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Trans Swiss Trail

Trans Swiss Trail – Die schöne blaue Aare

Es gibt einen Song von Stiller Has namens Aare, ziemlich bekannt und beliebt beim Publikum. Er wird (obwohl ich kein besonders begeisterter Fan von Stiller Has bin) mich heute der Aare entlang begleiten. Immerhin sind es fast zehn Kilometer, die ich ausschliesslich diesem blauen Wunder entlang wandern werde.

Auch der Wanderführer sieht es positiv:

Reizvolle Wanderung entlang der Aare, zunächst durch Stadtgebiet, dann durch eine der schönsten Flusslandschaften der Schweiz. Einen besonderen Gewinn stellen die renaturierten Ufer dar. Das Worber Schloss ist von weitem sichtbar, aber nicht zugänglich.

Könnte schön werden …

 

From Bern to Worb

 

Bye Bye Bundeshauptstadt

Ich nehme also Abschied von Bern, ein bisschen wehmütig, denn die Stimmung und Atmosphäre in dieser alten Stadt ist einmalig. Ich könnte es nicht besser formulieren wie der Wanderführer, ich stimme den Elogen vollumfänglich zu.

Bern versprüht mit seinen vielen Brunnen, Gassen, historischen Türmen und Arkaden ein einmaliges mittelalterliches Flair. Den wohl schönsten Ausblick über die von der Aare umflossene Unesco-Altstadt bietet der erhöhte Rosengarten über dem Bärengraben oder die Plattform des 101 Meter hohen Münsterturms. Beim Bärengraben beginnt auch die tierreiche Wanderung nach Worb. Der Bärenpark bietet dem Tier, welches auch das Stadtwappen ziert, ein 6000 m2 grosses Aussengehege.

 

The beautiful blue Aare, Bern's beloved river with its old houses and bridges

Im Rückspiegel bleibt die Stadt zurück, grüsst herüber mit Kirchenturm und Bundeshaus. Das Sinnbild verschmilzt mit der Wirklichkeit, wenn ich, Bewunderer schöner Bilder, ins Wasser und seine Umgebung blicke, die vor hundert Jahren genauso ausgesehen haben muss.

So sieht Beständigkeit aus, man bewahrt das Gute und Schöne, appliziert Neues, wo es passt, und vervollständigt das Bild, macht es zu einem Gesamtkunstwerk. Ich lese aus diesen Bildern viel heraus, vielleicht viel zu viel, um es wirklich beschreiben zu können.

Machen Bilder die Menschen? Oder ist es umgekehrt? Wie sehr bildet eine Stadt ihre Bewohner ab? Fragen über Fragen, die man nicht mit dem Verstand beurteilen kann.

 

Bern - a last greeting

Eine Kathedrale, ein Kirchturm, Häuserreihen wie Festungswälle, da und dort ein spitzes Türmchen, schüchtern und beinahe versteckt ein paar Bäume, davor das Wasser, das Ufer und das Raunen der Stadt im Hintergrund.

Das ist Bern.

 

And the Bundeshaus - political center of Switzerland

 

Ursina und das Bundeshaus

Das Bundeshaus in seinen vermeintlich wuchtigen Ausdehnungen, die gar nicht so wuchtig sind, wenn man an Paris und London und deren Paläste denkt, winkt herüber. Hier wird Politik gemacht, manchmal gut, manchmal erstaunlich, oft schlecht und rückwärts gerichtet.

Aber so ist Politik, immer ein wenig zu weit weg von allem, was zählt. Man tut, als ob man wichtig wäre, dabei läuft die Gegenwart an anderen Orten ab.

Sei es wie es ist, ich lasse die Politik und wende mich den schönen Dingen des Lebens zu.

Ursina - Bern's favorite BearBeispielsweise dem Bärengraben mit dem Liebling der Stadt, der Bärin Ursina.

Sie wirft ihren vielen Bewunderern, die sich oberhalb des Grabens versammelt haben, einen eher gelangweilten Blick zu. Jeden verdammten Tag die gleichen dummen Gesichter, ich kann es ihr nachfühlen.

Der Weg führt nun dem Dählhölzli Tierpark entlang, rechts die Aare, die schöne blaue Aare, links allerhand Getier in allen Formen und Farben der Evolution, man kann sich sattsehen.

Man müsste mehr Zeit haben (das ewige unlösbare Problem), sich auf eine Bank setzen und einfach zusehen, wie sich die weissen Vögel (deren Namen ich doch prompt vergessen habe) ihr Gefieder putzen oder die jungen Schweine auf der Suche nach Nahrung im Boden wühlen.

