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Hippie Trail

Der Hippie Trail – Das Bamiyan-Tal

Kabul ist per se schon ein Highlight erster Ordnung, aber nicht die einzige Sehenswürdigkeit in diesem Land. Eine andere ist aus verständlichen Gründen noch berühmter.

Die riesigen Buddha-Statuen im Bamiyantal.

Wir schreiben das Jahr 1974, alles ist noch so, wie es seit Jahrhunderten gewesen ist und in alle Zukunft so bleiben soll. Nichts ist bekannt über eine politische Gruppierung namens Taliban, die ein paar Jahrzehnte später Terror, Tod, Verwüstung und Unterdrückung über das Land bringen sollte.

Und nichts deutet in diesem späten Herbst darauf hin, dass die Existenz der Statuen bedroht ist.

Der Weg nach Bamiyan

Das Bamiyantal ist also unser nächstes Ziel. Es ist in der Zwischenzeit allerdings hinlänglich bekannt, dass unser geliebtes Vehikel alles andere als zuverlässig ist. Wir sind zwar ganz zufrieden, wie es sich in den letzten Wochen geschlagen hat, aber wir trauen dem Frieden nicht.

Vor allem nicht, wenn es darum geht, die Naturstrasse über Stock und Stein nach Bamiyan zu bewältigen. Eine Panne in der abgelegenen Gegend steht nicht auf unserer Bucketlist.

Doch es gibt eine Lösung. Unsere Freunde Ueli und Silvia mit ihrem orangen VW-Bus laden uns zum Mitfahren in ihrem vergleichsweise luxuriösen und zuverlässigen Gefährt ein.

Ein Vorschlag, den wir nicht ablehnen können (würde der Pate sagen).

 

Steil und staubig

Die Strecke ist lang und führt durch unwirtliches raues Territorium, mitten im Gebiet der Hazara gelegen. Am Anfang geht es Richtung Norden, einem ausnahmsweise recht fruchtbaren Tal entlang, bevor dann die Strasse abzweigt.

Und jetzt erst beginnt die echte Herausforderung.

 

 

Man stelle sich einen Pass in den Alpen vor, hoch hinauf, mit zahlreichen Kurven und tief eingeschnittenen Schluchten. Im Unterschied jedoch ist unsere Strasse nicht befestigt, sie weist im besten Fall eine staubige Oberfläche vor, im schlimmsten Fall tiefe Löcher und Gräben und Felsbrocken auf der Piste. Und sie ist an einzelnen Abschnitten steil, denn der Weg geht bis auf 2500 Meter hinauf.

Wenn ich an unseren altersschwachen Motor denke …

Alles kein Problem für unser ausnahmsweise perfektes Mobil mit einem ebenso erfahrenen Chauffeur am Steuer. Aber trotzdem kommen wir nur sehr langsam voran. Es ist still geworden im Bus, der Fahrer konzentriert sich auf die Strasse, der Motor ächzt gelegentlich, doch dann schnurrt er wieder friedlich vor sich hin.

Wir beide sitzen auf den hinteren Plätzen, sehr bequem, mit Aussicht auf die steilen Wände, die furchterregenden Abgründe, und atmen den Staub ein, der durch die geschlossenen Fenster hereindringt. Wir könnten es nicht besser haben, doch eine leise Wehmut beim Gedanken an unser in Kabul zurückgelassesenes Auto schleicht sich trotzdem ein.

Die Welt der Hazara

Wir fahren nun durch das Hazarajat, eine meist bergige Region im zentralen Hochland Afghanistans, die von den Koh-i-Baba-Bergen in den westlichen Ausläufern des Hindukusch durchzogen wird. Die Region ist hauptsächlich von vom Stamm der Hazara bewohnt.

Gemäss Wikipedia sind die Hazara die drittgrößte offiziell anerkannte ethnische Gruppe in Afghanistan. Sie sprechen vorwiegend einen Dialekt des Persischen namens Hazaragi, der mongolische und turksprachige Worte enthält. Die Hazara gehören überwiegend der schiitischen Konfession an.

