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Hippie Trail

Der Hippie Trail – Das Morgengrauen und das Weiterschlafen

Irgendwann, es muss meinem inneren Kompass gemäss noch tiefe Nacht sein, wage ich einen Blick durchs Fenster. Tatsächlich, am östlichen Horizont macht sich das Morgengrauen breit.

Aber es ist einfach viel zu früh, um aufzustehen. Allerdings, im Hinterkopf meldet sich ein fieses Teufelchen und erinnert mich daran, dass wir heute eine lange Etappe vor uns haben.

Egal, ich drehe mich auf die andere Seite und schlafe wieder ein …

 

Ein paar Stunden später …

Und so kommt es, wie es kommen muss. Wir stehen nicht nur zu spät auf, wir waschen noch das Geschirr, duschen, kümmern uns um den Wagen, alles in allem – es sieht aus, als hätten wir heute nichts Besonderes vor.

From Istanbul to Ankara
Von Istanbul nach Ankara

Dabei ist unser heutiges Ziel Ankara, knapp 500 Kilometer entfernt.

Es ist also halb elf, als wir endlich losfahren, natürlich quer durch die Stadt, und das bedeutet, dass es bereits Mittag ist, als wir endlich freie Fahrt haben. Allerdings, wenn man sich den heutigen Verkehr in der Monströsität namens Istanbul ansieht, ist das, was wir heute erleiden müssen, ein Klacks!

Nun, wir haben zwar Istanbul hinter uns gelassen, was aber nicht bedeutet, dass wir nun Ruhe haben. Der Verkehr bis Izmit ist mörderisch, wir kommen im Pulk von Millionen anderer Fahrzeuge nur schleppend vorwärts, dann aber, wir atmen auf, wird es nach Izmit schlagartig besser.

 

Gruss vom Boxermotor

Vielleicht ein kurzer Hinweis zu unserem Motor.

Man glaube nicht, dass alles in Ordnung ist, nur weil es momentan (fast) nichts Auffälliges zu erzählen gibt. Er läuft ziemlich rund, schnurrt wie eine satte Katze, aber der Motor verbraucht täglich einen Liter Oel.

Ich habe mir die Mühe genommen, den entsprechenden Abschnitt in der Betriebsanleitung zu studieren.

Das Ergebnis beunruhigt erheblich. Es tauchen nun Begriffe wie Kurbelwelle, Pleuellager, Zylinderkopfdichtungen auf, alle deuten auf potentielle Schrecknisse hin. Unser geliebter Motor könnte uns schon in Bälde gehörige Streiche spielen, die weit über das bisher Erlebte hinausgehen.

Aber was soll’s, wir verlassen ja lediglich die Zivilisation. Orte, wo man einen Motor flicken lassen kann, wo es Experten gibt, die das Problem erkennen und beheben. Das, was vor uns liegt, ist allerding Einöde, Wüste, mit ein paar verstreuten Städten und Dörfern mittendrin. Dazwischen – nichts.

Alles kein Problem, man darf einfach nicht darüber nachdenken.

 

Die Anatolische Halbwüste

Nach Izmit – wir haben das Meer nun definitiv hinter uns gelassen – beginnt die charakteristische Halbwüste Anatoliens. Sand- und Steinhügel, endlose schnurgerade Strassen, die rauf und runter gehen, dazwischen spärliche Vegetation, auf der gelegentlich ein paar Schafe weiden.

 

anatolian semi-desert  Working on the fields in Turkey

Manchmal steht ein Türke am Strassenrand, winkt nach Zigaretten, dann wieder meilenweit keine lebende Seele.

Manchmal wilde Hunde, die uns ein paar hundert Meter weit nachrennen, man möchte ihnen nicht auf dem offenen Feld begegnen.

Anatolien semi desert

Hält man doch irgendwo im Nirgendwo an, im festen Glauben an menschenleeres Gelände, stehen plötzlich wie magisch herbeigezaubert ein paar schnauzbärtige Männer um den Wagen herum.

