Die Auswirkungen der Regenfälle, die natürlich nicht an der Grenze zu Ecuador Halt gemacht haben, sind auch auf der Fahrt nach Norden sichtbar.
Manchmal hat man den Eindruck, auf einer fahrenden Insel unterwegs zu sein. Rechts und links der Strasse überschwemmte Wiesen und Felder, Häuser, die bis zum Parterre im Wasser stehen, Wege, die kaum noch passierbar sind.
Fahrt durch ein überflutetes Land
Falls jemand den Miyazaki-Film „Chichiros Reise ins Zauberland“ kennt – es gibt eine wunderschöne Szene gegen Schluss, wo sich ein Zug auf überschwemmten Geleisen fortbewegt, und beidseits der Schienen alles unter Wasser liegt.
So muss man sich das vorstellen.
Hütten und Häuser und nasse Wege
Es gibt nicht viel zu sehen, ausser ein gelegentliches Haus, eine Hütte mit Vordach, langsam trocknend, aber immer noch dunstig vor Feuchtigkeit. Für uns schwierig vorstellbar, wie man mit einem solchen Naturereignis umgeht. Viele Menschen verlieren ihr Hab und Gut, andere stehen vor den vor Nässe tropfenden Möbeln, die unbrauchbar geworden sind.
Es gibt keine Versicherungen, so zumindest stelle ich mir das in einem armen Land wie Ecuador vor, kein Geld für gar nichts. Also muss sich der Mensch wieder aufraffen, von vorne beginnen. Das immer wieder Verblüffende an den Menschen ist, dass sie tatsächlich imstande sind, auch die schlimmsten Katastrophen wegzustecken.
[Das – 4 Jahre später – erinnert mich an die Coronakrise, die uns in den reichen Ländern vermeintlich schwer getroffen hat; dabei haben wir längst vergessen, was es heisst, eine richtige Katastrophe zu erleben!]
Zurück in die Kälte
Der Bus eilt gegen Norden, immer noch im Tiefland, immer noch an der Wärme.
Ich ahne aber, dass sich das schon bald ändern wird. Ade Wärme, ade Schweiss auf der Stirne. Einmal mehr begebe ich mich an Orte, wo es kalt ist und für meine Begriffe schon fast ein bisschen unwirtlich.
Nach ein paar Stunden beginnt der Aufstieg. Kurve an Kurve, entlang reissender Flüsse, durch tief eingeschnittene Täler, aber auf einer perfekten Strasse. Irgendwann, ziemlich weit oben, erreichen wir die Passhöhe und tauchen nun ins Tal hinunter, in dem Quito liegt.
Und endlich Quito
Ich weiss nicht genau, wann Quito beginnt, denn die Stadt ist über 40 Kilometer lang, zieht sich das ganze Tal entlang, immer schön in Nord-Süd Richtung, denn im Osten und Westen versperren die Berge, die meisten davon Vulkane, die Ausdehnung. Die Häuserreihen werden dichter, die Geschwindigkeit nimmt ab, erste Rotlichter halten den Verkehr auf. Wir sind längst mitten in der Stadt, allerdings immer noch in den südlichen Ausläufern, und da ist auch der Süd-Terminal, wo der Bus hält.
Meine Vorstellung, dass es von hier nicht allzu weit bis ins Stadtzentrum sein kann, entpuppt sich spätestens bei der Bekanntgabe des Preises für das Taxi als grottenfalsch. Wir fahren und fahren, entlang furchtbar hässlicher Gebäude, und erste enttäuschte Gedanken schleichen sich ein. Das soll Quito sein? Nach fast einer Stunde (!) erreichen wir nun tatsächlich so etwas wie das Zentrum (wie sich später herausstellt ist es eines der Zentren), mitten in einer Gegend, die aussieht wie das Langstrassenquartier in Zürich hoch drei, und dort lädt mich der Taxifahrer aus. „Es la direccion correcta?“ Er nickt und fährt von dannen.
Aber es stimmt, hier ist das „Yellow House“, das Hotel, wo ich meine nächsten Tage verbringen werde. Es ist Freitagabend, Partystimmung, die Trottoirs voller junger Menschen, Musik, Feststimmung. Und noch etwas – Ecuador gegen Paraguay, ein wichtiges Spiel um die Qualifikation zur nächsten Fussball-WM in Russland.
Ich werde mich später dazusetzen, etwas mitfiebern und ein bisschen die Enttäuschung nach der 0:2 Niederlage mitfühlen …
Kilometerstand: 6578
Song zum Thema: Coldplay – Yellow
Und hier geht die Reise weiter …