Aber eben, es muss weitergehen …

 

Birds at the Dählhölzli Park ... and young pigs looking for food

 

Jogger und andere Läufer

Es ist Samstag, ein wunderbarer warmer Vormittag, perfekt für eine Joggingrunde der Aare entlang oder einfach einem Spaziergang ganz ohne Hast und Eile, einfach geniessen. Wenn ich hier wohnen würde, könnte man mich im Pulk der Läufer erkennen, vielleicht nicht ganz so schnell, aber voller Lust an der Bewegung.

Man kommt nicht umhin, immer wieder mal stehen zu bleiben, dem Gurgeln des Flusses zu lauschen, die sich dauernd verändernden Farbtöne des Wassers zu bewundern. Wolken am Himmel, ein Kontrast, den ich nicht brauche, schönes Wetter ist angesagt, also was soll das?

 

The Aare - sometimes greenish, then ... ... blue again or is it light black?

Und so schreite ich voran, der Rucksack scheint leichter als sonst, eine Illusion, die sich durch das Gefühl vollkommener Entspannung ergibt? Egal, ich grüsse rechts, ich grüsse links, man nickt mir zu, man antwortet mit einem freundlichen Grüessech (was nicht wörtlich zu übersetzen ist, aber Guten Tag auf Berndeutsch bedeutet; es ist wie vieles andere in dieser Region ein willkommener Begleiter, man fühlt sich sonderbar aufgenommen).

Die alten Holzbrücken sind wie immer eine Augenweide, aber nicht nur. Sie stellen etwas dar, eine Kostprobe einheimischer Handwerkskunst, Qualität, die dauerhaft ist, die nicht, wie viele moderne Errungenschaften nach kurzer Zeit ersetzt werden muss.

Diese Balken sind fest verankert, sie zeigen das Alter, Risse längs und quer, aber sie bleiben standhaft, widerstehen den Angriffen des Alters.

Ich ziehe den Hut.

Die mit Holz bedeckte Auguetbrücke wurde 1836 gebaut und stand bis 1974 in Hunziken. Da dort die Brücke für die Verbindung Rubigen – Belp mit einer Betonbrücke ersetzt wurde, konnte die Brücke als Verbindung zwischen Muri und Belp genutzt werden. Und so wurde die ehemalige Hunzikenbrücke zur beliebten Auguetbrücke.

 

Wooden bridge over the Aare

Manchmal bin ich plötzlich allein, ganz unerwartet, mitten im Wald, aber nicht für lange, da taucht der nächste Jogger auf, oder eine junge Frau mit Kinderwagen, ich wage einen Blick auf das rosige Gesicht des Babys und erhalte einen erstaunten Blick zurück.

Die Mutter nickt mir stolz zu, sie hat allen Grund dazu.

 

Sometimes alone in the forest, but not for long

 

Aare, es war schön mit dir

Doch irgendwann biegt der Weg vom Fluss ab, ich werfe ihm einen letzten Blick, der heissen soll, es war schön mit dir, aber ich muss weiter, immer weiter, die Füsse streben von selbst vorwärts, eine Gewohnheit, die sich automatisch ergeben hat. Gut so.

Die neue Umgebung hat ebenso viel zu bieten. Manchmal ein einsamer Baum, eingewickelt in zartweisse Wolken, als ob sie ihn umarmen wollten, nur er allein, sonst nichts, nur Gras und blauer Himmel und Wolken. Wie muss er sich fühlen, so allein und trotzdem so umschwärmt?

 

Lonely tree surrounded by clouds

 

Ein unwillkommener Umweg

Das alte Sprichwort (ist es eines?), dass man im Alter nicht gescheiter wird (dafür weiser, wer weiss das schon), bewahrheitet sich mal wieder auf unwillkommene Weise. Die Gegend ist voll von Wanderwegen, sie kreuzen sich überall und führen dadurch immer mal wieder zu orientierungsmässigen Fehlleistungen.

So auch heute, wen wundert’s.

Der Wegweiser, der mich entlang eines langgezogenen Maisfeldes führt, sieht zwar nicht aus wie meiner, aber ohne zu denken und ohne die Karte oder Google Maps zu konsultieren, folge ich ihm. Es ist halt einfach so – viele dumme Entscheidungen werden erst richtig dumm, wenn man sie erkennt. Vorher sind sie das, was mir eben geschieht. Etwas Heiteres, Schönes, denn die Umgebung ist traumhaft, nicht zu heiss, ein blau lachender Himmel, der sich wahrscheinlich darauf freut, wenn ich meinen Irrtum erkenne.

Was denn auch geschieht, nach knapp fünf zusätzlichen Kilometern und den netten Bauernleuten, die laut lachen, als ich sie nach dem Weg frage.

Alles andere bleibt ungesagt.