Am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, aber mit einer Zigarette werden sie im Nu zu unseren Freunden und würden uns wahrscheinlich zum Essen einladen. Was kein Scherz ist – die türkische Gastfreundschaft im Vergleich zur unsrigen ist berühmt.

Mit der Zeit vergeht das Ungewohnte, dazu sind wir hier, um Ungewohntes kennenzulernen, um um zu erkennen, das etwas Unbekanntes nicht mit Gefahr gleichzusetzen ist.

Und so fahren wir durch das Ungewohnte und Unbekannte, erstaunlich entspannt. Man könnte meinen, wir befänden uns auf einem Ausflug ins Berner Oberland.

Was es aber nicht ist, beileibe nicht.

 

Das Fahren in dunkler Nacht

Die Rechnung für allerhand verspätetes Tun wird uns jetzt präsentiert.

Im Rückspiegel nähert sich die Sonne behutsam, aber unaufhörlich dem Horizont, doch heute Abend fehlt es uns an Interesse an diesem täglichen Wunder. Wir befinden uns nämlich noch sehr sehr weit entfernt von Ankara, und die Strassen sind in der Zwischenzeit nicht besser geworden, im Gegenteil.

Dazu kommt der wieder dichtere Verkehr mit allerlei seltsamen Vehikeln auf der Strasse, die mehrheitlich gar nicht oder nur schwach beleuchtet sind. Die Lastwagen, von denen es mit einem Mal wieder wimmelt (ausgerechnet!), sind gelegentlich gar nicht beleuchtet, was da bedeutet, dass sie urplötzlich wie von Geisterhand vor uns erscheinen und den Adrenalinspiegel in ungeahnte Höhen treiben.

Das Gegenteil sind die Lastwagen, die so stark beleuchtet sind, dass sie wie fahrende Weihnachtsbäume aussehen und die Sicht für eine Minute lang verunmöglichen.

ich spüre jetzt noch, viele Jahre später, den Stress.

In einem düsteren Kaff (alle Dörfer sind düster, was nicht nur mit der Dunkelheit zu tun hat) etwa 90 Kilometer vor Ankara geben wir den Geist entnervt auf, bevor uns ein blinder oder blindmachender Truck aus dem Verkehr zieht. Und einmal mehrparkieren wir am Strassenrand, es wird irgendwann dunkel, nur weit entfernt heult ein Hund seinen Schmerz in die stumme Nacht hinaus.

 

Passender Song zur Zeit:  Stevie Wonder – Living for the City

Und hier geht der Trip weiter … nach Sivas, schon beinahe in der Osttürkei

 

Hippie Trail

Der Hippie Trail – Istanbul

Istanbul! Die letzte Stadt Europas und die erste Stadt Asiens.

Die Schnittstelle zwischen Orient und Okzident.

Eine faszinierende Mischung aus Ost und West. Tor zum Osten und zum Westen.

Eine Stadt, die man immer wieder besuchen, immer wieder geniessen möchte. Wie Buenos Aires. Oder Luang Prabang. Hanoi. Mandalay.

Die Hagia Sophia. Der Taksim-Platz oder die Galata-Brücke. Die Sultan-Ahmed-Moschee. Das Topkapi Museum. Oder eben der Grosse Bazar.

Istanbul. Konstantinopel. Byzanz. Drei geschichtsträchtige Namen für die eine geschichtsträchtige Stadt.

Und hier sind wir nun.

 

Der Bazar – eine Welt in der Welt

Auch das Bild der Stadt ist nach unserer Erinnerung geformt. Und für einmal ist es ihr ähnlich.

Der grosse Bazar mit seinen verwinkelten Gassen, die in alle Richtungen und nirgends hinführen, das wimmelnde Leben, das sich in allen Sprachen der Welt verständigt. Wenn gar nichts mehr hilft, dann kommuniziert man mit Blicken, Grimassen oder nach alter Sitte mit Händen und Füssen.

