Die Strecke von Kavala nach Istanbul ist uns in bester Erinnerung.
Nur schon die Namen der Orte, die wir passieren werden, verursachen einen Pawlov’schen Reflex. Das buchstäbliche Wasser der Vorfreude läuft uns im Mund zusammen.
Wir erwarten, wie sagt man, na klar …
… ein echtes Dejà-Vu
Es ist nämlich eine wunderbare Strecke, manchmmal am Meer entlang, dann wieder durch kleine malerische Dörfer und Städte, in denen man verweilen möchte, endlose Stunden in einem Strassencafé sitzend, während die Hitze den Asphalt zum Schmelzen bringt, der örtliche Pope gemessenen Schrittes die Gasse herunterkommt, sich rechts verbeugt, links einen Blick auf die junge Schöne wagt.
Man müsste nicht reden, kaum denken, nur spüren, wie das Leben vorbeitreibt.
Und so ist es auch heute.
Nicht, dass wir das letzte Mal mit einem besserem Vehikel ausgestattet gewesen waren, oh nein. Ist es dieses Jahr der Motor oder die Kipphebelwelle oder weiss Gott was, so war es damals der Anlasser.
Entweder musste man den VW Käfer anstossen (kräfteraubend) oder ihn von Anfang an so parkieren, dass man hügelabwärts einen Rollstart durchführen konnte (nur in hügeligem Gelände möglich).
Man sieht, dass wir inicht das erste Mal mit einem besonders fiesen Vehikeln gesegnet sind. Wir können uns gar nicht vorstellen, in einem Wagen unterwegs zu sein, der nicht für permanent schlechte Überraschungen sorgt.
Für einmal wenig Verkehr
Und so fahren wir also heute durch bekanntes Gelände, entlang verbrannten Wiesen und Äcker, wo kein einziges Tier zu sehen ist, keine Kuh, kein Esel, nicht mal Vögel, und doch fühlen uns beinahe wie zuhause.
Manchmal blinkt für einen Augenblick der Gedanke auf, dass wir die einzigen Lebewesen weit und breit sind. Selten ein Lastwagen, manchmal ein Pickup, dann wieder lange niemand.
Der Grund leuchtet erst nach einer gewissen Zeit ein. Natürlich, Griechenland und die Türkei liegen sich wieder mal in den Haaren, der Konflikt hat uns beinahe schlaflose Nächte verursacht. Wären die Auseinandersetzungen eskaliert, hätte unser geplanter Indientrip ein vorschnelles Ende genommen. Aber dazu weiter unten.
Vorerst sind wir noch auf griechischem Boden, wir passieren die Orte, die in lebendiger Erinnerung geblieben sind – Xanthi, Alexandropoulos, Komotini. Die Namen erinnern an Stopps am Strassenrand, an Restaurants, wor wir uns mit Händen und Füssen verständigen mussten, weil das Personal ausschliesslich griechisch sprach, und wir in der Küche auf entsprechende Pfannen zeigen mussten.

Aber das Essen, obwohl eher unbekannt nach Aussehen und Geschmack, mundete köstlich.
Das alles meldet sich zurück, spätestens dann, wenn wir durch Gerüche eingeholt werden, Gerüche als zuverlässigste Erinnerungsdetektoren, Gerüche aus der Küche, Gerüche vom dampfenden Teller, der Geruch der Strasse oder der zirpenden Vögel in den aufgehängten Käfigen.
Das Kirchlein im Sumpf
Manchmal verwandeln sich Erinnerungen in Bilder, die sich beim Wiedersehen als bestenfalls annähernd korrekt herausstellen. Der Strand, als endlose weisse Fläche bis zum Horizont in Erinnerung, entpuppt sich als eher schmutziger Abschnitt am Meer, der nicht nur weissen Sand sondern auch voll von spitzen schwarzen Steinen ist, denen man barfuss besser aus dem Weg gehen sollte. Oder sind wir am falschen Ort?
Eben. Die Erinnerung – ein fragwürdiges Instrument.
Aber gelegentlich trifft auch sie ins Schwarze. Beispielsweise bei dem kleinen schmucken Kirchlein mitten in einem Sumpf, und einem Popen, der Monika heisse Blicke zuwarf.

Wir finden tatsächlich die richtige Abzweigung, dann den Weg über den Holzsteg, mitten durch einen Sumpf, der voll besonderer Laute und Geräusche ist, wo sich das Schilf im Wind beugt, wo man ringsherum nur den Himmel und das Schilf und den löchrigen Steg sieht.