Aber eben, die Häuser sind schmuck (ein echtes Berner Bauernhaus, fast wie aus dem Katalog), der Himmel weit und beinahe blau, die Wolken wie immer nicht ganz so dräuend wie sie aussehen. Am Schluss muss ich sagen, der Umweg hat sich gelohnt (oder versuche ich damit, etwas besser zu machen als es ist?).

 

Ich bin dankbar für die letzten Kilometer durch den Wald, er begrüsst mich mit steinerner Miene (oder eher hölzerner).

Und tatsächlich – leistungsmässig (als ob mich das interessieren würde) kein epochaler Tag. Plus 5 Kilometer und beinahe 3 Stunden. Aber es hat sich gelohnt, die zwanzig Kilometer sind etwas vom Schönsten gewesen, was ich bisher abgewandert bin. Ach ja, die schöne blaue Aare …

 

 

Wieder mal zurück in Indien

Die Nähe von Worb kündet sich schon früh an. Ich erreiche das Dorf etwas oberhalb auf einem Hügel, der an einem Bauernhof vorbei hinunter führt. Kühe muhen mich an, ich muhe zurück, vom Dorf herauf klingen Rufe, Kinderstimmen, irgendwas ist los.

Interessiert mich wenig, ich suche den Gasthof Löwen, bin wenig überrascht, dass er wieder einmal geschlossen aussieht, bis mich ein sehr indisch aussehender junger Mann (der sich als Tamile aus Sri Lanka entpuppt) in herzlichen Empfang nimmt und mich durch verwinkelte Korridore zu meinem Zimmer führt. Immerhin ist es mit allem bestückt, was man gerne hat nach einer langen Wanderung, ob ich allerdings den Weg durch das Labyrinth nach draussen wieder finde, ist eine andere Frage.

Das spätere Essen in der Gartenwirtschaft (hervorragende Tagliatelle) ist entspannt und gelöst und wieder einmal sehr sehr glücklich …

 

Passender Song:  Massive Attack – Safe from Harm

Und hier geht der Trail weiter … nach Ranflüh

 

 

Trans Swiss Trail

Trans Swiss Trail – Die wiegenden Bäume

Knapp einem grandiosen Hangover entgangen, der Kopf ist einigermassen klar und bereit für die nächste Etappe. Ich schleiche durch die Korridore, es duftet nach uraltem Holz, nach abgetragenen Teppichen, nach Staub. Es kommt mir vor wie das Eintauchen in die Vergangenheit. Aber mir gefallen diese alten Gemäuer, sie hätten sicher viel zu erzählen.

Ich wäre gerne noch ein Weilchen geblieben, in meinem winzigen Zimmerchen, umgeben von soviel Vergangenheit. Aber ob dieser Gasthof noch eine Zukunft vor sich hat, wage ich zu bezweifeln.

Aber ich muss weiter, Bern entgegen.

 

Letzte Grüsse

Immer sind es irgendwelche Türme oder Kirchen oder Burgen, die mir letzte Grüsse zuwerfen. Ich nehme sie nur noch knapp wahr, denn ich bin schon weg, auf dem Weg zum nächsten Turm, zur nächsten Kirche, zur nächsten Burg. Und heute ist der Weg weit.

 

Last greeting of Laupen

Was meint der Guide zur heutigen Etappe?

Die Route folgt der Sense, windet sich dann zu aussichtsreichen Höhen mit Sicht auf die Gipfel der Alpen. Stolze Bauernhöfe in Mengestorf kontrastieren mit den vorstädtischen Wohnsiedlungen von Bern; dessen Altstadt ist UNESCO-Weltkulturerbe.

Etwas lang, aber flach und vor allem der Sense entlang. Der Weg entlang eines Flusses ist mehr als ein Vergnügen, es ist eine Meditation.

 

From Laupen to Berne

Nachdem die Geräusche des Städtchens hinter mir verstummt sind, herrscht mit einem Mal völlige Stille, sieht man vom leisen Gurgeln der Sense ab. Und ja, ein paar Vögel glauben auch, ihren Gesang beitragen zu müssen. Die Bäume wiegen sich im Morgenwind, flüstern von Baumgeschichten, nur für sie bestimmt.

 

The SEnse river

Es scheint, als wäre hier die Natur noch intakt, eine Illusion, die mir hilft, mich auf das Schöne zu konzentrieren. Vielleicht ist dieser Fluss in ein paar Jahren oder Jahrzehnten vertrocknet, die Fische tot, ebenso alle anderen Kreaturen, die sich heute noch darin tummeln.

«Alarmismus ist angebracht, aber Weltuntergangs­narrative bringen nichts»

Vielleicht kann man sich Trost holen beim vielleicht berühmtesten Philosophen, Fernando Pessoa, oder auch nicht. Seine Vorstellungen sind dunkel und mitleidlos.