Die versteckten Restaurants, aus denen der Duft exotischer Speisen in die Nase steigt und einen unmittelbaren Zuwachs an Hunger bewirkt.

Die Verkäufer, auf der oberen Stufe weltweiten Verkäufertalents stehend, nähern sich vorsichtig und gleichzeitig unaufhaltsam, sie preisen etwas an, was wir jetzt denkbar schlecht brauchen können, auch wenn ihre Waren genauso erstrebenswert aussehen wie sie angepriesen werden.

Die Träger, die auf ihren verkrümmten Rücken ungeheure Lasten tragen, die uns kräftige Mitteleuropäer an die Grenze ihrer Möglichkeiten bringen würde (erst viele Jahre später, auf dem Langtang-Trek in Nepal, konnte ich eine weitere, beinahe unfassbare Steigerung beobachten).

Die Läden, grössere mit ausladenden Verkaufsflächen und kleinere, versteckte, über die man beinahe stolpert, und deren Inhaber schüchterne und manchmal herausfordernde Blicke auf die potentiellen Kunden werfen.

 

Shops in the Istanbul Bazar

 

Teppiche und Süssigkeiten

Und das Angebot, ein Universum an wunderbaren kostbaren Teppichen und Stoffen und Figuren, aber einem tausendfachen an unmöglichem Ramsch, dessen Qualität und Verwendungszweck schon auf den ersten Blick zweifelhaft erscheint.

Der Duft von gebratenem Fleisch und frischem Fisch mischt sich mit dem fremdartigen Aroma von Pfefferschoten, die auf Tüchern ausgebreitet sind, von Muskatnuss und anderen Gewürzen, gelben, roten, braunen, schwarzen.

Es riecht nach geröstetem Brot und Süßigkeiten, frischen Kuchen und Nüssen, nach kandierten Früchten, Marzipan, Konfekt und Pralinen und Tafeln aus gebranntem Zucker.

 

Bazaar in Istanbul

Und dann eben wir, die Touristen, die Käufer, die Kunden, die Opfer, gierig suchend, mit geblähten Nüstern nach Schnäppchen schnüffelnd, und um trotzdem nach kurzer Zeit über den Tisch gezogen zu werden. Natürlich in der festen Überzeugung, einen bsonders guten Kauf getätigt zu haben.

Alle sind da, die Amerikaner in ihren grosskarierten Hosenund farbigen, kitschigen Sonnenbrillen. Sie fallen auf, andere weniger. Deutsche und Italiener. Franzosen und Schweizer.

Das Grinsen der Verkäufer bleibt versteckt.

Zusammengefasst: Der Große Basar erstreckt sich über 31.000 m² und beherbergt rund 4.000 Geschäfte mit den verschiedensten Angeboten. Angelegt wurde er im 15. Jahrhundert unter Sultan Mehmet Fatih nach der Eroberung Konstantinopels.

Er ist genauso geblieben, und man ist dankbar dafür.

 

Ein altes zerknittertes Männchen

Der Lärm, die verrauchte, verbrauchte, von allerlei seltsamen Gerüchen aufgestaute Luft macht müde.

Die Restaurants nahe der Gassen bieten einen vortrefflichen Ort, um das Gewimmel zu beobachten und sich wieder einmal eine Meinung über das faszinierende Verhalten der Spezies Mensch zu machen.

Ein uraltes, zerknittertes Männchen streicht an den Tischen vorbei, bietet etwas an, das sich beim Näherkommen als seltsame Figuren entpuppt. Er erkennt im Nu unser Interesse und setzt sich an unseren Tisch.

Und jetzt erst erkennen wir, was für einen Schatz er anbietet. Es handelt sich um uralte, sehr wertvolle Marionetten aus Kamelhaut, die zwar in ähnlicher Art auch andernorts im Bazar angeboten werden, aber niemals in dieser einmaligen Schönheit.