Und tatsächlich, als hätte er die ganze Zeit auf uns gewartet, begrüsst uns der seltsame Heilige an der Pforte zum Kirchlein, sein Blick ist genauso feucht und auf seltsame Weise irritierend wie vor zwei Jahren, aber es macht nichts.
Ein weiteres Dejà-Vu, eines der besonderen Gattung.
Doch die Sprache ist auch diesmal eine Barriere, obwohl die Gesten einladend, das Timbre seiner Stimme wohlklingend ist. Nach einer halben Stunde verabschieden wir uns, natürlich eine kleine Spende hinterlassend, die von seiner Geistlichkeit wohlwollend zur Kenntnis genommen wird.
Dann, einmal mehr grinsend und irgendwie erleichtert gehen wir den Weg zurück, wenden uns ein letztes Mal um, bevor wir den Weg wieder unter die Räder nehmen …
Griechen und Türken – eine ewige Geschichte
Je näher wir der türkischen Grenze kommen, desto häufiger werden die Militärkonvois. Der Beinahe-Krieg zwischen den beiden Erzfeinden liegt lediglich ein paar Wochen zurück.
Ein kurzer Blick auf den sogenannten Zypernkonflikt im Jahre 1974.
Wer der Auslöser der Konflikte war (die Geschichte geht auf jeden Fall weit weit zurück) – griechische Putschisten, die Zyperntürken, die Zyperngriechen, Erzbischoff Makarios oder wer auch immer – auf jeden Fall wurde im Sommer 1974 der Norden der Insel (und damit ein Drittel des Staatsgebietes der Republik Zypern) von türkischen Streitkräften besetzt, nachdem griechische Putschisten den Anschluss Zyperns an Griechenland durchsetzen wollten.
Mehr möchte man auch gar nicht dazu sagen, die Sache ist etwa gleich mühsam wie diejenige in Nordirland. Immer mal wieder entsteht neues explosives Potential, das neue Fehden, neue Kriege, neue Opfer bewirkt. Wie gesagt, äusserst mühsam und unverständlich.
Auf jeden Fall hat uns der Konflikt mehr beunruhigt als alle anderen vorher oder nachher. So geht es eben – erst wenn man selber betroffen wird, bekommt die Sache einen Stellenwert.
Der Grenzübertritt
Man könnte allenfalls annehmen, dass der immer noch vor sich hin schwelende Konflikt den Grenzübertritt erschweren würde. Zu unserer Überraschung bereitet dies aber nicht die geringsten Probleme, so als hättten sich alle Streitigkeiten in Minne aufgelöst.
Natürlich werden die Zollbeamten auf der einen und der anderen Seite kaum gemeinsame Ferien planen, aber immerhin werfen sie sich bestenfalls ein paar grimmige Blicke zu. ich bin sicher, dass falls sich die Gelegenheit ergeben würde, man sicher ein Gläschen Raki oder Ouzo gemeinsam kredenzen würde.
Anyway, wir sind froh, denn nach dem Grenzübertritt liegen immer noch gut 250 Kilometer vor uns, und der Abend ist nicht mehr fern. Es sind eher langweilige Kilometer, ausser dauerndem Auf und Ab gibt es nichts Besonderes zu vermelden.
Und dann das Lichtermeer
Manchmal ist die Dunkelheit ein Segen, so wie heute, kurz vor dem Tagesziel. Was würde man verpassen, wenn die Stadt zwar am Horizont auftaucht, aber eine mehr oder weniger zufällige Ansammlung grauer Häuser und Strassen wäre.
Und wie atemberaubend eine Stadt erscheint, wenn sie aus der Ferne ein Lichtermeer als Willkommensgruss schickt. Wenn man sich in der Dunkelheit der Nacht dem Ziel nähert und das Ziel wie ein glänzendes pulsierendes Wesen erscheint. So in Mumbai, so in Singapur, in Doha oder Delhi.
So auch heute. Istanbul begrüsst uns, und wir grüssen zurück.
Der erste wichtige Abschnitt der Reise ist geschafft.
Aber viele Abschnitte liegen vor uns …
Der Song zum Thema: Lynyrd Synyrd – Sweet Home Alabama
Und hier geht die Reise weiter … in Istanbul
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