolle, sondern das Woher. Nicht Fleiß und Begabung sind ausschlaggebend, sondern vielmehr Herkunft und kulturelle Prägung.

Seine spannende Erkundung der Welt der Genies steckt voller Geschichten und Beispiele. So erklärt Gladwell, warum Asiaten gut in Mathe sind, wie man ein herausragender Fußballer wird und welches Geheimnis die Beatles zur erfolgreichsten Band aller Zeiten machte.

10’000 Stunden, um in irgendwas gut zu werden? Die Beatles bewiesen es und viele andere. Da bleibt mir noch einiges zu tun …

 

Richard Price – Clockers

Clockers sind Dealer, die ihre Junkies Tag und Nacht mit Stoff versorgen. Auch hier im Slum, wo die Welt rauer ist als irgendwo. Hilflos steht die Polizei aggressiv daneben, die Stadt resigniert. Bis sich die Spannung in einer Explosion entlädt.

Eine Welt, für uns Biedermänner kaum verständlich. Und trotzdem hat man bei vielem den Eindruck, dass die Welt der Drogen gar nicht so unterschiedlich ist von den Mechanismen der heutigen Welt. Da kommt man ins Grübeln …

 

 

 

 

Und hier weitere Bücher, die mich auf meinen Reisen begleitet haben:

Die Südindien Bücher

Die Laos Bücher

Die Burma Bücher

Die Ladakh Bücher

Die Südamerika Bücher

Die Nepal Bücher

Südostasien

Das letzte TukTuk – Auf Wiedersehen Asien

Und dann das letzte Tuk-Tuk am frühen Morgen. Es ist frühmorgens um vier Uhr, sogar im niemals schlafenden Phnom Penh ist Ruhe eingekehrt. Die flüchtige Ruhe vor dem nächsten Sturm. Wir tuckern in Windeseile durch die leeren Strassen, da und dort brennt ein Feuer, schemenhafte Gestalten kauern daneben, es wird gelacht, gegessen, getrunken …

Ich werde sie alle vermissen.

 

Ein geschlossener Flughafen

Auch ein ungewohntes Bild: Der Flughafen ist noch geschlossen. Während die Reisenden frustriert auf das Öffnen der Tür warten, erscheint am östlichen Himmel ein schmaler Streifen Helligkeit, der neue Tag kündigt seinen baldigen Auftritt an.

 

Flug nach Bangkok

Der Flug nach Bangkok ist kurz und bündig, Flüsse und Seen schiessen reflektierend das erste Licht des Tages zum Himmel, dunkel gleiten die noch im Schatten liegenden Landschaften vorbei.

Ich fühle die Wehmut, immer die gleiche, immer am letzten Tag. Jetzt erst, kurz vor der Heimkehr, das erste Mal das lähmende Gefühl der Einsamkeit. Ist das nicht seltsam? Mehrere Wochen als Solo-Traveller unterwegs, allein und auf mich selbst gestellt. Viele neue Freunde gefunden und wieder verloren. Und niemals einsam gefühlt. Oder traurig. Oder verlassen. Und jetzt das. Vielleicht rührt das Gefühl eher vom Abschiednehmen her. Dem Wissen, dass eine grandiose Zeit sich dem Ende nähert.

Und dann Bangkok, Hektik, der Puls steigt. Die Wehmut verzieht sich. Die knapp sieben Stunden Flug nach Dubai sind mühsam, doch The Desolation of Smaug macht sie einigermassen erträglich.

In Dubai der erste Eindruck einer weiteren Mühsal, die schwerer zu ertragen ist. Der Warteraum vor dem Boarding ist proppenvoll mit Touristen, die meisten aus meinem geliebten Heimatland und viele mit herabhängenden Mundwinkeln wie im Tram morgens um sieben. Diese Griesgrämigkeit fällt auf, wenn man eine gewisse Zeit nicht mehr in ihren Genuss gekommen ist, aber … Lassen wir das.

 

Und so endet meine Reise

Ich habe gefroren, geschwitzt, geschlottert – vergessen! Ich habe mir den Arsch wundgesessen von hundert Stunden im Bus, im Zug, auf dem Velo, im Speedboat – egal! Ich wurde angelogen, betrogen, kaltlächelnd über den Tisch gezogen – so what! Ich habe soviel schlechte Luft eingeatmet wie ein Kettenraucher in einem ganzen Jahr – kein Problem!

Denn – ich habe wunderbare, freundliche, lächelnde, herzliche Menschen kennengelernt, Einheimische wie auch Touristen, es hat Momente gegeben, die ich nie vergessen werde, Momente, wo einfach alles stimmte, alles im Gleichgewicht war, Momente, wie soll ich sagen, die dem Zustand von Glück am nähesten kamen …

Und deswegen gehört das Schlusswort Arnold Schwarzenegger, dem unsterblichen Terminator, und für einmal erhält sein in die Ewigkeit eingegangener Spruch eine ganz andere Bedeutung: I’LL BE BACK!

 

Bye-Bye young Man
Bye-Bye young Man

 

PS Song zum Thema:  Red Hot Chili Peppers – Goodbye Angels

Next Stop: Burma/Myanmar

 

Und nicht vergessen: The Südostasien Bücher

 

Südostasien

Gekochte Käfer und Spinnen

Hier ist er nun tatsächlich, der Tag der letzten Male.

Zum letzten Mal das Morgenessen vor dem Pool, das letzte Morgengespräch mit der jungen Dame an der Reception (“When do you come back to Cambodia?”), der letzte Pickup vor dem Hotel, das letzte Mal Platz nehmen im Bus, das letzte Winken an das im morgendlichen Nebel hinter mir verschwindende Siem Reap, die letzte, allerdings lange und – wie sich später herausstellt – mühsame Etappe bis Phnom Phen.

 

Gekochte Käfer und Spinnen

Vor dem Fenster die wechselnden Landschaften, grün und gelb und braun, die weissen, mageren Kühe, der Unrat am Wegrand, die Kinder, die Frauen in ihren farbigen Kleidern, doch der Blick ist ein anderer. Er ist bereits weit weg, auf dem Weg zurück, beim nächsten Montag, dem gefürchteten, unausweichlichen, bei der Arbeit, die wartet …

 

Boiled or grilled beetles, spiders, grasshoppers ...
Gekochte Käfer?

Ein Halt offenbart besondere Leckereien. Es sind irgendwelche gegrillte (?), gekochte (?), gebratene Käfer. Sie sehen aus wie Cockroaches, aber kann es wirklich sein, dass die Kambodschaner diese schrecklichen Dinger essen?

 

Mekong - the last time again
Und wieder zum allerletzten Mal der Mekong

Nun, ich habe schlimmere Dinge gesehen (die riesigen Spinnen als Höhepunkt), aber mein Hunger hat sich angesichts der zur Verfügung stehenden Lebensmittel drastisch reduziert.

 

Zurück in Phnom Phen

Es ist tatsächlich ein elend langer Trip nach Phnom Phen, aber tatsächlich – an der Endstation werde ich von meinem Haus- und Hof-Rikschafahrer bereits erwartet. Ich habe ihm eine SMS geschickt mit der ungefähren Ankunftszeit (die zwar um Stunden überschritten wurde, aber wen kümmert’s?). Er bringt mich in Windeseile zu meinem Hotel in jenem schäbigen Stadtviertel, wo man abends am besten mit einer Kalaschnikov aus dem Haus geht.

 

Ein nachdenklicher Abend

Es wird ein nachdenklicher Abend beim letzten Nachtessen in Phnom Phen mit einer  Revue der vergangenen Reise. Nicht, dass die Wochen im Flug vorbeigegangen sind, nein, die Zeit wirkt länger, viel länger, sie wird gedehnt, gestreckt, gefüllt mit tausend Eindrücken und Erlebnissen, mit Erinnerungen an Gespräche, an Personen, mit dem permanenten Fluss der Gedanken (und endlich auch mal solchen, die man nicht schon millionenmal gedacht hat) … Und doch sind sie nun vorbei, die schönen Tage, und ein wehmütiges Gefühl schleicht sich ein.

Die sich kaum unterscheidenden Tage und Wochen, die Regelmässigkeit, die Gleichheit der Dinge, die man denkt, sagt und tut, sprich unser normales Daily Life, das ist das, was das Leben kurz macht, das, was die Zeit tatsächlich im Flug vergehen lässt.

Wer diesem Phänomen entgehen möchte, muss raus aus dem Alltagstrott, hinein in das wechselvolle Spiel mit dem täglichen Unbekannten …

 

PS Song zum Thema:  Ramones – Spiderman

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Angkor Wat – Ein sehr besonderer Sonnenaufgang

Wann geht denn die Sonne auf?

Diese Frage stelle ich dummerweise erst, nachdem ich – wie eine Menge anderer Leute – um knapp halb Sechs vor dem stockdunklen Eingang zu Angkor Wat stehe. Die Frage betrifft die Zeit: was ist der Grund, dass man um halb Fünf aufstehen muss, um dermassen früh schon hier zu sein, denn – und das ist die Frage aller Fragen überhaupt … Aber niemand scheint sie zu beantworten können. Die ewigen Mysterien Asiens …

 

Dunkel wie in einem Kuhmagen

Ich stolpere im Licht der iPhone-Taschenlampe über die Brücke hinüber zum Eingang, vor, hinter und neben mir eine ganze Menge anderer schemenhafter Gestalten, stumm und müde. Man hört allenfalls allenfalls unterdrücktes Murmeln, ein kurzes Lachen, Schritte auf Stein. Das Ganze erinnert unangenehm ans Militär, Nachtmärsche …

Es ist dunkel wie in einem Kuhmagen, ein paar vereinzelte Sterne blinken am wolkenlosen Himmel, Mauern aus uralten Steinen wachsen vor den verschlafenen Augen in die Höhe. Mitten im riesigen ummauerten Hof liegt ein Teich, offenbar der Versammlungspunkt der Sonnenanbeter. Langsam kriecht die Dämmerung heran, die Welt erhält Form und Farben, und jetzt erkennt man die Brüder im Geiste, die sich, Smartphones, Kamera, iPads gezückt, am Teich versammelt haben.

Doch der Magen ist leer, der Geist ebenso, und so entschliesst man sich, Sitzplätze am Teich hin oder her, einen Kaffee zu trinken. Wieder einer dieser merkwürdigen Anlässe am frühen Morgen, und wieder taucht eine Erinnerung auf, die sich – wie könnte es anders sein – in Indien abgespielt hat, genauer gesagt in Udupi, ein paar Stunden südlich von Goa (oh Indien, du Quelle wunderbarster Episoden, du zum Leben erwecktes Monty Python Sketch).

 

Kaffee mit Zusätzen

Der Kaffee ist gut (mit Kondensmilch!) und könnte im Notfall Lazarus zum Leben erwecken, der dazu bestellte Banana-Pancake entspricht allerdings weder in Form noch Inhalt den Erwartungen, aber einmal mehr, was soll’s.

Dass innerhalb von wenigen Minuten etwa zwanzig winzige, weisse Mücken (Fliegen? Motten?) leblos im Kaffee schwimmen und diesem einen milchigen Teint verpassen, finde ich dann doch etwas too much, und so entsteht ein Rennen auf Zeit, indem ich versuchen muss, mehr Mücken aus dem Kaffee zu fischen als sich neue in den Tod stürzen …

 

You can hardly see the hand in front of the face
Man sieht kaum die Hand vor dem Gesicht
Angkor Wat early in the morning
Restaurants bei Angkor Wat

 

Eine Million Klicks …

Irgendwann – in der Zwischenzeit hat sich der Platz vor dem Teich gefüllt – schleicht sich eine anfangs unmerkliche Röte hinter den majestätischen Tempelanlagen heran, Unruhe entsteht, ein mehrsprachiges, nervöses Gemurmel liegt erwartungsvoll über der unwirklichen Umgebung, und da, wie ein plötzlicher Farbklecks am Himmel, genau hinter den Türmen, orange und rund und leuchtend, die Sonne … Und eine Million Klicks, alle im genau gleichen Augenblick …

 

Heller
Langsam wird’s heller
Die Sonne, noch versteckt
Und da ist sie – die Sonne
Da ist die Sonne
Und jetzt taucht die auf, endlich

Alles in allem, ja, es hat sich gelohnt, obwohl es wahrscheinlich Millionen besserer Fotos gibt, doch es sind die eigenen, die zählen. Wenn man genau den richtigen Platz gewählt hat, dort, wo sich die Tempelanlage im Wasser des Teiches spiegelt, den richtigen Augenblick erwischt, die richtige Position der Türme,  dann ist das pure Magie …

 

Und jetzt erst sind sie alle sichtbar, die hunderten von Zuschauern, alle berührt durch das wunderbare Spektakel, das sich alle Tage in grandioser Regelmässigkeit wiederholt …

 

Spectators at Angkor Wat
Zuschauer bei Angkor Wat

 

Von einem Steinhaufen zum nächsten

Doch Tag hat erst begonnen, und er verspricht lang und heiss und – da vieles schon gesehen – etwas mühsam zu werden. Doch der Tuk-Tuk-Fahrer spult sein Programm ab, lädt mich da ab und dort, und während er den nächsten gemütlichen Schwatz mit einem Kollegen abhält, stolpere ich zum nächsten Steinhaufen, bin immer noch begeistert, doch immer weniger motiviert und ärgere mich in zunehmendem Mass über die vielen Reisegruppen, die weder sehen noch staunen, sondern ausschliesslich knipsen und zwar vornehmlich sich selber oder die anderen Teilnehmer …

 

Angkor Wat
Der Weg hinein …
Verfallene Tempel
Noch mehr Steinhaufen …

Langsam kenne ich mich aus. Ich folge nicht den Menschenmassen, die sich träge von einem Tempel zu anderen schleppen, ich suche meine eigenen Wege. Manchmal sind sie abseits des Trubels, inmitten überwachsener Hügel, die mit grosser Wahrscheinlichkeit ebenfalls etwas verbergen, manchmal hinter einer Abzweigung.

Es ist ein Wunder. Ein menschengemachtes Wunder. Dem Urwald entrissen, vielleicht im letzten Moment.

 

Wer gewinnt?
… manche kaum mehr zu erkennen
Überreste
Kurz vor dem Zusammenbruch
Natur und Architektur
Krieg zwischen Natur und Mensch

Und so geht ein weiterer Tag dahin, beinahe der letzte, es wird nun eng, richtig eng …

 

Abend in Siem Reap

Siem Reap, obwohl ein Touristenort erster Klasse, mit zahlreichen Restaurants, die jedes Menü anbieten, mit Musik, Ausstellungen und dem unausweichlichen Verkehrsaufkommen, gefällt mir gut. Die Stadt selbst bietet nicht allzu viel, das braucht es auch nicht, denn jeder kommt wegen Angkor Wat.

Trotzdem fühle ich mich wohl. Genauso wie am Tag zuvor esse ich in meinem Restaurant, und während ich genussvoll esse, beobachte ich das Treiben auf den Strassen und Gassen. Leise Wehmut kommt auf, den morgen geht’s zurück nach Phnom Penh …

 

PS Song zum Thema:  The Marbles – The Walls fell down

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Angkor Wat – Das achte Weltwunder

Angkor Wat mit dem Fahhrad?

Obwohl mich sämtliche Tuk-Tuk-Fahrer in selbstverständlich nur ehrenwerter Absicht davor gewarnt haben, die Fahrt zu den Tempeln mit dem Fahrrad abzustrampeln, kann ich es mir nicht verkneifen. Ich finde, man sollte für das achte Weltwunder auch ein bisschen was dafür tun müssen und nicht nur 20 Dollars Eintritt bezahlen (was für sich allein genommen schon eine ziemliche Abbitte ist).

Eine ähnliche, genauer gesagt von den gleichen Urhebern erbaute Anlage gibt es in Laos und zwar in Champasak, nur unwesentlich nördlicher als die viertausend Inseln. Aber da war doch was, und einmal mehr im Zusammenhang mit einem Fahrrad …

 

Very far, very hot

Ich bin also gewarnt, doch das Fahrrad der “The White Bycicle Company” scheint – abgesehen von einem Sattel, der sich anfühlt wie aus Eichenholz geschnitzt – in Ordnung zu sein.

Der Eintritt beträgt entweder 20 Dollars für einen Tag oder 40 für drei. Ich möchte aber einen Pass für zwei Tage, was es aber dummerweise nicht gibt. “Be happy, so you can enjoy Angkor Wat for three days.” Ja, wunderbar, blöd nur, dass ich am dritten Tag wieder auf dem Weg nach Phnom Phen bin.

 

The temples of Angkor Wat
Die Tempel von weitem

 

Der lange Weg zum Eingang

Von weitem sieht es aus, als wäre der angedrohte Volksaufmarsch beim Haupttempel, Angkor Wat, eine grosse Übertreibung. Der lange Weg über die Brücke zum Eingang scheint nicht übermässig bevölkert zu sein, und auch im riesigen Innenhof, der zur eigentlichen Tempelanlage führt, verlieren sich die Besucher.

 

Türme und Reliefs

Und so betrete ich also das achte Weltwunder, zwänge mich durch dunkle Gänge, trete über allerhand überraschende Ausgänge wieder ins gleissende Licht und die in die Zwischenzeit geradezu umwerfend heisse Luft hinaus und stehe einmal mehr, atemlos, gerührt, vor den schwärzlichen Mauern, den symmetrischen Türmen, den steilen Treppen, den unirdisch anmutenden Reliefs, die auch nach achthundert Jahren noch nichts von ihrer Faszination und Schönheit eingebüsst haben …

 

Unearthly looking reliefs
Unirdisch anmutende Reliefs
Towers
Gut erhaltene Türme
deteriorating towers
Weniger gut erhaltene Türme

Was soll man sagen, es ist irgendwie – wie der Petersdom, die Pyramiden von Gizeh, die chinesische Mauer – nicht in Worte zu fassen, also lasse ich es lieber bleiben und wünsche allen Lesern einen Besuch auf eigene Faust, um das Unbeschreibliche am eigenen Leib zu erfahren …

 

Einigen geht die Luft aus

Und es gibt einen weiteren Innenhof, dort, wo sich der steile Aufstieg zum zentralen Heiligtum befindet (und wo man die Mütze ablegt und die zu kurzen Hosen langzieht), da wird nun klar, was mit den Menschenmassen gemeint ist. Es drängen sich Hunderte von Menschen aller Nationalitäten und Sprachen auf wenigen Quadratmetern, man pufft und drängt und wettert, wenn es nicht vorwärtsgeht, weil einem etwas korpulenteren chinesischen Mütterchen mitten im Aufstieg die Luft auszugehen droht …

 

Tired artists
Müde??
Ascent to temple
Stau beim Aufstieg zum Tempel

 

Schule für elternlose Kinder

In einem der gut erhaltenen Tempel ist eine Schule für elternlose Kinder untergebracht. Es sind ungefährt 25 Kinder, aus unterschiedlichen Dörfern und Regionen stammend, alle mit dem gleichen Schicksal. Einige lernen traditionelle Khmer Musik, andere studieren die Khmer Sprache und die buddhistischen Riten und Gebete. Natürlich wird auf milde Gaben gehofft. Dem komme ich gerne nach.

 

Pagoda School for orphaned Children
Pagoda School for orphaned Children

Der nächste Weg, den ich mir gewissenhaft beschreiben lasse, führt geradeaus und dann rechts. Man müsste also meinen, alles klar, und tatsächlich, das Dschungeldach gibt eine weitere Tempelanlage frei.

 

Entrance to Bayon
Der Weg zum nächsten Heiligtum
Guardian
Er zeigt mir den Weg
Das muss das angepeilte Ziel sein. Und wirklich, der Vergleich mit Angkor Wat ist natürlich schief, aber die Tempel strahlen eine eigene Faszination aus. Hier sind es vor allem in Stein gehauene, für die Ewigkeit geschaffene Buddhafiguren, deren starrer Blick ein leichtes Unbehagen auslöst.

 

Entrance
Der Eingang
Admiration
Bewunderung
Reference
Ehrfurcht
Astonishment
Erstaunen
Canticle
Lobgesang
Discomfort
Unbehagen

 

Angkor Thom

Die Begeisterung ist gross, doch aufgrund der Beschreibung im Guide gehört diese Anlage nicht zu den Höhepunkten.

Na ja, also darüber liesse sich nun diskutieren, doch der Sicherheit halber ist Nachfragen keine schlechte Idee. Und wer nun denkt, dass ich mich wieder mal vertan hat, liegt … goldrichtig, denn das, was mir derart Eindruck gemacht hat, ist Bayon, die zentrale Tempelanlage von Angkor Thom, neben Angkor Wat DER Höhepunkt. Legen wir also den Mantel des Schweigens über das neueste Missgeschick und gehen weiter …

 

Sunlight in afternoon over ruins
Im Sonnenlicht am späten Nachmittag
Der Zahn der Zeit
Der Zahn der Zeit
Natur
Die Natur holt sich ihr Eigentum zurück
Brute Force
Brutale Kraft
Relentless
Unaufhaltsam
Destroying
Zerstörerisch
Nature and culture
Wie lange noch?

