Die Hitze hat spürbar zugenommen. Ein inhärenter Prozess scheint Geist und Körper auf verminderte Leistungsbereitschaft zu reduzieren, bis sie sozusagen in eine Art Schlafmodus gehen. Erst kühlere Temperaturen drücken wieder den Aktivierungsknopf. Die physiologischen Auswirkungen der Hitze auf Körper und Geist sind an diesem Morgen schon früh zu spüren.

Dabei steht heute zum wiederholten Mal eine anstrengende Tour auf dem Programm.

180 Kilometer Anstrengung

Nun, eigentlich ist die zu bewältigende Strecke nach Vientiane nicht allzu lang, je nach gewählter Route zwischen 160 und 180 Kilometer. Ein Klacks also, würde man meinen, in 3-4 Stunden bewältigt. Doch die prekären Strassenverhältnisse machen sie zu einer Tortur (für die einen). Oder aber zu einer Reise im Tief- oder Halbschlaf durch überwältigende Landschaften (für mich), deren Reiz ich jedoch nur in den wenigen wachen Momenten mitbekomme.

Während der Motor dröhnt, die Radlager stöhnen, die Karosserie ächzt und das Gemurmel der Passagiere langsam verstummt, schliesse ich die Augen, falle in eine Art Paralyse, nur gelegentlich unterbrochen vom Rütteln des Wagens. Fermor würde sich jetzt in seinen Militärmantel hüllen und sich unter einem Baum (mit dem Mond als Wächter) schlafen legen.

Panne kurz vor Vientiane

Ein heftiger Knall genau unter meinem Arsch zerstört in Sekundenschnelle meine friedlichen Träume. Der Wagen schlingert, hält am Strassenrand. Wo sind wir? Die Passagiere schauen sich ratlos um, steigen schliesslich zögernd aus. Das Geräusch hat sich nach geplatztem Reifen angehört, und genauso ist es.

Wir haben die Vororte von Vientiane bereits erreicht, es ist also nicht mehr weit bis zu unserem Tagesziel.

Breakdown
Panne – Warten auf den ErsatzreifenWo ist der Ersatzreifen?

Ersatzreifen? Fehlanzeige

Obwohl man sich gut vorstellen kann, dass diese Art Panne keine Seltenheit ist, ist dem Chauffeur die Peinlichkeit der Situation anzusehen. Man möchte helfen, aber ein vollkommen zerstörter Reifen muss durch einen intakten ersetzt werden, so einfach ist das, aber wenn dieser schlicht nicht vorhanden ist, nützen alle Denkanstrengungen nichts.

Während wir mehr oder weniger frustriert am Strassenrand warten, nähert sich Hoffnung und tatsächlich, nach langen und lautstark geführten Telefonaten mit irgendwem (Zentrale, Kollege, Garage?), trifft Rettung ein. Der Ersatzreifen macht nicht unbedingt einen vertrauenserweckenden Eindruck, aber was soll’s, es sind nur noch ein paar Kilometer bis ins Zentrum der Stadt.

Vientiane

Der Platz, wo wir schliesslich ausgeladen werden, könnte irgendwo sein. Ich irre ein bisschen durch die Strassen, frage mich bei den Einheimischen mit wenig Erfolg durch, bis ich herausfinde, wo ich bin. Das Hotel ist ok, ich richte mich ein und geniesse schon bald ein wunderbares Sandwich, das mir von einer ausnehmend netten und hübschen jungen Dame serviert wird.

Vientiane ist seit 1975 die Hauptstadt der Demokratischen Volksrepublik Laos. Sie ist das wirtschaftliche, politische und kulturelle Zentrum des Landes. Offiziell hat die Stadt etwa 350.000 Einwohner, im gesamten Ballungsraum leben etwa 620.000 Menschen.

In einer Rangliste der Städte nach ihrer Lebensqualität belegte Vientiane im Jahre 2018 den 170. Platz unter 231 untersuchten Städten weltweit.

