Es gibt Städte, deren Namen so wunderbar exotisch klingen, dass sie automatisch bestimmte Empfindungen vor die Sinne zaubern. Bunte Farben, fremdartige Gerüche, Gesichter mit dunklen Augen, buntgefiederte Vögel … So wie Mandalay, Jaipur, Luang Prabang, Mumbai, Kabul, Cartagena … Und auch Salamanca. Der Klang des Namens zergeht auf der Zunge wie feinste Schokolade.
Und heute werde ich diese Stadt erkunden.
Der Tag fängt allerdings mit Ärger schon vor dem Frühstück an, denn die Reservation in Cubo de la Tierra, wo ich übermorgen übernachten will, gestaltet sich äusserst mühsam. Auf jeden Fall bin ich gespannt, ob ich nicht eine Nacht auf der Strasse oder dem Trottoir verbringen muss.
Weltkulturerbe
Die Stadt liegt ja mitten in der kastilischen Hochebene, und da fragt man sich schon, wie es zur Gründung gekommen ist. Dank der weiten Ebene ohne Erhöhungen sieht ja schon in einiger Entfernung die Silhouette mit ihren phantastischen Türmen. Sie ist eine Insel in der Einöde, ein Phantom, eine Fata Morgana, wenn man es nicht besser wüsste.
Da gibt es die beiden Kathedralen, die Catedral Vieja aus dem 12. Jahrhundert und die Catedral Nueva aus dem 16. Jahrhundert oder die Kuppel der Jesuitenkirche Clerecía. Und viele andere, die man von nahe sehen muss. Seltsamerweise sehen die Gebäude wie mit einem rötlichen Hauch überzogen aus, sie sind grösstenteils aus rotem Sandstein erbaut, was ihnen einen ganz speziellen Charakter verleiht.
Es ist also kein Wunder, dass die mit Bauwerken und Sehenswürdigkeiten gesegnete Stadt 1988 zum UNESCO-Weltkulturerbe geadelt wurde (was angesichts der inflationären Vergabe des Labels eine wohltuende Ausnahme darstellt).
Dann mache ich mich mal auf den Weg.
Als ich aus dem Hotel trete, stürzt sich das gleissend helle Vormittagslicht auf mein Gesicht. Die Strassen, die Häuser leuchten, das Licht spiegelt sich in den Fenstern, während ich die paar Schritte zur Plaza Mayor mache (davon später mehr). Sie ist ein perfekter Ausgangspunkt, um die Tour zu starten.
Salamanca ist für ihre reiche Geschichte, Kunst und Kultur bekannt und beherrbergt eine der ältesten Universitäten Europas, die 1218 gegründet wurde und viele berühmte Persönlichkeiten hervorgebracht hat.
Es gibt soviele Sehenswürdigkeiten, dass sich von allem Anfang an eine gewisse Überforderung einstellt. Neben den berühmten Kathedralen gehört natürlich die unvergleichliche Plaza Mayor, einer der schönsten Plätze der Welt (wage ich zu behaupten), die Casa de las Conchas, die Universität, die römische Brücke und und und …
Und nicht zu vergessen: Salamanca ist auch ein beliebtes Ziel für Sprachschüler, die Spanisch lernen wollen. Man begegnet ihnen auf Schritt und Tritt, Frank wird bei seinem Besuch vielleicht auf alte Bekannte treffen.
Nicht der einzige Tourist
Schönheit kann ermüden. Eine alte Weisheit, die sich an diesem Tag wieder einmal von ihrer unangenehmen Seite zeigt. Städte ermüden meistens, vielleicht ist es die hohe Energie in der Luft, die Dynamik auf den Strassen, die Stimmen, die Geräuschkulisse, die allgegenwärtigen Autos, die schlechte Luft, die vielen Menschen – einfach alles.
Und eben die vielen Touristen. Salamanca ist eine typische Touristenstadt, das wird schnell klar, wenn man sich von einem Ort zum anderen bewegen will und sich durch dichte Menschentrauben kämpfen muss.