 

Heiss und müde

In der Zwischenzeit ist es so heiss geworden, dass sogar mir, der heisse und feuchte Temperaturen über alles liebt, der Schweiss in Strömen über das Gesicht und den Rücken läuft.

Die holprige schlechte Strasse, die Abgase der unzähligen Vehikel, die mich überholen oder entgegenkommen, der Gegenwind, tragen das ihre dazu bei. Es mag also nicht gross erstaunen, dass ich nach der nächsten Tempelanlage, deren Namen ich mir immer weniger merken kann, die Rückfahrt nach Siem Reap antrete und im Hotelzimmer alle Viere von mir strecke …

 

PS Song zum Thema:  Wye Oak – Glory

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Tonle Sap Lake – Das dumpfe Röhren der Motoren

Ferien sind auch nicht mehr, was sie mal waren.

Das könnte man aufgrund der sich häufenden Frühaufstehaktionen den Eindruck gewinnen. Ich weiss nicht, das wievielte Mal ich nun vor sechs Uhr aufstehen muss, weil entweder der Zug, der Bus, das Tuk-Tuk oder sonst irgendeine Dringlichkeit dies verlangt.

Allerdings gewöhnt man sich daran, und vor allem, man hat es gewusst, gibt es doch mancherlei Erinnerungen an frühere Erfahrungen dieser Art (Mandalay, Santiago de Cuba, Marokko, Pak Beng … und viele andere).

 

Erinnerungen an Varanasi

Besonders im Gedächtnis geblieben ist die frühmorgendliche Fahrt in Varanasi (früher Benares genannt). Man stelle sich einen grauen, noch kaum durchsichtigen Morgen vor, ein leichter Nebel liegt in der Luft, der Fahrer der Velo-Rischka, ein drahtiger Mann nicht mehr ganz in den besten Jahren (was in Indien wahrscheinlich zwischen dreissig und vierzig bedeutet) tritt mit aller Kraft in die Pedalen.

Unser noch schlaftrunkener Blick – schliesslich ist es kurz nach fünf – schweift in die Umgebung und erkennt auf den Feldern abseits der Strasse unzählige schemenhafte Gestalten, manche aufrecht, die meisten jedoch hingekauert, und alle gehen sie ihrer morgendlichen Notdurft nach, oder mit anderen Worten, sie kacken. Na gut, in Abwesenheit geeigneter sanitärer Anlagen gibt es wohl keine anderen Möglichkeiten …

 

Ganges at Varanasi
Das Ufer des Ganges
Ganges at Varanasi
Ruderfahrt am frühen Morgen
Sunrise at the Ganges
Darauf haben wir gewartet – der Sonnenaufgang über dem Ganges

Später dann, auf dem Ganges, weitere erinnerungswürdige Gegebenheiten, die für sich allein ein Kapitel wert wären (allein der Geruch der brennenden Leichen, die frühmorgends am Ufer des Ganges kremiert werden, verleiht den Erinnerungen die notwendigen Sinnesaspekte).

 

Speedboat

Heute ist es die Abfahrt des Speedbootes, das mich mitten in der Nacht aus den Federn holt und mich in Windeseile nach Siem Reap, der letzten Station meiner Reise und Sitz der weltberühmten Tempel von Angkor Wat, bringen soll.

Es gibt zur Abwechslung wieder mal eine Aufregung meines Tickets wegen (auch dies eine sich wiederholende Erfahrung), und auch diesmal löst sich alles in Wohlgefallen auf. Das Boot schaut schon mal sehr schnittig aus, mit schmalen Körper, spitzem Bug, weissgestrichenem Dach, auf dem sich bereits eine Anzahl Passagiere bequem gemacht hat.

 

Speedboat on Tonle Sap Lake
Eine illustre Gesellschaft auf dem Dach des Speedboots

 

Dumpfes Röhren der Aussenbordmotoren

Pünktlich zur Abfahrtszeit dröhnt der Motor auf, langsam bewegt sich das Boot vom Ufer weg, dann, mit einem dumpfen Röhren wie aus dem Rachen eines urzeitlichen Ungetüms, schwillt der Lärm an, und wir bewegen uns. Leicht wie eine Feder, so scheint es, doch immer schneller und schneller gleiten wir über das Wasser des Tonle Sap Rivers, doch erst in der Mitte des Flusses, wenn endlich freie Fahrt möglich ist, gibt der Kapitän Vollgas.

 

Wow! Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie schnell das Teil fährt, aber das Ufer eilt in derartigem Tempo vorbei, dass man den Eindruck hat zu fliegen. Es sind genau 231 Kilometer Luftlinie, also dürften es mit allen Windungen des Flusses noch ein paar mehr sein, und das Boot braucht für diese Distanz knapp fünfeinhalb Stunden, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von zwischen 40 und 50 Kilometer pro Stunde entspricht. Nicht schlecht schlecht!

 

The shore of the Mekong
Geschäftiges Treiben am Ufer

 

Tonle Sap Lake

Allen Abwechslungen zum Trotz – immerhin fahren wir zwischenzeitlich wieder auf dem Mekong – wird man mit der Zeit etwas schläfrig, die Uferlinie wird diffus, bis der Kopf vornüberkippt und man ein halbes Stündchen Schlaf nachholt … Doch pünktlich beim Erreichen des riesigen Tonle Sap Lakes, dem grössten Süsswasser-Reservoir Südostasiens, wird man wieder hellwach.

Der See ist überraschenderweise nicht blau, sondern von einem dunklen Braun, genauso wie der Himmel, der genauso wenig blau ist, sondern eine bräunlich-graue Tönung aufweist, was dem Ganzen eine unwirkliche Dramaturgie verleiht. Falls es auf dem Mars Wasser gäbe und einen See, dann müsste er ungefähr so aussehen …

 

Tonle Sap Lake
Tonle Sap Lake – jetzt mit niedrigem Wasserstand
Brown water on Tonle Sap Lake
Eine bräunliche Suppe

Wir tauchen also ein in die bräunliche Suppe, jeder Anhaltspunkt an Land ist verschwunden, wir sind allein, verloren im Niemandsland, für ewig auf dem Weg in die Unterwelt Hades …

Doch halt, das ist natürlich pathetischer Unsinn, der Kapitän, ein hagerer Mitvierziger, bohrt sein Auge in die unendlich scheinende Weite, orientiert sich an meterhohen, aus Holzstangen zusammengenagelten Bojen, die von weither sichtbar sind … und bringt uns schiesslich in die Zivilisation zurück, zum Anlegehafen, wo wir bereits von geschätzten zehntausend Tuk-Tuks erwartet werden.

 

Lost
Fast keine Anhaltspunkte mehr

Land in Sicht

Nach knapp fünf Stunden ändert sich die Umgebung. Der See verengt sich, wird wieder zu einem Fluss. Am Ufer tauchen die ersten Boote auf, auch Hütten, die auf dem Wasser schwimmen. Sie machen nicht unbedingt einen stabilen Eindruck.

 

Ziel in Sicht
Das Ziel kommt näher
Swimming houses
Schwimmende Häuser – nicht sehr stabil
different means of transport
Andere Transportmittel
Huts on stelts
Hütten auf Stelzen
We are being expected
Empfangskommittee
WE have arrived
Empfang und Begrüssung

„Welcome Landolt“

Dann ist es definitiv soweit – am Ufer begrüssen uns reihenweise Hütten, Stände, Sonnenschirme und zahlreiche Fahrzeuge mit zugehörigen Menschen. Es scheint, dass das Ziel nicht mehr allzu weit entfernt ist.

Einer trägt ein Plakat, darauf steht in grossen Buchstaben: Welcome Landolt!

 

PS Song zum Thema:  Meat Puppets – Lake of Fire

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Tuol Sleng – Das Gesicht des Bösen

Gibt es eine Grenze, wozu der Mensch fähig ist?

Erinnerungen werden wach.

An die Könige von Kambodscha – Brüder, Verwandte? – die einander entweder ablösten oder bekämpften. An eine schreckliche, brutale, unmenschliche Zeit, während Pol Pot und seine Entourage Millionen von Menschen in die Killing Fields schickten, wo sie verhungerten oder totgeschlagen wurden.

Aber mehr dazu später.

 

Phnom Penh

Monument of a Duran fruit?
Könnte es eine Durian-Frucht sein? Als Monument? Sehr eigenartig

Ich bin jetzt in Phnom Penh, der Hauptstadt, und weiss nicht, was mich erwartet.

Auf den ersten Blick ist es eine normale asiatische Grossstadt, mit Millionen von Einwohnern, viel Verkehr, viel Hektik. Und pompösen Gebäuden und irgendwelchen undefinierbaren Bauwerken.

Sie werden von dieser Art Machthaber gerne als Erbe ihrer meistens unseligen Herrschaft hinterlassen. Das erste begrüsst mich schon kurz nach der Ankunft mit meinem TukTuk.

Keine Ahnung, was es darstellen soll. Ich bin auch nicht wirklich interessiert daran, es herauszufinden.

Die ersten Eindrücke sind bekanntlich die wichtigsten, also fühle ich mich nicht auf Anhieb wohl. Das was ich heute Nachmittag herauszufinden beabsichtige, wird auch nicht zu einem besseren Image der Stadt verhelfen, da bin ich sicher.

 

 

TukTuk in Phnom Penh  Houses in Phnom Penh

Und dann lande ich mit einem TukTuk in meinem Quartier.

Es sieht nicht unbedingt einladend aus. Was bedeutet das für meine Ausgangsideen für den Abend? Mal sehen … Ich bin offenbar in einer Gegend gelandet, die nicht unbedingt zu einem entspannten Zustand beiträgt.

Jetzt ist Mittagszeit, heller Tag, ich werde zwar beobachtet, aber das Interesse scheint nicht wirklich gross zu sein. Offenbar sehe ich nicht wie ein potentielles Opfer aus. Wie es allerdings heute Nacht sein wird, wenn ich von Abendessen zurückkomme, wird sich zeigen.

Die Armut in Phnom Penh ist gross …

 

Das Tuol Sleng Genocide Museum

The Tuol Sleng Genozide Museum in Phnom Penh
Der Eingang zu einem ganz normalen Gebäude …

Am Nachmittag mache ich mich auf für etwas, wovor ich mich fürchte.

Denn schon fast am Schluss dieser Reise – das Schlimmste … das Tuol Sleng Genozid Museum

Ich werde auf keinen Fall mich dem Zug der Lemminge anschliessen und die Killing Fields besuchen. Diese Art Touristenattraktionen will ich mir sparen. Sie sind etwas für Voyeure.

Das Genocide Museum ist etwas anderes. Es zeigt kühl und sachlich, was gewesen ist. In all seiner Grausamkeit.

Und es soll vor allem daran erinnern, zu welchen Taten der Mensch fähig ist.

Man hat von aussen den Eindruck eines ganz normalen Gebäudes. Was auch die Absicht der Folterer war. Niemand sollte wissen oder vermuten, was hinter den Mauern vor sich geht.

Vielleicht wusste es wirklich niemand. So wie bei den Konzentrationslagern der Nazis. Da wusste im Nachhinein auch niemand etwas davon.

Dreizehn Männer und eine Frau

Im Hof blühen Magnolienbäume. Ihre Blüten hängen schwer und schlaff herunter, wie ein farbiger Schirm über vierzehn Gräbern, die wie weissgestrichene Särge aussehen. Dreizehn Männer und eine Frau. Nicht mehr zu identifizieren aufgrund der starken Verwesung.

Die letzten Opfer des Gefängnisses Tuol Sleng.

 

Vierzehn Gäber
Vierzehn Gäber

 

Das Böse an sich

Tuol Sleng. Schon der Name klingt wie eine Drohung, wie das Böse an sich. Neben den Gräbern befindet sich eine Art Teppichstange, so wie man sie früher hatte. Auf den ersten Blick nichts Besonderes.

An der Querstange sind jedoch Haken angebracht, darunter je ein Tongefäss, ungefähr einen Meter hoch. Man muss es nachlesen, um den Horror zu begreifen. Den Gefangenen wurden die Arme auf dem Rücken zusammengebunden und daran hochgezogen, bis sie das Bewusstsein verloren. Um sie wieder ansprechbar zu machen, tauchte man sie in die Tongefässe, die mit Pestiziden versetztem Wasser gefüllt waren …

 

Read it yourself
Man lese es selbst … und erschauere dabei

 

Torture methods in Tuol Sleng
Besonders perfide Foltermethoden

 

Schulzimmer

Die Gebäude, fast etwas baufällig.

Auf jedem Stock aneinander gereihte ehemalige Schulzimmer. Darin verrostete Bettgestelle, darauf Patronenkisten, leer, jeweils eine Kette, auf den Boden hängend.

 

The Security of Regulation
Zeugnisse des Schreckens

 

prove of the cruelty of the Human species   One of the last victims

Steigerung der Schrecken

Jedes Gebäude stellt eine Steigerung der Schrecken dar. Die Bilder der Ermordeten.

Sauber nummeriert, wie bei den Nazis. Bürokraten am Werk. Was man tut, macht man richtig. Alte Männer, Frauen, Kinder, viele Männer. Teilweise mit schrecklichen Wunden. Ist es Würde, was sie ausstrahlen oder ist ihnen nicht bewusst, was sie erwartet?

 

Faces of victims
Die Gesichter der Opfer

Dann die Bilder der Anführer, Pol Pot, dessen Leiche auf einem Haufen alter Autoreifen verbrannt wurde. Die meisten anderen leben noch. Beinahe Alltagsgesichter, wenn da die Augen nicht wären. Die Banalität des Bösen. Die schlimmsten Szenen sind gezeichnet, doch man geht schnell vorbei oder bleibt doch stehen.

Die Faszination des Bösen.

 

Prison cells
Zellen

Die Zellen. Zwei Meter mal achtzig Zentimeter. Flecken am Boden. Die Luft ist schal, doch man vermeint den Geruch des Todes zu riechen. Es ist still. Kaum jemand redet, auch die jungen Backpacker nicht …

Anschliessend langsames Zurückgehen ins Stadtzentrum. Keine Lust für gar nichts …

Irgendwann, weit weg, wo der Tonle Sap River mündet, der Mekong. Wenigstens das …

 

Durchatmen

Doch Kambodschas Hauptstadt hat nicht nur deprimierende Anblicke und böse Erinnerungen zu bieten. Es gibt wunderschöne Häuser, vielleicht noch aus der Kolonialzeit, und spielende Familien am Mekongufer. Sie machen einiges am Bösen des Vormittags gut.

 

beautiful houses in Phnom Penh  Families

 

Heimatlose Kinder am Ufer des Mekong

Doch es gibt nicht nur Tuol Sleng, es gibt andere Szenen und Bilder, die das Herz schwer machen. Auf dem Trottoir in der Nähe des Mekongufers spielen Kinder.

Doch es sind nicht irgendwelche Kinder, die sich hier den Nachmittag vergnügen. Es sind elternlose, heimatlose Kinder – Strassenkinder (siehe Kathmandu).

Sie machen, trotzdem man die Armut von weitem sieht, keinen Eindruck von Hoffnungslosigkeit, im Gegenteil. Sie spielen, machen Blödsinn, lachen.

Mir ist nicht nach Lachen zu Mute. Ich fühle mich schlecht, weiss einmal mehr nicht, wie ich damit umgehen soll. So wie es uns allen geht, wenn wir einem Problem gegenüberstehen, das wir zwar erkennen, aber nicht zu ändern vermögen.

Oder täusche ich mich? Versuche mich, aus der Verantwortung zu ziehen?

Ein Schweizer Arzt namens Beat Richner hat das Elend erkannt und vor vielen Jahren in Siem Reap eine Klinik für Kinder aufgebaut, in der sich jeder kostenlos behandeln kann. In der Schweiz wird er zu Recht als Held verehrt. Was würde er an meiner Stelle tun?

Ich weiss es nicht …

 

Street kids in Phnom Penh
Strassenkinder in Phnom Penh

 

PS Film zum Thema: The Killing Fields

Und hier geht die Reise weiter …

 
Südostasien

Kampot – Survival im Strassenverkehr

Nun also Kampot, eine knappe Stunde von Kep im Landesinneren. Ein ruhiges Plätzchen, an dem man seine Beine ausstrecken kann, oder in meinem Fall, könnte. Der äusserst enge Zeitplan lässt leider nicht mehr als einen Tag zu.

 

Waiting for the Bus  as well as the TukTuks

 

Bus to Kampot

Ein letzter Blick auf den Hauptplatz, wo die versammelten TukTuks auf Kunden, und die Touristen auf ihre Weiterfahrt warten.

Es ist zwar heiss, aber die Restaurants und Cafés am Platz haben ihr Businessmodell längst entdeckt und bieten alles an, was das durstige und hungrige Backpacker Herz verlangt.

Ich bin etwas verstimmt über meine Reiseplanung, hätte ich doch mit Vergnügen noch ein paar Tage in diesem wunderbaren Städtchen verbracht.

Aber so ist es mit dem Reisen – man will zwar dem Stress zuhause entfliehen und schafft sich sogleich neuen … Wir sind eine seltsame unerklärliche Spezies …

Aber das kennen wir in der Zwischenzeit nur allzu gut. Ich erinnere an Mandalay oder Mysore oder Montevideo oder Jaipur

Immer steht zuwenig Zeit zur Verfügung, immer besteht der dumme Reiseplan darauf, dass es nun endlich weitergehen soll. Ich muss dringend über die Bücher.

 

Kampot

Und dann bin ich in Kampot.

Zuerst ein ein langer Erkundungsspaziergang dem Fluss entlang, über eine altersschwache Brücke, deren Betonelemente zum Teil abgebrochen sind und nun, an den letzten Armiereisen hängend, darauf warten, dass die Korrosion ihren Lauf nimmt. Ausserdem ist sie so schmal (und trotzdem von unzähligen Fahrzeugen befahren), dass man als Fussgänger einfach mal grundsätzlich vom Über- oder Angefahrenwerden bedroht ist.

 

A bridge in great danger of collapse  Road along the river

 

Survival im asiatischen Strassenverkehr

Meine Erfahrung hinsichtlich Survival im südostasiatischen Strassenverkehr hat sich aber in der Zwischenzeit zu einem Spiel entwickelt, das ich gerne mitzumachen bereit bin. Es geht im Grunde genommen immer darum, seine Absicht klar zu machen.

Niemals zögern, sondern weitergehen, andernfalls entsteht Verwirrung, und ein Chaos – oder Schlimmeres – ist vorprogrammiert. Also mutig hinaus auf die Strasse, eine Lücke sehen und sofort losmarschieren. Der Blick sollte nun ausschliesslich auf dem entgegengesetzten Verkehr liegen; macht man es richtig, weiss der entgegenkommende Töff- oder Busfahrer, was ich beabsichtige.

Alles klar? Ist nicht für jedermann zur Nachahmung empfohlen, andererseits bin ich sicher, dass es schon Fälle gegeben hat, wo Fussgänger beim Warten auf eine günstige, d.h. ungefährliche, Möglichkeit verhungert sind …

 

Restaurant Wunderbar

Die Strasse entlang dem Fluss, die Hauptattraktion von Kampot, ist gesäumt von unzähligen Restaurants, Cafés, Hotels, Läden, und mein Blick fällt schon bald auf den etwas eigenwilligen Namen “Wunderbar”.

“Wunderbar”? Na gut, die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei um eine kambodschanischen Kneipe handelt, ist denkbar klein, und tatsächlich, der Wirt ist weiss, schlank, emsig, und ich wette meine letzten Dollars, dass er ein Landsmann ist.

Es entwickelt sich eine lebhafte Diskussion. Es geht darum, wie es sich in Kambodscha lebt, vermisst man etwas und wenn ja, was, verfolgt man die Ereignisse in der Heimat, und verändert sich aus der Ferne der Blick auf die Heimat. Ist es überhaupt wichtig oder unumgänglich, dass man den Kontakt aufrecht erhält? Sind die Wurzeln so tief, dass man sie nicht so einfach ausreissen kann?

Aber vielleicht ist das alles gar nicht so wichtig. Wir sind ja eigentlich im Kontext der globalen Zusammenhänge und Probleme ein winziges Rädchen.

Oder wie sagte doch Rick in “Casablanca”, als er sich von Ilsa verabschiedet:

It doesn’t take much to see that the problems of three little people don’t amount to a hill of beans in this crazy world. Someday you’ll understand that.”

Recht hat er.