Das ist nicht gerade ein berauschendes Ergebnis.

Ein grösseres Dorf?

Wenn man aus dem Hotel in den heissen Vormittag hinaustritt, hat man das seltsame Gefühl, in einem etwas grösseren Dorf gelandet zu sein. Auf jeden Fall nicht in der grössten Stadt des Landes, in der Hauptstadt von Laos. Die Strassen machen einen seltsam verschlafenen Eindruck, weit weg vom Getümmel anderer asiatischer Städte. Da sich mein bisheriger Erfahrungshintergrund auf ein paar Strassen und Gassen beschränkt, bin ich überzeugt, bei der nächsten grossen Kreuzung auf das wirkliche Vientiane zu treffen, auf Millionen Autos, Menschen, Fahrräder, Fuhrwerke.

Nichts dergleichen.

Es bleibt ruhig. Auch die Hauptstrassen können ohne Gefahr überquert werden, auch dann, wenn die Lichtsignale gross und rot Stopp! anzeigen. Nun, das ist mal eine ganz angenehme Überraschung. Die seltsame Ruhe fiel mir gestern Abend schon auf, allerdings dachte ich eher an eine frühabendliche Nach-Rushhour-Ruhe. Es macht aber ganz den Eindruck, als würde diese Ruhe den ganzen Tag über anhalten. Wenn ich da an Bangkok denke …

Das (der?) Patuxai

Diese Erkenntnis macht es einfach, eine saublöde Entscheidung zu treffen. Für einmal denke ich, kann es nicht schaden, mit meinen Flip-Flops den Weg zum Heiligtum zu gehen. Was für ein Idiot! Manchmal muss man sich fragen, welche Synapsen im Kopf nicht richtig funktionieren, um auf derart hirnverbrannte Ideen zu kommen.

Aber der Reihe nach. Das höchste Heiligtum der Stadt bzw. des ganzen Landes liegt sozusagen am anderen Ende von Vientiane. Es ist also ein langer Weg, der mich ausgerechnet der meistbefahrenen Strasse, der Xang-Prachtstraße, entlang führt.

Obwohl mir meine Füsse schon nach einer halben Stunde lautstark (so kommt es mir vor) ihre Empörung melden, ist es zu spät um umzukehren. Ich setze den Weg also unbeirrt fort, unter blühenden Gebüschen und Bäumen hundurch, den Geruch der Strasse, also vornehmlich Dieselabgase aus alten und schlecht gewarteten Vehikeln, in der Nase und fühle mich trotz allem pudelwohl.

Patuxai
Patuxai

Denkmal für die Helden der königlichen Armee

Das erste Wahrzeichen der Stadt, das Patuxai, das Siegestor (französisch Monument des Morts) taucht irgendwann in der Ferne auf. Der 49 Meter hohe Monumentalbau steht am Ende der Xang-Prachtstraße und wurde in den 1960er Jahren als „Denkmal für die Helden der königlichen Armee“, d. h. für Laos’ Unabhängigkeit errichtet.

Patuxai Aussicht auf den Platz unter dem Patoxai

Das Patuxai, das Siegestor

Der Monumentalbau ist bis heute unvollendet, obwohl die laotische Regierung immer wieder neue Mittel bewilligte. Zement, den die USA eigentlich zum Bau eines Flugplatzes für den Vietnamkrieg gedacht hatten, fand hier Verwendung. Zudem wurde Baumaterial in andere Kanäle abgezweigt und in Villen und Wohnhäusern verbaut. Derzeit ist der Bau vor allem für den Tourismus interessant. Man kann die oberen Plattformen, welche einen Rundumblick über die Stadt ermöglichen, gegen Gebühr emporsteigen. Die Innengeschosse beherbergen zahlreiche Touristengeschäfte.

