Istanbul! Die letzte Stadt Europas und die erste Stadt Asiens.
Die Schnittstelle zwischen Orient und Okzident.
Eine faszinierende Mischung aus Ost und West. Tor zum Osten und zum Westen.
Eine Stadt, die man immer wieder besuchen, immer wieder geniessen möchte. Wie Buenos Aires. Oder Luang Prabang. Hanoi. Mandalay.
Die Hagia Sophia. Der Taksim-Platz oder die Galata-Brücke. Die Sultan-Ahmed-Moschee. Das Topkapi Museum. Oder eben der Grosse Bazar.
Istanbul. Konstantinopel. Byzanz. Drei geschichtsträchtige Namen für die eine geschichtsträchtige Stadt.
Und hier sind wir nun.
Der Bazar – eine Welt in der Welt
Auch das Bild der Stadt ist nach unserer Erinnerung geformt. Und für einmal ist es ihr ähnlich.
Der grosse Bazar mit seinen verwinkelten Gassen, die in alle Richtungen und nirgends hinführen, das wimmelnde Leben, das sich in allen Sprachen der Welt verständigt. Wenn gar nichts mehr hilft, dann kommuniziert man mit Blicken, Grimassen oder nach alter Sitte mit Händen und Füssen.
Die versteckten Restaurants, aus denen der Duft exotischer Speisen in die Nase steigt und einen unmittelbaren Zuwachs an Hunger bewirkt.
Die Verkäufer, auf der oberen Stufe weltweiten Verkäufertalents stehend, nähern sich vorsichtig und gleichzeitig unaufhaltsam, sie preisen etwas an, was wir jetzt denkbar schlecht brauchen können, auch wenn ihre Waren genauso erstrebenswert aussehen wie sie angepriesen werden.
Die Träger, die auf ihren verkrümmten Rücken ungeheure Lasten tragen, die uns kräftige Mitteleuropäer an die Grenze ihrer Möglichkeiten bringen würde (erst viele Jahre später, auf dem Langtang-Trek in Nepal, konnte ich eine weitere, beinahe unfassbare Steigerung beobachten).
Die Läden, grössere mit ausladenden Verkaufsflächen und kleinere, versteckte, über die man beinahe stolpert, und deren Inhaber schüchterne und manchmal herausfordernde Blicke auf die potentiellen Kunden werfen.
Teppiche und Süssigkeiten
Und das Angebot, ein Universum an wunderbaren kostbaren Teppichen und Stoffen und Figuren, aber einem tausendfachen an unmöglichem Ramsch, dessen Qualität und Verwendungszweck schon auf den ersten Blick zweifelhaft erscheint.
Der Duft von gebratenem Fleisch und frischem Fisch mischt sich mit dem fremdartigen Aroma von Pfefferschoten, die auf Tüchern ausgebreitet sind, von Muskatnuss und anderen Gewürzen, gelben, roten, braunen, schwarzen.
Es riecht nach geröstetem Brot und Süßigkeiten, frischen Kuchen und Nüssen, nach kandierten Früchten, Marzipan, Konfekt und Pralinen und Tafeln aus gebranntem Zucker.
Und dann eben wir, die Touristen, die Käufer, die Kunden, die Opfer, gierig suchend, mit geblähten Nüstern nach Schnäppchen schnüffelnd, und um trotzdem nach kurzer Zeit über den Tisch gezogen zu werden. Natürlich in der festen Überzeugung, einen bsonders guten Kauf getätigt zu haben.
Alle sind da, die Amerikaner in ihren grosskarierten Hosenund farbigen, kitschigen Sonnenbrillen. Sie fallen auf, andere weniger. Deutsche und Italiener. Franzosen und Schweizer.
Das Grinsen der Verkäufer bleibt versteckt.