 

PS Film zum Thema:  Casablanca

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Kep – The Standing Buddha

“Standing Buddha, 640 Meter”. Ein Buddha, hier, mitten im Dschungel? Und “Standing??” Im Normalfall sitzen oder liegen die Kerle doch, von rundlicher bis vollfetter Gestalt, im Gesicht ein weises, mitunter etwas einfältiges Lächeln.

Ich schaue mich um, die Strasse macht hier eine Rechtskurve, bevor sie im Schatten der Bäume verschwindet. Der Weg zum Buddha hingegen ist ein schmaler Pfad, der sofort in eine Steigung übergeht und zwischen herunter hängenden Ästen dem Blick entflieht.

Kep
Blick auf Kep hinunter
Path through the forest
Ein lauschiger Waldweg …
Route through forest
… mit Routenbeschreibung

Ein langer Weg

Ich befinde mich auf dem knapp zehn Kilometer langen Wanderweg durch den Kep National Park, und alles ist gut. Kein Laut ist zu hören, sieht man vom keckernden Ruf eines unsichtbaren Vogels ab. Er sucht irgendwo im Geäst seine Partnerin (oder ist er auf der Suche nach Abwechslung?).

Es ist zwar – obwohl früher Vormittag – bereits sehr heiss, doch Bewegung tut gut nach sovielen Tagen und Wochen ohne sportliche Betätigung. Die Entscheidung fällt schwer, doch wie immer, wenn es mir vor lauter Wohlgefühl zuviel wird, versuche ich das zu tun, was mich wachrüttelt. Dann also der Standing Buddha …

 

so many places to go
Viele Wege
The path gets narrow
Der Weg wird schmaler

Kep

Kep entspricht im Wesentlichen dem, was der Lonely Planet versprochen hat, ein kleines aufstrebendes Städtchen, ohne eigentliches Zentrum. Die Häuser, Resorts, Restaurants sind in weitem Umkreis verstreut. Von der Kep Beach – einem knapp dreihundert Meter langen Streifen, den man tatsächlich als Strand bezeichnen kann – führt eine breite, eine sehr breite Strasse in Richtung Landesinnere und damit auch zu meinem Hotel.

Ich betone das “breit”, weil parallel zum asphaltierten Stück auf beiden Seiten ein unbefestigter Streifen entlang führt, sodass das Ganze breiter ist als eine sechsspurige Autobahn. Irgendwie seltsam, denn diese Strasse, so breit sie auch sein mag, ist genauso leer wie diejenige von der Grenze hierher. Gelegentlich tuckert ein Tuk-Tuk mit einem Touristen vorbei oder ein Motorrad, ansonsten kann man getrost über die Strasse gehen, ohne sich vorher umzusehen.

Mein Hotel

Beim Hotel jedoch habe ich einen fast schon überirdisch guten Griff getan. Es ist ein eigenwilliger Bau, ganz anders als die anderen, und wie sich später herausstellt, vom Besitzer, der als Civil Engineer arbeitet, entworfen und gebaut. Die Zimmer sind gross, hell, sauber, mit einem wunderbaren Balkon (auf dem – wie König in Frankreich – das Frühstück serviert wird).

Die Inhaberin ist sympathisch, freundlich und hilfsbereit, und wir befinden uns schon sehr bald in langen Diskussionen über die Art und Weise, wie ein neues Hotel bekannt gemacht werden könnte. Kurz, ich fühle mich sauwohl, nur schade, dass ich nur zwei Nächte bleiben kann, denn wie bereits erwähnt, die Zeit läuft mir davon …

Ein riesiger Standing Buddha

Der Weg zum Standing Buddha (ich hoffe, er verdient die Anstrengung) ist entgegen aller Erwartung ziemlich steil, schmal und ein dauerndes Auf und Ab. Wenn er sich gelegentlich im Dickicht verkriecht und man sich orientieren muss, erinnert man sich mit einem leisen Schaudern daran, dass man ihn auf keinen Fall verlassen sollte (wie war das schon wieder mit den Zwergen im Düsterwald? Auf keinen Fall den Weg verlassen!).

Nur sind es in meinem Fall nicht riesenhafte Spinnen, die da lauern, sondern Überbleibsel des Krieges. Der Hügelzug scheint eine gewichtige strategische Rolle gespielt zu haben, und dewegen wurden ganze Gebiete vermint. Nun denn, ich habe keine Lust, plötzlich an mehreren Orten gleichzeitig zu sein. ich bleibe deshalb brav auf dem Pfad. Ich keuche hinauf und hinunter, komme immer mehr zur Überzeugung, dass das Ziel mal wieder eine Fata Morgana bleiben wird. Doch da taucht ein riesenhafter Baum auf, umschlungen von einem weiteren, der ihn beinahe zu erdrosseln droht.

Dort, wo sich der Stamm zu einer mehrere Meter grossen Öffnung spaltet, steht der Buddha, tatsächlich. Ein waschechter Standing Buddha, diesmal eine schlanke Ausgabe, weises Lächeln eingeschlossen, und auch wenn ich die Augen noch so zukneife, er misst einfach nicht mehr als dreissig Zentimeter. Für diesen Mini-Buddha habe ich geschwitzt, geflucht und gekeucht. Ich hoffe, dass mir mindestens eines meiner zukünftigen Leben erlassen wird …

 

The Standing Buddha
The Standing Buddha – Miniaturausgabe

Very steep – nur für experienced persons

Zurück auf dem Wanderweg im Nationalpark … Der Rückweg vom Buddha ist geschafft, von nun an geht’s wieder auf der normalen Strasse weiter. Ich sage explizit Strasse, denn sie kann auch mit Velos oder Töffs befahren werden und einmal werde ich doch tatsächlich beinahe über den Haufen gefahren.

 

Coffee Shop
Hier gibt’s einen Kaffee
Buddha
Und hier einen anderen Buddha

Eine gute halbe Stunde später wieder eine Abzweigung, der “Jungle Path”. “Very Steep” steht da und nur für “Experienced Persons”. Ein inneres Teufelchen lacht natürlich über derartige Warnungen. Steil? Auf diesem mickrigen Hügel?

Erfahrene Bergwanderer wie ich können da auf keinen Fall gemeint sein, doch wie heisst es so schön: Hochmut kommt vor dem Fall. In meinem Fall wohl eher vor dem Aufstieg, denn eine halbe Stunde später schwimmen rote Flecken vor meinen Augen. Gott im Himmel, ich bin im steilsten Aufstieg ever gelandet!

It is much steeper than at first glance
Es ist steiler, als es aussieht

Es ist nicht einfach steil, es geht sozusagen senkrecht hinauf, unterstützt von Seilen, die alle paar Zentimeter einen Knoten aufweisen, an dem man sich notdürftig Halt verschaffen kann.

Es dauert nicht lange, und der Möchtegern-Ueli Steck ist gewaltig am Keuchen, die Pumpe dreht im roten Bereich. Herrgott, wir sind in Kambodscha, nicht in Nepal! Der Aufstieg endet schliesslich auf einer sanften Kuppe, sogar eine Sitzbank ist installiert, daneben ein Abfallkübel. Fehlt eigentlich nur noch die Sauerstoffflasche für erschöpfte Alpinisten …

 

I made it!
Geschafft!

Der allabendliche Liebesgesang der Zikaden

Der Abend dann, eine roter Vorhang senkt sich über den Dschungel. Zikaden beginnen ihren allabendlichen Liebesgesang, die Luft verliert ihre Rauheit, wird zarter, kühler. Und schon wieder heisst es Abschied nehmen, diesmal mit noch mehr Wehmut als sonst …

PS Song zum Thema:  The Beatles – Fool on the Hill

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Kambodscha – Und plötzlich diese Stille …

Nach dem abendlichen Spaziergang dem Meer entlang, mit einer unendlichen Auswahl an Seltsamkeiten, an unerwarteten und nie zuvor gesehenen Anblicken, wurde es spät. Aber jetzt erwartet mich eine weiterer, allerdings weniger erfreulicher Anblick.

 

Und wieder ein Höllenritt

Ich bin zwangsläufig schon um sechs wieder auf Achse, einmal mehr mit schwerem Kopf und leerem Magen. Man bringt mich mit dem Motorrad zum Reisebüro. Ich bin der festen Meinung, dass diese paar hundert Meter mit Abstand die gefährlichsten fünf Minuten der bisherigen Reise sind. Dass dem mitnichten so ist, werde ich in Kürze erfahren, aber dazu später.

 

Panoptikum

Vorerst geht es darum, ein weiteres Mal mal zu warten, und wieder öffnet sich meinem staunenden Blick ein Panoptikum der seltsamsten Gestalten. Eine Opera Buffa, genannt Daily LIfe, die sich hier und überall sonst abspielt. Mit vielen kleinen und grossen Dramen, vielen Komödien und erstaunlich wenig Tragödien (zumindest nicht sichtbaren). Und es scheint, dass auch dieser Tag wieder ein paar besondere neue Leckerbissen bereithält.

Ein rüstiger alter Herr fährt vorbei, ebenfalls noch im Pijama, seitwärts auf einem seltsamen dreirädrigen Töff sitzend und dabei allen Bekannten begeistert zuwinkend. Und dann steht plötzlich und unerwartet diese alte Lady vor mir, ihr rundes Gesicht in unzähligen Falten zerknittert. Sie streckt mir ein Bündel Lose hin. Auf mein bedauerndes Nein hin öffnet sie ihren Mund, in dem absolut kein einziger Zahn mehr zu sehen ist, zu einem der schönsten und charmantesten Lächeln, das ich in langer Zeit gesehen habe. Es hätte nicht viel gefehlt, und ihr Bündel Lose hätten den Besitzer gewechselt.

 

Und noch ein Höllenritt am frühen Morgen

Ja, und dann werde ich wieder auf ein Motorrad verfrachtet, Rucksack auf dem Rücken, das Daypack über der Brust, Helm auf dem Kopf, die Hände krampfhaft um die seitlichen Halterungen geschlungen, und dann beginnt der mit Abstand wildeste Höllenritt meines Lebens.

Ich bin mich ja in der Zwischenzeit einiges gewöhnt, allerdings immer aus der Perspektive des kopfschüttelnden Zuschauers, doch diesmal bin ich Teilnehmer am tollkühnen Spiel, offenbar einer aktuellen Version von “Grand Theft Töff 5″. Der Fahrer – ein junger Bursche von knapp Zwanzig – will dem Westler offenbar zeigen, wo Bartli den Most holt, denn sein Bleifuss scheint tatsächlich nur das Gaspedal zu kennen, das er die ganzen Kilometer durchgedrückt hält.

 

Paris-Dakar-Rallye

Er überholt Lastwagen, Busse, Traktoren, Motorräder, Fahrräder, Traktoren mit dröhnenden Zylindern und knatterndem Auspuff. Er weicht mit eleganten seitlichen Schlenkern Fussgängern und anderen Hindernissen aus, alle paar Minuten – die längsten meines Lebens – schrammen wir um Haaresbreite an entgegenkommenden Fahrzeugen vorbei.

In einem dieser Momente stelle ich fest, dass ich das Atmen eingestellt habe. Die Bodenwellen tun ihr ihriges, denn jedes Mal, wenn er darüberprescht, als gälte es die Paris-Dakar-Rallye zu gewinnen, schlagen die Stossdämpfer bis zum Anschlag durch. Eine Hoch auf meine Bandscheiben. Irgendwie sind wir aber plötzlich da, ein Bremsen, eine Staubwolke, ein Durchatmen, und das Abenteuer ist überstanden, überlebt.

 

Niemandsland

Zwischen den beiden Grenzposten ist Niemandsland, also auch irgendwie ausserhalb der Gesetze liegend, und so entstehen hier Casinopaläste. Riesige, geschmacklose Bauten, die wohl an Las Vegas orientiert sein sollen. In ihrer Billigkeit manifestieren sie nur, dass es lediglich darum geht, den Kunden auf möglichst einfache und schnelle Weise das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Valentino Rossi schleust mich in der Zwischenzeit durch die Zollabfertigung, doch seltsamerweise interessiert sich kein Schwein für mich, weder auf der vietnamesischen noch auf der kamobschanischen Seite. Nachdem sich Rossi mit einem letzten triumphierenden Grinsen verabschiedet hat, merke ich, dass ich in Kambodscha bin, Stempel im Pass, und heureka! wieder ein neues Land.

 

Und plötzliche diese Stille

Und das neue Land löst zunächst mal einen kleineren Schock aus. Waren es auf der vietnamesischen Seite tausend Vehikel, Millionen von Menschen, Lärm und Hektik, dann ist es hier eine plötzliche und unerwartete Stille. Eine Strasse liegt vor mir, schmal, löchrig, auf beiden Seiten von ausgedörrten Feldern umgeben, und es ist kein einziges Fahrzeug zu sehen.

Kein Mensch weit und breit, kein Lebenszeichen, sieht man von ein paar ausgemergelten Kühen ab, die im graslosen, zu Beton gebrannten Boden nach etwas Essbarem suchen. Ich bin allein in einem abgewrackten Minibus, ein dunkelbrauner Fahrer, offensichtlich ein Khmer, hat mich mit kurzem Nicken begrüsst. Er fährt mich nach Kep, wo mein heutiges Tagesziel liegt. Während er in gemächlichem Tempo die schnurgerade, immer noch absolut leere Strasse abfährt, verweilen meine Blicke, ungläubig und betroffen, auf der Landschaft. Hundert Gedanken schwirren im Kopf, die Vorstellung eines dunkeln Schattens, der wie Mordor über einem Land liegt, lässt sich nicht verdrängen …

 

Kep

Die Fahrt dauert nicht lange, es sind lediglich 25 Kilometer, und nach einer halben Stunde erreichen wir Kep. Die üblichen TukTuks erwarten mich auf dem Hauptplatz unweit des Meeres.

Central plaza in Kep
Zentraler Platz in Kep
TukTuk in Kep
Er wird mich zu meinem Hotel fahren

Der TukTuk Fahrer bringt mich an mein Ziel. Es ist bedeutend weiter als erwartet, über eine staubige, sehr breite Strasse geht’s in Richtung Landesinnere. Ein einziges Vehikel steht am Strassenrand, sonst ist absolut kein Verkehr auf der Strasse. Eine fast schockartige Erfahrung nach Vietnam …

Road in Kep
Eine breite Strasse wofür?
old truck
Heiliges Wasser

Aber das Hotel ist toll, und die Inhaberin ein Schatz. Es liegt zwar etwas abseits der Stadt, ein Fussweg von knapp dreiviertel Stunden muss man ein planen. Dafür ist das Zimmer mit Terrasse etwas vom Besten, was mir bisher untergekommen ist.

Hostess and host
Die Gastgeberin und ihr Gast
My terrace - my breakfast
Meine Terrasse – mein Frühstück

Spaziergang am Nachmittag

Wie erwähnt – der Spaziergang zur Stadt hinunter ist lang, aber voller Überraschungen. Leere Häuser stehen am Strassenrand, verlassen und von Wind und Wetter zerstört. Ich bin überzeugt, dass hier reiche Leute gewohnt haben, die wahrscheinlich durch die Wirren des Pol Pot Regimes ihr Haus verlassen mussten und möglicherweise umkamen …

A god? a goddess?
Gottheit?
Memomries of better times
Erinnerungen an bessere Zeiten

Was die merkwürdige Statue unweit des Zentrums bedeutet, entzieht sich meiner Kenntnis. Eine Gottheit …?

beach in Kep
Blick aufs Meer hinaus

Am Meer gibt es eine Reihe von Restaurants mit Blick auf den Ozean hinaus. Ich setze mich beim Ufer auf einen Stein und sehe den Fischern zu, die ihre Netze flicken.

Just watching
Just watching

Krabben

Doch irgendwann knurrt der Magen, und die Schilder vor dem Eingang der Restaurants preisen in erster Linie ihre Krabbenmenüs an. Da kann ich natürlich nicht widerstehen …

Crab dish at the beach of Kep
Krabbenmenü am Strand von Kep

Crab Amok

Der Crab-Market ist das Zentrum der Krabbenindustrie Kambodschas, also nichts wie hin, um zum ersten Mal Krabben zu essen (tja, der Bauer braucht eben etwas länger, bis er etwas isst, was er nicht kennt). Ein Restaurant reiht sich ans andere, verdächtig viele sehen nach ausländischen Eigentümern aus. Im flachen Meer sind unzählige Einheimische auf der Suche nach den begehrten Krabblern, nur Fischerboote, wie z.B. in Mui Ne sucht man vergeblich …

Nun also, Crabs. Das Problem meiner Abneigung gegen alles, was ich mit den Händen zerteilen muss, wird durch einen “Crab Amok” gelöst, eine Art Krabben-Geschnetzeltes, das nicht schlecht schmeckt, allerdings hätte ich mir tatsächlich etwas weniger Fades erwartet.

PS Song zum Thema:  Portishead – Silence

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Der Mekong löst sich auf

“Il est cinq heures, Paris s’éveille”, einer der zeitlosen Hits von Jacques Dutronc. Es ist etwas später als 5 Uhr und anstatt Paris erwacht Saigon aus seinem kurzen Schlaf. (“Les travestis vont se raser, les stripteaseuses sont rhabillées”).

Noch müde vom ebenfalls kurzen Schlaf, lehne ich an die Wand, während rings um mich bereits ein geschäftiges Tun im Gange ist. In einem Hotel in dieser Gegend darf man sich nicht wundern, wenn bis früh in den Morgen eine lautstarke Party abgefeiert wird, so wie vermutlich jede andere Nacht auch.

Das junge Mädchen, dem Lokal gegenüber meinem Hotel zugehörig, wischt die Strasse mit einem Ernst, der beinahe rührend ist  (“les balayeurs sont plein d’balais”). Alle Überbleibsel der Party, jedes Papierchen, jedes noch so winzige Mikro-Fetzchen Staub wird sorgfältig zusammengewischt. Das dauert gut und gerne eine Viertelstunde. Nach getaner Arbeit kann ich ihr den verdienten Applaus nicht verwehren, was wiederum ein überraschtes und erfreutes Lächeln auslöst. Eine alte Erkenntnis: Es ist einfach, einen Tag auf positive Weise zu beginnen.

 

Am Rand der Gesellschaft

Ein paar Meter weiter wird der Tag auf weniger positive Weise begonnen. Zwei Gestalten, eine Frau und ein Mann, wie sich bei näherer Betrachtung herausstellt, wühlen sich durch die Abfallsäcke. Ihre Hände sind geschützt durch mehrmals darum herumgewickelte Plastikfolien. Sie sind erstaunlich erfolgreich in ihrem flink und mit professioneller Erfahrung durchgeführten Tun. Karton, Flaschen, aber auch allerhand undefinierbare Gegenstände werden aus dem Müll gefischt, kurz begutachtet und je nach Eignung in einen mitgeführten Karren gelegt.

Auch das eine Erfahrung, die andere Seite der Grossstadt, ihr menschlicher Ausguss, die Menschen am unteren Rand der Gesellschaft, deren Tage einzig dem Überleben dienen. In diesen Momenten relativiert sich einiges, auch all das, was man in Reisen wie der meinen zu erfahren, zu erleben, zu erhoffen glaubt. Es gibt eine andere Welt, eine unendlich weit entferntes und trotzdem so verdammt nahes Universum …

 

Ist das mein Bus?

Der Pickup-Taxi bringt mich nach kurzer Fahrt zu einem wartenden Bus. Nun bin ich doch etwas überrascht, denn anstelle des vornehmen Sleeping-Busses, der mir versprochen wurde, wartet ein mehr als heruntergekommenes Vehikel. Nun gut, das wird also einmal mehr eine toughe Sache, aber was soll’s, die durchgesessenen Sitze und die vermutlich kaputten Stossdämpfer werden Labsal für meine Bandscheiben sein.

Die Erfahrung hat nämlich gezeigt, dass das Geschüttel und Gerüttel meine angegriffenen Wirbel auf eine Weise massiert, dass sie garantiert für mehrere Wochen keinen Mucks mehr von sich geben. Aber natürlich ist alles mal wieder Schall und Rauch, denn der Bus entpuppt sich als zweiter Pickup, der mich zur endgültigen Busstation führt. Dort erwartet mich tatsächlich ein Ungetüm von einem Sleeping-Bus auf mich wartet und auch pünktlich abfährt.

 

Eine Riesenstadt

Saigon ist eigentlich mehr eine Provinz als eine Stadt, steht im Lonely Planet, beträgt doch die Entfernung vom nördlichsten noch zur Stadt gehörenden Stadtviertel bis zum südlichsten gut und gern 120 Kilometer. So überrascht es nicht, dass wir fahren und fahren und trotzdem immer noch in Saigon sind. Es erinnert mich an Los Angeles, wo wir am Stadtrand übernachteten, um den nächsten Tag damit zu verbringen, die Stadt in Richtung Santa Monica zu durchqueren.

