Ich wäre gerne noch etwas mit den Hobbits weitergereist.
Aber vor der Fahrt nach Oudomxai muss ich wieder mal Abschied nehmen. Im Unterschied zu meinen neuen Bekannten, die allesamt in Richtung Luang Prabang weiterfahren, nehme ich den Bus nach Oudomxai. Die Fahrt auf dem Nam Ou wird mich etwas später, dafür viel spektakulärer ans gleiche Ziel bringen.
Frühstück also zum letzten Mal mit den Hobbits und Gormenghast. Ich beobachte das Herumwuseln vor der Abfahrt des riesigen Schiffes, bis endlich alle und alles wieder verstaut ist, bis endlich das Boot Fahrt aufnimmt und nach kurzer Zeit im frühmorgendlichen Nebel entschwindet.
Leises Bedauern.
Der Bus fährt erst in einer Stunde, also nehme ich die Gelegenheit für einen Spaziergang durch die Stadt wahr. Doch der Norden ruft. Ich finde eine Bäckerei und Banana Pancakes und ähnliche Kostbarkeiten. Eine perfekte Zwischenverpflegung auf der Fahrt nach Oudomxai.
Ein Vorgeschmack auf Luang Prabang. Die Gläubigen bedanken sich, dass sie spenden dürfen. Eine etwas gewöhnungsbedürftige Beziehung zwischen Geber und Nehmer. Aber im buddhistischen Glauben ist vieles anders als bei uns.
Fahrt durch wildes Land
Ein TukTuk bringt mich zur Busstation, wo schon einige Leute geduldig auf die Abfahrt warten. Der Bus, nicht besonders gross, aber in beruhigend gutem Zustand, steht bereit. An einem Stand werden allerhand Dinge gegrillt. Sie sehen nicht nur seltsam aus, sondern riechen auch etwas streng und entpuppen sich beim näheren Hinsehen als Schlangen.
Eine Fahrt durch wildes Land, durch hellgrüne Wälder, vorbei an Feldern, Hütten auf Stelzen und solche auf dem Boden. Nicht viel Verkehr, das Land ist so arm, dass sich niemand ein Auto leisten kann. Dafür Roller, viele Roller, auf denen gelegentlich ganze Familien transportiert werden. Indien lässt grüssen.
Der Bus wird doch noch voll, wechselnde Besetzung, immer wieder Halte in Dörfern oder an seltsamen Orten, wo jemand zu- oder aussteigen will. Die Pause dient der Beobachtung dem Bau eines Hauses, und – als wunderbare Zugabe – der Gesellschaft eines kleinen zutraulichen Hundes, den ich am liebsten mitnehmen möchte.
Oudomxai – Dorf im Niemandsland
Die fünf Stunden gehen schnell vorüber, die Berge bleiben hinter uns zurück, eine weite Ebene öffnet sich dem Blick, eine schnurgerade Strasse führt geradewegs nach Oudomxai. Ich bin seltsam glücklich, beinahe euphorisch, schlendere langsam die Hauptstrasse entlang, bis ich das gesuchte Hotel finde. Es ist gross, angenehm und ziemlich leer. Soll mir egal sein, auf jeden Fall macht das Zimmer einen sauberen, einladenden Eindruck.
Der Spaziergang durch eine neue Stadt ist immer ein besonders Erlebnis.
Vor allem dann, wenn der Orientierungssinn noch strauchelt, wenn der Blick nach Wahrzeichen sucht, etwas, woran er sich festhalten kann. In Oudomxai kein Problem, da die Stadt eher ein Städtchen ist. Ein gemütliches, gelassenes Kaff mit einer ziemlich geraden Hauptstrasse mitten hindurch, gesäumt von unzähligen Läden, Ständen, Restaurants. Es gefällt mir.
Kein Treck, dafür Schnapps für alle
Allerdings klappt alles, wonach ich suche, erst mal nicht. Es gibt keine Kurztrecks, allenfalls allein, dafür teuer. So berichtet man mir im eigentlich gar nicht geöffneten Touristenbüro. Und der Fahrradvermieter hat gerade keine Bikes zum Vermieten, schon gar nicht eines nach Muang Khoua (später sollte mir klar werden, dass mir dadurch ein elendiglich mühsamer Tag erspart geblieben ist).
Dafür bewirtet er eben ein holländisches Ehepaar; man ist von einer Hochzeit zurückgekehrt und feiert den Tag nun mit Schnaps und befindet sich momentan in einer Phase alkoholumschwängerter Euphorie. Ich kann dem Angebot, ein Gläschen mit zutrinken, widerstehen und oute mich als Antialkoholiker.