Zusammengefasst: Der Große Basar erstreckt sich über 31.000 m² und beherbergt rund 4.000 Geschäfte mit den verschiedensten Angeboten. Angelegt wurde er im 15. Jahrhundert unter Sultan Mehmet Fatih nach der Eroberung Konstantinopels.
Er ist genauso geblieben, und man ist dankbar dafür.
Ein altes zerknittertes Männchen
Der Lärm, die verrauchte, verbrauchte, von allerlei seltsamen Gerüchen aufgestaute Luft macht müde.
Die Restaurants nahe der Gassen bieten einen vortrefflichen Ort, um das Gewimmel zu beobachten und sich wieder einmal eine Meinung über das faszinierende Verhalten der Spezies Mensch zu machen.
Ein uraltes, zerknittertes Männchen streicht an den Tischen vorbei, bietet etwas an, das sich beim Näherkommen als seltsame Figuren entpuppt. Er erkennt im Nu unser Interesse und setzt sich an unseren Tisch.
Und jetzt erst erkennen wir, was für einen Schatz er anbietet. Es handelt sich um uralte, sehr wertvolle Marionetten aus Kamelhaut, die zwar in ähnlicher Art auch andernorts im Bazar angeboten werden, aber niemals in dieser einmaligen Schönheit.
Der Mann stellt sich im Gespräch als mindestens so interessant heraus wie seine Marionetten. In fliessendem Deutsch erzählt er von seiner Herkunft in Aserbeidschan, seinen Studien in Leningrad, seiner Flucht aus Russland nach Berlin. Er zählt nun an die neunzig Jahre und verdient sich durch den Verkauf seiner geliebten Marionetten einen Platz im Altersheim.
Man sieht ihm an, dass ihn der Verkauf seiner Marionetten schmerzt, aber es stellt die einzige Möglichkeit dar, etwas Geld zu verdienen. Seine Lieblinge sind kostbar und teuer, aber der wahre Wert wäre vermutlich noch viel höher.
Auf dem Heimweg könnten wir der Versuchung nicht widerstehen, aber eben, wir sind erst auf dem Hinweg, die Reise ist lang, der Platz beschränkt, und so wünschen wir ihm alles Gute und verabschieden uns.
Unterwegs in der Stadt
Wir hängen einen Tag an, es sieht beinahe nach einem Businesstrip aus. Und tatsächlich gibt es einiges zu erledigen, manches angenehm, anderes weniger.
Das Visum für den Iran bekommen wir (vielleicht) heute, keine Ahnung, wie die dortige Bürokratie funktioniert, aber wir hoffen auf das Beste. Denn ohne Visum keine Iran-Durchquerung. Immer diese Unabwägbarkeiten, sie sind eine elende Mühsal.
Und dann haben wir ein besonderes Rendezvous mit unseren französischen Freunden, die sicher darauf freuen, uns das geliehene Geld zurückzugeben. Erstaunlicherweise treffen wir sie tatsächlich im Puddingshop, Geld ist erwartungsgemäss immer noch nicht vorhanden, also verschieben wir unser Treffen auf den Nachmittag. Die Hoffnung ist klein, und so ist das Erstaunen gering, dass sich unsere Freunde auch um drei Uhr nachmittags rar machen. Nun, Shit happens, man lernt nie aus.
Eigentlich sind wir ja ein weiteres Mal auf der Suche nach geeignetem Kartenmaterial, allerdings ohne Erfolg. Auch die Hilfe unseres türkischen Freundes Arto führt zu keinen positiven Ergebnissen.Seine Zeit ist allerdings beschränkt, denn er ist in Aufbruchstimmung. Die Wahrscheinlichkeit, dass er in absehbarer Zeit in die Armee eingezogen wird, ist hoch, und so fliegt er morgen zu seiner Freundin in die Schweiz.
Und wir, wir stellen uns langsam darauf ein, dass wir ohne Strassenkarten nach Indien fahren.
Song zum Jahr: Mike Oldfield – Tubular Bells
Und hier geht der Trip weiter … nach Ankara