Etwas ausserhalb des Zentrums finden sich kilometerweit Firmen, die ausschliesslich Occasions-Baumaschinen anbieten. Hunderte, tausende von verrosteten Ungetümen, für die es offenbar einen lukrativen Markt gibt. Und dazwischen, wie aus einer anderen Welt, ein winziger Stand am Strassenrand, der nichts anderes als kleine, handgrosse Spiegel anbietet …

Immer wieder Stopps – immer wieder die Möglichkeit, die kunstvoll ausgelegten, exotischen Dinge zu bestaunen.

 

Fruit and vegetables
Unbekannte Früchte und Gemüse
... and a lot of undefinable products
… und ebenso unbekannte Produkte
Sauce? Marmalade? No idea ...
Saucen? Konfitüre? … Keine Ahnung

 

Der Mekong – zum letzten Mal

Und da ist da wieder dieser Fluss, mein Mekong. Er hat seine homogene Form längst verloren, ist zu einem vielarmigen Kraken geworden, der ein hunderte Kilometer breites Delta geschaffen hat. Ein Spinnennetz von Flussarmen, Kanälen, schmalen und breiten Wasserläufen, an deren Ufer Millionen von Menschen leben.

 

Mekong - the last time
Ein letzter Blick auf den Mekong
A maze of canals and river arms
Ein Irrgarten von Kanälen und Flussarmen


Am Horizont blinkt das Meer

Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zum südchinesischen Meer, wo er endlich – vielleicht etwas müde geworden und träge – sein Ziel erreicht. Mehrmals winke ich ihm zu in der Meinung, den einzig noch verbleibenden grossen Arm zu sehen, doch jedes Mal werde ich durch einen anderen, noch breiteren überrascht. Und dann, nach knapp neun Stunden, verlassen wir das Mekong-Delta, und am Horizont blinkt das Meer, doch es ist ein anderes, der Golf von Thailand …

 

Ha Tien

Nach vielen Stunden erreichen wir Ha Tien, die letzte Stadt vor der Grenze zu Kambodscha. Eine lebendige Stadt mit freundlichen Leuten. Die jungen Männer im Hotel geben sich alle Mühe, mir den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Sie geben mir Tipps, wo sich ein müder, aber warmer Abend am besten verbringen lässt.

Und tatsächlich – nach dem Abendessen in einem seltsam überdachten Restaurant, entdecke ich eine Art Fairground, wo sich tausend Leute, vor allem Familien mit ihren Kindern vergnügen. Ich schaue ihnen lange zu und fühle mich merkwürdig glücklich …

 

strange Restaurant
Ein seltsames Restaurant
... and a very tasty dinner
… und ein sehr leckeres Abendessen

 

PS Song zum Thema:  Nine Inch Nails – The Beginning of the End

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Saigon – Nutten, Zuhälter und Spieler

Занимайтесь свиданием, Антон, и удачи вам.

Ich klopfe dem jungen Russen, der von Mui Ne bis Saigon neben mir gesessen hat, zum Abschied auf die Schulter. Ein überraschtes und erfreutes Lächeln zieht einen Moment über sein ansonsten ausdrucksloses Gesicht, das er die ganze Zeit über aufgesetzt hat.

Dass er ausgerechnet neben mich gesetzt worden ist, hat anfänglich nicht gerade euphorische Gefühle hervorgerufen. Dazu sind seine Schultern zu ausladend, seine Miene zu abweisend, aber was soll’s, ich habe schon schlimmere Sitznachbarn gehabt.

 

Punktlandung

Die Ankunft in Saigon, diesem Sündenpfuhl, gestaltet sich so gut, dass nur WOW-Verblüffung bleibt. Das Mail des Hotels, kurz nach der Reservation erhalten, warnt mich eindringlich vor betrügerischen Taxifahrern. Diese verlangen überrissene Preise oder laufen schlicht ein anderes Hotel an. Es kann also sein, dass mir harte Auseinandersetzungen bevorstehen.

 

Der Bus hält in einer sehr geschäftigen Zone: der Unterschied zu Hanoi ist bestenfalls in den etwas breiteren Strassen und dem Klima zu erkennen. Alles andere ist gleich, also auch die Millionen von Autos und Töffs, die sich gegenseitig den Platz streitig machen.

 

Saigon - the daily madness
Der tägliche Wahnsinn

Ich strecke dem erstbesten Schuhputzer die Adresse des Hotels hin – und er lacht, denn wir befinden uns genau an der gesuchten Strasse, und das Hotel liegt genau gegenüber!

 

Vergnügungsviertel

Der längst überfällige Blick in den Lonely Planet (Saigon hat ja ursprünglich nicht auf dem Plan gestanden) zeigt, wo ich mich befinde. Mitten in Saigons St. Pauli sozusagen, also genau da, wo sich die Massen treffen, die Nutten und Zuhälter, die Spieler, die abgehalfterten Westler, die hier gestrandet sind, kurz das Zentrum des Milieus, ergänzt durch all die Backpackers auf der Suche nach billigen Übernachtungsmöglichkeiten.

 

Saigon - dark alleys
Dunkle Seitengassen
Saigon - alive and kicking
Saigon wie es leibt und lebt
Saigon - offers at the sidewalk
Angebote am Strassenrand

Soviel Charme

Mitten im Trubel setze ich mich in ein Strassenkaffee, trinke gesüssten Kaffee und entschliesse mich schliesslich infolge meines knurrenden Magens für eine Pizza. Ein junges Mädchen hat ein potentielles Opfer entdeckt und steuert entschlossen auf mich zu. Sie spricht ein gutes Englisch, was ihre Überzeugungskraft beim Verkauf natürlich erheblich steigert. Schliesslich erlahmt meine Widerstandskraft angesichts soviel Charme, und ich kaufe irgendein Kinkerlitzchen für meine Kinder.

 

So much charme
Soviel Charme

 

Nachtleben in Saigon

Am Abend, wenn das Licht von tausend Lampen und Lämpchen die Strassen und Gassen beleuchtet, erreicht die Stimmung ihren Höhepunkt. Nun ist jede Zurückhaltung gewichen, es geht nun um alles oder nichts. Die Anmache wird aggressiver, auch wenn immer eine Art entschuldigendes Lächeln mitschwingt.

Es ist wunderbar, auch wenn man sich bewusst sein muss, dass hier ein anderes Mass an Vorsicht geboten ist (die Dame an der Reception hat auf jeden Fall darauf bestanden, meinen Pass zu behalten – “many Incidents with Tourists”).

 

hookers, pimps, gamblers
Nutten, Zuhälter, Spieler
Saigon - looks inviting
Sieht sehr appetitilich aus

Ich setze mein grimmigstes Gesicht auf (meine Kinder würden wahrscheinlich sagen, mein “normales”) und lasse mich durch die Massen treiben, doch die Luft ist dermassen gesättigt von Abgasen, Rauch aus all den Grillöfen und dem Geruch von  Endorphinen und Pheromonen, dass man rasch ermüdet und schliesslich ermattet den Rückzug ins Hotel antritt. Und ausserdem, der Pickup wartet bereits wieder um halb Sieben …

 

PS Song zum Thema:  The Charly Daniels Band – Still in Saigon

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Mui Ne – Lawrence of Arabia 2.0

Es dauert eine Weile und ein paar schweisstreibende Aufstiege, vorbei an einigen Bäumen, bis ich die Stelle gefunden habe.

Wovon sich diese Bäume ernähren, ist mir ein Rätsel.

 
Trees in the Nothingness
Bäume in der Wüste
Lonely Tree
Einsamer Baum mitten im Nichts

 

Ringsherum nur noch Sand

Das ist es, das ist der Ort, ringsherum nur noch Sand, in allen Tönungen von Gelb, ockergelben, senfgelben, zimtgelben, dann wieder im Schein der Sonne rötlich gefärbten Sand, in dem jedes Zeichen von Leben abhanden gekommen ist. Kein Baum, kein Strauch, kein Blatt, einfach nichts, nicht mal einer dieser seltsamen namenlosen Überlebenskünstler, die manchmal mitten im ausgetrockneten Nichts gedeihen …

 

Dry
Trocken
Something livin in the sand
Kann da was leben?

 

Lawrence of Arabia 2.0

Das ist die Wüste, wie sie mir vorschwebt, so wie in Lawrence of Arabia, und ich würde mich keine Sekunde wundern, wenn aus dem Schatten der nächstliegenden Düne Peter O’Toole auftauchte, in schneeweisse Beduinen-Gewänder gehüllt, auf dem Kopf der Turban, in der Hand die doppelläufige Flinte, die Augen voll von Abenteuerlust, der Blick in die Ferne, auf die Auseinandersetzung mit den Türken, gerichtet …

 

Ein paar Schritte den Hang hinauf oder wahlweise hinunter, und die Phantasmagorie zerfliesst. Stimmen werden laut, in allen Sprachen, ein bewaldeter Hügelzug am Horizont, Häuser, Strassen, der Lärm von Motorrädern. Nichts mit Lawrence, nichts mit Wüste, die Beduinen sind vietnamesische Burschen, die mit hektischen Handbewegungen versuchen, vorbeifahrende Touristen in ihre Kneipe zu locken, die Wüste ist nichts als ein paar Hektaren Dünen, diese allerdings so grossartig, dass man stundenlang in ihrem Bann bleiben möchte.

 

Signs of Civilisation
Erste Zeichen von Zivilisation
The end of the desert
Das Ende der Kalahari

 

Ein altes Damenfahrrad

Aber die Hitze kocht über, von der Abstrahlung des aufgeheizten Sandes noch verstärkt, und so zieht sich Lawrence of Arabia 2.0 fluchtartig in das nächste Restaurant zurück, heute keine Durchquerung der unüberwindlichen Wüste Nefud, keine Einnahme von Akaba, dafür ein Bier im Schatten, und später anstelle eines würdevollen Kamels ein altes Damenvelo, das alle paar Sekunden ein kreischendes Geräusch von sich gibt und dabei auf unerklärliche Weise das Vorderrad gebremst wird. Die einzige Möglichkeit, die ich auf dem Hinweg herausgefunden habe, ist zu bremsen, damit es nicht mehr bremst.

Das ist zwar nicht im Sinne des Erfinders, bringt mich aber vorwärts, irgendwie, manchmal geräuschvoll, vor allem wenn auch alle Tricks nichts mehr nützen, und es nur noch kreischt und bremst und ich aus allen Rohren fluche.

Der Rückweg führt mich am Meer vorbei. Es ist Mittagszeit, die Fischer sind von ihren Beutezügen zurückgekehrt.

 

Fishing boats at the harbour
Fischerboote im Hafen
Hundreds of them ...
Hunderte …

 

Die Basics im Leben

Und dann geht es bereits wieder ans Packen, ans Planen, ans Reservieren der nächsten Hotels, ans Herausfinden der besten Routen, das Abwägen der verschiedenen Möglichkeiten. Reisen, so wie ich es tue, ist letztlich die Beschränkung auf das Wesentliche, auf die Basics im Leben, also sozusagen der Rückzug auf die unterste Schicht der Bedürfnispyramide. Essen, Trinken, Übernachtung, Gesundheit, Transport. Alles andere ist sekundär. Solange die Basics gesichert sind, gibt es nichts, worüber man sich Sorgen machen muss.

 

Pläne

Und während die Pläne, Möglichkeiten und Wünsche ihren Tanz im Kopf abhalten, schält sich langsam und schmerzhaft die Erkenntnis heraus, dass mir die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt. Ich kann es drehen und wenden wie ich will – das wird noch eine harte Tour. Morgen Saigon, dann das Mekong-Delta bis Ha Tien, schliesslich Kambodscha mit Kep, Kampot, Phnom Phen und natürlich Siem Reap mit einem der Höhepunkte der Reise: Angkor Wat. Was soll’s, das hier ist eine ernsthafte Angelegenheit, da muss man schon ein paar Strapazen auf sich nehmen …

 

PS Film zum Thema:  Lawrence of Arabia (einer meiner liebsten Filme ever)

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Mui Ne – Die Melancholie des Verschwindens

Ein freier Tag, ein Tag also sozusagen wie eine Lücke, für die nichts geplant, nichts reserviert, nicht getan, nichts gedacht werden muss, einfach pures Sein. Wahrscheinlich kaum auszuhalten, aber mal sehen, was uns diese leeren 24 Stunden bringen werden.

 

Geschnatter

Sollen wir mit dem Morgenessen beginnen? Keine schlechte Idee, denn was könnte erhabener sein als vor einem reich gedeckten (Stein-)Tisch zu sitzen, im Schatten sich im Wind biegender Palmen, umgeben vom Geschnatter und Gekrächze von Hühnern, Enten und etwas, was nach Truthähnen und -hennen aussieht (das Gefieder ist so zerzaust und an manchen Stellen schlicht fehlend, dass eine eindeutige Identifikation kaum möglich ist).

 

Cackling
Geschnatter

 

Frühstück in Mui Ne

Es wird genau das aufgetischt, was ich bestellt habe, also Spiegeleier, assortierte Früchte (Mangos, Dragonfruit, Bananen, Melonen, Ananas), eine Baguette (französisches Erbe) mit Butter und Konfi (nein, ausnahmsweise nicht rot/chemisch, sondern ganze Erdbeeren mit – tatsächlich – Erdbeergeschmack), dazu Kaffee mit Kondensmilch, so wie ich sie mag (die Plomben drehen vor lauter Süssigkeit eine Pirouette im Mund) und als Höhepunkt – reiner gepresster Mango-Juice (“no Ice, no Water, please”).

Man kann einen Tag schlicht nicht besser beginnen …

 

Coffee and everything else
Kaffee und …

Dragon Fruit
… Dragon Fruit

 

Füsse im Meer

Das erste Mal seit vier Jahren, seit Goa also, die Füsse im Meer, ein weiteres Gefühl, das durch nichts ersetzt werden kann. Der Spaziergang entlang der Beach führt vom bereits konstatierten Dreckstrand in sauberere Gefilde, dort, wo die grossen Resorts mit ihren seltsam fehl am Platz wirkenden Anlagen liegen. Entlang des Strandes, immer schön abgegrenzt durch sichtbare Tafeln (in vietnamesisch, englisch und russisch), sind die üblichen Strandliegen und -sessel und Sonnenschirme aufgebaut, darunter liegt allerhand Unförmiges, in der Sonne Püriertes, crème-glänzend, rosa- bis rot-gegrillt, in allen möglichen komfortablen und weniger komfortablen Stellungen.

Man kennt diese Szenerien, sie sind das, was einem noch jeden Sommerurlaub am Strand vergrault und reflexartig zu sofortigem Rückzug animiert. Was mir mit etwas Verzögerung auffällt, ist das absolute Fehlen von Lesenden. Kein Buch, keine Zeitung, nicht mal etwas, was im entferntesten nach Buchstaben aussieht. Nun gut, es gibt zwei Möglichkeiten: entweder lesen die Leute nur noch eBooks (denn die meisten haben ihre Blicke starr auf ihr Smartphone oder Pad gerichtet) oder sie lesen schlicht NICHT (ich hoffe, dass sie es wenigstens könnten, wenn sie denn wollten).

 

Langeweile

Diese gelegentliche Langeweile, die sich nach ein paar Stunden zwangsläufig einstellt, ist sehr heilsam und bringt – wenn richtig eingesetzt – eine Menge Kreativität ans Tageslicht (oder auch nicht, vielleicht auch nur einen schweren Kopf und das unbestimmte Gefühl, etwas verpasst zu haben).

Ich bin schon lange zur Überzeugung gekommen, dass wir uns grundsätzlich viel zu wenig langweilen. “Langweiler” ist so ungefähr das schlimmste Schimpfwort, die ultimative Beleidigung, für junge Leute absolut tödlich. In diesem Sinne verbringe ich den Nachmittag inmitten grenzenloser, energiefreier, antriebsloser, wunderbarer Langeweile, und nicht mal Harold Fry, dessen weitere Meilen auf seinem Weg nach Schottland mich weiss Gott faszinieren, können mich davon abhalten, einfach nichts zu tun und nichts zu denken.

 

Die majestätische Ästhetik des Verschwindens

Wenn es nicht das Gehirn ist, dann meldet sich halt der Magen, und gegen Abend, die Sonne gleitet bereits dem Horizont zu, mache ich mich auf, etwas zu essen zu finden, doch zunächst geht es darum, ein weiteres Mal den Sonnenuntergang, dieses tägliche Wunder, zu bestaunen. Ich finde den idealen Ort, direkt am Meer, und an dieser Stelle peitscht der nachmittägliche Wind die Wellen zu Ungetümen auf, die mich immer nur um Haaresbreite verfehlen.

 

Sonnenuntergang
Die majestätische Ästhetik des Verschwindens

Ein chinesisches Paar gesellt sich zu mir, und gemeinsam sehen wir zu, wie die Sonne sinkt, immer weiter, immer schneller, glaubt man zu erkennen, doch je genauer man hinsieht, um so besser erkennt man die Rotation der Erde, die Erdkugel, die sich langsam hebt und über die Sonne legt. Früher, als man noch an eine flache Scheibe glaubte, war das der Rand der Welt, dort, wo alles in einem endlosen Abgrund endet.

Doch jeder Sonnenuntergang bewirkt eine melancholische Trauer, aber auch das Versprechen auf einen neuen Morgen …

 

Dinner out

Nach dem gestrigen Abend, der mich mit verzweifelt knurrendem Magen in eine vietnamesische Kneipe trieb, deren einziges Angebot Ziege war und mich zu sofortiger Flucht veranlasste, bin ich gewappnet. In einem kleinen feinen Restaurant bestelle ich vietnamesische Spezialitäten (deren Namen ich mir nicht merken kann, aber es schmeckt köstlich) und wundere mich wieder mal über die anderen Gäste.

 

Invasion der Barbaren

Ach ja, das erinnert mich daran, dass etwas über die Invasion der Barbaren erzählen wollte. Ein  Charakteristikum des Reisens (oder Urlaubmachens) ist, dass man gerne und ausgiebig über andere Völkergruppen, Nationalitäten, Sprachen, Mentalitäten lästert. Je nach Reiseziel sind es wahlweise die Deutschen (frühmorgendliches Besetzen der Liegestühle) oder die Engländer (besoffen), die Schweizer (unhumorvoll und bieder), die Amis (ignorant) oder die Chinesen und Japaner (immer in Gruppen und mit Kameras anstelle der Augen).

Die Beobachtung der Gäste an den anderen Tischen löst genau diese Pauschalisierungen aus, die man eigentlich vermeiden möchte, aber ihre eigene Verführungskraft besitzen. Man fängt automatisch an, Urteile und Bewertungen nach dem persönlichen Massstab abzugeben. Im Geiste formuliert man Adjektive wie vulgär, unhöflich, arrogant, unfreundlich, und man fragt sich, was mit den anerkannten Standards von Kommunikation, Höflichkeit und Respekt geschehen ist.

 

PS Song zum Thema:  Emerson, Lake and Palmer – The Barbarian

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Hoi An – Mui Ne: The unlikely Pilgrimage

Einmal mehr fährt der Zug ab, wie immer ruckelnd, zuckelnd, holpernd und stampfend, und nimmt mit einem stöhnenden letzten Aufbegehren endlich Tempo auf. Es scheint, als wäre dieses Abfahren das Letzte, was er aus eigenem Begehren tun würde, doch er kommt – widerwillig zwar – vorwärts, langsam und stetig, dem Süden zu, Nha Trang, dem acht bis zehn Stunden entfernten Ziel des Tages.

 

Von Hoi An nach Na Thrang

Eine lange Reise, die frühmorgens mit dem Bus nach Da Nang angefangen hat und nun endlich – nach einer guten Stunde Verspätung – richtig losgeht. Es ist anfangs noch recht kühl im Abteil, ich liege auf einem der beiden oberen Betten, und lese, den Chor dreier weiblicher Stimmen im Ohr, die sich viel zu erzählen haben.

 

Train Station in Noi An
Warten auf die Passagiere … oder den Zug?

 

Durchfallsgeschichten

Manchmal lege ich das Buch zur Seite, schliesse die Augen und während ich schläfrig zuhöre, werde ich zum Mitwisser von allerhand Erlebnissen und Erkenntnissen, von Tipps und Must-Do’s und Must-Go’s und einer ganzen Menge von never-do-this and never-do-that.