„Es herrscht keine Ruhe, und ich habe, weh mir!, nicht einmal das Bedürfnis, sie zu finden.“

Na gut, nach soviel schlechter Laune muss die Schönheit, die existierende Schönheit, wieder die Oberhand kriegen. Es fällt mir nicht schwer, denn das, was sich um mich herum abspielt oder eben auch nicht, ist voller Wunder, manchmal menschgemacht wie die alte Holzbrücke, manchmal gratis von der Natur zur Verfügung gestellt.

 

Old wooden bridge over the Sense

Es ist ein Spaziergang, gut drei Stunden lang, was die ausgedehnten Picknick Pausen beinhaltet. Es darf nicht sein, dass man derart schöne Abschnitte nicht geniesst. Aber dann, bei Sensematt, zweigt der Weg endgültig vom Flussufer weg.

Ein schmaler Pfad führt gemächlich den Hang hinauf, Schafe strecken mir gemeinsam den Hintern entgegen. Haben die was gegen mich?

 

Perfect path uphill, the way I like it

Unfriendly sheep pointing their asses at me

Bei Sensenmatt verlässt man den Flusslauf und folgt dem Scherlibach. Dann folgt ein kurzer Aufstieg zum Mängistorfberg. Mit etwas Glück sieht man von hier aus die Alpengipfel.

Ein kurzer Abstieg und schon befindet man sich in der Agglomeration von Bern. Vorbei an Wohnquartieren folgt der Weg dem Waldrand des Chünzibergwaldes nach Liebefeld und zum Fischermätteli in der Nähe von Bern Bümpliz.

In der Hauptstadt der Schweiz endet die Wanderung.

 

Bern im strömenden Regen

Die dunklen Wolken haben mich für einmal nicht getäuscht. Kaum habe ich die Stadtgrenze erreicht, klatschen die ersten Tropfen schwer auf den aufgeheizten Boden. Eine ältere Dame weist mir den Weg zur nächsten Bushaltestelle, und da bin ich nun, umgeben von schnatternden Kindern (einmal mehr mit einem Blick, der alles aussagt) und warte auf den Bus.

Der Unterschied könnte nicht grösser sein. Ich bin sozusagen in die Zivilisation zurückgeworfen worden. Aber sie hat auch Vorzüge, bringt mich in Windeseile ins Stadtzentrum von Bern, Lärm und Menschen und Autos und Lichter, ich bin gefangen, doch eigentlich ganz glücklich.

Die Berner Altstadt gehört zu den UNESCO-Weltkulturgütern und besitzt mit 6 Kilometern Arkaden, den sogenannten Lauben, eine der längsten wettergeschützten Einkaufspromenaden Europas.

So folge ich also den Lauben, die mich hinunter in das Zentrum der Altstadt führen. Kurz vor meiner Destination, nicht einmal 200 Meter entfernt, prescht ein stattlicher Wolkenbruch vom Himmel. Wie unzählige andere Touristen oder Spaziergänger oder Angestellte auf dem Weg nach Hause bleibe ich im Schutz der Lauben und hoffe auf ein baldiges Ende der Wetterkapriolen.

Es dauert eine ganze Weile, bis man es wagen kann, den Schutz zu verlassen. Die Leute strömen wie eine aufgeschreckte Herde Schafe über die Strasse, ihren jeweiligen Zielen zu, ich zum Backpackers Hotel Glocke an der Rathausgasse gelegen. Ich komme mir nach kurzer Zeit vor wie damals in Südamerika oder Asien, umgeben von jungen Backpackern aus aller Welt.

Beinahe ein bisschen wie zuhause.

 

The famous Zytglogge tower in Berne
Der Zytgloogeturm, Wahrzeichen der Stadt

 

Eien besondere Stadt

Jeder Schweizer kennt die Stadt. Sie besitzt etwas Besonderes, eine Mischung aus alter Tradition und dezenter Modernität. Man fühlt sich seltsam geborgen in dem anheimelnden Dialekt, der so gar nicht dem rasenden Rhythmus der heutigen Welt entspricht.

 

Bern - Switzerland's capital at night

Die Berner werden als langsam bezeichnet, auch dies mag mit dem langsamen melodischen Singsang ihrer Mundart zusammenhängen, aber nicht nur. Hier ist verpönt, gelegentlich auch mit neidischen Augen betrachtet, wie ihr Gegensatz Zürich voller Dynamik funktioniert. Bern ist eher eine Beamtenstadt, hier werden Gesetze gemacht oder auch nicht. Die Zeit scheint stehengeblieben zu sein, aber auch das mag eine falsche Vorstellung sein.

 

Passender Song:  Mick Jagger – Strange Game (aus „Slow Horses“)

Und hier geht der Trail weiter … nach Worb