“Standing Buddha, 640 Meter”. Ein Buddha, hier, mitten im Dschungel? Und “Standing??” Im Normalfall sitzen oder liegen die Kerle doch, von rundlicher bis vollfetter Gestalt, im Gesicht ein weises, mitunter etwas einfältiges Lächeln.
Ich schaue mich um, die Strasse macht hier eine Rechtskurve, bevor sie im Schatten der Bäume verschwindet. Der Weg zum Buddha hingegen ist ein schmaler Pfad, der sofort in eine Steigung übergeht und zwischen herunter hängenden Ästen dem Blick entflieht.
Ein langer Weg
Ich befinde mich auf dem knapp zehn Kilometer langen Wanderweg durch den Kep National Park, und alles ist gut. Kein Laut ist zu hören, sieht man vom keckernden Ruf eines unsichtbaren Vogels ab. Er sucht irgendwo im Geäst seine Partnerin (oder ist er auf der Suche nach Abwechslung?).
Es ist zwar – obwohl früher Vormittag – bereits sehr heiss, doch Bewegung tut gut nach sovielen Tagen und Wochen ohne sportliche Betätigung. Die Entscheidung fällt schwer, doch wie immer, wenn es mir vor lauter Wohlgefühl zuviel wird, versuche ich das zu tun, was mich wachrüttelt. Dann also der Standing Buddha …
Kep
Kep entspricht im Wesentlichen dem, was der Lonely Planet versprochen hat, ein kleines aufstrebendes Städtchen, ohne eigentliches Zentrum. Die Häuser, Resorts, Restaurants sind in weitem Umkreis verstreut. Von der Kep Beach – einem knapp dreihundert Meter langen Streifen, den man tatsächlich als Strand bezeichnen kann – führt eine breite, eine sehr breite Strasse in Richtung Landesinnere und damit auch zu meinem Hotel.
Ich betone das “breit”, weil parallel zum asphaltierten Stück auf beiden Seiten ein unbefestigter Streifen entlang führt, sodass das Ganze breiter ist als eine sechsspurige Autobahn. Irgendwie seltsam, denn diese Strasse, so breit sie auch sein mag, ist genauso leer wie diejenige von der Grenze hierher. Gelegentlich tuckert ein Tuk-Tuk mit einem Touristen vorbei oder ein Motorrad, ansonsten kann man getrost über die Strasse gehen, ohne sich vorher umzusehen.
Mein Hotel
Beim Hotel jedoch habe ich einen fast schon überirdisch guten Griff getan. Es ist ein eigenwilliger Bau, ganz anders als die anderen, und wie sich später herausstellt, vom Besitzer, der als Civil Engineer arbeitet, entworfen und gebaut. Die Zimmer sind gross, hell, sauber, mit einem wunderbaren Balkon (auf dem – wie König in Frankreich – das Frühstück serviert wird).
Die Inhaberin ist sympathisch, freundlich und hilfsbereit, und wir befinden uns schon sehr bald in langen Diskussionen über die Art und Weise, wie ein neues Hotel bekannt gemacht werden könnte. Kurz, ich fühle mich sauwohl, nur schade, dass ich nur zwei Nächte bleiben kann, denn wie bereits erwähnt, die Zeit läuft mir davon …
Ein riesiger Standing Buddha
Der Weg zum Standing Buddha (ich hoffe, er verdient die Anstrengung) ist entgegen aller Erwartung ziemlich steil, schmal und ein dauerndes Auf und Ab. Wenn er sich gelegentlich im Dickicht verkriecht und man sich orientieren muss, erinnert man sich mit einem leisen Schaudern daran, dass man ihn auf keinen Fall verlassen sollte (wie war das schon wieder mit den Zwergen im Düsterwald? Auf keinen Fall den Weg verlassen!).
Nur sind es in meinem Fall nicht riesenhafte Spinnen, die da lauern, sondern Überbleibsel des Krieges. Der Hügelzug scheint eine gewichtige strategische Rolle gespielt zu haben, und dewegen wurden ganze Gebiete vermint. Nun denn, ich habe keine Lust, plötzlich an mehreren Orten gleichzeitig zu sein. ich bleibe deshalb brav auf dem Pfad. Ich keuche hinauf und hinunter, komme immer mehr zur Überzeugung, dass das Ziel mal wieder eine Fata Morgana bleiben wird. Doch da taucht ein riesenhafter Baum auf, umschlungen von einem weiteren, der ihn beinahe zu erdrosseln droht.
Dort, wo sich der Stamm zu einer mehrere Meter grossen Öffnung spaltet, steht der Buddha, tatsächlich. Ein waschechter Standing Buddha, diesmal eine schlanke Ausgabe, weises Lächeln eingeschlossen, und auch wenn ich die Augen noch so zukneife, er misst einfach nicht mehr als dreissig Zentimeter. Für diesen Mini-Buddha habe ich geschwitzt, geflucht und gekeucht. Ich hoffe, dass mir mindestens eines meiner zukünftigen Leben erlassen wird …
Very steep – nur für experienced persons
Zurück auf dem Wanderweg im Nationalpark … Der Rückweg vom Buddha ist geschafft, von nun an geht’s wieder auf der normalen Strasse weiter. Ich sage explizit Strasse, denn sie kann auch mit Velos oder Töffs befahren werden und einmal werde ich doch tatsächlich beinahe über den Haufen gefahren.
Eine gute halbe Stunde später wieder eine Abzweigung, der “Jungle Path”. “Very Steep” steht da und nur für “Experienced Persons”. Ein inneres Teufelchen lacht natürlich über derartige Warnungen. Steil? Auf diesem mickrigen Hügel?
Erfahrene Bergwanderer wie ich können da auf keinen Fall gemeint sein, doch wie heisst es so schön: Hochmut kommt vor dem Fall. In meinem Fall wohl eher vor dem Aufstieg, denn eine halbe Stunde später schwimmen rote Flecken vor meinen Augen. Gott im Himmel, ich bin im steilsten Aufstieg ever gelandet!
Es ist nicht einfach steil, es geht sozusagen senkrecht hinauf, unterstützt von Seilen, die alle paar Zentimeter einen Knoten aufweisen, an dem man sich notdürftig Halt verschaffen kann.
Es dauert nicht lange, und der Möchtegern-Ueli Steck ist gewaltig am Keuchen, die Pumpe dreht im roten Bereich. Herrgott, wir sind in Kambodscha, nicht in Nepal! Der Aufstieg endet schliesslich auf einer sanften Kuppe, sogar eine Sitzbank ist installiert, daneben ein Abfallkübel. Fehlt eigentlich nur noch die Sauerstoffflasche für erschöpfte Alpinisten …
Der allabendliche Liebesgesang der Zikaden
Der Abend dann, eine roter Vorhang senkt sich über den Dschungel. Zikaden beginnen ihren allabendlichen Liebesgesang, die Luft verliert ihre Rauheit, wird zarter, kühler. Und schon wieder heisst es Abschied nehmen, diesmal mit noch mehr Wehmut als sonst …
PS Song zum Thema: The Beatles – Fool on the Hill
Und hier geht die Reise weiter …