Die Beschreibung ihrer vor kurzem eingefangenen Diarrhöe, erlebt und erlitten von einer der drei Damen, entlockt den beiden anderen manches entsetzte OH und AH, während ich mich zurücklehne und an eine Episode erinnert werde, die ich lieber nicht erlebt hätte, wen wundert’s – in Indien

Ja, so beginnen und enden alle Durchfallgeschichten, doch, wie sich später herausstellen wird, ist die Sache für unsere junge Australierin noch lange nicht vorbei …

 

The unlikely Pilgrimage of Harold Fry

Ich wende mich wieder meinem Buch zu, “The unlikely Pilgrimage of Harold Fry”. Ein alter Mann, pensioniert, gelangweilt, von seiner Frau entfremdet,  erhält einen Brief von einer alten Bekannten, in dem sie sich – da schwer an Krebs erkrankt – von ihm verabschieden möchte. Er schreibt einen Antwortbrief, doch anstatt diesen wie beabsichtigt in den Briefkasten zu werfen, findet er sich schliesslich auf dem Weg vom tiefen Süden Englands bis nach Schottland. Doch es wird eine Wanderung in die vergrabenen Untiefen seiner Seele, und indem er geht, ohne Ausrüstung, ohne erforderliche Fitness, einen Fuss vor den anderen setzt, stellt er sich zum ersten Mal seinen Dämonen …

Eine traurig-schöne, herzberührende Geschichte.

 

Südwärts

Und während Harold Fry seinen Pilgerweg beginnt, rast der Zug nach Süden, vor dem Fenster gleiten die Wiesen und Felder und Wälder Vietnams vorbei, doch ich bin längst gefangen in der traurig-schönen, herzberührenden Geschichte von Harold und seinem unendlich langen und schmerzlichen Bittgang auf der Suche nach Vergebung …

 

Na Thrang
Früher Morgen in Na Thrang

 

Na Thrang

Das Hotel, obwohl von ausnehmend freundlichem Personal versorgt, passt in seiner Business-mässigen Perfektion zu seiner Umgebung. Nha Trang, DER ultimative Place-to-be, der berühmteste Badeort Vietnams. Ich finde ihn, man verzeihe mir die rüde Sprache, schlicht zum Kotzen. Hier möchte ich nicht mal begraben, geschweige denn gezwungen sein, auch nur einen einzigen Ferientag zu verbringen. Meine Intuition hat mich wieder einmal vor dem Schlimmsten bewahrt, denn pünktlich um Acht erwartet mich der Bus, der mich weiter nach Süden bringen soll.

 

Sleeping-Bus

Man bezeichnet diese seltsam ausgestatteten Gefährte als Sleeping-Busse, doch wie man in diesen engen Kästen, wo es einmal mehr auch für mich Kurzgeratenen  unmöglich ist, die Beine auszustrecken, schlafen soll, bleibt ein Geheimnis. Nun denn, es geht weiter, abwechselnd in todesmutigem Schumacher/Vettel-Rennmodus und dann wieder ermüdend langsam wie Grossvater in seinem VW-Käfer.

Manchmal ein Stopp, wie schon so viele. Man wird in ein mehr oder weniger angenehmes Restaurant geführt, wo man schon business-like erwartet wird.

 

Lunch
Not too bad …

Restaurant
Meine Mitpassagiere

 

 

Der Vorhang öffnet sich

Soll mir aber gleich sein, und so döse ich dem Süden entgegen, der schläfrige Blick auf der vorbeihuschenden Landschaft, die vom gestrigen satten Grün der Reisfelder schrittweise in eine trockene, ausgedörrte Wüste übergeht. Manchmal öffnet sich für einen Moment der Blick auf das Meer, wie ein Vorhang, der kurz auf- und gleich wieder zugezogen wird. Doch dann – kurz vor dem Ziel Mui Ne – fällt die Landschaft gleichsam zur Seite, macht Platz für die blaue, endlos scheinende Weite, am Horizont in den grauen Himmel übergehend, in Ufernähe voll von unzähligen blau und grün gestrichenen Fischerbooten.

 

Mui Ne
Fischerboote bei Mui Ne

 

Kein unscheinbares Fischerdorf mehr

Und da sind wir also, in Mui Ne, bis vor einigen Jahren ein unscheinbares Fischerdorf, heute ein einige Kilometer langes Ferienkaff, mit endlos weissen Stränden, so wie es uns die Werbung weismachen will, mit zahlreichen Restaurants, die das kulinarische Herz erfreuen und die Kassen der Wirte füllen soll.

Dass die Wirklichkeit etwas anders aussieht, werde ich schon bald erfahren, doch zunächst geht es um den Bezug des Hotels, dem Sunrise Village, das seinem Namen hoffentlich Ehre machen wird. Ich bin nicht unzufrieden, es ist zur Abwechslung nicht nur geräumig und sauber und damit einem längeren Verweilen durchaus zugetan, sondern liegt nur ein paar Schritte vom Meer.

 

Strand
Der Strand …

Sunset
Abendstimmung am Strand …

Sonnenuntergang
… und der unvermeidliche Sonnenuntergang

 

Oel und Dreck

Wie sagte ich eben – endlos weisse Sandstrände? Endlos schon, über das Weiss kann man sich allerdings streiten, denn das, was mein empörtes Schweizer-Auge als erstes erblickt, ist ein von Oel und Dreck schwarzgefärbter Strand, voll von Abfall, alten Fischernetzen, Kokosnussschalen, und weiss der Henker was alles sich sonst noch im Sand versteckt …

 

PS Song zum Thema:  Cafe del Mar – Beyond the Sunset

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Hoi An und eine japanische Brücke

In meinem bevorzugten Frühstückslokal (das Brot im Hotel schmeckte nach Aluminium, absolut ungeniessbar) gibt es aber zum Continental Breakfast nicht nur einen Haufen frischer Früchte und SEHR viel getoasteten Brotes mit Butter und Konfi (rosa und chemisch wie immer), sondern auch Bustickets zu kaufen. Alles erledigt.

 

Ungeniessbar!  Frühstück

Von ungeniessbar bis wunderbar – Frühstück in Asien

Ein nicht erwarteter Anblick – schwere Regentropfen klatschen auf den Asphalt.

Der von der Receptionistin ausgeliehene, allerdings schwer beschädigte Schirm erfüllt zwar einigermassen den Zweck, aber es herrscht trotzdem eine unerwartet frostige Atmosphäre, die so gar nicht zu diesem sonnigen freundlichen Hué passen will.

Ich mache mich also, während der Regen in Strömen fällt und es von Minute zu Minute kälter wird, an meinen Blog und merke nicht, dass ich sozusagen im Freien sitze und meine Füsse zu Eisklumpen werden (in Hué, in Vietnam, in Südostasien, verdammt!).

Erst als sich ein Touristenpaar fluchtartig vom Acker macht und dabei etwas von “elender Kälte” murmelt, sehe ich ein, dass ich kurz vor einem veritablen Schnupfen stehe. Also ab ins auch nicht eben warme Hotelzimmer, doch ein gemütlicher Nachmittag vor dem TV ist nicht zu verachten … Dann also Iron Man auf Vietnamesisch …

 

Es regnet immer noch

Heute ein weiterer Morgen in grau, düster und kalt.

Im Eilschritt durch die verschlafene Stadt, die aber bereits am frühen Morgen vor Energie sprüht. Das junge Mädchen in meinem Breakfast-Restaurant, schon beinahe eine alte Bekannte, trifft mit Verspätung ein, eingehüllt in Regenkleidung und auf dem Kopf einen Helm der Marke, die man nur hier in Vietnam sieht. Elegant zwar, aber an die Schutzwirkung kann man nicht wirklich glauben, dazu sehen die Teile doch sehr zerbrechlich aus.

Frühstück
Meine Gastgeberin und ihr Gast

Während sie sich bereit für einen weiteren langen Tag macht, der ihre freundlichen einladenden Gesten ein weiteres Mal mit tausend abweisenden Blicken der Vorbeigehenden belohnen wird, macht sich ein älterer Mann, dessen Funktion schleierhaft erscheint, daran, das Restaurant in eine möglichst einladende Form zu bringen.

Seine Sorgfalt ist rührend: Zentimetergenau werden die Tische und Stühle an den richtigen Platz gerückt, die Menükarten zurechtgelegt, der Storen soweit heruntergezogen, dass er genau den korrekten Schutz vor Sonne und Regen gewährleisten soll.

Und doch wird das Restaurant ein weiteres Mal leer bleiben oder zumindest fast, so wie alle anderen Tage. Unsere westliche Vorstellung von Rendite und Kosten/Nutzen-Verhältnis wird arg strapaziert, doch hier gelten offenbar ganz andere Gesetzmässigkeiten.

 

Das Warten auf verspätete Busse

Manchmal frage ich mich, ob das Warten auf verspätete Busse nicht einen wesentlichen Teil des Reisens ausmacht. Natürlich nicht, wenn man organisiert reist. Dann steht der sauber herausgepützelte Bus auf die Sekunde genau bereit, die Sitze sind gereinigt, Fahrplan und Ziele klar. Nicht in meinem Fall.

Alles ist unsicher, immer. Wird der Bus zur angegebenen Zeit kommen, kommt er überhaupt? Gibt es das Hotel, in dem ich eine Reservation getätigt habe, noch oder steht an seiner Stelle eine Tankstelle oder hat es gar nie existiert? Alles durchaus vorstellbare Möglichkeiten. Wird an der Bushaltestelle ein Tuk-Tuk oder ein Taxi oder zumindest ein Motorrad bereitstehen, um mich zum Hotel zu bringen, oder geht es mir wie der älteren Französin, die weit ausserhalb Luang Nampthas bis zum Morgengrauen warten musste und sich dabei einen atomaren Schnupfen holte?

 

Erinnerungen an die Wüste

Während ich auf den Bus nach Hoi An warte, ist die Erinnerung auf dem Weg zurück in eine lang zurückliegende Vergangenheit. Es ist August 1978, ich bin in Ouarzazade, Marokko. Die Wüste ist nahe.

Alles, was es zu diesem erinnerungswürdigen Trip zu erzählen gibt, siehe

Marokko – Ein Tag im Ramadan

Nicht, dass ich glaube, dass der Bus mich heute statt nach Hoi An nach Sibirien bringen wird, doch eine kleine Unsicherheit bleibt immer. ich unterhalte mich in der Zwischenzeit noch ein letztes Mal mit der Bedienung und erfahre in unserem wechselseitigen Unverständnis doch allerhand über das Leben hier in Hué. Und es muss ein hartes Leben sein. Für uns unvorstellbar in seiner Genügsamkeit, in seinem ständigen Warten und Hoffen auf bessere Tage.

Und so verabschiede ich mich mit einem ein weiteres Mal wehmütigen Gefühl, denn da ist der Bus, er donnert heran, verteilt Wogen von schmutzigem Regenwasser über die Fussgänger. Jetzt muss alles schnell gehen. Ein letztes Winken und Hué ist Vergangenheit.

Der buddhistische Mönch, der in seinen knallorangen Kleidern aus der grauen Masse der Reisenden heraussticht, bringt mich erneut in die Vergangenheit zurück, zur Wüste, die ich haarscharf verpasste …

Heute ist nicht Ramadan und kein Geistlicher da, der Datteln verteilt. Nach ein paar kurzen sechs Stunden erreichen wir Hoi An. Erstmals ein bisschen Ärger, denn mein Rucksack ist derart verdreckt, dass ich ihn kaum anzufassen wage. Was soll’s, es ist, wie es ist.

 

Mit dem Fahrrad in die Stadt

Das Fahrrad – natürlich ohne Gänge wie meistens – bringt mich schnell und ohne Anstrengung in den alten Stadtteil, ein weiteres, ausnahmsweise nicht vom Krieg zerstörtes, kulturelles Erbe Vietnams (und ein bisschen auch Frankreichs).

 

Hoi An  japanese bridge

Kunstwerk in Hoi An  Brücke in Hoi An

Tempel in Hoi An

 

Japaner und Chinesen

Die Strassen quillen über vor Touristen, der grösste Teil davon Japaner und Chinesen. Hoi An war während langer Zeit – so lese ich im Lonely Planet – eine Handelsstation der beiden Länder, und beide Völker haben ihre Spuren hinterlassen, darunter als besonderes Highlight die gedeckte japanische Brücke, auf der sich Trauben von Touristen tummeln.

 

Hoi An  Hafen in Hoi An

Nicht sehr elegant, aber zielstrebig kurve ich mit meinem Lastesel durch die Menge, ohne ein einziges Mal abzusteigen, ernte dafür allerdings den einen oder anderen bösen Blick.

Hoi An

Und da – manchmal geschehen Zeichen und Wunder – Nadèche, meine französische Freundin, die in der Menge auftaucht. Es wird ein lustiges Wiedersehen, das wir in einem vietnamesischen Lokal namens Bale Hell zelebrieren.

Bale Hell

Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt: man wickelt Fleischstücke, Fisch, Gemüse und was weiss ich noch alles in “Rice-Pancakes” (die mich verdächtig an Papier erinnern und tatsächlich auch schmecken wie Karton) und tunkt das Teil in eine scharfe Sauce.

Es schmeckt tatsächlich gut, doch meine diesbezügliche Handfertigkeit wird wieder einmal auf eine harte Probe gestellt, und einmal mehr erlebe ich das durchaus verzichtbare Erlebnis, dass sich am Nebentisch eine vietnamesische Grossfamilie köstlich amüsiert …

 

PS Film zum Thema:  Iron Man 1

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Hué – Die Stadt der Kaiser

Kann das Hué sein, die Stadt, die während des Vietnamkrieges schwerste Bombaridierungen erleiden musste?

Eine der schlimmsten Kampfzonen des Vietnamkrieges. Es ist kaum zu glauben, aber Hué, diese alte Stadt, mit ihren heute als UNESCO-Welterbe deklarierten Stätten wurde während langer Zeit schwerstens bombardiert. Darunter auch die riesige Zitadelle mit ihren Palästen, der Imperial Enclosure, der Forbidden Purple City, und vieles liegt heute noch in Trümmern.

 

Nachtzug

Die Stadt der Kaiser erwartet uns. Bis dahin aber die erwartete unruhige Nacht. Ich bin bei Gott kein Riese, aber sogar für meine knapp 175 Zentimeter ist das sogenannte Soft-Bed (soft??) zu kurz. Und so schläft man mit angezogenen Beinen, es ist ziemlich kalt, vor allem am Anfang, und der eine der beiden Vietnamesen schnarcht, als könnte er einen Krieg damit gewinnen. Trotz allem liebe ich Zugfahrten, das gleichmässige Rattern der Räder, das Schlingern auf den Geleisen … und so nickt man trotz allem ein, fällt in unruhigen Schlaf und erwacht zu seinem eigenen Erstaunen beim ersten Schimmer der Morgendämmerung.

 

Sommerkleidung – endlich

Draussen hat sich die Szenerie nicht gross verändert. Reisfelder, seltsam schmale Häuser, in die man bestenfalls ein nicht allzu breites Bett pressen kann, staubige Strassen, auf denen sich die üblichen Verdächtigen tummeln. Doch etwas ist defintiv anders: Es gibt Leute auf der Strasse in kurzärmligen Hemden! Grosser Gott, wir sind zurück an der Wärme!

 

Hué, back in the warmer climate
Obwohl es nicht so aussieht, aber ich bin zurück an der Wärme
Breakfast in Hué
Delicious Breakfast

 

Das intellektuelle, spirituelle und historische Zentrum Vietnams

Und tatsächlich, Hué empfängt uns mit allen Freuden eines frühen Sommermorgens.

Doch es gibt kurze Zeit später einen wehmütigen Abschied zu beklagen, denn hier trennen sich die Wege der beiden Fremden, die sich so vertraut geworden sind … Das Hotel ist akzeptabel, nicht gerade jubelerregend, aber es ist ok. Eine heisse Dusche später, kurzbehost, Sonnenbrille auf der Nase und den unvermeidlichen Stadtplan in der Hand, begebe ich mich … an die Sonne. Sie brennt so wunderbar vom Himmel und löst auch die letzten Reste des Hanoi-Winters auf.

 

Hué - Palace of the Emperor
Eingang wie zu einer mittelalterlichen Burg
In the process of restoration
In Restauration begriffen
All very well maintained
Alles sehr gepflegt
Overwhelming beauty
Überwältigend
Entrance?
Eingang?

Doch es wird gebaut, und einige der wunderbaren, aus alten Kaiserzeiten stammenden Gebäude sind bereits wiederhergestellt und restauriert worden. Es ist ein Gang in die Vergangenheit, einer Vergangenheit, die erstaunlicherweise erst im letzten Jahrhundert zu Ende ging. Bis dahin versammelte der Kaiser seine Hofstatt im Thai Hoa Palace, einer riesigen Halle, von achtzig geschnitzten und bemalten Säulen getragen.

 

Thai Hoa Palace
Thai Hoa Palace

Sie ist wie durch ein Wunder unbeschädigt geblieben (vielleicht auch mit Hilfe der russischen MIGs oder der abgeschossenen US-Flugzeuge, die in der Nähe voller Stolz dem Publikum gezeigt werden).

 

Vietnam war souvenir
Andenken an den Vietnam Krieg
A US aircraft shot down
Ein abgeschossenes US-Flugzeug

 

Eine fröhliche Stadt

Es ist eine fröhliche Stadt, die mich sofort in ihren Bann zieht. Obwohl die Sonne gnadenlos auf meinem Kopf brennt, genieße ich den langsamen Spaziergang entlang des Flusses (dessen Namen ich vergessen habe), überquere zahlreiche Brücken, trinke Kaffee oder Bier in dunklen und abgekühlten Bars, beobachte alternde Männer, die von jungen Mädchen in sehr kurzen Kleidern umgeben sind, und noch einmal frage ich mich, wie diese Kerle es wagen, so viel von ihrer Würde zu verlieren, indem sie die Rolle der faltigen und fetten Casanovas spielen …

 

PS Film zum Thema:  Hayao Myazaki – Spirited away

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Hanoi – Living in Chaos

Ist gar nicht Ordnung das Mass aller Dinge, sondern ihr Gegenteil?

Am Nachmittag fährt der Zug, gemäss eindringlicher Warnung der überaus freundlichen Receptionistin, pünktlich um 15.40 ab. Genug Zeit also, um mich von Hanoi, diesem wilden Tier, zu verabschieden. Einmal mehr stürze ich mich ins Gedränge, wundere ich mich über nicht stattfindende Kollisionen, begegne freundlichen, abweisenden, verwunderten, ausdruckslosen Blicken und Gesichtern – und fühle mich schon fast ein bisschen wie zuhause. Was natürlich bedeutet, dass mir der Abschied schwer fallen wird, aber ein bisschen Zeit bleibt ja noch.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell eine Verbindung zu einem Ort hergestellt wird. Es gibt immer ein Vorher – keine grossen Erwartungen, alles, was man weiss, ist über Jahre entstanden, vieles davon wenig den Tatsachen entsprechend – und ein Nachher. Auch dieses ist mit Vorsicht zu geniessen, auch hier spielen momentane Gefühle hinein, die von bestimmten Erlebnissen determiniert werden. Was also ist wahr? Gibt es überhaupt eine objektive Wahrheit über einen Ort? Oder ist alles – wie so vieles – das Ergebnis zufälliger Emotionen und vermeintlich rationalen Schlussfolgerungen?

Ich weiss es nicht, und je älter ich werde, umso weniger scheint es eine schlüssige Antwort darauf zu geben.

Klar im Fall von Hanoi ist nur, dass dieses Chaos etwas in mir berührt hat. Eine Art archaische Empfindung, dass nicht Ordnung das Mass aller Dinge ist, sondern ihr Gegenteil.

Darüber muss ich nachdenken …

 

Unbekannter
Keine Ahnung, wer das sein könnte

Blumen
Alles bereit für eine Hochzeit


Zähe alte Damen

Also ein weiteres Mal durch die Liet, die engste, verstopfteste, aber gleichzeitig auch aufregendste Strasse/Gasse Hanois. Hier ist das Gedränge am dichtesten, der Lärm am lautesten. Und mitten drin – von weitem sichtbar durch ihre spitzen, geflochtenen Rundhüte – die Damen mit der Stange über den Schultern, an beiden Ende mit schweren Lasten behängt. Sie sind die Ruhe selbst, meistens ein freundliches Lächeln im Gesicht, das in vielen Fällen zerknittert ist, vom Alter, vom schweren Leben, von der täglichen Arbeit, die für die meisten unserer jungen muskelbepackten Männer in den Fitness-Zentren eine massive Überforderung bedeuten würde.

Jaja, Hanois zähe alte Damen. Sie haben meine restlose Bewunderung, meinen ganzen Respekt!

 

Alte Ladies in Hanoi
Zähe alte Ladies in Hanoi

Bodybuilding Vietnam-Style
Bodybuilding Vietnam-Style

 

Das Ende des Abenteuers Hanoi

Und so endet das Abenteuer Hanoi. Es gibt zwar nochmals eine kurze Aufregung, als mein Zugticket nicht den allgemeinen Vorgaben entsprechen soll, doch nach einigem Hin und Her werde ich dann doch noch dem richtigen Wagen, dem richtigen Abteil zugewiesen.

