So sind wir nun also tatsächlich wieder unterwegs.

Nach ein paar begeisterten Kilometern – wir fühlen uns wie neugeboren – verzieht sich die Begeisterung und macht Sorgenfalten Platz.

 

Zurück nach Täbris

Der Boss hat uns gewarnt, dass der Motor am Anfang etwas rucken könnte, aber dieses Rucken macht keinen guten Eindruck. Wir werden zwar nicht allzu fest, aber doch sanft durchgerüttelt, was für die weiteren Kilometern ein unerträglicher Zustand bedeuten würde.

Wir kehren also um, der Boss empfängt uns mit wenig Euphorie, doch er kriecht zähneknirschend nochmals unter den Wagen und wünscht uns dabei wahrscheinlich zum Teufel. Aber seine Kompetenz enttäuscht uns nicht, nach ein paar Minuten gibt er grünes Licht, und wir nehmen erneut Abschied, hoffentlich zum letzten Mal.

 

Durch ein fremdes grausames Land

Da wir sozusagen mit einem neuen Motor unterwegs sind, muss er zuerst eingefahren werden. Wir tuckern also mit gemütlichen 60 km pro Stunde durch dieses neue unbekannte Land.

Nicht, dass es sich fundamental von den wüstenartigen Gegenden in der Osttürkei unterscheiden würde, nein, es sieht gleich aus und doch wieder anders.

Es sind die gleichen verbrannten Hügel und Felder, in allen möglichen Gelb- und Braunschattierungen, manchmal ein paar magere Schafe und Kamele, die genüsslich an verdorrten Gräsern nagen.

Und trotzdem entsteht der merkwürdige Eindruck, dass sich diese Gegend nicht gegen uns verschworen hat wie in der Osttürkei, da ist keine Feindseligkeit zu spüren, keine Zurückweisung.

Was allerdings seltsam ist. Denn immer wieder fahren wir an Autowracks in allen Stufen der Zerstörung vorbei, wir weichen den Kadavern von überfahrenen Hunden aus, ein toter Esel liegt im Strassengraben. Eine zerfetzte, überfahrene Schafherde. Der schuldige Lastwagen liegt zertrümmert m Strassengraben.

Niemand kümmert sich darum.

Ein Schlachthaus.

Wieso fühlen wir uns trotzdem wohl? Ist es die Erleichterung über das Ende des Täbris-Abenteuers? Oder spüren wir einfach, dass wir weder willkommen noch unwillkommen sind? Das es dem Land schnurzegal ist, ob wir da sind oder nicht?

Seltsame Gedanken.

 

From Tabriz to Zandjan

 

Ein Dorf am Horizont

Der Erdoelboom scheint in den ärmeren Gegenden noch nicht angekommen zu sein.

Die seltenen Dörfer, manchmal direkt an der Strasse, andere fern am Horizont, ducken sich unter der erbarmungslosen Sonne. Vor den ärmlichen Lehmhäusern lehnen schattenhafte Gestalten, regungslos, apathisch. Frauen waschen ihre Wäsche am Bach, sie schauen nicht auf.

 

Northern Iran 2

Doch der Himmel ist weit und blau und kümmert sich nicht um die kümmerlichen Existenzen auf der Erde.

Wir fahren durch eine lebensfeindliche Gegend, manchmal für viele Kilometer nichts ausser Sand und Steine und Felsen, rötlich und braun und gelb und grau, in der Hitze glühend.

Und dann ist da diese allumfassende Stille, lediglich unterbrochen durch das Geräusch des Motors. Manchmal halten wir an, stellen den Motor ab, lauschen, man meint, ein Raunen zu vernehmen. Das Raunen der Wüste. Es ist kein Geräusch, es ist dessen Abwesenheit.

Viele Jahre später werde ich mich in Ladakh an das Raunen der Berge erinnern, auf dem Baby-Trek.

Eine Klimaanlage wäre schön, die Vorstellung einer kühlen Brise durch den geschlossenen Wagen ein Traum. Also denkt man an geöffnete Fenster, aber das ist keine gute Idee. Die Luft draussen glüht, niemand will sich einen Föhn auf höchster Stufe mitten ins Gesicht halten.

Anyway, wir werden von Tag zu Tag resistenter gegen die bösartigen Temperaturen, eine gute Übung für das, was im Osten auf uns wartet.

 

Stop in Zandschan

Nach ungefähr der Hälfte der Strecke bis Teheran erreichen wir, ziemlich ausgeglüht und müde von der langen Fahrt mit verminderter Geschwindigkeit, die Stadt Zandschan.

Nichts besonderes würde man denken, doch ein Zitat aus Wikipedia zeigt etwas anderes:

In den letzten Tagen des Regimes Mohammad Reza Pahlavis legten die Händler des Basars von Zandschan aus Protest gegen das Ausbleiben versprochener Reformen den Betrieb des Basars für 45 Tage still.

Einmal mehr zeigt sich, dass kleine, vermeintlich unwichtige Dinge grosse Auswirkungen haben können.

Doch wer hätte im Herbst 1974 gedacht, dass das Schah-Regime in etwas mehr als vier Jahren wie ein klappriges Kartenhaus zusammenstürzen würde? Dass ein fundamentalistischer Ajatollah namens Ruhollah Chomeini auf den Trümmern des vorherigen Imperiums einen Gottesstaat fründen würde, die unter dem Namen Islamischer Gottesstaat bis heute existiert?

Historische Entwicklungen sind unvorhersehbar, unerklärlich und manchmal ziemlich verrückt.

 

Zandjan Iran
Von Mardetanha – Own work by upload, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6430133

Auf jeden Fall verbleibt die Stadt ohne nennenswerte Erinnerungen auf dem Weg in den Osten.

Oder doch wenigstens ein bisschen: beim Einkaufen lernen wir einen jungen Iraner namens Reza kennen. Wie könnte es anders sein – er ist an allem interessiert, was aus dem Westen kommt.

Und da stellt sich doch gleich die Frage, was nach der Revolution aus seinen Träumen geworden ist.

Zerbrochene Träume.

 

Passender Song zur Zeit:  Bachman Turner Overdrive – You ain’t seen nothing yet

Und hier geht die Reise weiter … endlich nach Teheran

 

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