Sie sind uns, ohne dass wir den Grund dafür kennen, auf den ersten Blick sympathisch. Vielleicht ist es ihre Ruhe, ihre Freundlichkeit, nicht das aggressive grimmige Gehabe der Paschtunen. Es könnte sich um ein kulturelles Thema handeln, gebildet über die Jahrhunderte, vielleicht auch eine geschichtliche Komponente.

Denn die Hazara haben während Jahrhunderten eine lange Leidensgeschichte erfahren müssen.

Da sie sowohl eine ethnische als auch eine konfessionelle Minderheit darstellen, wurden sie immer wieder Opfer von Diskriminierung, besonders durch die paschtunische Elite. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, nach einer Rebellion der Hazara, die sich gegen die Vereinnahmung der Paschtunen wehrten, wurden sie zu Hundertausenden umgebracht.

Im 20. Jahrhundert wurde es keinesfalls besser. Mit Ausnahme einer kurzen Phase nach dem Sturz des Taliban-Regimes wurden sie immer wieder Opfer von Verfolgung, von Unterdrückung, von Folter und Tod. Als schiitische Minderheit mit einer natürlichen Nähe zum benachbarten Iran wurden sie im ewigen Machtkampf zwischen Sunniten und Schiiten zerrieben.

Doch davon ist an diesem Tag nichts zu spüren. Die Kinder winken uns freundlich zu, ohne aufdringlich zu wirken. Man kennt die seltsamen Fremden in ihren Vehikeln, man weiss, warum sie hier sind, und dass sie Geld ins Tal bringen. Durchaus Gründe genug, um die Fremden mit Achtung zu behandeln.

Heute, soviele Jahre nach diesem denkwürdigen Tag, frage ich mich, was aus diesen herzigen Kindern geworden ist. Sind sie noch am Leben? Haben sie die Verfolgungen der Taliban überlebt, den Krieg zwischen den ausländischen und den einheimischen Truppen?

Und – falls sie noch leben – wie geht es ihnen heute nach der neuerlichen Machtübernahme durch das kriegerische Regime der Taliban?

Man darf und will nicht daran denken.

Hippies – die Extremvariante

Wir sind ja selbst sowas wie Hippies, wenn auch nur in sehr abgeschwächter Form. Also eigentlich Pseudo-Hippies.

Der Hippie-Way of Life hatte auch in Europa seine Anziehungskraft, wenn auch viel weniger bedeutend als in den USA. Auch wir flochten uns Blumen aus Nachbars Garten ins damals noch reichlich vorhandene Haar, ohne dabei auch nur im entferntesten an einen gesellschaftlichen Hintergrund zu denken. Es war Spass, mehr nicht, Ende der 60-Jahre ein kurzer Traum, der sich allerdings sehr schnell verflüchtigte.

Die Love-not-War Philosophie war auf die Länge der Realität nicht gewachsen. Letztendlich gut gemeint, aber mit einer allzu naiven Sicht auf die Welt. Blumen im Haar, San Francisco, get Flowers in your Hair. Spätestens das berüchtigte Konzert der Stones in Altamont stellte in brutaler Form das Ende der verzückten Hippiezeit dar.

Anyway, die letzten Überreste der Hippie Philosophie sind auf dem Hippie Trail natürlich immer noch spürbar, wenn auch, wie erwähnt, in sehr abgeschwächter Form.

Allerdings gibt es Ausnahmen.

Auf dem Weg nach Bamiyan treffen wir doch tatsächlich ein echtes Hippie Paar wie aus dem Bilderbuch. Gekleidet in den damals vorherrschenden Kleidern, sehr bunt, sehr luftig, sehr anders, die Dame ganz offenbar hochschwanger. Wir halten an, fragen, ob sie eine Mitfahrgelegenheit suchen, doch sie lehnen ab. Offenbar sind sie auf dem Weg nach Baniyan, wo die Frau ihr Kind auf die Welt bringen will. Wir sind, gelinde gesagt, erstaunt oder eher irritiert, dass hier jeglicher gesunder Menschenverstand abhanden gekommen zu sein scheint.

Wir wünschen ihnen alles Gute dieser Welt. Sie werden brauchen können.