 

Bahnhof in Hanoi
Bahnhof in Hanoi

 

Ruckelnd, zuckelnd, mit viel Krach und dem ohrenbetäubenden Zusammenprallen der Wagen setzt sich der Zug in Bewegung. Auf an die Wärme. Zumindest klimamässig kann es nur besser werden …

 

Nadège

Nadège – so heisst die hübsche Dame, die mit mir und einer anfangs unbekannten Anzahl Vietnamesen das Abteil teilen wird. Wir kommen schnell ins Gespräch, und obwohl sie aus Frankreich kommt und ich ihr anbiete, in Französisch zu parlieren (ja wirklich!), beharrt sie darauf, Englisch zu sprechen (ich werde ihr ewig dankbar sein).

Manchmal geschehen diese zufälligen und ganz und gar unvorhersehbaren Begegnungen, die lange nachhallen. Dies ist eine davon. Es ist dieses sonderbare Gefühl, dass man sich schon ewig kennt, eine unmittelbare sofortige Vertrautheit, die sich in kurzer Zeit einstellt. Das Gespräch, zwischen knapp Vier und dem späten Abend, beginnt mit den üblichen Reiseanekdoten, den Abenteuern, die man glaubt, erlebt zu haben und die in der Erinnerung immer haarsträubender und immer weniger wahr werden. Doch nach einiger Zeit – und das ist das Unübliche – kippt die Geschichte ins Persönliche. Plötzlich sitzt da nicht mehr eine der meist banalen Reisebegegnungen gegenüber, die man schnell wieder vergisst, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut.

 

Gault-Millau und Gespräche über Gott und die Welt

Unser Gault-Millau Menü, bestehend aus Thon-Sandwich mit Pommes Frites und Ketchup, einer Vanille-Schnecke, die wir uns brüderlich-schwesterlich teilen, und Bananen zum Dessert, ist – obwohl sehr frugal – der kulinarische Höhepunkt des Abends, und das intensive Gespräch über Gott und die Welt, das unabwendbare Älterwerden und die Trauer, die damit einher geht, und ganz versteckt, aber zwischen den Zeilen spürbar, ihre Einsamkeit, wird unterbrochen, doch nicht für lange. Manchmal wenden wir uns ab, fast etwas beschämt, und wir verstehen wieder ein bisschen mehr von der Welt und wie sie funktioniert …

Aber lassen wir das …

 

PS Song zum Thema:  The Sonics – Livin‘ in Chaos

Für Hué, die alte Königsstadt, hier klicken …

 

Südostasien

Hanoi – Hồ Chí Minh’s Mausoleum

Kann sich noch jemand – ausser uns alten Säcken – an Hồ Chí Minh erinnern?

Bei uns ist der Vietnamkrieg noch mmer präsent. Ho-Ho-Ho Chi Minh, das war die Losung auf den Strassen, doch das ist lange her, und genauso lange ist Uncle Ho zu seinen Vorfahren abberufen worden (im September 1969).

Seinem letzten Wunsch, eingeäschert zu werden, wurde aber nicht entsprochen, und so liegt er nun in einem riesigen Mausoleum. Ich liebe diese morbiden Orte, und so mache ich mich auf den langen Weg durch die Strassen, um Uncle Hos letzte Ruhestätte zu besuchen …

 

Ein anderes Hanoi

Das ist nicht das alte Hanoi, wie ich es gestern kennengelernt habe; es ist der moderne Teil mit breiten Alleen entlang pompöser Gebäude, die von grimmigen Soldaten bewacht werden. Karte in der Hand folge ich den schnurgeraden Boulevards bis zur Straße, die zum Mausoleum führt.

 

Church in Hanoi
Kirche auf dem Weg zum Mausoleum

 

Vor einem riesigen Platz stehend, entscheide ich mich für den direkten Weg zu dem seltsam aussehenden Gebäude in der Mitte, aber ich werde sofort zurückgerufen. Soldaten mit (geladenen?) Gewehren zeigen in die Richtung, in der ich gehen soll, und so muss ich wie alle anderen um das riesige Feld herumgehen.

Der Grund dafür ist irgendwie schwer zu verstehen, aber fremde Länder, fremde Sitten.

 

Ho-Ho-Ho Chi Minh – Erinnerungen an Hồ Chí Minh

Wie erwartet, bin ich nicht der einzige.

Neben tausend Vietnamesen und anderen schlitzäugigen Nachbarn hat sich auch eine beachtliche Anzahl westlicher Touristen eingefunden, darunter erstaunlich viele Amerikaner. Ich bin fast sicher, dass dies der ultimative Triumph des alten Haudegens wäre, könnte er erleben, wie sich diese brav in Zweierreihen einteilen und anschliessend gemessenen Schrittes zum Eingang des Mausoleums führen lassen.

 

Mausoleum
Aus dem Nebel tauchen die Umrisse des Mausoleums auf
proud soldiers
Stolze Soldaten in Prachtsuniformen vor dem Mausoleum

 

Makabre Momente

Ich habe schon einige wirklich makabre Momente erlebt, aber dies ist einer der Höhepunkte. In der Mitte des Raumes, beleuchtet von grellem weissem Licht, liegt der Sarkophag, darin, bleich, von der Totenstarre gezeichnet, mit spitzer Nase, liegt Uncle Ho, für die Ewigkeit der Neugier seiner Nachfahren ausgesetzt.

Eine wirkliche Totenstille umgibt ihn, man hört lediglich das leise Tapsen der Füsse auf dem Boden, manchmal das erschreckte Einatmen eines Kindes, das leise Hüsteln eines Ergriffenen. Und Ergriffenheit herrscht fürwahr. In fünf Minuten, die Zeit, die man braucht, um einmal um den Sarkophag herum zu gehen, ist alles vorbei, und man kommt nicht umhin, um an der frischen Luft einmal tief durchzuatmen. Ho-Ho–Ho-Chi-Minh …

 

Das Ho-Chi-Minh Museum

Im Museum, nur ein paar Schritte vom Mausoleum gelegen, ist alles dem grossen Vaterlandshelden Ho gewidmet. Es gibt im Englischen ein wunderbares, auch lautmalerisch zutreffendes Wort dafür: DULL. Und das ist es tatsächlich. Heldenverehrung pur, doch banal, uninspiriert, ohne jegliche Klasse. Man verlässt den Ort des Schreckens mit eiligen Schritten …

 

Ho Chi Minh Museum
Der Eingang zum Ho Chi Minh Museum
Ho Chi Minh Bust
Büste von Ho Chi Minh

 

Auf der Suche nach dem Rückweg

Und dann ein neuer Schrecken, als hätte Uncle Ho nicht schon genügt – der Stadtplan, der überlebenswichtige Kompass zurück in bekanntere Gefilde, ist verschwunden. Wie findet man nun als ausgewiesener Orientierungs-Nerd den langen komplizierten Weg zurück? Na klar, man könnte ein Taxi nehmen oder eine Rischka, doch dabei ist eines von entscheidender Bedeutung: der Name des Hotels. Der ist mir allerdings entfallen.

Ohne grosse Überzeugung, doch mit der Erfahrung, dass schliesslich noch immer alles gut gegangen ist, macht sich der Nerd auf den Weg, sucht nach bekannten Orientierungspunkten, findet überraschenderweise solche, und nähert sich Schritt um Schritt der Welt, die er zu kennen glaubt. Dem kleinen Laden, wo ihm der Besitzer frische Mangos andrehen wollte oder der knallgelb gestrichenen katholischen Kirche, wo ihm der Eintritt verwehrt wurde. Und dann plötzlich und unerwartet – Cua Dong.

Meine Strasse. Mein Hotel. Meine Rettung.

 

PS Song zum Thema:  Jimmy Cliff – Vietnam

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Hanoi – Good Morning Vietnam

Die Umgebung, die sich dem verschlafenen Blick aus dem Fenster zeigt, könnte nicht unterschiedlicher sein. Gestern Vogelgezwitscher, Sonnenschein und die Aussicht auf einen heissen Tag, heute ein grauer vernebelter Morgen. Hupen, Gedröhn, ganz klar die Kakophonie einer grossen Stadt.

Es ist Mitte Februar, ich bin in Hanoi und in der Kälte gelandet. Dann also mit Adrian Cronauer aka Robin Williams: Gooooood Morning Vietnam!

 

Zurück im Vietnamkrieg

Dabei war der Flug kurz, keine 50 Minuten, doch er hat genügt, um mich vom Paradies in die erste Ebene der Unterwelt zu bringen. Ein ziemlich altes, propellergetriebenes Flugzeug. Sind das rostige Stellen auf den Flügeln, oder stelle ich mir nur das Schlimmste vor? Es erwartet einen gemischten Haufen von Reisenden, und ein gemischter Haufen ist es in der Tat.

So stelle ich mir die Passagiere in einer dieser Maschinen vor, die die amerikanischen Soldaten von einem Krieg zum nächsten führten. Die Männer neben mir scheinen die letzten Überlebenden dieses längst vergessenen Krieges zu sein: Amerikaner, Briten, andere undefinierbare Nationalitäten. In jedem Fall sehen sie aus wie Söldner: abgehärtet, gemein, dunkel, hart. „The Expendables“ kommt mir in den Sinn.

Das sind die Flugzeuge oder Airlines, vor denen man gewarnt wird. Dass sie gefährlich sind. In der Statistik der Flugunfälle an vorderer Stelle sind.

Was soll’s.

 

Hanoi by Night

Eine endlos lange Fahrt – erstaunlicherweise viel länger als der Flug – bringt mich mit horrendem Tempo  über eine nicht enden wollende Autobahn. Sie führt in schnurgerader Richtung nach Hanoi.

Es gibt einige Augenblicke, da ist einfach nur Luft anhalten geboten. Doch ich überlebe und gelange schliesslich in ein sehr respektables Hotel mit allem, was das Herz begehrt. Grosser Flatbild-TV, riesiges Badezimmer, Frühstück inklusive,, ein Bett in der Breite einer Turnhalle.

Inzwischen ist es zehn Uhr abends, und mein Magen ist leer wie der einer toten Kuh. Also suche ich ein Restaurant, aber überraschenderweise scheinen die Vietnamesen zu dieser Nachtzeit zu schlafen, denn ich finde nur geschlossene Türen. Keine andere Lösung als ohne Abendessen ins Bett zu gehen, was auch bedeutet, wie ein Hund zu schlafen. Übrigens ist es im Raum so kalt, dass ich froh bin, dass es eine Heizung gibt.

Heißes Südostasien? Das muss ein Witz sein.

 

Orientierungslos mit Stadtplan

Wie schon erwähnt, Orientierung ist definitiv nicht meine Stärke, aber ich ziehe frischen Mutes los, den Stadtplan in der Hand, und weiss bereits nach 5 Minuten nicht mehr, wo ich bin. Doch die Strassen sind gut beschriftet, und so findet sich auch ein blindes Huhn wie ich zurecht.

Alles andere ist schlicht unbeschreiblich, ich versuche es trotzdem.

 

Survival of the Fittest

Um dem geneigten Leser ein Bild  dessen abzugeben, was sich auf den engen Gassen abspielt, stelle man sich einfach Trottoirs vor. Sie sind vollgestellt mit Motorrädern, Fahrrädern, Autos und Tischen bzw. Stühlen, worauf sich, eng nebeneinander gekuschelt, Menschen über ihre Teller beugen.

Es gibt also absolut keinen Platz für Fussgänger, und so muss man sich den Weg über die Strasse suchen. Diese wird aber von hunderten von Rollern, Autos, Rischkas und anderen Fussgängern streitig gemacht. Das ist Darwin, Survival of the Fittest. Alle anderen flüchten zurück in ihre Hotels und buchen sofort den Weiterflug in ruhigere Gefilde.

 

Sidewalks in Hanoi
kein Platz für Fussgänger

Mir gefällt’s. Nicht dass ich nicht alle paar Sekunden mein Überleben mit einem Hechtsprung auf die Seite sichern muss, oh nein. Aber man gewöhnt sich sehr schnell an den Lärm, das ständige schrille Hupen von allen Seiten, die dichten Trauben von beweglichen Objekten, die alle nur das eine Ziel haben, irgendwie vorwärts zu kommen.

 

Ein sonderbarer Tanz

Was aber noch lange nicht heisst, in die gleiche Richtung, abermals oh nein, denn an den Kreuzungen entbrennt nun wirklich die Schlacht bei Waterloo. Alle versuchen, meistens sogar mit Erfolg, entgegen der Absicht aller anderen, über die Kreuzung zu gelangen, dabei wilde Schlenker nach links, nach rechts, zu vollführen, und das wirklich Verrückte ist, dass es gelingt. Ein sonderbarer wilder und trotzdem eleganter Tanz, ein Ritual, das sich an tausend Ecken und Kreuzungen tagtäglich abspielt, und Millionen von Teilnehmer sind Teil des Spiels.

 

 

Eine ruhige Oase

Irgendwann, tausende von herzzerreißenden Momenten später, ein See. Eine ruhige Oase inmitten der lärmenden Puffs. Ich atme tief durch und setze mich auf eine der Bänke am Ufer, aber es ist ziemlich kalt. Leicht zitternd, aber mit dem Gefühl, okay zu sein, schaue ich auf das graue Wasser.

Laut dem Führer gibt es tausend Geschichten über diesen See, eine davon über eine riesige Schildkröte, ein wahres Monster eines Tieres (dessen verstorbener Verwandter in einem Museum auf einer kleinen Insel im See einbalsamiert liegt). Vor einigen Jahren wurde er aus dem See gefischt, um die Auswirkungen des kontaminierten Wassers zu behandeln (der See ist zwar ein einziger Kanal). Nun denn, viel Glück, alter Freund!

 

A lonely island on the lake
Eine einsame graue Insel im See

The entrance to the museum
Der Eingang zum Schildkröten Museum

A sanctuary for a sacred turtle
Ein Heiligtum für eine heilige Schildkröte

 

Gebratene Nudeln

Es gibt so viel zu sehen, so viel zu verstehen, während man durch dunkle und überfüllte Gassen schlendert, entlang bunter Stände und winziger Suppenküchen, Werkstätten und Restaurants und allerlei Räumlichkeiten und Geschäfte. In einem der wirklich kleinen Restaurants (wie im Lonely Planet erwähnt) setze ich mich hin und bestelle gebratene Nudeln, die sich als überwältigendes Erlebnis erweisen. Nudeln mit einem großen Ausrufezeichen! Die hübschen jungen Mädchen, die die ganze Zeit kichern, freuen sich über meine Komplimente und so bekomme ich das erste Foto von mir selbst und zeige mir brutal, dass die Mütze, die fünf Minuten zuvor gekauft wurde, viel zu klein für meinen großen Kopf ist.

Es gibt auch eine Kirche, eine riesige und alte, die das Kolonialerbe mit französischem Ursprung widerspiegelt. Die Tür ist geschlossen, also umkreise ich sie und bewundere die immer noch beeindruckenden Mauern, während sich fromme Menschen, meist in Sonntagskleidern, an der Treppe versammeln, Fotos machen und Spaß haben.

 

Gray, threatening, gloomy - a church in Hanoi
Grau, bedrohlich, düster – eine Kirche in Hanoi

Ich habe auch eine gute Zeit wie die meisten Leute auch. Obwohl es eiskalt ist, sitzen sie auf winzigen Stühlen, tragen dicke Mäntel und Wollmützen und genießen das Essen und Lachen und Plaudern. Es erinnert mich an Jing Hong und ich wünschte plötzlich, ich wäre einer von ihnen …

 

Breakfast in Hanoi
Frühstück in Hanoi

 

PS Film zum Thema: Robin Williams – Good Morning Vietnam (best Scenes)

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Luang Prabang – Die alte Magie

Nicht dass es kalt gewesen wäre hier im Norden von Laos, nein, aber die Abende und Nächte können doch etwas sehr kühl werden. So ist zumindest für einen Tag (morgen gehts ja bereits nach Hanoi, zurück an die Kälte?) Wärme angesagt.

Und eine ausserordentlich mühsame Fahrt von Luang Namptha nach Luang Prabang, grösstenteils über eine Strasse, die diesen Namen eigentlich gar nicht verdient. Es sind doch mehr als zweihundert Kilometer, die der Minivan zwischen tiefen Schlaglöchern, ausgefahrenen Lastwagenspuren, tiefen Gräben hindurchpflügen muss, eingehüllt in eine dichte Wolke aus Staub.

Manchmal döse ich ein, verliere für ein paar Minuten den Zusammenhang, bis mich das nächste Schlagloch aus meinem wohlverdienten Schlummer weckt. Es ist eigenartig still im Wagen, nur übertönt durch das Brummen des Motors, das Aufhölen auf einer Steigung. Als ich das nächste Mal erwache, sind wir irgendwo, wo uns Kindergeschrei empfängt. Ein Stopp.

 

Eine exotisch zusammengewürfelte Gruppe

Wir sind eine ziemlich exotisch zusammengewürfelte Gruppe (eigentlich so wie immer): zwei Polen, ein südkoreanisches Paar, junge Laotenmädchen, schwer beladen mit Säcken und weiss der Teufel was. Andere, nicht identifizierbare Nationalitäten … Die übliche Zusammensetzung halt.

 

Packed Bus
Ein vollbepackter Bus

 

Zurück in Oudomxai

Halt in Oudomxai. Eigentlich ein gesichtsloses Kaff, das nicht viel hergibt, aber vor zwei Jahren habe ich hier eine wirklich gute Zeit erlebt. Auf dem Busbahnhof wird mir plötzlich klar, dass ich auf den Tag und die Stunde genau vor zwei Jahren an der selben Stelle stand, noch etwas unentschlossen, wie die Reise weitergehen sollte. Der Tag, an dem ich schliesslich einfach loszog, um einen Wasserfall zu suchen.

 

All kinds of delicious things, but also grilled snakes
Allerhand leckere Dinge, aber auch gegrillte Schlangen

 

Und zurück am Nam Ou

Der Trip scheint nicht enden zu wollen, doch nach Pak Pong wird die Strasse besser, es geht nun Richtung Luang Prabang. Und dann taucht er plötzlich auf, breit, wild, man glaubt, das Tosen der Wassermassen zu hören. Der Nam Ou, mein zweiter Lieblingsfluss, den ich vor 2 Jahren mit dem Boot befahren habe.

Das scheint nun nicht mehr möglich zu sein. Die offizielle Version lautet zu niedriger Wasserstand, inoffiziell ist wohl klar, dass der von den Chinesen erbaute Damm schuld daran ist, dass wieder ein einmaliges Erlebnis verunmöglicht wird (und by the way eine Menge Leute ihren Lebensunterhalt verloren haben).

 

Und zurück in Luang Prabang

Ankommen in Luang Prabang. Gleiche Stadt, gleiche Atmosphäre, gleiche Geschäftigkeit.. Und noch mehr Touristen. Haufenweise. Die Restaurants entlang der Hauptstrasse sind voll von ihnen, ebenso der Nachtmarkt, der immer grösser zu werden scheint. Mal sehen, wie’s mir morgen gefällt. Wiedersehen ist nicht immer schön …

Aber am Morgen empfängt Vogelgezwitscher den verschlafenen Traveller, eine warme Brise weht, ein Vorgeschmack auf den heissen Tag. Heute werde ich es ruhig angehen, denn alles, was mich erwartet, sind Deja-Vus. Also zunächst mal Frühstück im Schatten der Bäume, während die Gedanken vorauseilen zur Kälte, die mich in Hanoi erwartet.

 

Breakfast with birdsong
Frühstück bei Vogengezwitscher

All Things are impermanent

Es sind erst zwei Jahre her seit meinem letzten Besuch, und trotzdem scheint mir die Stadt ihre klösterliche Ruhe verloren haben. Unruhe hat Einzug gehalten, Hektik, das schnelle Geld, das nun in grossen Mengen in die Stadt fliesst. All Things are impermanent, wie schon Buddha selig bemerkte.

Also Rückzug zum Mother River. Lange sitze ich mutterseelenallein am Ufer des Mekong, blicke in die manchmal ruhig, zuweilen wild und wirblig fliessenden Wassermassen. Er hat schon ein paar tausend Kilometer seit der Quelle in Tibet hinter sich und ebenso viele noch vor sich bis zur Mündung ins Südchinesische Meer.

Wir werden uns wiedersehen …

 

Mekong in Luang Prabang   Brücke

 

Mit dem Fahrrad unterwegs

Ich mache mich auf zu einer erneuten Erkundung der Stadt. Das Fahrrad ist genauso alt und klapprig wie dasjenige vor zwei Jahren, aber das trifft ja auch auf mich zu  …

Ich folge also den Strassen, die mich entlang der Hauptstrasse zum Fluss hinunter und weiter führen, überall dorthin, wohin mich die Lust treibt.

