Wir sind uns bezüglich Strassen nun einiges gewohnt, also kann uns nichts mehr erschüttern.

Keine Ahnung, was wir diesbezüglich vom Iran erwartet haben, aber ganz sicher nicht diese wunderbaren Highways, die uns nun Richtung Süden führen. Strassen ohne Löcher, ohne Querrinnen, ohne Kies und Steine. Einfach wunderbar perfekte Strassen, auf denen man wie auf Daunen fährt. Also beinahe europäischer Standard.

Wir verabschieden uns von unserer freundlichen Bedienung bei der Highway Police, die sich mit feuchten Augen verabschieden. Dabei dürfte Monika eine Rolle gespielt haben.

Nun also Täbris, die erste grössere Stadt im Iran, das heutige Tagesziel.

Allerdings stellt sich heraus, dass wir am Ende dieser Fahrt, zwar insgeheim befürchtet, aber überraschend im Ausmass, endgültig am Arsch sind.

 

From Dogubeazit to Tabriz
Von der Grenze nach Täbris

 

Der Motor will nicht mehr

Nun, so ganz überrascht uns das Unheil nicht, wir haben es kommen gesehen. Der Motor, der die letzten Tage trotz Tahir Pass seinen Dienst getan hat, scheint nun endgültig genug zu haben.

Er gibt heute Geräusche von sich, die alles andere als ermutigend klingen (und die uns sehr bekannt vorkommen).

Irgendwie schaffen wir es in Richtung Täbris, doch kurz vor der Stadt wird das Geräusch zu einer konstanten Erinnerung daran, dass Glauben und Hoffnung nicht mehr funktionieren. Natürlich hat sich die Oelkontrolllampe immer mal wieder gemeldet, und der Oelverbrauch ist tatsächlich von Tag zu Tag grösser geworden. Könnte da was kaputt gegangen sein?

Vielleicht haben wir unser Glück überstrapaziert. Die Vorstellung, irgendwo in den Bergen des Tahir mit kaputtem Motor gestrandet zu sein, verursacht im Nachhinein kalte Schauer. Aber es scheint, dass wir trotz allem wieder mal Glück im Unglück gehabt haben.

Irgendwie erreichen wir mit knatterndem Motor unsere Destination und suchen erst mal den Campingplatz, den wir nach einigen Umwegen auch finden. Die Stadt ist zu dieser Zeit noch nicht so gross wie heute, aber verrirren kann man sich trotzdem.

 

Tabriz today
Das heutige Täbris – eine Mega-City

 

Die schockierende Erkenntnis

Ein Einheimischer auf dem Campingplatz, dessen englischer Wortschatz sich zur Hauptsache aus „okay“ beschränkt, führt uns zu einer Autogarage in der Nähe. Eigentlich wollen wir in erster Linie den Anlasser reparieren lassen, das hat uns zwar ein paar lustige Begegnungen ermöglicht, manchmal aber auch zu Fluchen und Beschimpfungen meinerseits geführt. Falls man im Vorbeigehen auch noch das Geräusch im Motor erklären bzw. lösen kann, soll es uns recht sein.

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: obwohl längst klar sein müsste, dass der Motor in sehr schlechtem Zustand ist, suchen wir eine Reparaturwerktstätte auf, um den Anlasser zu reparieren. Ist es also ein Wunder, dass die Leute sich fragen, wie wir Idioten es jemals nach Indien und wieder zurück schaffen sollen?

Anyway, die Werkstätte entpuppt sich als Hinterhof, umgeben von einer hohen Mauer, vollgestopft mit allen möglichen Vehikeln und Autowracks. Der erste Eindruck ist nicht sehr ermutigend, unsere Vorstellung eines seriösen, professionellen Anbieters von Reparaturleistungen sieht etwas anders aus.

Allerdings haben wir keine Wahl.

Immerhin scheinen die Leute etwas von ihrem Metier zu verstehen, auch wenn dies nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Wir stehen mit etwas belämmertem Gesichtsausdruck herum, versuchen zu verstehen, was vor sich geht, während wir von den Männern mit Neugier und Spott beobachtet werden. Das ist nun bereits das dritte Mal nach Italien und Griechenland, dass wir uns wie die letzten Vollpfosten vorkommen. Was natürlich zutrifft.

Der Boss kümmert sich persönlich um seine ausländischen Gäste. Der Wagen wird über eine Grube gefahren, von wo man Zugriff auf den Boden hat (moderne Lifte gibt es hier nicht). Der Anlasser ist schnell repariert, doch dann, als der Boss den Motor startet, verzieht sich seine Miene. Irgendetwas – das Geräusch? Taktaktak – scheint ihn zu irritieren. Nach mehrmaligem Wiederanlauf des Motors, schüttelt er den Kopf.

„No good?“, frage ich. „No good!“ bestätigt er. „Motor nix good!“ Diese wenigen Worte beinhalten ungefähr seine Englischkenntnisse, aber wir verstehen ihn nur zu gut.

 

Alles kaputt

Natürlich bedarf es einer vertieften Erklärung, warum der Motor nix good ist und was man nun unternehmen muss. Der Boss führt uns zu einer nahegelegenen Schule für Automechaniker. Die beiden Chefs sind in Deutschland ausgebildet worden und sprechen deutsch.

Sie überbringen uns nun die schreckliche Nachricht. Durch den permanenten Oelverlusts sind die Pleuellager kaputt gegangen, eventuell auch die Kurbelwelle und möglicherweise noch anderes mehr. Man teilt uns schonend bei (wahrscheinlich um das Schlechte mit etwas Gutem zu versüssen), dass es ein Wunder ist, dass wir mit diesem defekten Motor so weit gekommen sind.

connecting rod bearing
Von Benutzer:Thomas Ihle – Eigenes Werk (Originaltext: Eigene Aufnahme), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8336792

Die nächsten Fragen sind klar. Was kostet der Spass und wie lange wird es dauern, bis wir weiterfahren können.

Beide Antworten sind nicht wirklich erbauend. Kosten über den Daumen gepeilt etwa 20’000 bis 30’000 Rials, also umgerechnet 1’000 bis 1’200 Franken. Dauer der Reparatur noch nicht abzuschätzen, aber wir sollten schon mal mit 4-5 Tagen rechnen.

Nachdem sich der Schock etwas gelegt hat und unsere blassen Gesichter wieder ihre normale Farbe zurückerhalten haben, parkieren wir unseren Wagen im besagten HInterhof. Eine halbe Stunde später liegt der Motor im Staub. In diesem Moment sind wir überzeugt, dass dieser Wagen kaum je indischen Boden befahren wird.

Car without engine

Aber was soll’s, jetzt kommt unsere besondere Fähigkeit zum Tragen, dass wir uns blitzschnell auf eine neue Situation einstellen können (was mir im übrigen im späteren Leben immer wieder unverhoffte Vorteile eingebracht hat). Wir richten uns also auf ein paar Tage Zwangsurlaub ein und suchen zu diesem Zweck zuerst mal ein geeignetes Hotel.

Und by the way, erst am anderen Tag wird klar, dass wir einen, zwei Fehler gemacht haben, deren fatale Konsequenzen wir in den nächsten Tagen schmerzhaft zu spüren bekommen. Aber was soll’s, im Moment sind wir ganz zufrieden, geniessen die Stadt und den Abend.

 

Passender Song zur Zeit:  Genesis – Carpet Crawlers

Und hier geht der Trip weiter … gestrandet in Täbris

 

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