Es könnte sich um einen akuten Mangel an Phantasie handeln, dass wir mit allem gerechnet haben, aber nicht mit Regen mitten in der Nacht! … Regen? Hier, an diesem von der Sonne gesegneten Ort, wo wir den Lebensabend verbringen wollten?
Nach nicht mal 5 Stunden Schlaf, also der Hälfte der üblichen Schlafenszeit, werden wir doch tatsächlich in recht unangenehmer Weise aus dem Schlaf gerissen. Nicht, dass die Regentropfen mit Donnergetöse aufs Dach trommeln, nein, sie sind eigentlich ganz leise. Aber unser interner Shit-Detector ist inzwischen auf jede Störung eingestellt, und so ergeben wir uns fluchend dem Schicksal, kriechen aus den Schlafsäcken, aber bevor wir uns in die trockeneren Gefilde flüchten, hört der Regen auf.
Will er uns veräppeln?
Sonnenschein und Hagelschauer
Die Natur hat uns voll im Griff, wir sind ihrer Willkür ausgesetzt. Und so treibt uns das Wetter weg von Silifke, obwohl der Eindruck eines sehr angenehmen Städtchens noch lange nachwirkt. Wir machen uns auf nach Alanya, dem nächsten bekannten Ort, immer schön der Küste nach, von Dorf zu Dorf, dazwischen grössere und kleinere Städtchen. Es geht rauf und runter, Kurve um Kurve, begleitet von herrlichstem Aprilwetter, dann wieder von Hagelschauern und Sturmböen.
Erinnerungen an den Kaschmir werden wach, die endlosen Kurven hinauf nach Shangri-La sprich Srinagar, aber der Vergleich hinkt: hier gefällt es uns definitiv besser, Wetter hin oder her.

Alanya Gegenwart
Obwohl Alanya unter den Mittelmeerfans offenbar einen guten Namen hat, macht die Stadt uns auf den ersten Blick den Eindruck eines typischen, wenig einladenden Touristenkaffs. Man liest allerdings, dass die Stadt vor der Verseuchung mit dem Massentourismus eine echte Perle gewesen sein soll.
Die touristische Tradition in Alanya begann offenbar 1948, als bei Hafenarbeiten die Damlataş-Höhle entdeckt wurde, in der konstant 23 Grad bei hoher Luftfeuchtigkeit herrschen sollen. Die ersten Untersuchungen bestätigten die heilende Wirkung auf das Atmungssystem. Als Folge wurde der Eingangsbereich der Höhle vergrössert und anschliessend entsprechende Informationen gestreut, die den Tourismus anstossen sollten. Was sie auch taten …
Man merkt sofort, dass die Stadt im Schnellverfahren auf den modernen Tourismus zugeschnitten worden ist. In den stillen Gässchen, wo sich früher verschleierte Frauen die letzten Neuigkeiten zuflüsterten, reiht sich heute ein Souvenirladen an den nächsten, in denen jeder noch so schlimme Kitsch verkauft wird. Wo früher in den typischen türkischen Beizen das lokale Leben pulsierte, laden heute Diskotheken zum Tanz und anderem.
Tja, was soll man sagen, der schreckliche Geist der Renditeorientierung hat Einzug gehalten.

Das Vergessen an der Sonne
Es hat auf unserer Reise Tage gegeben, da haben wir die Sonne verflucht, die Hitze, den permanenten feuchten Schweiss im Gesicht. Es gab kein Entkommen, keine Flucht, es kommt uns im Nachhinein vor, als wären wir der Sonne hinterher gefahren, von einer Hitzehölle zur nächsten.
Aber dann die Wende in Form von Überraschungen gegenteiliger Art, in Form von Regen, von Schnee, von Kälte. Und nun sind wir endlich wieder an der Wärme, aber die körperliche und mentale Müdigkeit nach den letzten Wochen hat sich eingegraben, und so gibt es immer noch Zeiten, wo wir irgendwo sein möchten, nur nicht hier.
Allerdings sind wir auf dem Weg in bessere Zeiten. Die Sonne, das Meer, die Wärme sind genau das Richtige, um Körper und Geist wieder in Form zu bringen und die Erinnerungen an die vergangenen Tage vergessen zu machen. Es ist sehr einfach – man legt sich auf den Boden und lässt die Sonne ihr Werk tun. Und langsam und stetig lösen sich die Verspannungen, der Geist wird still, die Unruhe verzieht sich.
Alanya Vergangenheit
Wir haben uns zwar vollkommen dem Nichtstun gewidmet, was uns allerdings nicht davon abhält, uns über die Sehenswürdigkeiten von Alanya zu informieren.
Da wäre mal die Burg über der Stadt (schon wieder eine) oder besser gesagt der Burgberg. Er besteht aus drei Sektoren, die jeweils durch Mauern umfasst werden. Es gibt einen äusseren Sektor mit Gebäuden aus der seldschukischen Zeit und einen Turm von 33 m Höhe, der 1224–1228 zum Schutz des Hafens erbaut wurde. Dann gibt es im mittleren Sektor ein Badehaus und die Süleymaniye-Moschee, während der dritte Sektor die Zitadelle beinhaltet, den eigentlichen Ursprung der Anlage.