Dorthin, wo die Schiffe am Mekongufer anlegen. Wo ich alte Freunde in ihren orangen Roben treffe. Die kunstvollen Blumenarrangements bewundere. Bei der alten Dame zwar nichts kaufe, aber ein paar freundliche Blicke austausche, mehr braucht es nicht. Und wo ich an Bildern unterschiedlicher Qualität vorbeihusche, bevor mich der Verkäufer entdeckt.

 

Main street in Luang Prabang  Mekong

Meeting with old friends  ... I admire the artfully made flower arrangements

... which are sold at the entrance to the temple  ... or the more or less artistic paintings

Und natürlich landet man früher oder später immer wieder bei ihm, Gautama, in all seiner Pracht, und – als besondere Überraschung- beim Abdruck eines Fusses seiner Heiligkeit. Dazu gibt es natürlich einiges zu sagen bzw. zu fragen: erstens – wie kann ein Mensch der damaligen kleingewachsenen Spezies derart grosse Füsse haben. Und zweitens – warum sollte Buddha ausgerechnet hier gewesen sein und die Güte gehabt haben, ausgerechnet hier einen Fussabdruck zu hinterlassen?

Aber das sind halt die Fragen, die sich in Asien stellen, sie bleiben unbeantwortet, und das ist gut so.

 

... and finally end up with him once again  ... and the imprint of his feet (?)

Und so geht der Tag vorbei. Mit vielen Déja-Vus, die mir auch beim zweiten Mal unendlich Freude bereiten.

 

Abschied

Und so lande ich gegen Abend zurück in meinem Hotel, verabschiede mich und bereite mich auf den Flug nach Hanoi, zurück in die Kälte, vor.

It's gone dark
Es ist dunkel geworden

 

PS Song zum Thema:  Radiohead – The Tourist
Und hier geht die Reise weiter … in Hanoi

 

Südostasien

Luang Namptha – Dschungeltrek

Man stelle sich die Hauptstrasse  eines mittelgrossen Städtchens vor, irgendwo auf der Welt: Dichter Verkehr, Stossstange an Stossstange, Ampeln, Fussgängerstreifen, Hektik, Hupen, Lärm …

Nicht hier in Luang Namptha, hier ticken die Uhren noch so wie vor 30, 40 oder mehr Jahren.. Man könnte mitten auf der Strasse ein Picknick  veranstalten, es würde kaum zu einem grösseren Verkehrsproblem führen.

 

Luang Namptha

Alle paar Minuten tuckert ein altertümlicher Traktor vorbei, schwarzblaue  Dieselschwaden ausstossend. Dazwischen  Roller, viele Roller, manchmal mit Kindern, Babys, Grossmüttern aufgepackt, dazwischen wichtigtuerische SUVs, wahrscheinlich aus dem nördlichen Nachbarland stammend.

 

Luang Namphta's main street

People's Complain Letter Box

 

Das wahre Highlight von Luang Namphta

Bevor der Treck startet, nimmt uns der Guide mit zum Markt. Es geht darum, für den eintägigen Trip Lebensmittel einzukaufen. Und tatsächlich – jetzt erst erkenne ich das wahre Highlight von Luang Namphia.

Einer der schönsten Märkte seit langem.

 

Market in Luang Namptha  Bargaining in Luang Namptha

Very strange fruit  Vegetables and fruit

Ein lärmiges, freundliches Durcheinander vieler Stimmen, von Frauen, Kindern, Hunden, empfängt uns auf einem verborgenen Platz inmitten von Häusern. Gegen die Sonne, die sich an diesem Morgen rar macht, stehen farbige Sonnenschirme parat, neben und unter ihnen sitzen farbig gekleidete Frauen vor ihren auf dem Boden ausgebreiteten Früchten und Gemüse aller Arten. Einige davon sind mir völlig unbekannt.

 

Ordnung bei Gemüse und Früchten

Was auffällt – alle Früchte, jedes Gemüse ist sorgfältig geordnet, manchmal in geraden Linien ausgebreitet.

 

A lot of work for a lot of order  Vegetables

Bird's eggs?  Vegetable tidiness

 

Drei Alte im Dschungel

Abwechslung tut gut, zumindest wenn es darum geht, nicht immer der Älteste zu sein. Heute bin ich es definitiv nicht. Das deutsche Ehepaar – Rainer und Angela – haben den Zenith ihres Lebens ein paar Jahre überschritten. Er 78, sie über 70. Auf jeden Fall ist keine Jump-and-Rush Expedition bei unserem Dschungel Trek zu erwarten.

Auf der Fahrt zum Ausgangspunkt stellt sich heraus, dass ich es mit Rainer und Angela mit zwei ausgewiesenen Travellers zu tun habe. Im Verlauf des Tages wird aus ihren Erzählungen klar, dass sie nicht nur beinahe jedes Land bereist haben, sondern dies auch auf mehr als abenteuerliche Weise getan haben.

Es kann gut sein – wir sind uns da nicht ganz klar geworden – dass sich unsere Wege in Indien und Nepal 1974/75 durchaus gekreuzt haben können, Rainer allerdings per Lastwagen oder mittels anderen Vehikeln. Und vor vielen Jahren haben sie den ganzen Weg von Kalifornien bis Alaska mit dem Velo gemeistert. Meine Ehrfurcht ist gross …

 

Starting the jumgle Treck
Rainer und Angela im Dschungel

 

Vorrecht des Alters

Es entwickelt sich eine zwar nicht sehr abenteuerliche, aber durchaus spannende Wanderung durch dichten Dschungel, vorbei an munter sprudelnden Bächen, an steilen Felsabstürzen und vom Alter oder Sturm gefällten Baumriesen, begleitet vom unaufhörlichen Gesang der Grillen und unsichtbaren Vögeln.

Die beiden Mit-Trecker haben es nicht besonders eilig (ein Vorrecht des Alters), auf jeden Fall wird jedes Blümchen, jeder Pilz, jeder Baum und Strauch einer genauen Prüfung unterzogen und fotografiert. Ihr Wissen ist immens: auch noch so seltene Pflanzen, von denen Landolt noch nie was gehört hat, können sogar etymologisch erklärt werden. Chapeau!

 

rare butterflies  strange mushrooms

Thick undergrowth
Dichtes Unterholz

 

Ein wunderbares Mahl im Dschungel

Die Zubereitung des Mittagessens ist ein besonders eindrückliches Happening. Der Guide namens Sai ist zwar vor der Abfahrt einkaufen gegangen – Gemüse, Reis, Enten- oder Hühnerfleisch, Bananen – doch zur Zubereitung gibt es weder Pfannen noch sonstiges Instrumentarium.

Ein junges Mädchen, das er auf der Hinfahrt mitgenommen hat (und die leider kein einziges Wort Englisch spricht oder versteht), hilft ihm beim Kochen. Zuerst werden mit der Machete grosse Bambusröhren geschnitten (der Zweck ist uns anfänglich ziemlich schleierhaft), dann werden sie zu meterlangen Stücken zerschnitten und schräg über das mittlerweile brennende Feuer gelegt. Dann wird für die Suppe Wasser hineingegossen (warum es nicht auf der anderen Seite herausfliesst, entzieht sich meiner Kenntnis) und schon bald dampft und zischt es aus der oberen Öffnung.

 

Bamboo as raw material  Lunch in the jungle - delicious

Cooking Artists  Cooking Team

Als Suppenteller dient wiederum ein halbiertes Bambusrohr, das waagrecht auf den Tisch gelegt wird und man mit aus Bambusblättern gefertigten Suppenlöffeln isst. Überwältigend! Und erst noch lecker. Das am Schluss zubereitete Menü besteht schliesslich aus Gemüsesuppe (sehr gut), Reis, den man mit der Hand zu mundgerechten Happen zerdrückt und in die scharfe Sauce (ebenfalls auf Bambusröhrentechnik zubereitet und absolut perfekt) tunkt, Gemüse (keine Ahnung, was es sein könnte, schmeckt aber gut) und ein paar Happen ausserordentlich zähes Entenfleisch.

Ehrlich – ich tausche jedes Gault Millau Nobelessen gegen dieses wunderbare Mahl im Dschungel, untermalt von den Geschichten der beiden alten, aber immer noch sehr virilen Travellers …

Auch der Rückweg ist gemütlich, spannend, hochinteressant, denn Sai weiss enorm viel über so ziemlich alles, was uns interessiert. Kardamon, Ginger, Grapefruits, wilde Bananen, Pilze (essbare und tödlich giftige), Baumriesen, deren Wipfel man nur erahnen kann, so hoch sind sie, Blätter, die man besser nicht berührt … Rainer – immerhin geht er gegen die Achtzig – ist vielleicht doch langsam ein bisschen tattrig und so brauchen wir halt etwas länger zurück zum wartenden Tuk-Tuk …

 

Ein Dorf abseits

Auf dem Rückweg machen wir Halt in einem Dorf weit abseits des üblichen Touristenrummels. Ein friedliches altmodisches Dorf, wo man beinahe den Hauch des vorletzten Jahrhunderts zu spüren glaubt. Wären da nicht die überalle herumliegenden Plastikflaschen …

 

A village from the penultimate century  Hard work on the loom - but the results are wonderful

Again and again children - curious, friendly, wonderful
Immer wieder Kinder – neugierig, freundlich, wunderbar

Ein schöner Tag.

 

PS Song zum Thema:  Jethro Tull – Bungle in the Jungle

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Yunnan – Melancholischer Abschied

Kein Frühstück?

Bevor ich mich aber auf den Rückweg nach Laos mache, zuerst ein währschaftes Frühstück für die lange Reise.

Weit gefehlt – auch vormittags um 9.00 sind sie meisten Läden noch geschlossen, ebenso sämtliche Restaurants. Ist das überhaupt möglich? In China? Zahlreiche Leute sitzen auf den Trottoirs, auf ihren winzig kleinen Stühlen, und schlürfen in aller Gemütsruhe ihre Suppe. Diese Provinz überrascht mich immer mehr. Und da ich in der Zwischenzeit gelernt habe, dass Fragen im besten Fall zu einem Schulterzucken führt, lasse ich es bleiben.

Heute also kein Frühstück.

 

Auf der Suche nach meiner Hotel Reception

Etwas Wichtiges steht noch aus. Ich muss mich auschecken. Etwas sehr Banales, würde man meinen. Dazu gehört aber zumindest, dass man weiss wo.

Das ist schwieger als gedacht und führt mich zu einer dieser erinnerungswürdigen Episoden, die auch nach häufigem Erzählen immer noch lustig bleiben.

Anyway, im Gebäude, in dem sich mein Hotel befindet, gibt es wie bereits erwähnt zahlreiche andere, alle verstreut über zehn oder mehr Etagen, manchmal mehrere auf einer. Das ist das Problem. Ich würde ja gerne auschecken, aber leider weiss ich nur noch das Stockwerk, aber nicht mehr, welche Tür zu meiner Reception führt. Und natürlich sind alle Türen nur auf chinesisch angeschrieben. Und der Korridor kommt mir vor wie in Kafkas Schloss.

Unendlich lang.

Was ist da zu tun? Langsam werde ich etwas nervös, denn in einer halben Stunde fährt mein Bus. Es bleibt mir also gar nichts anderes übrig, als zu versuchen, die Reception durch ein Ausschlussverfahren zu finden.

Das Klopfen an der ersten und an der zweiten Tür führt zu nichts. Entweder befinden sich die Leute noch im Tiefschlaf, oder es ist niemand da. Bei der dritten Tür habe ich Glück, wobei Glück ein relativer Begriff ist, denn das verschlafene Gesicht der Dame macht einen ziemlich ärgerlichen Eindruck. Und natürlich versteht sie kein Wort und schlägt mir dir Tür vor der Nase zu.

Ich kann es ihr nicht verdenken.

Was soll ich tun? Um Hilfe rufen? Ein Feuer entfachen?

Doch irgendwann öffnet sich im hinteren Teil des langgezogenen Korridors eine Tür, und tatsächlich, es ist meine Dame, meine Reception, meine Rettung.

Ich habe noch nie mit soviel Euphorie ausgecheckt.

 

Rückfahrt nach Laos

Von hier an geht es relativ problemlos weiter – ich finde, zwar mit erheblichen Schwierigkeiten, sogar den richtigen Bus. Das junge Mädchen am Bus-Schalter versteht natürlich kein Wort, ich ebenso wenig von ihren ärgerlichen Kommentaren, aber Hilfe naht in Form eines Einheimischen, der tatsächlich zu verstehen scheint, wonach ich suche. Bingo!

ich setze mich mitten in eine lärmige Gesellschaft von Treckern, die eben aus den Bergen kommen. Das erinnert mich an meinen ursprünglichen Plan, in die Ausläufer des Himalayas zu reisen, aber wie gesagt – Pläne, die sich nicht haben realisieren lassen. Je mehr die Kerle von ihrem Ausflug erzählen, desto mehr hadere ich mit diesem Verlust an potentiellen Erlebnissen. Währenddessen fährt der Bus der gleiche Strecke wieder zurück, der Armut, aber auch der Anmut und Freundlichkeit von Laos entgegen.

 

Bye-bye Jinghong
Bye-bye Jinghong

 

Vor- oder Nachname?

An der chinesischen Passkontrolle werde ich anfänglich skeptisch, dann grimmig, am Schluss alarmiert gemustert, bevor man mich höflich bittet, auf die Seite zu treten und zu warten.

Man berät sich im Hinterstübchen, ist offenbar ein bisschen irritiert, während ich bereits mit der Vorstellung kämpfe, wie Brad Pitt in “Spy Game” in den Tiefen eines chinesischen Gulags versenkt zu werden.

 

Tja, alles klärt sich natürlich in Minne auf. Verwechslung von Vor- und Nachnamen. Tja, Ja, ihr grau-grün-gelb uniformierten, ewig misstrauischen Beamten, es gibt andere Länder, andere Sitten, andere Schriften, merkt euch das. Und die Art und Weise, wie Vor- und Nachnamen geschrieben werden, ebenso.

Und dann bin ich wieder in Luang Lamptha, fast ein bisschen eine Heimkehr. Altes Hotel, altes Restaurant, alte Bekannte. Irgendwie eine beruhigende Feststellung. Oh ja, und für morgen ist ein Trek angesagt …

 

PS Song zum Thema:  Apparat ft. Soap & Skin – Goodbye

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Jinghong – Ein Tanz am Abend

Der jährliche Neujahrs-Holiday ist vorbei, der Verkehrslärm braust lauter, intensiver. Montag.

Heute werde ich etwas Wichtiges feststellen. Yunnan ist ein anderes China.

Trotz leerem Magen und verschlafenem Kopf – selten eine gute Voraussetzung für die objektive Beurteilung einer unbekannten Stadt – bin ich vom ersten Augenblick an von einem eigenartigen Gefühl des Wohlbehagens erfüllt. Ganz und gar der Erwartungshaltung zuwider herrscht eine zwar geschäftige, aber trotzdem irgendwie entspannte Atmosphäre.

 

Relaxed China
Entspanntes China

Ist das wirklich China?

Das hektische, gierige, dem Rubel nacheilende China, das uns alle weit in den Schatten stellt? Ich sehe mich um und erblicke nur freundliche, gelassene Gesichter, die mir einen schnellen, aber letztlich nicht wirklich interessierten Blick zuwerfen, und ihrer Wege gehen.

 

Vegetable stall
Gemüsestand
Everything there that the heart desires
Alles da, was das Herz begehrt
In the middle of the center - an elephant
Mitten im Zentrum – ein Elefant

 

Lediglich die Kinder schauen genauer hin, mit einer Mischung aus Neugier, Überraschung und ein bisschen Erschrecken. Trotz Montag und Arbeitsbeginn scheint es nicht zu erhöhtem Blutdruck zu führen. Nicht wenige Leute hocken bereits mitten am Vormittag über ihren Suppentellern oder was immer sich in den Schüsseln befindet. Andere spielen chinesisches Domino oder Karten, die dazugehörigen Yuan-Scheine vor dem neugierigen Blick versteckt.

 

Orientierung in Jinghong

Ein guter Orientierungssinn ist eine schöne Sache, wenn man ihn denn hat. Eines ist sicher – ich habe ihn nicht. Ich frage mich immer wieder, wie ich es geschafft habe, von all meinen Reisen heil zurückzukommen, ohne mich in aussichtsloser Lage am Nordpol wiederzufinden.

Nun denn, auf jeden Fall bewege ich mich – vollkommen überzeugt, den Sonnenstand korrekt zu interpretieren – genau in die falsche Richtung. Ich bin etwas enttäuscht, dass sich die Prachtsstrasse irgendwo in der Nähe des Mekongs verliert. Das irritierte Gesicht des Mannes, dem ich auf der Karte meinen vermeintlichen Standort klar zu machen versuche, tut das seinige dazu. Es ist natürlich genau umgekehrt …

 

Sprachversuche in Mandarin

Nun denn, rechtsumkehrt, ein bisschen beschämt, aber frohen Mutes, und ich lande nach einigem unsicheren Herumgeschaue (wie finde ich wieder ins Hotel zurück??) bei dem im Führer angegebenen Kaffee. Es soll eines der wenigen Restaurants sein, das Menüs in verständlicher Sprache anbieten.

Und jetzt ist es auch Zeit, die ersten Sprechversuche in Mandarin zu wagen. Die freundliche Bedienung lächelt anfänglich verständnislos, als ich meine ersten chinesischen Ausdrücke anzubringen versuche. Sie verfällt schliesslich in lauthalses Gelächter, was mein Selbstvertrauen in Sachen Sprachbeherrschung nicht gerade auf neue Höhen hebt.

Ich bestelle ein Swiss Breakfast – haha -, doch der Kaffee ist süss und stark und gut, ebenso das Birchermüesli, wer hätte das gedacht. Ausgerechnet in Jinghong. Die Wege des Herrn sind wirklich unergründlich …

 

Birchermüesli in Jinghong
Birchermüesli in Jinghong

Stadterkundung

Jede Stadterkundung hat ihren eigenen Reiz. Ich bin schon lange der Überzeugung, dass eine Stadt sich erst dann dem Fremden öffnet, wenn er sie zu Fuss abgeht, zumindest die wichtigsten Gebiete.

 

Fortune tellers in Jinghong - or are they palm readers?
Wahrsager in Jinghong – oder sind es Handleser?
Lake in Jinghong
Sogar einen See gibt es hier, mit vielen Booten und Pedalos
Serene mood while playing cards
Gelassene Stimmung beim Kartenspielen

 

Das Zentrum Jinghongs besteht im Grund aus mehreren schachbrettartig angelegten Strassen, breiten, mit hohen, laubbehängten Bäumen besetzt. Alle paar Meter ein Laden, eine Bank, ein düsterer Hauseingang, eine Suppenküche. Oder wie immer man diese Dinger bezeichnen soll, wo Leute in dichten Trauben auf Kinderstühlen kauern, während sie essen, palavern, kauen, spucken, lachen …

 

Enjoy your Meal!
Guten Appetit!

 

Museumbesuch

Vor lauter Herumschauen und Wundern verpasse ich beinahe das Museum. Es ist zwar geschlossen, aber nur schon das Äussere ist beeindruckend (wie so vieles, was ich heute gesehen habe). Langsam dämmert die Erkenntnis, dass ich für den Chinatrip viel mehr Zeit hätte einplanen müssen. Das nächste Mal …

 

Temple in Jinghong
Auch die Tempel in Jinghong sind anders
awesome Gong
Reichverzierter Gong
and another guard
Und noch ein Wächter

Grossfamilien im Restaurant

Auch die Suche nach einem Ort, wo ich ein Abendessen kriege, was ich a) lesen und b) identifizieren kann, gestaltet sich schwierig (wer hätte das gedacht). Ich lande schliesslich in einem mehr als vollbesetzten Restaurant (alte Reiseregel: immer dort essen, wo es die meisten Leute hat), werde nach einigem Warten an einen Tisch gesetzt.

Freundlich wie ich nun mal bin (LOL), gebe ich den Tisch an eine Familie weiter, die sich vor Dankbarkeit fast bis zum Fussboden verbeugt (neue Freunde). Man bittet mich höflich an den Tisch einer andern Grossfamilie, die mich euphorisch in ihren Kreis aufnimmt.