Bamiyan

Nach vielen Stunden, wir sind alle ziemlich angeschlagen, erreichen wir Bamiyan, zu dieser Zeit nicht mehr als ein Dorf in der bergigen Einöde, aber mit der Hauptattraktion des Landes.

Das Dorf liegt still in der Spätnachmittagssonne. In der Ferne der einsame Schrei eines Esels, Stimmen aus einem Haus, Kindergeschrei, murmelnde Stimmen, das Blöken eines Schafes.

Wir sind im Spätherbst angekommen, Bäume und Sträucher sehen verdorrt aus, gelb verbrannt, aber sie sind das harte Klima gewohnt. Spätestens im nächsten Frühling wird das Leben, sogar hier im ausgetrockneten Bamiyantal, von neuem erwachen.

 

Die alten Männer werfen uns einen vorsichtigen Blick zu. Man kann sich vorstellen, was in ihren Köpfen vorgeht, vielleicht kichern sie heiser, sobald wir hinter der nächsten Ecke verschwunden sind, vielleicht tauschen sie aber auch nur den neuesten Tratsch aus, in ihren Schals und Turbanen und staubigen Schuhen.

Vielleicht aber warten sie einfach nur, dass die Zeit vergeht.

So stellt man sich das vor.

 

 

Ein besonderes Hotel

Unsere Freunde suchen sich einen Platz für ihren VW-Bus, so sie die Nacht gemütlich in ihrem Vehikel verbringen können. Wir hingegen suchen  uns eine geeignete Übernachtungsmöglichkeit. Es gibt nicht wenige davon, doch keine entsprechen auch nur annähernd den Vorstellungen, die man als verwöhnter Westler von einem Hotelzimmer hat.

Aber was soll’s, wir sind ja nur ein paar Nächte hier, also nisten wir uns in einem sehr spartanischen Raum ein, riechen den Staub der Jahrhundert, vielleicht aber auch nur den Staub der letzten Tage. Egal, wir finden es einigermassen in Ordnung, die Betten oder wie immer man diese Vorrichtungen, die offenbar zum Schlafen gedacht sind, nennen soll.

Eine Tür in unserem landläufigen Sinn existiert nicht, man muss sozusagen durch ein Fenster einsteigen, unterstützt durch einen Felsblock, über den man einsteigt. Immerhin. Und ja, eine Toilette, geschweige denn eine Dusche oder sowas Ähnliches gibt es nicht, also muss man sich draussen in die Büsche schlagen, was – euphemistisch ausgedrückt – etwas gewöhnungsbedürftig ist.

Und ja – wie nicht anders erwartet – ist die erste Nacht nicht nur hart, was die Schlafunterlage betrifft, sondern auch ziemlich kalt. Tja, die Höhe von 2500 Metern macht sich bemerkbar. Wir werden uns daran gewöhnen müssen.

 

Der passende Song zum Jahr:  The Eagles – On the Border

Und hier geht der Trail weiter … natürlich zu den Buddhas

 

Hippie Trail

Der Hippie Trail – Kabul und die Chicken Street

Und so sind wir nun tatsächlich da – in Kabul, der Hauptstadt von Afghanistan, einer der geheimnisvollsten und unbekanntesten Städte überhaupt. Die größte Stadt Afghanistans und das ökonomische und kulturelle Zentrum des Landes.

Und – man stelle sich das vor – mit über 3500 Jahren Geschichte ist sie eine der ältesten durchgehend besiedelten Regionen der Welt. Und das ausgerechnet in dieser abgelegenen Gegend mitten im Herzen Zentralasiens.

Aber was wussten wir damals, im fernen Jahr 1974, von Afghanistan?

Nicht viel. Ein kriegerisches Volk im Hindukusch, nie wirklich erobert oder bezwungen, weder von den Engländern (die es ernsthaft versuchten und scheiterten) noch von anderen Aggressoren, von einem König regiert, dessen Macht durch die verschiedenen Stämme eingeschränkt, wenn nicht sogar verunmöglicht ist.

De facto reicht sein Einflussbereich nicht weiter als bis an die Grenzen Kabuls, alle anderen Regionen, auch die Grossstädte, sind im Grunde genommen unregierbar.