Der Mann stellt sich im Gespräch als mindestens so interessant heraus wie seine Marionetten. In fliessendem Deutsch erzählt er von seiner Herkunft in Aserbeidschan, seinen Studien in Leningrad, seiner Flucht aus Russland nach Berlin. Er zählt nun an die neunzig Jahre und verdient sich durch den Verkauf seiner geliebten Marionetten einen Platz im Altersheim.

Man sieht ihm an, dass ihn der Verkauf seiner Marionetten schmerzt, aber es stellt die einzige Möglichkeit dar, etwas Geld zu verdienen. Seine Lieblinge sind kostbar und teuer, aber der wahre Wert wäre vermutlich noch viel höher.

Auf dem Heimweg könnten wir der Versuchung nicht widerstehen, aber eben, wir sind erst auf dem Hinweg, die Reise ist lang, der Platz beschränkt, und so wünschen wir ihm alles Gute und verabschieden uns.

 

Unterwegs in der Stadt

Wir hängen einen Tag an, es sieht beinahe nach einem Businesstrip aus. Und tatsächlich gibt es einiges zu erledigen, manches angenehm, anderes weniger.

Das Visum für den Iran bekommen wir (vielleicht) heute, keine Ahnung, wie die dortige Bürokratie funktioniert, aber wir hoffen auf das Beste. Denn ohne Visum keine Iran-Durchquerung. Immer diese Unabwägbarkeiten, sie sind eine elende Mühsal.

Und dann haben wir ein besonderes Rendezvous mit unseren französischen Freunden, die sicher darauf freuen, uns das geliehene Geld zurückzugeben. Erstaunlicherweise treffen wir sie tatsächlich im Puddingshop, Geld ist erwartungsgemäss immer noch nicht vorhanden, also verschieben wir unser Treffen auf den Nachmittag. Die Hoffnung ist klein, und so ist das Erstaunen gering, dass sich unsere Freunde auch um drei Uhr nachmittags rar machen. Nun, Shit happens, man lernt nie aus.

Eigentlich sind wir ja ein weiteres Mal auf der Suche nach geeignetem Kartenmaterial, allerdings ohne Erfolg. Auch die Hilfe unseres türkischen Freundes Arto führt zu keinen positiven Ergebnissen.Seine Zeit ist allerdings beschränkt, denn er ist in Aufbruchstimmung. Die Wahrscheinlichkeit, dass er in absehbarer Zeit in die Armee eingezogen wird, ist hoch, und so fliegt er morgen zu seiner Freundin in die Schweiz.

Und wir, wir stellen uns langsam darauf ein, dass wir ohne Strassenkarten nach Indien fahren.

 

Song zum Jahr:  Mike Oldfield – Tubular Bells

Und hier geht der Trip weiter … nach Ankara

 

Hippie Trail

Der Hippie Trail – Von Kavala nach Istanbul

Die Strecke von Kavala nach Istanbul ist uns in bester Erinnerung.

Nur schon die Namen der Orte, die wir passieren werden, verursachen einen Pawlov’schen Reflex. Das buchstäbliche Wasser der Vorfreude läuft uns im Mund zusammen.

Wir erwarten, wie sagt man, na klar …

 

… ein echtes Dejà-Vu

Es ist nämlich eine wunderbare Strecke, manchmmal am Meer entlang, dann wieder durch kleine malerische Dörfer und Städte, in denen man verweilen möchte, endlose Stunden in einem Strassencafé sitzend, während die Hitze den Asphalt zum Schmelzen bringt, der örtliche Pope gemessenen Schrittes die Gasse herunterkommt, sich rechts verbeugt, links einen Blick auf die junge Schöne wagt.

Man müsste nicht reden, kaum denken, nur spüren, wie das Leben vorbeitreibt.

Und so ist es auch heute.