Dem sich anbahnenden Gespräch ist aus verständlichen Gründen kein Erfolg beschert, denn wir verstehen schlicht kein einziges Wort, was der andere sagt. Aber man wirft sich immer wieder ein freundliches Lächeln zu, vor allem das an der Brust der Grossmutter schlafende Baby ist Anlass zu allerlei erfreuten und stolzen Grimassen …

 

Restaurant in Jinghong
Immer dort essen gehen, wo es die meisten Gäste hat

Ein Tanz am Abend

Nacht ist über die Stadt gefallen. Auf dem Heimweg klingt plötzlich Musik in meinen Ohren, und beim Näherkommen ist zuerst unklar, ob jemand ein Fest feiert, eine Hochzeit im Gange, irgendwas …

Weit gefehlt: Am Ufer des kleinen Sees im Stadtzentrum haben sich Trauben von Leuten gebildet, die sich tanzend im Kreis bewegen, angeführt von einem alten Mann der der mit vollen Wangen in eine Art Trompete bläst und dabei Laute erklingen lässt, die in meinen Ohren, sagen wir mal recht seltsam klingen. Den Leuten aber gefällt’s: wildfremde Menschen tanzen miteinander, es sieht seltsam elegant und auf besondere Weise rührend aus.

 

Es gefällt mir sehr hier in Jinghong. Schade, dass meine Reiseplanung nur einen kurzen Abstecher in die Provinz Yünnan vorgesehen hat.

Eine Provinz, die so anders ist als das vorgestellte China.

 

PS Song zum Thema:  Martha and the Vandellas – Dancing in the Street

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

China – Die Welt in neuen Farben

Der Bus nach Jinghong in Yunnan ist hoffentlich kein böses Omen.

Die Abfahrt des Busses nach Jinghong ist auf genau 07.10 angesetzt. Zahlreiche Travellers drängen sich in die TukTuks, Reiseziel Luang Prabang oder Oudomxai, und schon bald stehe ich alleine da, mit Ausnahme eines ziemlich verloren wirkenden chinesischen Paares.

Einmal mehr ist die laotische Pünktlichkeit eine Sache von Glauben und Hoffnung, bis sich mit Getöse und Gedröhn das absolut heruntergekommenste, dreckigste, verbeulteste Vehikel nähert, das ich je gesehen habe.

 

Bus to Jinghong
Mit diesem Vehikel nach Jinghong?

 

Ein erbärmlicher Bus

Die Sitze sind in einem schlimmen Zustand, zum Teil schräg oder nur noch in der Liegeposition benutzbar, und allesamt ziemlich schmutzig. Aber der Bus ist gut besetzt, ich zwänge mich ganz hinten auf einen noch akzeptabel aussehenden Sitz und harre der Dinge, die da kommen sollen.

Nach mehreren Zusatzschleifen quer durch das Dorf scheinen wir die gewünschte Vollbesetzung erreicht zu haben, und es geht los Richtung Norden, doch immer wieder Halte in Dörfern oder an seltsamen Orten, wo jemand zu- oder aussteigen will.

 

Gummibäume und andere Sünden

Eine Fahrt durch wildes Land, durch hellgrüne Wälder, dichten Dschungel. Die Erinnerung an die Fahrt auf dem Nam Ou vor zwei Jahren taucht auf und mit ihr der Ärger: dort wie hier sind die Wälder kilometerweit abgeholzt worden, um Platz zu schaffen für den Anbau von Rubber Trees, Kautschukbäumen, die in schnurgeraden, langweiligen Reihen angepflanzt sind.

Hier gibt es keine Tiere mehr, nichts, was an die alten Zeiten erinnert, als der Dschungel vom Leben vibrierte. Ein weiteres zweifelhaftes Geschenk der Nachbarn im Norden.

 

Der australische Lehrer

Mit Erstaunen nehme ich zur Kenntnis, dass ich wider Erwarten doch nicht der einzige Fremde im Bus bin. Ein junger Mann unterhält sich in fliessendem Mandarin mit einem alten Chinesen mit schrecklich abstehenden Ohren, der sich alle paar Augenblicke lautstark räuspert und die diesbezüglichen Ergebnisse aus dem Fenster spuckt. An diese optischen und vor allem akustischen Überfälle wird man sich schnell gewöhnen müssen. China lässt ein weiteres Mal grüssen.

Der junge Mann, der sich kurze Zeit später neben mich setzt, entpuppt sich als australischer Lehrer, der irgendwo im Norden Chinas, in der inneren Mongolei, an der Uni Englisch und Philosophie doziert.

Es entwickelt sich ein angeregtes Gespräch über Gott und die Welt, über das Reisen und das Weggehen und was es in einem auslöst, über Arnold Schwarzenegger und Breaking Bad, aber auch immer wieder über unser Ziel im Norden, China. Er scheint sein Gastland zu meinem Erstaunen wirklich lieben gelernt zu haben, vor allem sein Geständnis, dass er sich nach einem längeren Aufenthalt im Ausland nach Hause zu kommen fühlt, macht mir Eindruck.

 

Border crossing
Grenzübergang

Die Grenze

Und dann plötzlich die Grenze. Hier niedrige Hütten, dort mächtige Gebäude, hoch in den Himmel gezogen, mit einer einzigen Botschaft: Seht her, das ist China, der zukünftige Herrscher im 21. Jahrhundert. Anstelle der staubigen Strassen sind nun breite, Palmen-gesäumte Alleen das Mass der Dinge, sauber, ordentlich, gepflegt. Die Leute sind adrett gekleidet, selbstbewusst, aber dennoch entspannt.

 

Border between Laos and China
Grenze zwischen Laos und China
So much to buy
Grosses Angebot
Chicken
Hühner
Relaxed atmosphere
Entspannte Atmosphäre

Sichtbare Unterschiede

Auf den ersten Blick hat sich nicht viel geändert, wenn man aus dem Fenster blickt, doch der zweite enthüllt die Unterschiede. Die Architektur der Häuser entspricht nun der Vorstellung: tempelartig, mit mehreren Dächern übereinander geschachtelt, zierlich, von brüchiger Schönheit. Und die vielen Autos entlang der Strasse glänzen, geben Zeugnis von Geld, viel Geld …

Man fühlt sich mit einem Mal in einer anderen Welt. Ich mache meine Hausaufgaben, versuche alles  wahrzunehmen, nichts verpassen. Dies ist ein Land, das uns die nächsten Jahre und Jahrzehnte beschäftigen wird, vielleicht als Freund, vielleicht als Konkurrent, vielleicht als Feind. Oder alles zusammen.

Was ich hier sehe, ist gleichermassen erstaunlich wie bedrohlich. Vor nicht mal dreissig Jahren war das Land mausarm, jetzt eine aufstrebende Weltmacht mit dem strategischen Ziel, wieder, wie vor vielen Jahren, die Nummer eins zu werden. Das Trauma, während hunderten von Jahren ein Nichts gewesen zu sein, liegt tief und bestimmt das Denken und das Handeln.

Wir werden uns vorsehen müssen …

 

Jinghong

Und dann plötzlich der Mekong, der hier Lancang heisst, die Brücke führt direkt ins Zentrum Jinghongs. Breite Alleen, viel Verkehr, und überall chinesische Schriftzeichen, kein einziges in unserer Schrift. Das kann ja heiter werden …

 

Jinghong - will I ever find my way back to the hotel?
Jinghong – werde ich je wieder zurück zum Hotel finden?

 

Mein australischer Freund verabschiedet sich, und trotz der kurzen Bekanntschaft bleibt ein leises Gefühl des Verlusts zurück.

 

Auf der Suche nach dem Hotel

Meine Zweifel bezüglich Kommunikation bewahrheiten sich. Obwohl die Adresse des Hotels auch in Chinesisch steht, hat der würdige ältere Tuk-Tuk Fahrer alle Mühe. Nicht einmal die Lesebrille, die er aus der Tasche klaubt, scheint das Problem lösen zu können.

Aber wir fahren schliesslich los, beinahe lautlos, denn ich bin tatsächlich auf einem Tuk-Tuk mit Elektromotor unterwegs, also sozusagen einem e-Tuk-Tuk. Er fährt langsam, unsicher, hält dann irgendwann am Strassenrand und zeigt auf einen Häuserblock, an dem allerdings der Name eines ganz anderen Hotels prangt. Während ich verzweifelt bemüht bin, ihm klarzumachen, dass dies nicht die gesuchte Adresse ist, versucht er mich ebenso verzweifelt vom Gegenteil zu überzeugen. Wir einigen uns schliesslich dahingehend, dass ich mich verabschiede und mein Glück auf meine Weise versuche.

 

Jinghong
Allee, palmenbesetzt, man putzt

 

Das Hotel

Im Nachhinein – Shame on me und sorry, alter Mann – stellt sich heraus, dass es tatsächlich die richtige Adresse ist, nur dass sich das Hotel eben unsichtbar in dem riesigen Häuserblock versteckt. Obwohl sie nicht den Hauch von Englisch verstehen, finde ich schliesslich mit der gütigen Hilfe einiger Passanten doch noch den richtigen Eingang, den richtigen Lift, die richtige Reception.

Und das Zimmer ist Klasse. Allerdings führen Hunger und Durst schon bald wieder zurück auf die Strasse, es ist dunkel geworden, und ich fühle mich noch etwas unsicher in der unbekannten Umgebung. Die Trottoirs sind voller Menschen, lachenden, freundlichen Menschen, spazierend, am Boden kauernd, über ihre Nudelsuppen gebeugt.

 

Nachtessen

Ich finde schliesslich ein Restaurant, wie im Reiseführer angegeben, schlimmstes Fastfood, aber die Bedienung ist freundlich, jedoch einmal mehr von absoluter Verständnislosigkeit hinsichtlich Nicht-chinesischer Sprache zeugend. Wir einigen uns doch noch, nach langem Palaver und unter Zuhilfenahme der grässlichen Bilder auf der Menükarte, auf Reis mit Beef, gar nicht schlecht, doch das mit Eis gefüllte Wasserglas bleibt unangetastet.

Genug für heute …

 

PS Song zum Thema:  Ann-Margret – I just don’t understand

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Die Einsamkeit der Nacht

Was ich am frühen Morgen noch nicht weiss – der Trip von Chiang Khong nach Luang Namptha wird eine Fahrt durch tiefe Nacht werden. Aber schön der Reihe nach …

Seit einem Monat gibt es keine Fähre mehr, keine Treppe, kein Gewusel mehr am Zollposten. Es gibt nun eine breite Brücke, bewacht von zwei protzigen Gebäuden auf beiden Seiten, durch man nun mit kalter Präzision durchgeschleust wird.

Dass der Grenzposten nun 10 Kilometer ausserhalb Chiang Khongs liegt, bedeutet eine massiv teurere Tuk-Tuk Fahrt zu selbstverständlich hohen nicht verhandelbaren Preisen. Und dass eine ganze Menge Leute ihre  Einkommensquelle verloren haben (ausser den Tuk-Tuk Fahrern natürlich). Nun denn  …

 

Niemandsland in Laos

Auf der laotischen Seite findet man sich im Niemandsland wieder, einer wüsten menschenleeren Landschaft, und in alle Richtungen, sei es nach Houayxai oder an die  Busstation, gibt es nur Tuk-Tuks  als einziges Transportmittel.

Ein gemischtes Häufchen Touristen besteigt schliesslich das wartende, sehr klapprig aussehende Gefährt, das uns in röhrendem Tempo zur Busstation fährt, wo gemäss Fahrttabelle  der Bus nach Luang Namptha um 12.30 abfahren soll.

 

Bus stop outside Ban Houayxai
Der wartende Bus …

 

Ein verspäteter Blick auf das Ticket

Aber denkste!  Es wird  13 Uhr, dann 13.30, ausser uns gibt es erstaunlich wenige Einheimische, was uns eigentlich stutzig machen  müsste. Aber es gibt viel zu erzählen, man schwatzt, lacht, tauscht Erlebnisse, Abenteuer, Erkenntnisse und Erfahrungen aus, manche banal, andere spannend und überraschend.

 

Backyard near the bus stop
Mittagessen in einem Hinterhof

Man geht gemeinsam essen, kehrt zum Busbahnhof zurück, um alles genauso vorzufinden wie zuvor. Meine Frage nach der Abfahrtszeit beantwortet der Verantwortliche mit dem Zeigen von vier Fingern, was mir lächerlich erscheint, denn ein Bus, der für 12.30 vorgesehen ist, kann einfach nicht erst um vier abfahren! Kann er doch, denn ein etwas verspäteter Blick auf das Ticket enthüllt unser aller Dummheit. 16.00. Keine Minute früher …

 

Waiting Time
So kann man die Wartezeit verbringen

Sweet Dreams
Sweet Dreams

 

Eine Fahrt durch tiefe Nacht

Auch keine Minute später, denn der in der Zwischenzeit randvoll bepackte Bus legt genau um 16.00 los. Es geht schnell in die Berge, hügelan, hügelab, Kehre um Kehre. Eine Fahrt durch wildes Land, durch hellgrüne Wälder, vorbei an Feldern, Hütten auf Stelzen und solche auf dem Boden.

Nicht viel Verkehr, das Land ist so arm, dass sich niemand ein Auto leisten kann. Dafür Lastwagen, manchmal ganze Konvois, alle auf dem Weg nach Norden, nach China. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Route von Bangkok herauf bis in die südlichen Provinzen Chinas durch eine vierspurige Autobahn erschlossen sein wird.

Der Bus ist zwar voll, doch mit wechselnder Besetzung, immer wieder Halte in Dörfern oder an seltsamen Orten, wo jemand zu- oder aussteigen will.

 

Die Stunden gehen vorüber

Dunkelheit senkt sich über das Land. Es wird still im Bus, nur noch das Röhren des gepeinigten Motors bleibt als akustische Begleitung, hin und wieder der Schrei eines Babys, das Scheppern eines Handys. Eine eigenartige surreale Atmosphäre, die ich so  sehr mag.

Eine Gruppe von Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, eng gepackt und bewegungslos dasitzend, manche dösend, andere den Blick in die undurchdringliche Dunkelheit gebohrt, doch ausser dem schwachen Licht eines Hauses oder der flackernden, schnell vorbei huschenden Lichterkette eines Dorfes bleibt es zappenduster

Irgendwann – doch wider Erwarten genau nach den angegebenen vier Stunden – erreichen wir Luang Namptha. Müde, schlaff, hungrig, doch was soll’s, wir sind da …

 

PS Song zum Thema:  Deep Purple – Black Night

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Nordwärts zum Mekong

Nun also wieder der Anfang. Das langsame Herantasten an eine neue Umgebung, an Sonne und Wärme, eine andere Kultur, eine andere Sprache, andere Gesichter. Lächelnde, freundliche, runde Thai-Gesichter, die so schwer zu lesen sind.

 

Ein neuer Anfang in Chiang Mai

Vor mir der Fluss, der Ping River, dreckig-braun, ruhig, unaufgeregt vor sich hin fliessend, vom leichten Morgenwind gekräuselt, hinter mir blühende duftende Sträucher (Bougainvilleas?), auf dem Tisch das erste Frühstück,  American Breakfast mit Kaffee, schwarz und schwer und süss wie die Hölle, vor mir Rührei, Toast, Butter und rosa Konfi, an Chemie und Zusatzstoffe erinnernd. Aber gut. In diesem Augenblick würde ich alles essen und alles gut finden.

Und irgendwo im Gebüsch gurrt eine unsichtbare Taube.

Es könnte Frühling sein, irgendwo, vielleicht sogar in der Schweiz. Aber es ist nicht irgendwo.

Es ist Februar, und ich bin in Chiang Mai, mitten im unruhigen pulsierenden Zentrum Nordthailands.

Schnee und Kälte sind bereits eine ferne Erinnerung.

 

Ein paar Stunden früher …

Der Flug ist angenehm. Nach Dubai ist es heller Tag, und so bleibt es bis über Pakistan, wo sich die Wolken auflösen und den Blick auf eine öde Wüste öffnen.

Dann wird der Himmel erst farbiger, dann gelber, die Sonne verschwindet am andern Ende des Horizonts und hinterlässt eine warme Spur aus Licht und Farben, bis sich auch diese auflösen und Dunkelheit sich breit macht.

Das Meer, nach der Überquerung von Indien, wird schwarz in der dunklen Nacht, aber irgendwann wird es heller,  als wir uns uns dem Lichtermeer Bangkoks  nähern, das wir erst überfliegen und dann von der andern Seite her ansteuern.

Touchdown.

Und ein paar Stunden später, lande ich, einmal mehr, diesmal in dunkler Nacht, in Chiang Mai, zum dritten, vierten, fünften Mal, und wieder suche ich nach Taxis, finde sie endlich, auf zum Galare Guesthouse, auch einmal mehr. Ich weiss sogar, wo das Taxi abbiegen muss, um in die schmale Gasse zu gelangen, die zum Hotel führt.

Und dann, endlich, das Zimmer, die Dusche, das Bett, der Schlaf …

 

Glücksmomente

Es gibt diese Glücksmomente, die immer dann eintreffen, wenn man sie am wenigsten erwartet. Der erste in dem Augenblick, da ich das verdunkelte Hotelzimmer verlasse, hinaustrete in den nach Sommer und Wärme und Frische duftenden Morgen, der Kopf noch schwer vom langen Schlaf, die Augen geschwollen, der Blick verschleiert. Eine Explosion der Sinne, es kommt mir vor, als würde das System in diesem einen Augenblick in einen anderen Modus geschaltet.

Die Erwartungen sind gross. Ich bin da, und alles liegt offen vor mir.

 

Verändert und doch gleich

Fried Rice

Und jetzt: ein paar Stunden später, im Gewühl der Stadt, irgendwo in einer etwas ruhigeren Ecke im Schatten von blühenden Bäumen, Fried Noodles mit Ei und ein schrecklich aussehendes riesiges Glas mit einer rosa Flüssigkeit darin, Red Soda, mit tausend Eiswürfeln.

Ich bin zwar durstig, aber auf diese Erfrischung kann ich verzichten. Schliesslich geht es morgen weiter, mit dem Green Bus in Richtung Norden, nach Chiang Khong, zu meinem geliebten Mekong, da kann ich mir keinen Durchfall leisten.

 

Endlich auf dem Weg

Ich bin endlich auf dem Weg nordwärts zum Mekong oder wenigstens bis Chiang Khong, wo ich endlich wieder meinen alten Freund, den Mekong, antreffen werde.

Zur Abwechslung mal kein heruntergekommener Local Bus, sondern ein VIP-Bus, die Carosserie glänzt im Sonnenschein, als wäre sie frisch geschrubbt und poliert worden.

Die resolute Dame, verantwortlich für die Innenorganisation, weist mir mit strengem Blick meinen Platz zu und überreicht mit salbungsvoller Miene ein Lunchpaket (!). Darin versteckt sich ein Softdrink (süss),  eine Art Sandwich (trocken) und etwas Süsses (undefinierbar).

 

Nordwärts

Vor dem Fenster huschen Reisfelder vorbei, die meisten vertrocknet (dry Season), einige mit bleichem Wasser gefüllt. Auf graslosen Wiesen ein paar verstreute, erstaunlich magere Rinder, die Köpfe tief gesenkt, auf der Suche nach Nahrung.

Manchmal ein niedriges Dach, darüber eine reglos schwebende Säule aus schwärzlichem Rauch, am Strassenrand ein schwarzfelliger Esel, daneben ein mit Kisten beladenes Fuhrwerk. Aber auch Autos, viele, viele Autos, allesamt asiatischer Herkunft. Die Solidarität spielt …

Die schmalgliedrigen Hände des Buschauffeurs liegen entspannt auf dem Steuerrad, mit eleganten, beinahe zärtlichen Bewegungen dreht er daran, und immer eine winzige Nuance, bevor sich das Fahrzeug in die Kurve legt, neigt er den Körper in die erwartete Richtung. Manchmal treffen sich unsere Blicke im Rückspiegel, ein kurzer Kontakt zwischen zwei Welten

 

Mit dem VIP-Bus nach Chiang Khong

Die Fahrt  ist ereignislos, ich habe schlecht geschlafen und nicke immer wieder ein. Allerdings bekommt man auch im Halbschlaf das Tempo mit, das der Chauffeur einschlägt: Er blocht mit 80 Sachen durch die Dörfer, ohne sich gross um die anderen Verkehrsteilnehmer zu kümmern. Man merke sich: der Grössere ist immer der Stärkere. Das ist mir aus meinem ersten Indientrip in lebhafter, wenn auch schmerzlicher Erinnerung  geblieben.

Dann Chiang Khong,, das Tagesziel, am Mekong gelegen. Da ist er endlich, mein Mekong, auf den ich mich so lange gefreut habe. Breit, braun, schnell, massig, kräftig. Ein Monster von einem Fluss. Man begrüsst sich wie alte  Freunde …

Und da ist mein alter Freund, ein Langzeit-Traveller, der sich seit vielen Jahren in Asien  herumtreibt. Es gibt viel zu erzählen bis am späten Abend. Es wird erstaunlich kalt, was in der Nacht dazu führt, dass ich wider Erwarten auf meine im letzten Moment eingepackte warme Unterwäsche zurückgreifen muss  …

 

PS Song zum Thema: Bishop Briggs – River

Uns hier geht die Reise weiter …