Der Film Ghostrider mit Nicolas Cage ist ein ziemlich schlechter Film.
Zumindest nach Meinung der Film-Aficionados. Aber auf dem Heimweg vom Treck erinnert mich einiges daran, zwar ohne Satan, ohne Feuer und Skelett. Aber mit zahlreichen bangen Augenblicken. Aber am wunderbar riechenden Morgen, kurz vor dem Trek gibt es keine Vorahnungen. Nichts dergleichen.
Heute ist also Trekking angesagt – sechs Stunden irgendwo in den Hügeln, entlang verstreuter Shan- und Palongdörfer. Es findet sich eine stattliche Gruppe von zumeist jungen Travellers zusammen, und einmal mehr – wer hätte daran gezweifelt – bin ich mal wieder der Grandaddy der Truppe.
Holprige Strassen
Soweit, so gut. Der Pickup, auf dessen Ladefläche wir dicht gedrängt sitzen, bringt uns ein Stück weit in die Hügel hinein.
Die Strasse, falls man sie so nennen kann, entspricht gelinde gesagt nicht gerade dem westlichen Standard. Der Monsunregen und andere klimatische Bösartigkeiten haben sie zu einer Art Flussbett geformt, durchzogen von tiefen Gräben, löchrig, steinig, mit ausgewaschenen Wurzeln und spitzen Felsen.
Mitch, unser Guide
Und so machen wir uns also auf den Weg, geführt von Mitch (der sich vermutlich so nennt, weil sein richtiger Name für unsere Zungen unaussprechlich ist), einem jungen Palong, 25 Jahre alt, der 6 Sprachen fliessend spricht.
Mal sehen: wenn ich mich recht erinnere waren das Palong, Shan, Burmese, Englisch, Chinesisch und Malaysisch. Hinter ihm hecheln (je länger der Trip dauert, desto intensiver das Keuchen, desto verschwitzter das T-Shirt, denn, liebe Leute, – es ist heiss, verdammt heiss) drei Holländer, zwei Deutsche, zwei Italiener (!) und ich.
Damit das klar ist – es handelt sich nicht um eine gemütliche Altherrenwanderung, oh nein, denn Mitch legt ein Tempo vor, dass den mehrheitlich unerfahrenen Wandervögeln schon bald einmal der Schnauf ausgeht. Es geht zwischenzeitlich steil aufwärts, mehrheitlich in der prallen Sonne, die nun wirklich ein Höllenfeuer über den armen Treckern entfacht.
In der Folge zieht sich die Kolonne langsam in die Länge, was aber niemanden gross stört, denn spätestens beim nächsten Zwischenhalt findet sich das verlorene Trüppchen wieder zusammen. Auf dem Weg begegnen uns immer wieder Kinder, grosse, kleine, lustige, ernste, neugierige, ängstliche und schlaue, deren Wortschatz schnell klar wird.
Zwischenhalt
Nach etwas über einer keuchenden Stunde der erste Marschhalt. Wir werden in einem kleinen Gasthaus erwartet und bedient. Eigentlich ist es kein echtes Restaurant, sondern einfach das Wohnzimmer einer kleinen Familie. Spielzeug und Kinder umgeben uns, fragende Blicke. Neugier. Für sie sind wir Menschen, die ebenso gut vom Mars stammen könnten.
Dorf im Nirgendwo
Irgendwann, nach langen und zugegebenermassen mühseligen Stunden, unterbrochen von Tee- und Kaffeepausen, ein ausgedehnter Lunch in einem kleinen Dorf mit Kindern und wundervoll gekleideten älteren Damen.
Am Ziel
Dann erreichen wir – in der Zwischenzeit ist es halb Fünf – das Ziel, wo wir von drei Motorradfahrern erwartet werden (denn der Rest der Truppe hat einen dreitägigen Treck gebucht). Wie soll ich’s sagen, sie strahlen nicht gerade das aus, was man sich von jemandem erwartet, der uns gleich auf klapprigen Mopeds ins Tal transportieren soll. Dunkle gespiegelte Sonnenbrillen, die Haare entweder unter schicken Mützen versteckt oder mit Gel nach hinten gekämmt, der Blick entschlossen und leicht aggressiv wirkend. Na ja, mal sehen …
Eigentlich hätten wir es ja wissen müssen. Die Sonne geht ca. sechs Uhr unter, und ein paar Minuten später ist es so dunkel wie im Kuhmagen. Nun denn, lange wird’s ja hoffentlich nicht dauern, doch der nervöse Blick der drei Fahrer auf die Uhr hätte uns stutzig machen sollen. Doch das, was nun folgt, wird mit Sicherheit in die Annalen meiner gesammelten Travelerlebnisse eingehen.
