Ein eigenartiger Tag.

Er fängt mit schlechten Omen an, und einmal mehr zeigt sich, woher der Aberglaube seine Kraft bezieht. Irgendetwas drängt zum Aufbruch, und in der Tat: trotz einer Stunde vor Abfahrt ist der Bus gerammelt voll. Meiner Charmeattacke kann sich die junge Dame, die den Zutritt zum Bus unter Kontrolle hat, nicht entziehen und lässt mich einsteigen, allerdings mit der freundlichen Warnung, dass es unter Garantie keinen Sitzplatz mehr hat.

 

A noisy colored crowd on the bus
Ein lautes farbiges Volk im Bus

 

Und tatsächlich – der Bus ist bis auf den letzten Platz besetzt, sogar der Gang ist mit allerlei Sitzgelegenheiten belegt, von der Kiste bis zum wackligen Campingstuhl. Der Lärmpegel ist hoch, es wird viel gelacht und getratscht, eine Stimmung wie am Karneval.

Mir gefällt’s, auch wenn ich die nächsten Stunden aufrecht stehend verbringe, die Hände um Stangen und Haltegriffe geklammert, inmitten eines farbigen Völkleins, zusammengesetzt aus distinguierten älteren Damen, in bunte Trachten gekleidet, laut und lustig schwatzend, während der neueste Tratsch lauthals und gelegentlich unter heftigen Lachattacken ausgetauscht wird.

 

Wo ist das Gepäck?

Mit Ausnahme der Arme, die vom krampfhaften Halten schmerzen, geht es eigentlich ganz gut. Die Fahrt führt, soweit ersichtlich, ähnlich wie die letzte durch dicht bewaldetes Gebiet, mal rauf, mal runter, viele Kehren, die das Stehen mühsam machen. Dann ein erzwungener Halt: ein paar Gepäckstücke haben sich vom Dach gelöst und sind auf die Strasse gefallen.

Der Bus hält abrupt, der fürs Gepäck zuständige Boy rennt ziemlich entgeistert und beinahe ein bisschen panisch auf die Strasse hinaus, wo tatsächlich ein paar Taschen und Pakete liegen. Nicht unbedingt eine Meisterleistung, was das Festzurren der kostbaren Gepäckstücke anbetrifft. Die Damen auf jeden Fall sind ziemlich aufgebracht und atmen erst wieder auf, als der Boy Entwarnung gibt. Der eine oder andere böse Blick muss er sich allerdings gefallen lassen, etwas, was ihn den ganzen Rest der Reise zu beschäftigen scheint.

 

The bus loses luggage
Der Bus verliert Gepäck

 

Es geht mir ähnlich – der Gedanke an den eigenen Rucksack, der irgendwo auf der Strasse herumliegen könnte, ist nicht wirklich beruhigend. Doch es geht weiter, rauf und runter, und wenn ich an die geplante Velotour denke, wird mir ganz übel.

Das wäre eine echte Herausforderung gewesen. Das vermeintliche gestrige Pech hat sich einmal mehr als Glücksfall erwiesen.

 

Niemandsland

Irgendwann hält der Bus. Niemandsland. Ein paar Bäume, Sträucher, ausgefahrene unbefestigte Wege.

Wo ist dieses Muang Khoua? Wir werden auf ein bereitstehendes TukTuk umgeladen, denn offenbar ist es grösseren Vehikeln verboten, ins Dorf zu fahren. Ich schliesse mich dem Zug der Lemminge an, klammere mich an die Ladefläche des TukTuks und harre der Dinge, die da kommen.

Doch die Freude ist gross: Wind im Haar, Staub in der Nase, geht es schnell und lärmig und staubig dem Dorf entgegen wie einst auf Papas Lastwagen.

Ferne Erinnerungen …

 

Nichts für meine bescheidenen Ansprüche

Die Suche nach einem Hotel gestaltet sich schwieriger als gedacht. Das Kaff ist klein, doch zu beiden Strassenseiten gesäumt von unzähligen Buden und Restaurants. Das erste, im Führer empfohlene Hotel entpuppt sich als unbrauchbar, sogar für meinen ziemlich bescheidenen Geschmack. Vielleicht ist es auch das unfreundliche Wesen in Gestalt eines jungen Mädchens, das mich ins Zimmer führt. Nein! Am Schluss lande ich in einem gesichtslosen, hässlichen Bau, offenbar aus der Stalinzeit, aber das Zimmer ist ok.