Nicht, dass wir das letzte Mal mit einem besserem Vehikel ausgestattet gewesen waren, oh nein. Ist es dieses Jahr der Motor oder die Kipphebelwelle oder weiss Gott was, so war es damals der Anlasser.

Entweder musste man den VW Käfer anstossen (kräfteraubend) oder ihn von Anfang an so parkieren, dass man hügelabwärts einen Rollstart durchführen konnte (nur in hügeligem Gelände möglich).

Man sieht, dass wir inicht das erste Mal mit einem besonders fiesen Vehikeln gesegnet sind. Wir können uns gar nicht vorstellen, in einem Wagen unterwegs zu sein, der nicht für permanent schlechte Überraschungen sorgt.

 

Für einmal wenig Verkehr

Und so fahren wir also heute durch bekanntes Gelände, entlang verbrannten Wiesen und Äcker, wo kein einziges Tier zu sehen ist, keine Kuh, kein Esel, nicht mal Vögel, und doch fühlen uns beinahe wie zuhause.

Manchmal blinkt für einen Augenblick der Gedanke auf, dass wir die einzigen Lebewesen weit und breit sind. Selten ein Lastwagen, manchmal ein Pickup, dann wieder lange niemand.

Der Grund leuchtet erst nach einer gewissen Zeit ein. Natürlich, Griechenland und die Türkei liegen sich wieder mal in den Haaren, der Konflikt hat uns beinahe schlaflose Nächte verursacht. Wären die Auseinandersetzungen eskaliert, hätte unser geplanter Indientrip ein vorschnelles Ende genommen. Aber dazu weiter unten.

Vorerst sind wir noch auf griechischem Boden, wir passieren die Orte, die in lebendiger Erinnerung geblieben sind – Xanthi, Alexandropoulos, Komotini. Die Namen erinnern an Stopps am Strassenrand, an Restaurants, wor wir uns mit Händen und Füssen verständigen mussten, weil das Personal ausschliesslich griechisch sprach, und wir in der Küche auf entsprechende Pfannen zeigen mussten.

 

Komotini Greece
Xanthi -alte Erinnerungen

Aber das Essen, obwohl eher unbekannt nach Aussehen und Geschmack, mundete köstlich.

Das alles meldet sich zurück, spätestens dann, wenn wir durch Gerüche eingeholt werden, Gerüche als zuverlässigste Erinnerungsdetektoren, Gerüche aus der Küche, Gerüche vom dampfenden Teller, der Geruch der Strasse oder der zirpenden Vögel in den aufgehängten Käfigen.

 

Das Kirchlein im Sumpf

Manchmal verwandeln sich Erinnerungen in Bilder, die sich beim Wiedersehen als bestenfalls annähernd korrekt herausstellen. Der Strand, als endlose weisse Fläche bis zum Horizont in Erinnerung, entpuppt sich als eher schmutziger Abschnitt am Meer, der nicht nur weissen Sand sondern auch voll von spitzen schwarzen Steinen ist, denen man barfuss besser aus dem Weg gehen sollte. Oder sind wir am falschen Ort?

Eben. Die Erinnerung – ein fragwürdiges Instrument.

Aber gelegentlich trifft auch sie ins Schwarze. Beispielsweise bei dem kleinen schmucken Kirchlein mitten in einem Sumpf, und einem Popen, der Monika heisse Blicke zuwarf.

Path to the tiny church
Alte Zeiten …

Wir finden tatsächlich die richtige Abzweigung, dann den Weg über den Holzsteg, mitten durch einen Sumpf, der voll besonderer Laute und Geräusche ist, wo sich das Schilf im Wind beugt, wo man ringsherum nur den Himmel und das Schilf und den löchrigen Steg sieht.

Und tatsächlich, als hätte er die ganze Zeit auf uns gewartet, begrüsst uns der seltsame Heilige an der Pforte zum Kirchlein, sein Blick ist genauso feucht und auf seltsame Weise irritierend wie vor zwei Jahren, aber es macht nichts.

Ein weiteres Dejà-Vu, eines der besonderen Gattung.