Unbeschreiblich
Also, wie soll man es beschreiben? Man stelle sich die schlimmste Naturstrasse vor und multipliziere das Ganze mit zehn. Anschliessend addiere man eine Million tiefer Gräben und Löcher dazu, ergänze diese mit schlammigen Pfützen, deren Tiefe nicht abzuschätzen ist, mit eingegrabenen Spuren anderer Fahrzeuge, mit in den Weg hinein wachsenden Gebüschen und Ästen, mit spitzen Felsen, an denen wir haarscharf vorbeiflitzen, mit Abhängen am Wegrand, die in die Tiefe gehen, dann, ja dann hat man eine ziemlich gute Vorstellung von dem, was wir in den nächsten gut zwei Stunden über uns ergehen lassen müssen.
Wir werden geschüttelt und gerührt, herumgeworfen, nach rechts und links, rauf und runter, während man sich krampfhaft an etwas festzuhalten versucht, was sich eigentlich gar nicht dazu eignet, während der Fahrer, die Füsse zum Zweck des Gleichgewichthaltens auf beide Seiten ausgestreckt, heroisch versucht, den Sturz zu vermeiden.
Der nackte Wahnsinn
Das Verrückte ist – man gewöhnt sich daran. Mit der Zeit findet man es einfach nur noch den puren nackten Wahnsinn, auch wenn die Bandscheiben aufheulen, die Arschbacken taub werden, die Hände und Arme nur noch schmerzen. Das ist es, liebe Leute, es sind diese Erlebnisse (falls man sie denn überlebt), die den Thrill solcher Reisen ausmachen. Natürlich ist es weder Basejumping oder ähnliche Dummheiten, aber es kommt dem schon ziemlich nahe. Kurz – einfach wunderbar!
Ghostriders in der Nacht
Zumindest solange es hell ist. Denn erwartungsgemäss fällt irgendwann die Nacht über uns herein, und jetzt wird es wirklich kriminell (und ich vergesse ziemlich schnell alles, was ich eben behauptet habe). Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, wie der Kerl noch etwas sehen kann, denn Scheinwerfer an seinem Vehikel – Fehlanzeige.
Kein Licht
Nun werde ich doch etwas nervös, denn auch mit viel Phantasie kann ich mir nicht vorstellen, wie man auf derartigen Strassen ohne Licht fahren kann. Aus den drei Ghostridern auf schlechten Strassen sind nun drei blinde Ghostrider auf schlechten Strassen geworden (und man merke: kurze Zeit später wird aus den drei blinden Ghostridern auf schlechten Strassen drei extrem frierende blinde Ghostrider auf schlechten Strassen, zumindest was mich betrifft).
So geht es also den Berg runter, über tausend Höhenmeter, vorbei an langgezogenen Hügelketten, durch dichte Wälder, vorbei an vereinzelten Dörfern, deren Bewohner man nur noch schattenartig wahrnehmen kann. Und kurz bevor ich in Gedanken mein Testament aufsetze, geschieht das kleine Wunder: der Fahrer erinnert sich urplötzlich daran, dass er doch Licht an seinem Töff hat. Tiefes, tiefes Aufatmen.
Gefährlich
Aber wer hätte es nicht ahnen können – wir sind noch nicht da, oh nein. Irgendwann – Gott dem Herrn sei gedankt – verlassen wir die Berge, die Strassen werden besser, asphaltiert, breit. Was natürlich unsere drei Ghostriders dazu veranlasst, aus ihren Maschinen das Maximum herauszuholen.
Jetzt wird es wirklich gefährlich. In Burma fährt, konservativ geschätzt, maximal jedes zweite Fahrzeug mit irgendeiner Art von Beleuchtung, was bedeutet, dass man auf den Strassen in der Hälfte der Fälle weder die entgegenkommenden noch die vorausfahrenden Fahrzeuge sehen kann. Was für unsere drei Fahrer aber eher eine Herausforderung als ein Problem darstellt. Sie flitzen zwischen langsam fahrenden riesigen chinesischen Trucks durch, überholen im Höllentempo PWs, Traktoren, andere Motorräder, überholen sich gegenseitig, wahrscheinlich um zu zeigen, wer nun wirklich der King ist.
Wir stoppen vor unserem Hotel, die Inhaberin Lily begrüsst uns, lacht laut und herzlich über unsere belämmerten Gesichter, während wir einfach noch ein paar Sekunden sitzen bleiben, bevor wir die tauben Hände von den Halterungen lösen und langsam, sehr langsam von unseren Mopeds steigen …
PS Der Song zum Thema: Johnny Cash – Ghostriders in the Sky
Und hier geht die Reise weiter …