Mutige Biker
Abendessen in einem Restaurant. Relativ düster, aber auch relativ billig (es sollte der kostenmässige Tiefpunkt bleiben). Ein gefüllter Teller Fried Noodles mit Chicken, einem Liter Mineralwasser und einem Bier kostet gerademal etwa drei Franken. Ein ausländisches Ehepaar sitzt unweit, ich spreche sie an. Amerikaner aus Alaska, auf dem Weg per Velo nach China, Zentralasien, Kasachstan … Mutig.
Aber die beiden, obwohl in den Jahren, machen einen zähen Eindruck. Sie werden es schaffen. Sie erzählen von einem ebenso zähen Schweizer, den sie in Kalifornien trafen auf dem Weg nach Alaska, ebenso auf dem Velo notabene, wo sie ihm später wieder über den Weg liefen. Er hatte es geschafft. Ich bin fast ein bisschen stolz auf meine zähen und mutigen Landsleute …
Der Zufall führt
Morgenessen an der Sonne in einem nahe gelegenen Restaurant. Die Bedienung ist, wie die meisten Laoten, geradezu schmerzhaft freundlich, der Banana Pancake ein Gedicht.
Heute soll mich der Zufall führen, wohin auch immer. Ich befinde mich also in einem Kaff irgendwo im Norden von Laos, von dessen Existenz ich bis vor wenigen Tagen nichts wusste, allein, mit dem höchsten Grad an Autonomie, ich sitze hier und geniesse diesen wundervollen Morgen in den höchsten Zügen (trotz infernalischem Lärm und in die Nase stechenden Abgasen von der Strasse her).
Der Nase nach
Ein wunderbarer Tag, wie angekündigt. Zuerst ein langsamer Spaziergang durch die Stadt, Sabaidee hier (der laotische Gruss), Sabaidee da, eine Nase voll laotischen Alltags.
Als erstes der Besuch der Stupa auf dem Hügel, keine Menschenseele zu sehen, nur ich und der Buddha, riesenhaft, still, in sich ruhend.
Es gibt – irgendwie passend zu diesem Morgen, denn er hat was anderes vor mit mir – keine Velos zu mieten (ebenso habe ich weder gestern noch heute die im Reiseführer verheissene Bakery gefunden).
Ich marschiere also los, gefasst, entschlossen, den südlichen Hügeln entgegen, wo es laut Karte einen Wasserfall geben soll. Der ist mir zwar ziemlich egal, aber der Mensch braucht Ziele. Heiss, staubig, lärmig – Roller, Lastwagen, protzige SUVs machen das Marschieren etwas mühsam, aber was soll’s.
Sabaidee
Ich schreite aus, langsam am Anfang, dann schneller, entschlossener, mit meinem üblichen Wanderschritt, denn der Weg scheint weit zu sein.
Es fühlt sich gut an, dieser Marsch durch das grüne Land, vorbei an Feldern, verschmutzten Flüsschen, chinesischen Protzbauten, kleinen, verhutzelten Hütten, vor denen lächelnde Frauen mit ihren Kindern sitzen und mir ein fröhliches Sabaidee nachrufen.
Manchmal oder eigentlich meistens bin ich der Sabaidee-Mann und erhalte postwendend ein ebensolches zurück. Soviel Armut, soviel Lebensfreude und Freundlichkeit.
Dröhnend heiss
Die Strasse hört nicht auf, es ist dröhnend heiss. Die Abzweigung nach Luang Prabang, die gemäss Karte schon vor Kilometern hätte kommen müssen, taucht endlich auf. Von nun an geht’s bergauf, eine löchrige, staubige Strasse entlang, gesäumt von Bäumen und Gebüschen, manchmal im Schatten grosser Laubbäume, deren Namen ich nicht weiss. Hühner und Truthähne und anderes Getier scharrt unsichtbar im Dickicht.
Picknick mit Gesellschaft
Die Passhöhe ist erreicht, ich bin auch schon über 2 Stunden unterwegs, vom Wasserfall keine Spur. Er wird wohl für ewig eine Fata Morgana bleiben.
Nun, mindestens gibt es hier eine kleine Beiz, auf jeden Fall kriegt man was zu trinken, und so setze ich mich auf einen von Wind und Wetter gebleichten Plastikstuhl, esse etwas Brot und rede mit dem Besitzer die wenigen Worte in Laotisch, während unzählige Hunde und Katzen um meine Beine streifen. Dann gehe ich den weiten gleichen Weg zurück, den ich gekommen bin …
Alles gut.
PS Song zum Thema: TLC – Waterfall
Und hier geht’s weiter …