Manchmal sind es ganze Hundertschaften von bunt gekleideten und in allen Sprachen schwatzenden Menschen, die sich durch die engen Gassen bewegen, dabei alles und jedes zum Erliegen bringen.
Und so ergibt man sich dem Unvermeidlichen, man lässt sich mittreiben, bleibt manchmal stehen, um den Vorträgen zu folgen, die in allen Sprachen, aber mit dem gleichen liebenswürdigen spanischen Akzent dargeboten werden.
Und ja, man erfährt sehr viel, was man nicht gewusst hat, und kann sich gleichzeitig etwas ausruhen, bis das nächste Gebäude, die nächste Gasse, der nächste Turm zum Weitergehen lockt.
Der Astronaut
Die Catedral Nueva (Neue Kathedrale) ist eine gotische Kirche, die neben der alten Kathedrale steht. Sie wurde im 16. Jahrhundert begonnen und im 18. Jahrhundert vollendet. Ihre Fassade ist an sich schon beeindruckend, aber was die meisten Touristen interessiert, ist weder der prächtige Hauptaltar noch die reichhaltigen Verzierungen an den Aussenwänden, sondern die berühmte Astronautenfigur an der Fassade.
Diese Kuriosität befindet sich an der Nordseite der Kathedrale bei der Puerta de Ramos. Man könnte sich nun die Frage stellen, ob Erich von Däniken nicht doch recht hatte mit seinen versponnenen Ideen in seinem Bestseller „Erinnerungen an die Zukunft“.
Doch die Wahrheit ist viel profaner. Der Steinmetz Miguel Romero verewigte sich bei der Restaurierung 1992, indem er einen Astronauten sowie den leibhaftigen Satan, der in seiner linken Hand eine Waffel mit Eiskugeln hält, einbaute.
Ich halte es wie die meisten Touristen und lasse einige Prachtbauten bei der Besichtigung weg, mache mich aber selbstverständlich daran, die unerwarteten Kuriositäten aus der Nähe zu begutachten.
Die Plaza Mayor
Aber früher oder später landet man wie alle anderen auf der Plaza Mayor, streckt in einem der zahlreichen Restaurants die müden Beine aus und lässt die Umgebung auf sich wirken.
Das ergibt natürlich eine wunderbare Gelegenheit, die vergangenen Wochen und Kilometer Revue passieren zu lassen und sich selbst ein bisschen auf die Schultern zu klopfen. Ein Bier ergänzt die Feier, doch erst ein zweites lässt den Moment so richtig geniessen.
Die Plaza Mayor ist das eigentliche Zentrum der Stadt und wurde im 18. Jahrhundert im spanischen Barockstil erbaut und gilt als einer der schönsten Plätze Spaniens. Er ist nicht umsonst ein beliebter Treffpunkt für Einheimische und Touristen, umgeben von historischen Gebäuden, Cafés und Geschäften.
Was gibt es noch zusagen: Der Platz hat 88 Bögen und 247 Balkone, und an seiner Ostseite befinden sich Medaillons mit den Büsten spanischer Könige. Er wurde bis Mitte des 19. Jahrhunderts für Stierkämpfe genutzt, und in der Mitte steht die Statue eines nackten Mannes, die ein Symbol der Stadt ist. Wow!
Die wahre Pracht entfaltet sich aber erst nach Einbruch der Dunkelheit, wenn die Fassaden der umgebenden Gebäude beleuchtet werden. Und mitten drin die Menschen, entspannt flanierend, andere wie ich einfach da sitzend und den Augenblick geniessend.
Aber dann naht schon wieder der Abschied. Ich fühle eine gewisse Grossstadtmüdigkeit. Vielleicht ist es einfach zuviel Schönheit, zuviel von allem. Auf seltsame Weise freue ich mich wieder auf die langen Wege, die Hitze, die Abgeschiedenheit. Mehr Unterschied ist nicht vorstellbar.
Passender Song: Los Imperials – Al Compàs de mi Caballo
Und hier geht der Camino weiter … nach Zamora