Auch lange Reisen gehen irgendwann zu Ende.

Das ewige Dilemma

Heute ist wieder einer dieser letzten Tage. Sie sind jedes Mal eine Mischung aus Freude und Wehmut.

Die Aussicht auf gutes Brot und Kaffee, Pasta, die nach Pasta und nicht Karton schmeckt, ein heisses Bad, Trinkwasser ab dem Hahnen, geheizte Räume, wenn’s kalt ist, und all das andere, worauf man zwei Monate lang verzichten musste, ist schon sehr verführerisch.

Und natürlich das Wichtigste: endlich meine Mila in die Arme nehmen zu dürfen!

Aber da ist auch dieses andere Gefühl, etwas verlassen zu müssen, was man eigentlich gar nicht verlassen will. Diese unbändige Lebensfreude dieses Kontinents, die Freundlichkeit der Menschen, ihre Kreativität, ihre Musikalität, ihre Fröhlichkeit trotz schlimmer Umstände.

Dieses Leichte, manchmal Schwebende, das Unbekümmerte, das so anders ist als unser bekanntes Leben, das sich von einer Sorge zur anderen treiben lässt. Hier erkennt man andere Lebensmuster, die weniger auf Wohlstand, Geld, Sicherheit und materielle Werte ausgerichtet sind als in unserem verknöcherten Westen.

Jetzt liegen also nochmals gut 6 Stunden vor mir, die ich ein letztes Mal der in der Zwischenzeit liebgewonnenen Stadt widmen will oder muss (denn Checkout-Time ist 12.00, während der Flug aber erst abends um 20.15 geht). Dazu eignet sich der Besuch des Goldmuseums ideal.

El Museo del Oro

Die Dame an der Kasse wirft mir einen langen Blick zu und erkundigt sich nach meinem Alter.

Dann nickt sie und drückt mir ein Gratisticket in die Hand. Tercera Edad, also drittes Alter, da muss man nichts mehr bezahlen. Ein irgendwie seltsames Gefühl. Drittes Alter? Wenn ich allerdings in den Spiegel schaue und dieses bärtige, ziemlich verwilderte Gesicht sehe, dann erkenne ich nicht nur das dritte sondern eher vierte oder letzte Alter.

Dabei ist mir während der Reise das Mandat eines alten Kunden angeboten worden (dem ich nicht widerstehen kann), also heisst es spätestens nächste Woche wieder in ein einigermassen akzeptables Aussehen zu gelangen. Grauweisser Hipsterbart weg, Haare endlich wieder schneiden, anständige Kleider anziehen …

Mein Gott, mir wird jetzt schon ganz anders …

Das Museo del Oro stellt zum größten Teil aus Gold gearbeitete präkolumbische Fundstücke aus. Das Museum wurde von der Banco de la República de Colombia, der Staatsbank, 1939 zum Schutze des archäologischen Erbes des Staates gegründet.

Die Sammlung präkolumbischer Goldobjekte ist weltweit einzigartig und gilt als die größte ihrer Art (35.000 Stück). Unter den Ausstellungsstücken findet man aber auch aus Ton, Stein, Muscheln, Holz und Textilien fabrizierte Objekte.

The Gold Museum in Bogota 1 The Gold Museum in Bogota 2

The Gold Museum in Bogota 3 The Gold Museum in Bogota 4

The Gold Museum in Bogota 5 The Gold Museum in Bogota 6

Das Goldmuseum entpuppt sich als sehr positive Überraschung.

Da mir die Kunst näher liegt als Artefakte aus Urzeiten, bevorzuge ich im Allgemeinen eher Kunsthäuser als Museen, aber was hier mit besonders viel Sorgfalt und Kreativität ausgestellt wird, verdient höchste Anerkennung und Respekt.

Das Publikum ist zahlreich, viele Familien mit Kindern stauen sich vor den unzähligen Vitrinen. Was mich besonders überrascht, keiner stellt sich vor die Kunstwerke und schiesst ein Selfie (man erinnere sich an die Besuche in indischen Museen, wo pro Besucher schätzungsweise tausend Selfies geschossen werden; die Kunstwerke sind völlig nebensächlich).

Man betrachtet die Ausstellungsstücke mit grosser Ernsthaftigkeit, bleibt lange stehen, liest die dazugehörigen Texte, erklärt den Kindern, um was es geht, beantwortet ihre Fragen. Nichts von jener indischen Ignoranz (sorry, Inder, muss mal gesagt werden), sondern eine erstaunlich gesittete, kultivierte Art und Weise, sich der eigenen Vergangenheit und ihren Erbschaften zu nähern.

Bayern München vs. Real Madrid

Und dann beginnt es zum Abschied zu regnen, natürlich wie aus Kübeln, der Schirm steckt im Rucksack, also setze ich mich in ein Restaurant, trinke einen Kaffee, der mehr nach Elefantenpisse als nach Kaffee schmeckt, und schaue mir das Champions League Spiel Bayern München gegen Real Madrid an, also Pest gegen Cholera, wobei Cholera 2:1 gewinnt.

Was mir ein bisschen weniger ausmacht, als wenn Pest gewonnen hätte.

Das Ende

Und dann ist der Abend da, eine wehmütige Verabschiedung von Sandra und ihrem Hotel, draussen wartet das Taxi. Es führt mich ein letztes Mal durch die nun bekannten Strassen, ich werfe ihnen letzte Blicke zu, während ich spüre, dass mein Herz schwer wird. Ich bezweifle, dass ich es noch ein weiteres Mal auf diesen wunderbaren, einzigartigen, einsamen Kontinent schaffen werde.

Das Einzige, was bleibt, so wie immer, sind die Erinnerungen. Sie werden mich begleiten, sie sind Teil von mir geworden. Mit der Zeit werden sie sich verändern, vielleicht geht das eine oder andere vergessen, doch alles Wichtige – die Fröhlichkeit, die Lebenslust, die Kreativität, aber auch die unaussprechliche Armut, das Elend der armen Bevölkerung – wird bleiben.

So soll es sein.

Bis zum nächsten Mal …

 

Kilometerstand: 10118

Song zum Thema: Red Hot Chili Peppers – Goodbye Angels

Und hier endet die Reise … aber es geht weiter … in Nepal

Und das sind die Bücher, die ich auf der Reise gelesen habe.

 

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