Noch vor der Dusche und dem Essen und dem Schlafen ist gestern Abend klar geworden, dass es keinen einzigen Bus nach Norden gibt.
Die am Fernsehen gezeigten Horrorbilder sind Beweis genug dafür, dass dort nichts, aber auch gar nichts mehr geht. Viele Brücken sind zerstört, weggeschwemmt, zu Bruchstücken zertrümmert worden. Von den Strassen ganz zu schweigen. Es wird einige Zeit dauern – sofern die Jahrhundertniederschläge nicht noch etwas andauern – bis ein regulärer Busbetrieb wieder möglich ist.
Kein Bus nach Norden
Tja, das war’s dann mit dem Bus nach Norden. Da wir uns hier in Südamerika und nicht in Europa befinden, wo es unter Garantie Ausweichrouten gegeben hätte, so bleibt eigentlich nur das Flugzeug.
Stinkt mir zwar gewaltig, denn die Panamericana entlang fahren, war schon immer ein kleines Träumchen. Nun, das Träumchen bleibt Schall und Rauch bzw. Wasser und Geröll, und so muss ich mir in aller Kürze einen Flug suchen.
Ich streiche den geplanten Zusatztag in Lima (in diesem Hotel würde ich nicht mal unter Androhung der Todesstrafe eine weitere Nacht bleiben) und finde – Internet sei Dank! – schon bald einen geeigneten Flug nach Tumbes ganz im Norden. Wenn ich schon die Panamericana auslassen muss, dann richtig. Abflug 10.45, also genügend Zeit für ein ausgiebiges Morgenessen.
Wieder mal ein sehr besonderes Frühstück
Manchmal kommt die Phantasie schlicht nicht nach, was alles noch an zusätzlichen Plagen möglich ist.
Desayuno ab sieben, so verkündet der mürrische Kerl an der Reception. Wunderbar. Alles andere als wunderbar ist aber das, was mir am Morgen dieses neuen Tages serviert wird.
Ich habe ja schon einiges an Frühstücksüberraschungen erlebt, aber es hatte immer einen gewissen Charme (man erinnere sich an die kalte Crepe in Santa Cruz), aber dieses hingeworfenen lieblose Zeug ist der bisherige Tiefpunkt meiner diesbezüglichen Erfahrungen.
Saft gibt es nicht, aber eine Kanne mit knapp heissem Wasser, eine Dose mit Nescafe, der so hart ist, dass er garantiert schon den dreissigjährigen Krieg erlebt hat, und zwei ziemlich altbackene Sandwiches, eines davon mit einer so dünnen Scheibe Käse belegt, dass man durch den Käse hindurch die Zeitung lesen könnte, das andere mit einer Scheibe Schinken, olfaktorisch ebenfalls ziemlich älteren Datums. Mit einem an Tollkühnheit grenzenden Mut beisse ich hinein, schlucke einen Bissen runter, bevor ich einigermassen entrüstet aufgebe.
Aber eines muss man der Bude lassen: alle Leistungen sind absolut konsistent schlecht.
Flug nach Tumbes
Ich habe Lima schon beim ersten Besuch nicht ausstehen können, und die bisherigen Erfahrungen lassen darauf schliessen, dass es nicht zu einer Verbesserung der Beurteilung kommen wird. Anyway, der Flug mindestens ist ruhig, wenn auch gerappelt voll. Auch andere Leute, vor allem Einheimische, haben keine andere Möglichkeit, in den Norden zu gelangen, als das Flugzeug zu nehmen.
Bei der Landung auf dem winzigen Flugplatz ist es angenehm heiss, ein wunderbares Gefühl nach den Wochen in der Kälte. Und oh Wunder, ich werde abgeholt, fühle mich wie weiland King Krösus und lasse mich ins Hotel ‚Costa del Sol Wyndham‘ kutschieren.
Die bereits erfolgte Buchung in der ‚Posada del Mar de Don Durand‘ wurde seitens Hotel kurzfristig annulliert, offenbar musste der Herr des Hauses kurz verreisen und die Stellvertretung hatte grade keine Zeit. Mein Mail wurde zwar beantwortet, allerdings wies Don Durand darauf hin, dass ausser mir eh niemand im Hotel sei. Auch eine Möglichkeit, sich neue Freunde und Gäste zu besorgen.
Er kann froh sein, dass ich prinzipiell nie eine Bewertung abgebe, sei es für ein Hotel oder irgendwas. Ich habe und das nur nebenbei, auch noch niemals etwas geliked und habe auch nicht vor, es jemals zu tun.
Nur nebenbei: nach dem Einchecken am Flughafen in Lima wurde ich sofort nach Erledigung der Formalitäten aufgefordert, eine Bewertung abzugeben. Eine Bewertung? Für eine Selbstverständlichkeit? Geht’s noch? „I never do that“, verkünde ich der verblüfften Dame am Schalter und mache mich hocherhobenen Hauptes von dannen.
Costa del Sol Wyndham
Anyway, das Hotel ‚Costa del Sol Wyndham‘ ist zur Abwechslung mal etwas eher dem Alter Entsprechendes, genau das richtige nach dem letzten Hotel in Lima. Ein riesengrosses Zimmer mit zwei Betten erwartet mich, ein ultragrosser Flachbildschirm hängt an der Wand, im Badezimmer könnte ich mit Leichtigkeit drei der letzten Badezimmer unterbringen.
Tumbes
Tumbes ist ein Kaff am Meer, noch nicht allzu bekannt, wie mir scheint, denn ich bin der einzige Ausländer weit und breit.
Ein Gang durch das Städtchen zeigt aber allerhand Buntes und von Leben Strotzendes, und ich muss gestehen, dass mir ziemlich wohl ist hier. Das hat natürlich auch mit der Tatsache zu tun, dass mir wieder mal der Schweiss von der Stirne rinnt und ich endlich wieder mal die Sonnencreme benutzen darf. Das Ticket für die für morgen geplante Fahrt nach Ecuador ist gekauft, um zehn geht’s los, bye-bye Peru.
Tumbes aislado?
Das einzige, was mich stutzig macht, ist eine Aussage in den Nachrichten am Abend. ‚Tumbes aislado‘. Was so viel heissen soll wie ‚Tumbes isoliert‘. Wieso denn das? Ein Blick zum Himmel zeigt nicht das kleinste Wölkchen, also muss es sich wohl um einen Journalistenwitz handeln.
Oh Gott, wie kann man sich nur so täuschen.
Kilometerstand: 5803
Song zum Thema: King Crimson – Islands
Und hier geht die Reise weiter … nach Norden, nach Equador