Auch das „Yellow House“ entpuppt sich als angenehme Trouvaille, geführt von einer Deutschen, Gabriela, die seit Jahren in Ecuador lebt, und dem Etablissement zu etwas europäischem Standard verholfen hat.
Allerdings gibt es auch in Quito, auf beinahe 3000 Metern gelegen, keine Heizungen, und so bin ich also gestern Abend ohne grosse Erwartungen unter die vielen Decken gekrochen. Es ist unmöglich, die Temperatur im Zimmer zu schätzen, meine eiskalten Füsse behaupten allerdings, dass es einiges unter Null sein muss.
So schlimm ist’s natürlich nicht, aber ich friere schon wie ein nasser Hund im Regen (eine zusätzliche warme Decke ab der folgenden Nacht wird das Problem entscheidend verbessern).
Quito und sein Klima
Das Klima in Quito ist trotz seiner Lage am Äquator aufgrund der Höhenlage gemäßigt, weshalb es auch als „kalttropisch“ bezeichnet wird.
Es ist außerdem feucht (oh ja). Die mittlere Jahrestemperatur liegt bei 13 °C, wobei die Temperaturen innerhalb eines Tages deutlich stärker schwanken als über das Jahr. Die Temperaturen liegen zwischen etwa 6-7 °C in den Nachtstunden und bis zu 24-25 °C an warmen Tagen. Meist liegen die Tagestemperaturen zwischen 18 und 21 °C, weshalb Quito auch als „Stadt des ewigen Frühlings“ bezeichnet wird.
Wenn ich an die kalten Nachtstunden denke, kommt mir der Begriff „ewiger Frühling“ doch eher schräg rüber.
Auf dem Weg in die riesige Stadt
Alles andere ist aber ok, das Morgenessen im Gespräch mit anderen Travellern unterhaltsam und führt zu neuen Plänen für die anstehenden Tage.
Aber erstmal gilt es, die riesige Stadt zu erkunden. Denn riesig ist sie, ich habe ihre Grösse massiv unterschätzt. Mit einer von Gabriela ausgestatteten und markierten Karte begebe ich mich also auf zur Altstadt, dorthin, wo die Unesco vor vielen Jahren zum ersten Mal eine ganze Altstadt zum Weltkulturerbe deklarierte.
Der Weg dahin ist lang und etwas mühsam, und mein Lieblingsknie, eventuell durch die kalte Nacht noch zusätzlich in Aufruhr gebracht, meldet sich zurück. In einer Apotheke (von denen es auch hier wimmelt) suche ich nach einer geeigneten Manschette.
Die Dame versteht zwar anfänglich nur Bahnhof, aber schliesslich legt sie tatsächlich die perfekte Hilfe für mein lädiertes Knie auf die Theke. Unter den interessierten Blicken eines Bettlers ziehe ich mein Hosenbein hoch und bringe die Manschette in die vorgesehene Lage. Und es fühlt sich gleich viel besser an, irgendwie stabiler, und meine Kniescheibe, die bei jeder Bewegung ein lautes Knacken von sich gibt, scheint vorerst ruhig gestellt zu sein.
Quito und seine Vulkane
Dann also ein paar Infos zur Stadt.
Quito (San Francisco de Quito) ist die Hauptstadt von Ecuador und liegt 20 Kilometer südlich des Äquators in einem 2.850 m hohen Becken der Anden. Sie ist mit rund 2,2 Millionen Einwohnern nach Guayaquil die zweitgrößte Stadt des Landes. Sie liegt direkt am Fuße des nicht aktiven und nicht vergletscherten Vulkans Rucu Pichincha (4.690 m), der sich an der Westseite von Quito erhebt. Der unmittelbar dahinterliegende Vulkan Guagua Pichincha ist leicht aktiv und etwas höher (4.794 m), kann aber von Quito aus direkt nicht gesehen werden.
Man hat von Quito eine spektakuläre Aussicht nach Südosten auf den Vulkan Cotopaxi (5.897 m), den ich mir schon mal auf die Liste der nicht zu verpassenden Highlights nehme.
In der weiteren Umgebung befinden sich außerdem die aktiven Vulkane Cayambe (5.790 m) und Antisana (5.753 m) sowie der erloschene Illiniza (5.263 m) und zahlreiche kleinere. Fast ganz Quito befindet sich auf sandigen Böden vulkanischen Ursprungs. Erdbeben und Aschefälle haben Quito in Vergangenheit und Gegenwart häufig heimgesucht.
Quito ist von 14 Vulkanen umgeben und zerstörte Gebäude in der Altstadt wurden nach Erdbeben mindestens viermal wieder aufgebaut.
