In meinem Hostel gleicht das Leben einem ruhigen Fluss: erst kurz nach neun schwanken einige verschlafene Gestalten aus ihren jeweiligen Gemächern, hauen sich aufs Sofa und schauen erst mal etwas fern.

In Südamerika scheint es normal zu sein, nicht vor halb neun zu frühstücken, aber es kann durchaus mal halb zehn werden, bis der Kaffee heiss und die Brötchen gebacken sind.

Eine junge Dame versucht, mich mit den Besonderheiten des Frühstücks vertraut zu machen. Es gibt Toast, Butter und Konfitüre, einige undefinierbare Dinge, die ich lieber bleiben lasse, und Kaffee, der den seligen Lazarus auch ohne die Hilfe von Jesus zum Leben erweckt hätte.

Überraschenderweise fühle ich mich ganz wohl; jeder begrüsst mich mit einem Hola, nickt mir freundlich zu, nur der pummelige Hausherr scheint ganz und gar schlechter Laune zu sein. Es könnte mit den leeren Schlafsälen zusammenhängen.

Anyway, ich deponiere mein Gepäck und mache mich auf, mit der Stadt zurechtzukommen, die mich derart unfreundlich empfangen hat. Aber geben wir Montevideo eine Chance, ich glaube, sie hat es verdient.

 

Sehnsucht nach Südostasien

First things wie immer first, also auf zum Busbahnhof, um ein Ticket nach Porto Alegre zu ergattern.

Manchmal sehne ich mich nach Südostasien, wo alles viel einfacher und schneller geht. Man geht im jeweiligen Hotel an die Rezeption und erkundigt sich nach einer Fahrgelegenheit. Alles weitere wird durch das Hotel gegen eine winzige Provision erledigt.

Hier muss man alles selbst machen und verbraucht damit Zeit, die man lieber für was Gescheiteres nutzen würde.

Beispielsweise zur Erkundung dieser grossartigen Stadt.

 

La Calle Mercedes

Der Weg zum Busterminal ist lang, ich folge der ‚Mercedes‘ etwa 15 Blocks.

Es ist eine für Montevideo typische Nebenstrasse, nicht sehr breit, mit Bäumen besetzt, der Verkehr ist ruhig, man kann sich gemütlich vorwärtsbewegen.

Die Stadt macht nun viele Punkte gut, mit jedem Meter gefällt es mir besser. Aber es sind auch Unterschiede zu Buenos Aires auszumachen: obwohl so nahe an Argentinien, scheint mir der Menschentyp anders zu sein, verschlossener (nicht unfreundlich), weniger fröhlich, etwas düster.

Die Armut, auch in Buenos Aires ein grosses Thema, scheint hier sichtbarer zu sein, die Strassen sind teilweise in einem schlechten Zustand, und auch die Kleider der Leute zeugen nicht gerade von Wohlstand. Wie der Nachbar Argentinien geht es auch in Uruguay wirtschaftlich immer auf und ab. Der gegenwärtige Stand ist mir zwar nicht bekannt, es scheint aber, als hätte das Land auch schon bessere Zeiten gesehen.

La Calle Mercedes
Die Calle Mercedes entlang zum Busterminal

 

Ein ausgebuchter Bus

Der Busterminal, wie bereits erwähnt, – ein Moloch.

Man zwängt sich durch Menschenmengen, Stimmengewirr, Musik, Hektig, Lärm. Der Schalter der gesuchten EGA Busgesellschaft befindet sich ganz zuhinterst, ein freundlicher junger Mann klärt mich auf, dass es im Bus nur noch einen einzigen Platz hat, und zwar absolut erste Klasse, mit Schlafgelegenheit und Bedienung und Dinner und Frühstück, allerdings zum stolzen Preis von umgerechnet Fr. 120.- 

Besser als gar nichts.

 

Bettler und Blinde

Die breite Hauptstrasse, wo wie überall auf der Welt der Verkehr durchbraust, bietet das globale Warenangebot, die Kleider- und Foodketten, durchaus vergleichbar mit dem an der Bahnhofstrasse in Zürich, allerdings mit leicht tieferen Preisen.

Aber auch hier viele Bettler, Blinde und andere Behinderte, sie wetteifern mit dem Rasseln ihrer Becher um die Gunst der vorüberhetzenden Fussgänger.

