Ein Dorf taucht einen Augenblick auf, in mattes Mondlicht getaucht.

Kein einziges Licht brennt in der Versammlung dunkler Häuser und toter Gassen. Das Dorf bleibt hinter uns zurück, wir eilen weiter, schnell, schnell, nur das monotone Summen des Motors im Ohr, dem unsichtbaren Horizont zu, der Vollmond als stummer Wächter über uns.

Der müde Geist träumt

Der müde Geist stellt sich lautlose Bewegung vor, mehr ein Gleiten oder Schweben, wie auf Flügeln, entlang den einsamen Ebenen, wo die Silhouetten einzelner Bäume im Licht des Monds schimmern. Er sieht keine Bäume, sondern eine Armee stummer, toter Soldaten, in Reih und Glied stehend, reglos, die Baumspitzen wie Speere in den Himmel stechend.

Er hört nächtliche Geräusche wispern, er spürt den Wind, der sanft über das Gesicht streicht …

Vielleicht ist es die Müdigkeit, der Moment vor dem Einschlafen, das einlullende Geräusch des Motors, die leisen Bewegungen der Mitreisenden im Schlaf, die solche Gedanken schaffen. Uyuni liegt längst hinter uns, es ist still geworden im Bus.

Langsam kriecht die Kälte vom Boden her die Beine hinauf, man ist froh um die Wolldecke und kuschelt sich ein. Ein wunderbar wohliges Gefühl der Geborgenheit umgibt einen wie eine zusätzliche warme Decke.

Aber es liegt eine lange Nacht und über 550 Kilometer vor uns. Ich habe einen Einzelsitz zugewiesen bekommen, eine Cama, wie es hier heisst, also eine sehr bequeme Möglichkeit, die Fahrt hinter sich zu bringen. Mein blödes Knie findet aber nach wie vor, dass es keine Position gibt, in der es sich wirklich wohlfühlt, also hin und her und wieder zurück und Beine strecken und wieder beugen …

Irgendwann schläft man trotz allem ein.

Ein langweiliges Backpacker Kaff

Es ist ein langer Tag gewesen in Uyuni.

Eigentlich hasse ich diese Tage, wo man um elf auschecken muss, der Bus aber erst um acht Uhr abends abfährt. Es gibt Orte, wo man sich trotzdem bestens unterhalten kann, in Sucre zum Beispiel, wo es in einem Tag tausend neue Orte zu entdecken gibt.

Nicht in Uyuni. Im Grunde ist es ein ödes, langweiliges Dorf am sprichwörtlichen Arsch der Welt, dem lediglich der nahegelegene Salzsee und der Railway Friedhof eine gewisse Bedeutung verschaffen. Es gibt wenige Sehenswürdigkeiten, wenn man von Sehenswürdigkeiten überhaupt sprechen kann.

Uyuni

Uyuni 2

Uyuni 3

Uyuni 4

Ich mäandere gelangweilt durch die Gassen, auf der Suche nach Irgendwas, und stosse tatsächlich auf ein Highlight seltener Kunstlosigkeit. Es handelt sich um ein Denkmal für irgendwelche Kriegshelden, natürlich in kriegerischer Pose, aber hergestellt aus hellgrünem Material.

Ein hellgrünes Denkmal? Da fehlen mir die Worte.

Green Monument

Später lande ich auf dem verlassenen Bahnhof, dessen letzte Besucher wohl einige der verrostenden Züge auf dem Friedhof gewesen sein könnten. Die Leere ist erschreckend und traurig. Sind das weitere Zeugen eines unausweichlichen Niedergangs? Was bleibt ist die Hoffnung, dass der Salzsee noch ein paar Jahre nicht austrocknet (was angesichts des Klimawandels nicht ausgeschlossen werden kann)

deserted railway station in Uyuni deserted railway station in Uyuni 2

Einer der letzten Eisenbahnwagons hat einen besonderen Platz erhalten, was das Ganze eher noch schlimmer macht. Man stellt sich die Vergangenheit vor, das Gewusel auf dem Bahnhof, die wunderbaren Geräusche der einfahrenden Züge. Mir als grosser Eisenbahn-Afficionado bricht beinahe das Herz.

Die Geschichte der Eisenbahn in Südamerika ist eine besondere Tragödie. Waren noch vor wenigen Jahren hunderte, tausende Kilometer Schienennetz in Betrieb, sind es heute nur noch ein paar jämmerliche Strecken. Dafür verkehren nun Busse auf allen Strecken, die Bahnhöfe sind grösser als Flughäfen. Ein Jammer und eine Schande, wenn man an die Zukunft des Klimas denkt, das auch in Südamerika die ersten bösen Spuren hinterlässt.

old train carriage in Uyuni

Die Indio Frauen – würdevoll und liebenswert

Beim Streunen durch die Gassen stösst man irgendwann auf die einheimischen Indio Damen. Sie sind ein Augenschmaus nach all den öden Plätzen und noch öderen Sehenswürdigkeiten. Ihre Kleider sind sehr speziell, alles andere als unsere Vorstellung von Mode. Aber trotzdem oder eben deswegen einer Bewunderung würdig. Mir gefallen vor allem ihre Hüte und die Strümpfe unter den ausladenden Röcken. Wunderbar …

Alley in UyuniIndio Women in Uyuni Indio Women in Uyuni 2Indio Women in Uyuni 3

Massentourismus

Es handelt sich wie erwähnt um ein typisches Backpacker-Dorf.

Wenn diese Spezies in grosser Zahl am selben Ort auftaucht, wird es, genauso wie beim Massentourismus (der sich etwas später einstellt), schnell mühsam. Es gibt wie überall auf der Welt tausend Traveller-Treffs, alle mit dem gleichen Angebot an 0815-Gerichten wie Pizza, Falaffel, Sandwich und Co.

Das Essen ist grundsätzlich schlecht, die Bedienung unfreundlich (auch in Ländern, wo Freundlichkeit und Respekt zum Nationalcharakter gehören), und wenn es einen Ort gibt, wo man sich einen verdorbenen Magen holen kann, dann hier.

Die Hostels sind überteuert, in einem schlechten Zustand und das Personal kümmert sich einen Dreck um seine Gäste (gilt auch für die Hotels, wie ich aus eigener schmerzvoller Erfahrung sagen darf). Es kommen ja eh immer wieder neue Touristen, also warum sich Mühe geben.

Das ist – oder besser gesagt war – Uyuni. In einem Meer von wunderbaren Erfahrungen der giftige, auf dem Wasser schwimmende Oelfleck …

Kilometerstand: unbekannt

Song zum Thema:  Freur – Riders in the Night

Und hier geht der Trip weiter … in La Paz

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