Selbstverständlich steige ich wie jeder normale Tourist auf die Plattform hinauf, unterhalte mich mit den netten Damen, die allerlei Krimskrams (aus China stammend?) den zahlreichen, vor allem laotischen Kunden andrehen, und geniesse die Aussicht auf die Xang, auf die Umrisse des Heiligtums, das mir immer noch sehr weit entfernt vorkommt und meine schmerzenden Füsse auf ein neues Protestlevel führt.

Das Heiligtum

Nach weiteren Kilometern erreiche ich endlich das Tagesziel. Das Heiligtum ist gelinde gesagt eine Enttäuschung. Der Vergleich, sagen wir mal mit Shwedagon, ist fast ein bisschen unfair, so gross ist der Unterschied. Das „Gold“ glänzt nicht, wirkt stumpf und irgendwie schmutzig, billig. Die Mauer ist von schwärzlichem Schimmelpilz befallen, was das Ganze noch schlimmer macht.

Pha That Luang
Pha That Luang

Pha That Luang, großer Stupa oder auch heilige Königliche Reliquie, ist ein großer buddhistischer Stupa aus dem 16. Jahrhundert. Der Legende nach soll sich hier ursprünglich ein Heiligtum der Mon befunden haben. Andere Legenden berichten, dass Abgesandte von König Ashoka etwa im Jahr 307 v. Chr. eine Reliquie des Buddha hierher brachten. Wiederum eine andere Legende behauptet, es hätten hier zwei Nagas residiert.

Buddha im Heiligtum Prozession um den Stupa

Der Buddha sieht etwas angegriffen aus – Prozession um den Stupa

Immerhin hat es eine Menge Leute, die mit feierlichen Gesichtern und in Prozessionsform Blumen und irgendwelche goldglänzenden Dinge an die speziell dafür vorgesehenen Orte ablegen, um dem Buddha zu huldigen. Das ist das einzig wirklich Eindrucksvolle.

Rückweg auf gesponsertem Motorrad

Dass ich auf dem Rückweg nochmals den weiten Weg zu Fuss gehe, ist ausgeschlossen, also schaue ich mich nach einem TukTuk um, doch da nähert sich ein Motorradfahrer, wir kommen ins Gespräch, was schlussendlich dazu führt, dass er mich in die Stadt zurückfährt. Er ist Vietnamese auf der Suche nach einem geeigneten Sponsor, der einen Beitrag an seinen ziemlich leeren Benzintank leistet.

Na ja, was soll’s, ich habe mein Geld schon für viel Dümmeres ausgegeben als für diesen armen Kerl. Auf jeden Fall komme ich nun doch noch zu meinem Motorradabenteuer. Immerhin fährt er sehr anständig mit der nötigen Ruhe und Gelassenheit, die ich nach der zehnminütigen Fahrt fürstlich entlohne. Mit Tränen der Dankbarkeit (was bin ich bloss für ein guter Mensch) macht er sich schnell aus dem Staub und ich zurück in die Stadt.

Nachmittag und Abend ruhig mit Besuch im Museum, um die gröbste Mittagshitze zu überstehen.

Restaurants in Vientiane
Alles für das Touristenherz

Lokale Köstlichkeiten

Am Abend finde ich eine Strasse, wo sich die meisten Touristen zum Essen einfinden. Ein einladendes Restaurant nach dem anderen machen Lust auf die lokalen Köstlichkeiten. Der Mekong ist nahe, hier allerdings keine Augenweide. Er hat seine königliche Macht weitgehend verloren (so scheint es mir); es ist, als hätte ihn der lange Weg vom Himalaya bis hierher gezähmt. Ich bin ein bisschen traurig, hoffe aber auf eine Auferstehung spätestens in der Gegend der tausend Inseln, meinem nächsten Ziel im Süden.

Zeit weiterzureisen.

PS Song zum Thema:  Quintessence – Jesus, Buddha, Moses, Gauranga

Und hier geht’s weiter …

 

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