Medellin.  Eine Art Nachhausekommen.

Ein Blick genügt, um zu sehen, was sich seit der letzten Woche verändert hat. Die Stadt liegt unter einer dicken Smogdecke.

 

Smog über Medellin

Verdammt! Nach letztem September in Delhi hat mich das elende Ding also ein weiteres Mal eingeholt. Obwohl in den TV Nachrichten des langen und breiten besprochen, scheint es hier genauso wenig jemanden zu kümmern wie in Delhi. Die Strassen sind gewohnt voll, die Kolonnen lang, die Benzin- und Dieselwolken dicht.

Nun gut, meine Lungen haben vieles überstanden, auch diese knapp 24 Stunden werden ihnen, ungleich den Einwohnern dieser Stadt, nichts anhaben können. Aber es sieht schon bedenklich aus. Die Häuser an den Abhängen sind kaum mehr zu erkennen, es ist, als hätte sich ein graugelber Nebel eingenistet, eine giftige Suppe, zusammengesetzt aus tausend gesundheitsgefährdenden Stoffen.

 

Smog over Medellin

Smog over Medellin 2

 

Zurück im Hostal Rich

Und dann bin ich wieder zurück im Hostal Rich, mein Freund aus Madrid öffnet mir die Tür.

Das Zimmer ist allerdings grösser, ich kann zwischen 5 Betten wählen. Silvia, die Hoteleigentümerin, Managerin und Mädchen für alles, scheint tatsächlich das halbe Hotel in eigener Regie erstellt zu haben, einschliesslich des riesigen Holztisches, an dem sich jeweils hundert Nationen zum gemeinsamen Frühstück versammeln.

Eine handwerkliche Lichtgestalt erster Ordnung (erinnert mich doch glatt an eine Namensvetterin gleichen Vornamens). Sie erwartet Lob und kriegt es auch. Allerdings würde ich ihr gerne sagen, dass der Lichtschalter besser bei der Tür und nicht zuhinterst im Raum angebracht werden sollte. Und ein paar Haken im Badezimmer wären auch nicht schlecht. Und wenigstens eine einzige Stromdose, die auch wirklich funktioniert …

Aber wir wollen ja ihr Wohlwollen behalten, also lassen wir’s …

 

Letzter Besuch

Ein letzter Besuch in der inzwischen liebgewonnenen Stadt.

Samstag, der Teufel ist los. Es scheint, dass sich die halbe Stadt zwischen den Ständen, in den engen Gassen, auf den Plätzen herumtreibt. Ich geselle mich zu ihnen, lasse mich vorwärts-, seitwärts-, rückwärtsschleppen, ohne Ziel, ohne Wunsch, ohne Absicht.

 

Medellin Streets

Medellin Streets

 

Traurige Musik

Musik erklingt von weitem, ich kann nicht widerstehen und suche die Quelle der musikalischen Überraschung. Sie klingt traurig und verloren. Und ich finde sie. Zwei ältere Herrschaften sitzen auf einer Parkbank, zwei Gitarren, zwei brüchige Stimmen, die den Ton nicht immer finden.

Die Leute gehen achtlos vorbei. Niemand interessiert sich für die beiden alten Musikanten, obwohl ihre Darbietung vielleicht die einzige und letzte Möglichkeit ist, etwas Geld zu verdienen. Sie reagieren mit einem kurzen Nicken auf meine bescheidene Gabe, als wüssten sie ganz genau, dass der vor ihnen stehende Tourist mehr Geld in der Tasche hat, als sie in einem Jahr verdienen.

Die Ungerechtigkeit der Welt …

 

Musicians on the street in Medellin

 

Ein letztes Mal ins Malaga

Nach sovielen Wochen hat sich (endlich) eine innere Ruhe eingestellt. Der Adrenalinspiegel sinkt, alle Ungewissheiten sind weg. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass sich die Reise dem Ende nähert, dass alle Busfahrten gekauft, die restlichen Hotels gebucht, die nächsten Strecken klar sind.

Fast ein wenig langweilig. Natürlich auch ein letzter Besuch bei den alten Tangoherren im „Malaga“, doch heute scheint wenig los zu sein. Einer der besonders aktiven Tänzer von letztem Samstag hat sich in Schale geworfen und wirft begehrliche Blicke um sich, allerdings ohne Erfolg. Vielleicht am Sonntag …

Im TV läuft Juventus Turin gegen irgendwen. Fussball ist allgegenwärtig. In buchstäblich jedem Restaurant läuft den ganzen Tag über ein Spiel nach dem anderen. Ich muss gestehen, dass ich die letzten Wochen, vor allem hier in Kolumbien, soviele Fussballspiele gesehen habe wie sonst in einem halben Jahr zusammen. Die südamerikanische Champions League, irgendwelche Spiele der brasilianischen oder argentinischen Liga, kolumbianische Cup-Spiele, regionale Ligen so wie ungefähr Niederurnen gegen Mollis, und natürlich die Qualifikationsspiele für die Fussball-WM in Russland.

 

Paisa

Am Abend bei heftigem Regen (!) das letzte Abendessen, bei Fussball natürlich. Ich wähle eine kolumbianische Spezialität, irgendwas mit „Paisa“, möglicherweise das bevorzugte Essen der Bauern.

Auf jeden Fall ist sie reichhaltig. Ich versuche mal, mich zu erinnern, woraus sie besteht: Reis, eine Chorizowurst, ein riesiger Knochen (Rückgrat?) eines undefinierbaren Tieres (Schwein?) mit ein paar Fleischfetzen daran, eine halbe Kochbanane, Salat mit Tomaten, ein Topf Bohnen, Arepa, ein Spiegelei, und allerhand Undefinierbares, das ich zwar versuche, aber dann doch lieber liegenlasse.

 

Paisa - the colombian national dish

Ich bin auf jeden Fall satt und verziehe mich anschliessend ein letztes Mal in ein heisses Zimmer, in ein Bett, wo es keine Decke bis ans Kinn zu ziehen gilt. Ab Morgen ist alles anders, denn Bogotà liegt wieder auf knapp 3000 Metern, und es soll dort ziemlich kalt sein, wie mir berichtet wird …

 

Kilometerstand:  9659

Song zum Thema:  Free – Morning sad Morning

Und hier geht die Reise weiter … nach Bogota, dem letzten Ziel

 

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