Nicht, dass wir an diesem herbstlichen Tag Ende Oktober eine Art „Winds of Change“ spüren, dazu sind wir viel zu sehr an anderen Dingen interessiert. An das Leben in dieser chaotischen Stadt. An die Einwohner, die Kultur, das Daily Life.

Dabei sind die Zeichen da, unter der Oberfläche, mit ein bisschen Phantasie und der Nase im Wind hätte man die Veränderungen ahnen können.

Ich verweise auf einen Wiki-Eintrag zu Afghanistan im Jahr 1974:

It is announced that another attempt to overthrow the regime has been discovered and quashed; its leader has been executed and 11 participants imprisoned. Shortly afterward there is trouble in Tahar province, where the Muslim Brotherhood, which dislikes President Daud’s secularizing policy, is very influential. The government is obliged to take stern action; 70 members of the brotherhood are arrested, along with the governor of the province, the Revenue Commissioner, and the Superintendent of Police, and all are brought to trial on charges of plotting against the state.

Bunt und lärmig

Unbeindruckt von allen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen am Horizont, machen wir uns auf, diese in jeder Hinsicht verrückte Stadt kennenzulernen.

Es ist ein Ort, der von unwirtlicher Umgebung eingeschlossen ist, was allerdings eigentlich auf das ganze Land zutrifft. Berge in der Ferne umkränzen die flach gebaute Stadt, wenige Hochhäuser, ein paar Strassen durchkreuzen sie, vor allem in Nord-Süd Richtung.

Doch wenn man mittendrin steht, merkt man nichts von alledem. Das Leben ist bunt und lärmig und staubig, die nahe Wüste macht sich bemerkbar.

Die Menschen sind es gewohnt, sie kennen nichts anderes. Wir hingegen müssen uns erst noch daran gewöhnen. An den steten Lautpegel, an die hupenden Autos mit mörderischen Auspuffgasen, aber auch an die Läden entlang der Strassen, an das bunte Volk, das sich mischt.

Denn Kabul ist auch die erste wichtige Destination für alle Hippies auf dem Trail nach Indien.

Video 8mmFreak (thanks!)

Hippies und die Chicken Street

Wenn überhaupt irgendetwas zu dieser Zeit von Kabul bekannt ist in der weiten Welt, dann ist es diese auf den ersten Blick schmale Gasse, genannt Chicken Street. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt all dessen, was die Touristen sprich Hippies interessiert.

Es ist alles da, was das Hippie-Herz entzückt. Bunte Kleider im Batiklook, die immer gleichen Mäntel, Wasserpfeifen, Teppiche und antike Waffen, alles wie in Herat, aber von allem mehr und verrückter.

Man streicht durch die Gassen, bewundert die Auslagen, rümpft die Nase beim Anblick des ausgestellten Fleisches, das in der freien Luft hängt und diese mit beissendem Geruch füllt.

Das Angebot ist auf den besonderen Geschmack der jungen Leute abgestimmt, am grössten, am vielfältigsten, am buntesten.

Es ist beinahe so etwas wie das Shangri-La der Hippie-Generation, eine Art Paradies, wo alles da ist, was das Herz begeht, vielleicht auch nur ein Rückzugsort aus allem, was man ablehnt.

Doch viele der damals jungen Leute haben eine andere lokale Spezialität im Auge, nicht umsonst nennt man sie schwarzen Afghan.

Ob damit der Weiterreise einen Dienst erwiesen wird, ist fraglich. Spätestens in Goa oder Kathmandu wird für den einen oder anderen der Vorhang gezogen. Der jämmerliche Anblick der letzten gestrandeten Hippies in Goa zeugt von einer ganz anderen, einer ziemlich traurigen Geschichte.

Unsere Absichten sind ganz anderer Natur. Doch die Stadt mit all ihrem Lärm und der schlechten Luft wirkt, wie wir schnell bemerken, sehr ermüdend. Was nicht überraschend dazu führt, dass man sich in einem der Traveller-Cafés wiederfindet, das seine Angebote wiederum perfekt auf den Geschmack der jungen Leute ausrichtet.