Der Ort ist in ein paar Minuten abgelaufen. Eine enge Strasse führt zum Nam Ou hinunter, dem Fluss, der mich morgen in Richtung Süden bringen soll. Der Transfer nach Vietnam gestaltet sich immer noch schwierig und muss via Booten vorgenommen werden.

 

Trucks between Vietnam and Laos
Lastwagen zwischen Vietnam und Laos

 

Riesige Lastwagen müssen auf vergleichsweise schwächliche Boote verladen werden. Ein Kommen und Gehen, entlang der Hauptstrasse tägliche Chilbi, Stand reiht sich an Laden an Stand an Handwerksbude. Ausschau nach eventuellen Souvenirs, aber wie üblich vergebens. Es gibt in Laos schlicht nichts, was sich zu kaufen lohnen würde. Der immer gleiche Plastikmüll, farbig und giftig und für die Ewigkeit gedacht.

 

Schulbesuch

Eine Hängebrücke, wacklig und im Dauerschwingen, führt über einen dreckigbraunen Zufluss zum Nam Ou. Eine Menge Schüler, alle identisch gekleidet in Weiss und Schwarz, begegnet mir auf dem Weg hinüber in den andern Dorfteil. Ich folge ihnen durch einen schattigen Hain.

 

Schoolhouse in Muang Khua
Schulhaus in Muang Khua

 

Ein Junge, dessen Namen ich nach knapp zwei Sekunden wieder vergesse, spricht mich an. Er will mir unbedingt das Schulhaus zeigen, wo er sich in einer halben Stunde zur nächsten Lektion einfinden muss. Aufregung und vielstimmiger Lärm künden das Schulareal an. Ein grosser orangebrauner Platz vor einem weissgestrichenen Gebäude, dazwischen wie weisse unruhige PacMen, die Schüler.

Ich werde im Nu umringt von Mädchen und Jungen, die alle ihre spärlichen Englischkenntnisse anbringen wollen. Der Lehrer steht bereits an der Tafel, gibt offenbar Nachhilfeunterricht, bevor der eigentliche Unterricht beginnt. Ich bin froh um die Glocke, die zum Unterricht ruft, und enteile dem aufgeregten Geschnatter, bevor ich auch noch Algebra büffeln muss.

 

Kein angenehmes Dorf

Ansonsten gibt es nicht viel über das Dorf zu sagen, ein veritables Kaff am Arsch der Welt halt. Der Einfluss der zahlreichen Chinesen, die sich hier unweit der chinesischen Grenze niedergelassen haben, ist spürbar. Die einzigen vernünftigen Restaurants finden sich  an der Strasse, die zum Fluss hinunterführt, und auch diese sind merkwürdig unangenehm, wie es in Laos äusserst selten vorkommt.

 

Zum ersten Mal – der Nam Ou

Nach einem ausgedehnten Mittagsschlaf begebe ich mich auf die Suche nach Informationen zu meinem geplanten Bootstrip den Nam Ou hinunter. Es gibt zwar eine Art Schalter, der sogar geöffnet hat, nur Tickets werden erst am andern Tag ausgegeben. Immerhin stosse ich auf zwei Holländer, die ebenfalls nach Süden wollen. Macht immerhin schon drei Personen. Mal sehen, ob es morgen noch einige mehr gibt, dann sollte es klappen.

Ich folge dem Fluss aufwärts bis zu einer Lagune, die wasseraffine Leute zum Schwärmen und Schwimmen bringt. Zu diesen gehöre ich bekanntermassen nicht, und so verfolge ich das Treiben durch die Brille der Voreingenommenheit, beobachte lärmige Franzosen bzw. Französinnen, von denen ich hoffe, dass sie am andern Tag irgendwohin reisen, nur nicht in den Süden.

 

PS Song zum Thema:  Eminem – Bus a Rhyme

Und hier geht’s weiter …

 

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