Aber bequem, wie wir sind, lassen wir den Besuch sein und informieren uns Reiseführer, was man tunlichst unterlassen sollte, aber eben, das Nichtstun und die Faulheit.
Frühlingsgefühle
Nun denn, irgendwann dreht die innere Uhr wieder auf „vorwärts“, bye-bye Alanya. Wir beabsichtigen, nach Antalya weiterzufahren, in der Hoffnung, ein weiteres Mal ein hübsches Plätzchen am Meer zu finden. Irgendein boshaftes Teufelchen hat sich nämlich gemeldet und behauptet, dass der Frühling noch nicht überall Einzug gehalten hat und dass die nördlichen Regionen wohl noch nicht Sonne und Wärme anbieten.

Die Fahrt durch den Frühling und erst noch grösstenteils der Küste entlang muss gebührend genossen werden, denn wie gesagt, wer weiss schon, was uns wettermässig erwartet. Man spürt dieses seltsame Bedürfnis, die Zeit zu nutzen, die kurze Zeit, die noch bleibt. Nicht zum ersten Mal meldet sich der innere Zwiespalt zwischen der Sehnsucht, für immer unterwegs bleiben zu können, und dem Drang, zurück zum bequemen Leben zuhause zurückzukehren.
Man will sich gar nicht vorstellen, welche Gefühle sich nach unserer Ankunft zuhause einstellen werden. Wehmut? Bedauern? Sehnsucht? Trauer? Wahrscheinlich von allem ein bisschen. Aber das Leben zuhause wird ziemlich schnell seine Krallen ausfahren, es wird uns schnell und unerbittlich von allem losreissen, was uns so viele Monate begleitet hat.
Man möchte nicht daran denken.
Antalya und Bambus
Die Stadt empfängt uns mit Frühlingswetter, so wie man es sich in schönen Träumen vorstellt. Die Suche nach dem Campingplatz Bambus dauert wie erwartet unendlich lang, dafür werden wir mit einem sehr schönen Camp belohnt, das von einem deutschen Ehepaar geführt wird.
Wir könnten es nicht besser erwischen.


Antalya ist viel grösser als erwartet, auf jeden Fall grösser als die meisten Städte, die wir im Verlauf der letzten Wochen kennengelernt haben. Und sie ist uralt, gegründet im Jahr 159 v. Chr. von König Attalos II. von Pergamon und nach ihm benannt.
Heute wird die Gegend wegen der langen Sandstrände auch gerne als die „Perle der türkischen Riviera“ bezeichnet. Die Altstadt von Antalya, Kaleici, ist bekannt für ihre engen Gassen und historischen Gebäude. Der Hadriansbogen und die Kesik Minare Camii sind einige der bemerkenswerten Sehenswürdigkeiten. Das mediterrane Klima mit heissen Sommern und milden Wintern macht die Stadt zu einem beliebten Reiseziel.


Na also, es braucht wenig Überzeugungskraft, um uns noch ein paar Tage an den heissen Sommern zu laben. Es ist alles angerichtet – „Sommer, Sonne, heisser Strand„, wie die Band „Der moderne Mann“ in ein paar Jahren in ihrem Song „Baggersee“ verkünden werden.
Passender Song: Der moderne Mann – Baggersee
Und hier geht der Trip endlich weiter … dem Norden zu