Song zum Jahr: Al Green – Take me to the River

Und hier geht der Trip weiter … in Kabul

Hippie Trail

Der Hippie Trail – Von Kandahar nach Kabul

Kandahar

Das erste, was auffällt – Kandahar besitzt einen völlig anderen Charakter als Herat. Man könnte meinen, dass sich Städte in einem Land, auch wenn sie weit voneinander entfernt liegen, gleichen, aber das ist nicht so. Bern ist ja auch ganz anders als Zürich oder Basel.

Hier begegnet man vor allem finster und stolz blickenden Nomaden, die sich nicht um die Gäste aus fernen Ländern zu kümmern scheinen. Diese werden zur Kenntnis genommen und nicht umworben und bezirzt, wie das in Herat zum Alltag und zum Geschäft gehört. Sie sind ein notwendiges Übel, mit dem man sich abfinden muss.

Eine alte Stadt mit Charakter

Was die Stadt mit dem berühmten Kandahar-Skirennen zutun hat, erklärt Wikipedia wie folgt:

Das [Arlberg-Kandahar-Rennen] (AK) ist eine traditionsreiche Sportveranstaltung im alpinen Skisport. Namensgeber sind die beiden ursprünglichen Veranstalter des Rennens, der Ski-Club Arlberg in Österreich und der britische Kandahar Ski Club im schweizerischen Mürren. Letzterer trägt den Namen des englischen Heerführers Frederick Roberts, dem nach seiner Rückkehr aus Afghanistan der Titel Earl of Kandahar („Graf von Kandahar“) verliehen wurde.

Aha, also doch eine Beziehung zu Afghanistan, wenn auch nicht auf den ersten Blick erkennbar.

Wie auch immer, Kandahar hat eine lange kriegerische Geschichte, die sich bis in die heutige Zeit fortsetzt. Woher der Name stammt, ist umstritten, gewisse Details weisen auf muslimische Herkunft hin. Heute (2023) ist die Einwohnerzahl der drittgrössten Stadt des Landes (nach Kabul und Herat) auf eine halbe Million gestiegen. Die Situation nach der Wiedererlangung der Taliban-Herrschaft ist verständlicherweise unklar.

Gegründet wurde die Stadt von Alexander dem Grossen, eine seiner vielen Hinterlassenschaften auf dem Weg nach Indien. Wegen ihrer strategisch wichtigen Lage in Zentralasien war die Stadt häufiges Ziel von Eroberungen: So von den Arabern im 7. Jahrhundert, von den turkstämmigen Ghaznawiden im 10. Jahrhundert, von den Mongolen unter Dschingis Khan im 12. Jahrhundert und 1383 von Timur.

Wir befinden uns also auf geschichtlich relevantem Boden.

Granatäpfel und Rahmtafeln

Uns interessiert aber auch das kulinarische Angebot der Stadt – Liebe geht bekanntlich durch den Magen, auch wenn abseits erinnerungswürdige Orte locken. Das muss warten. Denn Kandahar ist vor allem bekannt für seine Granatäpfel. Nicht, dass wir noch keine gefunden haben, sie sind seit Tagen und Wochen im Angebot jedes vernünftigen Marktes.

Diese hier stellen aber eine Qualität dar, die offenbar unschlagbar ist. Sie sind röter, saftiger, süsser als alle bisher gegessenen, und obwohl sie uns nach alll der Zeit langsam aber sicher zum Hals heraushängen, greifen wir zu.

Und noch eine Überraschung: es gibt tatsächlich so etwas wie Rahmtafeln, die an einigen Stellen verkauft werden.

Rahmtafeln? In Afghanistan?

Die Welt ist manchmal tatsächlich voller Überraschungen. Unser Hunger nach Süssigkeiten, der seit Wochen kaum mehr gestillt werden konnte, weckt sämtliche auf Zucker konditionierte Geschmacksknospen im Mund. Man muss dazu die Augen schliessen und das zuckersüsse Ding ganz langsam und genussvoll auf der Zunge zergehen lassen.

