Ich wusste nicht, dass das alte Cochin (heute Kochi genannt) soviele unerwartete Erlebnisse und Einsichten bereit hält. Und vor allem war mir völlig unbekannt, dass diese einstige Handelsstadt ein Zufluchtsort für Juden aus der ganzen Welt war. Fast 2000 von ihnen besiedelten Mitte des vergangenen Jahrhunderts ihr historisches Zentrum. Heute sind es nur noch wenige.
Aber offenbar ist der Bundesstaat Kerala weitgehend frei von religiösem Hass. Religiöse Toleranz gehöre bis heute zur DNA Indiens, gerade weil es mehrheitlich hinduistisch geprägt sei, sagt der Journalist Rajan Haneef. Die Vielfalt sei hier kein Problem, sondern erwünscht. (Auszug aus einem Beitrag von SRF)
Dass in dieser Stadt, an der sogenannten Gewürzküste gelegen, die portugiesischen, holländischen und später die englischen Besatzer mit Gewürzen handelten, ist klar. Aber nicht nur das. Denn die Stadt im südlichen Kerala ist ein historischer Ort. Hier wurde auch der Seefahrer Vasco da Gama beerdigt. Er brachte es bis zum 2. Vizekönig des damaligen Portugiesisch-Indien.
Diarrhöe
Bei der Ankunft in Kochi (früher Cochin), genauer Ernakulam, fühle ich mich besser. Aber ich habe eine eher unangenehme Nacht hinter mir. Kein ruhiger erlösender Schlaf wie von Bombay nach Goa, eher ein Kampf mit der harten Unterlage, den Decken, der Wärme, dazwischen Kälte von der AC.
Und natürlich meine Diarrhö. Es gibt – und es wird sie wohl immer geben – diese Momente, wo man sich ziemlich jämmerlich fühlt. Das hat bestimmt auf letzte Nacht zugetroffen, auf diesem Zugs-WC, auf schwachen Beinen, mit Kopfweh, Magen- und Darmschmerzen und einem zunehmenden Brechreiz.
Ernakulam
Es gefällt mir auf den ersten Blick. Aber es ist heiss, sehr heiss. Man nimmt die Fähre hinüber nach Fort Kochi, dann ein TukTuk zur wunderbaren Chimarel Residency. Ein Familienbetrieb, ein schönes Zimmer, ein wundervoller Innenhof. Zeitungen. Fernsehen im Wohnzimmer.
Ich schlafe zuerst ein paar Stunden, schlucke brav meine Tabletten gegen Durchfall und warte auf die Erholung. Dazwischen habe ich Zeit, in einem Buch noch einmal zu lesen (was ich selten tue, das Leben ist einfach zu kurz dazu), das mir besonderen Eindruck gemacht hat.
Fliegen ohne Flügel
Ein faszinierender Einblick in die spirituelle Welt Asiens:
»In diesem Jahr darfst du nicht fliegen. Nicht ein einziges Mal.« Aufgrund der Warnung eines chinesischen Wahrsagers vor einem Flugzeugabsturz begann für den Asienkorrespondenten des SPIEGEL ein ungewöhnliches Jahr der Reisen mit allem, was keine Flügel hat. Entstanden ist ein faszinierender Länderbericht mit tiefen Einblicken in asiatische Lebensweisen zwischen materialistischer Moderne und traditionellen magischen Praktiken.
Am Ende seiner Reise trifft Tiziano Terzani auf eine weitere Wahrsagerin, die ihm eine zehntägige Vipassana-Meditation in der Tradition von U Ba Khin vorschlägt. Mit gehörigen Zweifeln und Misstrauen entschliesst er sich, dem Ratschlag zu folgen. Was er dann erlebt, hat mich beeindruckt.
TukTuk
Am Nachmittag bietet mir wieder mal ein TukTuk-Fahrer eine einstündige Fahrt an. OK, warum nicht. Denn es gibt weitere Entdeckungen zu machen.
Es ist ein Glückstreffer. Ich werde an Orte geführt, von deren Existenz ich nichts wusste. Nur die chinesischen Fischernetze sind eine bekannte Sehenswürdigkeit von Kochi.
Die chinesischen Fischernetze
Zitat aus Wikipedia: An der Nordspitze der Halbinsel Fort Kochi befinden sich die berühmten Chinesischen Fischernetze. Sie sollen schon im 13. Jahrhundert durch chinesische Kaufleute vom Hofe Kublai Khans eingeführt worden sein. Die schweren Holzkonstruktionen, an denen Netze hängen, werden vor allem bei Hochwasser genutzt. Zu ihrer Handhabung werden mindestens vier Männer benötigt.
Hier wird gewaschen und gebügelt
Es sind riesige Hallen, wo gewaschen und gebügelt wird. Zahlreiche Frauen, darunter sogar einige Männer, sind dabei, die Berge von dreckiger Wäsche zu waschen und anschliessend mit uralten Bügeleisen zu bügeln.
Ginger
Oder eine Art Fabrik, wo Ginger an der Luft getrocknet und anschliessend verpackt wird. Reden wir nicht von den Arbeitskonditionen.
Aber wie immer muss man die andere Seite der Medaille sehen. Viele Frauen (und offenbar auch Männer) haben eine Arbeit, sie verdienen, wenn auch vermutlich wenig) Geld und können so zum Unterhalt ihrer Familie beitragen. Natürlich kann der Eindruck täuschen, aber ich sehe nur glückliche Gesichter.
Alltagsleben in Kochi
Es ist ein geruhsames Leben. Als würde die Anwesenheit des Meeres wie auch die noch heute spürbaren Ereignisse der Vergangenheit eine eigene Gelassenheit bewirken.
Ich hätte nichts gegen einen längeren Aufenthalt in Kochi. Ich würde mir wieder einen TukTuk Fahrer suchen, der mich zu weiteren überraschenden Entdeckungen bringen würde.
Aber die Zeit vergeht. Das ewige Übel unserer Welt.
PS Song zum Thema: The Residents – Gingerbread Man
Und hier geht’s weiter …