Der letzte große Vulkanausbruch ereignete sich im September 2002. Damals eruptierte der östlich der Anden gelegene Vulkan Reventador, der sich über 20 Jahre lang ruhig verhalten hatte. In Quito musste der Notstand ausgerufen werden, da die ganze Stadt sowie das gesamte Tal östlich von Quito knöcheltief mit feiner Asche bedeckt war.
Das historische Zentrum
Heute interessiert mich aber in erster Linie die berühmte Altstadt, die Vulkane, vor allem der Cotopaxi, werden erst übermorgen ins Zentrum rücken.
Im ersten Moment scheint sich das Weltkulturerbe nicht besonders von den vielen Plätzen und Kathedralen der letzten sechs Wochen zu unterscheiden. Sie bringt ihre besondere Schönheit erst auf den zweiten Blick zum Leuchten.
Der grosse Platz im Centro Historico, der Platz der Unabhängigkeit, stellt sozusagen den Ausgangspunkt dar. Von hier aus gehen alle Fäden in die verschiedenen Himmelsrichtungen. Er wird umringt von zahlreichen historischen Gebäuden, darunter dem Regierungspalast, dem bischöflichen Sitz, der Kathedrale sowie dem Rathaus.
Auf dem Platz herrscht ein fröhliches Durcheinander. Kinder spielen, Mütter tauschen den neuesten Klatsch aus, während sie ihre wilden Kinder im Zaum zu halten versuchen.
Eine südamerikanische Stadt ohne Kirchen – unmöglich
Auch Ecuador ist ein zutiefst katholisches Land. Wie könnte es anders sein in einem Land, das wie alle anderen von iberischen Hardcore-Katholiken erobert wurde.
Man kann aus heutiger Sicht die damaligen Zustände kaum begreifen. Da kommen ein paar blutrünstige Söldner (die mich an das schweizerische Pendant der Reisläufer erinnern – ebenso dumpf, brutal, blutrünstig, barbarisch) aus Spanien oder Portugal und unterwerfen durch ihre schiere Brutalität die damaligen Hochkulturen, wohlverstanden zum Segen der Menschen und deren unsterbliche Seelen, erst getauft, dann erschlagen.
Eine auch heute noch unglaubliche Schande der europäischen Kultur und Gesellschaft (eine von vielen).
Am Himmel sammelt sich ein drohendes Ungetüm
Der Himmel hat sich in den letzten Minuten – wie könnte es anders sein – verdüstert, und das, was sich da zusammenbraut, sieht nach viel Wasser aus. Anyway, nach einem reichlichen Mittagessen mache ich mich auf zur anderen grossen Kathedrale, etwas oberhalb des Centro Historico gelegen, und tatsächlich beginnt es wie erwartet schon bald zu schütten.
Das kann mich aber nicht erschrecken, schliesslich ist der Regenschirm, der Paragua, inzwischen zu einem unersetzlichen Mitbringsel geworden, sobald man das Hotel verlässt.
Die Behauptung, dass der Regenschirm mehr in Gebrauch gewesen ist als die Sonnencreme, ist zwar stark übertrieben, könnte aber durchaus sein. Ja Herrgott, eigentlich wollte ich meine Ferien im südamerikanischen Sommer verbringen, anstatt in der Nacht den Arsch abzufrieren und während des Tages von einem Regenguss in den nächsten zu geraten.
Ich schaffe es mit Mühe und Not bis zum Eingang, Paragua sei Dank, doch der junge Mann am Eingang lacht, als ich ihn nach der Besteigung des Kirchturms frage. „Hay mucha lluvia!“
Mir egal. Man steigt also einen engen Treppenschacht hoch, erreicht schliesslich keuchend den obersten Stock, wo es neben ein paar Läden für Touristen auch einen Durchgang zum Turm hat. Man steigt eine beinahe senkrechte Leiter hinauf, wo man oben von einem beeindruckenden Blick über die ganze Stadt erwartet wird.
Das wäre ja schön, nur peitscht mir der Regen trotz Paragua das Wasser quer ins Gesicht, was das Fotographieren zu einem Seiltanz zwischen Schirmhalten und Knipsen macht.
Der Heimweg – Kampf zwischen mir und viel Wasser
Auf dem Heimweg ins Hotel geht der Kampf zwischen mir und dem Wasser weiter, es füllt mir die Schuhe, lässt meine klatschnassen Hosen um die Beine schlottern, veranlasst mich zu tollkühnen Sprüngen über Pfützen und das strömende Wasser. Mein Verdacht, dass sich Socken und Hosen im feuchten und kalten Zimmer kaum trocknen lassen, bestätigt sich.
Die Socken sind auch nach drei Tagen noch feucht … Damn it!
Kilometerstand: 6578
Song zum Thema: The Beatles – Rain
Und hier geht der Trip weiter …