Eigentlich verrückt – was bleibt nach all den Jahren an erinnerungswürdigen Details von Kandahar?

Die Rahmtafeln.

Ein teuflisch schneller Hund

Dann also auf zu den knapp 500 Kilometern, die noch bis Kabul abzufahren sind. Im Unterschied zur Strecke von Herat nach Kandahar wurde diese Strecke von den Amerikanern gebaut, so quasi in Konkurrenz zu den Russen. Für einmal ein Vorteil für das Land, wenn zwei sich streiten (was aber die Ausnahme ist, wie die Entwicklung der nächsten Jahrzehnte zeigen wird).

Und tatsächlich, das russische Benzin stinkt  zwar zum Himmel, aber es leistet seine Dienste, der Motor läuft tadellos.

Immerhin ist die Wüste oder besser Halbwüsten noch bestenfalls eine Viertelwüste, fast wie in der Osttürkei, viel Steine und Sand, aber doch mit dem gelegentlichen Auftauchen von echter Natur in Form von allerlei Pflanzen.

Und dann, wie aus dem Nichts, ein Schatten auf der Strasse, schnell wie der Wind, entgegen kommend. Am Anfang kaum zu erkennen, und plötzlich, oh und ah, es ist ein Hund, ein Afghan, der wie ein Blitz näher kommt und scheinbar schwerelos an uns vorübergleitet. Man glaubt, in einer Zeitlupe zu sein, langsame fliessende Bewegungen der Muskeln, der Kopf gehoben, die Zunge im Wind.

Wohin ist er unterwegs? Auf dieser einsamen verlassenen Strasse? Niemand weiss es, man hofft, dass zumindest er ein Ziel vor den Augen hat.

Wahnsinn!

Von Kandahar nach Kabul

Ghazni mittendrin und abseits

Die damals kleine Stadt Ghazni auf dem Weg nach Kabul, nichts besonderes und doch einer Erinnerung würdig. Es gäbe so vieles zu sagen, so vieles zu sehen, doch am Ende ist es bloss ein Durchfahrtsort, man hastet durch, Kabul ruft, ist schon in Griffweite, da will man nicht verweilen.

Dabei hätte die Stadt soviel zu bieten.

Und dann endlich – Kabul

Eigentlich ist Afghanistans Hauptstadt Kabul eine vergleichsweise kleine Stadt inmitten unbewohnten Gebietes, doch die Smogglocke, die wie eine böse Wolke über der Stadt hängt, zeugt von Staub und Rauch und der bösen Ausdünstung zahlreicher Vehikel.

Kurz vor dem Ziel, Kabul liegt in einer Senke vor uns, halten wir an, um den sehr besonderen Augenblick zu feiern, was Beatrice und Ruedi zu einem euphorischen Tänzchen auf der Strasse veranlasst.

Das, was folgt, ist weniger feiernswert, geschweige denn ein Grund zum Tanzen. Wir verlieren uns in dem chaotischen Abendverkehr, der keine Regeln zu kennen scheint, schon bald aus den Augen.

Und so lernen wir die Stadt ziemlich schnell besser kennen, denn die Suche nach dem Hotel gestaltet sich, wie soll man sagen, genauso chaotisch wie der Verkehr und das Leben in dieser offenbar verrückten Stadt.

In der Zwischenzeit hat sich die Dunkelheit über die Stadt ergossen, es existieren keine Strassennamen, zumindest keine in unserer Schrift, und all die Menschen, die wir nach dem Jam-Hotel fragen, haben nicht die geringste Ahnung, wovon wir sprechen.

Und so bleibt schlussendlich die immer gleiche erfolgversprechende Lösung: sobald man jemanden findet, der das Hotel kennt, lädt man ihn ein mitzufahren und uns den Weg zu weisen. Natürlich gegen ein noch so gern bezahlten Obolus.

Und noch etwas zum Schluss: es ist kühl geworden (man erinnere sich an die Afghanmäntel unserer Freunde), und so bilden unsere warmen Schläfsäcke ein besonderes Erlebnis.

Song zum Jahr:  Roxy Music – Out of the Blue

Und hier geht der Trip weiter … wir bleiben in Kabul