Und so sind wir nun tatsächlich da – in Kabul, der Hauptstadt von Afghanistan, einer der geheimnisvollsten und unbekanntesten Städte überhaupt. Die größte Stadt Afghanistans und das ökonomische und kulturelle Zentrum des Landes.

Und – man stelle sich das vor – mit über 3500 Jahren Geschichte ist sie eine der ältesten durchgehend besiedelten Regionen der Welt. Und das ausgerechnet in dieser abgelegenen Gegend mitten im Herzen Zentralasiens.

Aber was wussten wir damals, im fernen Jahr 1974, von Afghanistan?

Nicht viel. Ein kriegerisches Volk im Hindukusch, nie wirklich erobert oder bezwungen, weder von den Engländern (die es ernsthaft versuchten und scheiterten) noch von anderen Aggressoren, von einem König regiert, dessen Macht durch die verschiedenen Stämme eingeschränkt, wenn nicht sogar verunmöglicht ist.

De facto reicht sein Einflussbereich nicht weiter als bis an die Grenzen Kabuls, alle anderen Regionen, auch die Grossstädte, sind im Grunde genommen unregierbar.

Nicht, dass wir an diesem herbstlichen Tag Ende Oktober eine Art „Winds of Change“ spüren, dazu sind wir viel zu sehr an anderen Dingen interessiert. An das Leben in dieser chaotischen Stadt. An die Einwohner, die Kultur, das Daily Life.

Dabei sind die Zeichen da, unter der Oberfläche, mit ein bisschen Phantasie und der Nase im Wind hätte man die Veränderungen ahnen können.

Ich verweise auf einen Wiki-Eintrag zu Afghanistan im Jahr 1974:

It is announced that another attempt to overthrow the regime has been discovered and quashed; its leader has been executed and 11 participants imprisoned. Shortly afterward there is trouble in Tahar province, where the Muslim Brotherhood, which dislikes President Daud’s secularizing policy, is very influential. The government is obliged to take stern action; 70 members of the brotherhood are arrested, along with the governor of the province, the Revenue Commissioner, and the Superintendent of Police, and all are brought to trial on charges of plotting against the state.

Bunt und lärmig

Unbeindruckt von allen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen am Horizont, machen wir uns auf, diese in jeder Hinsicht verrückte Stadt kennenzulernen.

Es ist ein Ort, der von unwirtlicher Umgebung eingeschlossen ist, was allerdings eigentlich auf das ganze Land zutrifft. Berge in der Ferne umkränzen die flach gebaute Stadt, wenige Hochhäuser, ein paar Strassen durchkreuzen sie, vor allem in Nord-Süd Richtung.

Doch wenn man mittendrin steht, merkt man nichts von alledem. Das Leben ist bunt und lärmig und staubig, die nahe Wüste macht sich bemerkbar.

Die Menschen sind es gewohnt, sie kennen nichts anderes. Wir hingegen müssen uns erst noch daran gewöhnen. An den steten Lautpegel, an die hupenden Autos mit mörderischen Auspuffgasen, aber auch an die Läden entlang der Strassen, an das bunte Volk, das sich mischt.

Denn Kabul ist auch die erste wichtige Destination für alle Hippies auf dem Trail nach Indien.

Video 8mmFreak (thanks!)

Hippies und die Chicken Street

Wenn überhaupt irgendetwas zu dieser Zeit von Kabul bekannt ist in der weiten Welt, dann ist es diese auf den ersten Blick schmale Gasse, genannt Chicken Street. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt all dessen, was die Touristen sprich Hippies interessiert.

Es ist alles da, was das Hippie-Herz entzückt. Bunte Kleider im Batiklook, die immer gleichen Mäntel, Wasserpfeifen, Teppiche und antike Waffen, alles wie in Herat, aber von allem mehr und verrückter.

Man streicht durch die Gassen, bewundert die Auslagen, rümpft die Nase beim Anblick des ausgestellten Fleisches, das in der freien Luft hängt und diese mit beissendem Geruch füllt.

Das Angebot ist auf den besonderen Geschmack der jungen Leute abgestimmt, am grössten, am vielfältigsten, am buntesten.

Es ist beinahe so etwas wie das Shangri-La der Hippie-Generation, eine Art Paradies, wo alles da ist, was das Herz begeht, vielleicht auch nur ein Rückzugsort aus allem, was man ablehnt.

Doch viele der damals jungen Leute haben eine andere lokale Spezialität im Auge, nicht umsonst nennt man sie schwarzen Afghan.

Ob damit der Weiterreise einen Dienst erwiesen wird, ist fraglich. Spätestens in Goa oder Kathmandu wird für den einen oder anderen der Vorhang gezogen. Der jämmerliche Anblick der letzten gestrandeten Hippies in Goa zeugt von einer ganz anderen, einer ziemlich traurigen Geschichte.

Unsere Absichten sind ganz anderer Natur. Doch die Stadt mit all ihrem Lärm und der schlechten Luft wirkt, wie wir schnell bemerken, sehr ermüdend. Was nicht überraschend dazu führt, dass man sich in einem der Traveller-Cafés wiederfindet, das seine Angebote wiederum perfekt auf den Geschmack der jungen Leute ausrichtet.

Song zum Jahr: Al Green – Take me to the River

Und hier geht der Trip weiter … ins Bamiyantal

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