Montevideo - City like everywhere else
Könnte überall sein auf der Welt …
All the same as everywhere
Alles gleicht sich, leider auch in negativem Sinn

Der Park und ein steinerner (stählerner?) Held

Allerdings gibt es einen Fussgängerbereich, der sich über eine ziemliche Distanz in der ‚Ciudad Vieja‘ hinzieht.

Der Anfang wird durch einen Park gebildet, umgeben von klotzigen Hotelgebäuden, und mittendrin der obligate Reiterheld, die Faust mit Speer oder Kreuz im Zorn erhoben.

 

Big City

Das Antlitz einer Grossstadt …

Big Palace
… mit breiten Strassen und Palästen …

seems like a lot of money
… und Hochhäusern und wohlhabenden Menschen …

 

La Ciudad Vieja

Es sind viele Leute unterwegs, gelegentlich hört man sogar das eine oder andere nicht-spanische Wort.

Die Restaurants auf den Plätzen und entlang der vielen Gassen sind voll belegt, man schlüft an einem Eis, trinkt literweise Cola oder anderen Unsinn und hat eine gute Zeit. Ich bestelle beim Kellner eine Pizza, es sind tatsächlich nur noch solche MIT Mozzarella verfügbar.

Wer hätte das gedacht! Pizza mit Mozzarella. Aber sie ist gut, sehr gut sogar.

Pedestrian Road
Auch hier – auswechselbar, aber mit Charme

Some times wighout people, very strange
Manchmal ganz ohne Menschen – sehr sonderbar

 

Der Rio de la Plata

Und plötzlich und unerwartet steht man am blauen Meer, dem Rio de la Plata. Hier im Unterschied zu Buenos Aires mit klarem Wasser, das beinahe zum Baden einlädt.

Rio De la Plata
Der Rio de la Plata – im Hintergrund die obligaten Hochhäuser
Rio de la Plate
Der Blick schweift in die Ferne – wohin?

Zum Abschied eine Kirche

Südamerika ist streng katholisch, ein Erbe der spanischen und portugiesischen Eroberer. Kirchen sind allgegenwärtig. Kleine verschämte, riesige Prachtsbauten, dem Herrn das Wohlgefallen präsentierend, und ganz viele ganz normale, wie bei uns, nur mit noch mehr Glanz und Gloria.

Von aussen unscheinbar, entpuppt sich das Innere als eine grossartige Darstellung Zurschaustellung allen Reichtums, der dem gemeinen Volk abgeht, dafür zu Gottes Lob beiträgt.

Church from inside
Von aussen unscheinbar, innen prachtvoll
Beauty and God
Barocke Schönheit

just awesome
Kunstwerke …
even the roof
… sogar das Dach

Abschied – ein weiterer

Der Bus, ein zweigeschossiges Ungetüm, ist rechtzeitig da (man denke zurück an Manali-Delhi), ich bin mit ein paar wenigen VIPs im unteren Teil untergebracht, wo es tatsächlich äusserst bequeme und äusserst teuer aussehende Sitze gibt.

Die Nacht könnte noch ganz angenehm werden; allerdings finde ich immer noch schade, dass ich durch ganz Uruguay und einen rechten Teil von Südbrasilien fahre, ohne etwas mitzubekommen ausser schwarzer Nacht.

Der Zeiger erreicht genau 20.00 Uhr, der Motor heult auf, es geht los auf die gut 800 km lange Fahrt nach Norden.

Der Bus wird kein einziges Mal anhalten, höchstens zum Tanken, den Rest der Zeit rast er mit gleichbleibender hoher Geschwindigkeit auf schnurgerader Strecke Brasilien entgegen.

Natürlich ist es eiskalt, ich ziehe mir die Helly Hansen Jacke über (die ich das letzte Mal in Ladakh getragen habe) und hole die Wollmütze hervor. Sieht zwar etwas komisch aus, wenn man an die 28 Grad denkt, die draussen immer noch herrschen, aber was soll’s.

Die kuschlige Wärme, der volle Magen (das Dinner wurde serviert samt Apéro mit Whisky und Gebäck) sowie der wirklich bequeme Sitz, der sich sogar für mein Knie angenehm anfühlt, lassen mich schnell ins Nirvana abtauchen …

 

Kilometerstand: unbekannt

Song zum Thema:  Florence + The Machine – Big God

Und hier geht die Reise weiter … in Brasilien

 

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