Doch die Sprache ist auch diesmal eine Barriere, obwohl die Gesten einladend, das Timbre seiner Stimme wohlklingend ist. Nach einer halben Stunde verabschieden wir uns, natürlich eine kleine Spende hinterlassend, die von seiner Geistlichkeit wohlwollend zur Kenntnis genommen wird.

Dann, einmal mehr grinsend und irgendwie erleichtert gehen wir den Weg zurück, wenden uns ein letztes Mal um, bevor wir den Weg wieder unter die Räder nehmen …

 

Griechen und Türken – eine ewige Geschichte

Je näher wir der türkischen Grenze kommen, desto häufiger werden die Militärkonvois. Der Beinahe-Krieg zwischen den beiden Erzfeinden liegt lediglich ein paar Wochen zurück.

Ein kurzer Blick auf den sogenannten Zypernkonflikt im Jahre 1974.

Wer der Auslöser der Konflikte war (die Geschichte geht auf jeden Fall weit weit zurück) – griechische Putschisten, die Zyperntürken, die Zyperngriechen, Erzbischoff Makarios oder wer auch immer – auf jeden Fall wurde im Sommer 1974 der Norden der Insel (und damit ein Drittel des Staatsgebietes der Republik Zypern) von türkischen Streitkräften besetzt, nachdem griechische Putschisten den Anschluss Zyperns an Griechenland durchsetzen wollten.

Mehr möchte man auch gar nicht dazu sagen, die Sache ist etwa gleich mühsam wie diejenige in Nordirland. Immer mal wieder entsteht neues explosives Potential, das neue Fehden, neue Kriege, neue Opfer bewirkt. Wie gesagt, äusserst mühsam und unverständlich.

Auf jeden Fall hat uns der Konflikt mehr beunruhigt als alle anderen vorher oder nachher. So geht es eben – erst wenn man selber betroffen wird, bekommt die Sache einen Stellenwert.

 

Der Grenzübertritt

Man könnte allenfalls annehmen, dass der immer noch vor sich hin schwelende Konflikt den Grenzübertritt erschweren würde. Zu unserer Überraschung bereitet dies aber nicht die geringsten Probleme, so als hättten sich alle Streitigkeiten in Minne aufgelöst.

Natürlich werden die Zollbeamten auf der einen und der anderen Seite kaum gemeinsame Ferien planen, aber immerhin werfen sie sich bestenfalls ein paar grimmige Blicke zu. ich bin sicher, dass falls sich die Gelegenheit ergeben würde, man sicher ein Gläschen Raki oder Ouzo gemeinsam kredenzen würde.

Anyway, wir sind froh, denn nach dem Grenzübertritt liegen immer noch gut 250 Kilometer vor uns, und der Abend ist nicht mehr fern. Es sind eher langweilige Kilometer, ausser dauerndem Auf und Ab gibt es nichts Besonderes zu vermelden.

 

Und dann das Lichtermeer

Manchmal ist die Dunkelheit ein Segen, so wie heute, kurz vor dem Tagesziel. Was würde man verpassen, wenn die Stadt zwar am Horizont auftaucht, aber eine mehr oder weniger zufällige Ansammlung grauer Häuser und Strassen wäre.

Und wie atemberaubend eine Stadt erscheint, wenn sie aus der Ferne ein Lichtermeer als Willkommensgruss schickt. Wenn man sich in der Dunkelheit der Nacht dem Ziel nähert und das Ziel wie ein glänzendes pulsierendes Wesen erscheint. So in Mumbai, so in Singapur, in Doha oder Delhi.

So auch heute. Istanbul begrüsst uns, und wir grüssen zurück.

Der erste wichtige Abschnitt der Reise ist geschafft.

Aber viele Abschnitte liegen vor uns …

 

Der Song zum Thema: Lynyrd Synyrd – Sweet Home Alabama

Und hier geht die Reise weiter … in Istanbul