Angezeigt: 1 - 3 von 3 ERGEBNISSEN
Südamerika

Cartagena – Adios mit Wehmut

Und wieder ein Abschied, einer der weh tut.

 

Adios Cartagena

Im Wissen, dass am heutigen Abend ein Nachtbus auf mich wartet, der eine nochmalige Tortur von über 10 Stunden verspricht, nehme ich den letzten Tag in Cartagena gelassen, beinahe schon meditativ.

Ich lasse die Stadt hinter mir, das Dröhnen der Auto- und Busmotoren, das Schnattern der zahlreichen Touristen und Einheimischen, die je nachdem etwas kaufen oder verkaufen wollen, die Geräusche der Stadt, die ich noch heute verlassen werde. Es macht traurig und wehmütig, wie immer, wenn man sich an einem Ort sehr wohlgefühlt hat.

Der langsame Gang dem Meer entlang bringt meine mentale Konstitution wieder ins Lot. Der Strand ist beinahe menschenleer, ein Genuss nach all dem Tohuwabohu im Stadtzentrum. Manchmal setze ich mich auf einen Stein, den Blick auf den endlosen Horizont gerichtet, und erkenne, was mich bedrückt.

Meine Reise, mein wunderbarer Trip durch ganz Südamerika, nähert sich mit grossen Schritten ihrem Ende.

 

Beach at Cartagena
Endlich mal allein
Just me and the sea
Nur ich und das Meer …
... and some birds
… und einige Wasservögel auf der Suche nach Futter

 

Leben abseits der Welt

Aber natürlich ist die Welt nicht ohne Leben. In Tat und Wahrheit öffnet sich der Blick auf die unscheinbaren Geschehnisse abseits der lauten und aggressiven Stadt. Man muss sie bloss sehen.

Da gibt es zwei Fischer, die auf dem unruhigen Meer versuchen, ein Boot mitzuziehen. Eine Aufgabe, die offenbar ihre ganze Konzentration erfordert. Warum sie allerdings ein leeres Boot hinter sich herziehen, bleibt mir verborgen, wie so vieles andere.

 

Fishermen with boats

Oder die Wasservögel (Reiher?), die im angeschwemmten Müll nach Essbarem suchen. Ihre Schritte sind würdevoll, ihre Konzentration auf den Boden gerichtet, nur manchmal trifft mich ein kurzer misstrauischer Blick.

 

Bird at beach in Cartagena
Sein Gang ist langsam und würdevoll

Doch dann, langsam zurück in der lauten Zivilisation, bricht der Lärm wieder über mich herein, und da, wie ein Phantom aus Afrika, eine wunderbar farbige Frau mit einer grossen Schale auf dem Kopf balancierend, voll mit irgendwelchen Süssigkeiten oder was auch immer.

Sie ist sozusagen meine letzte wirkliche Begegnung mit Cartagena. Denn anschliessend geht es ans Packen und Abschiednehmen.

 

a colorful lady at the beach in Cartagena
Alles stimmt – die Farben, die Bewegungen, die Last auf dem Kopf

 

Ein seltsamer Taxichauffeur

Es ist nicht so, dass mir der Taxichauffeur Angst einjagt, aber eine gewisse Unruhe stellt sich doch ein, als der junge Mann – narbengesichtig (in Hollywood-Filmen haben Bösewichte immer irgendwelche Narben oder seltsame Behinderungen), schmallippig, tough – mich durch völlig andere Strassen in Richtung des Busterminals fährt, als ich von der Hinfahrt in Erinnerung habe.

Es ist sechs Uhr abends, wie jeden Tag dunkelt es von einem Augenblick zum anderen, und der Kerl fährt mich durch ein paar der schlimmsten Slum-Alpträume. Auf meine Frage, ob er das Ziel kennt (denn er guckt permanent auf sein Handy oder spricht abwechselnd mit einem Kumpel am anderen Ende), reagiert er ziemlich beleidigt und deckt mich mit einem Staccato an spanischen Wörtern und Sätzen ein, die mir alle nichts bedeuten, aber wahrscheinlich nicht allzu freundlich sind.

Bei jedem Stau (um diese Zeit normal) versucht er es durch irgendwelche Nebengassen einen schnelleren Weg zu finden, nur um ein paar Minuten später beim gleichen Stau aufzusitzen. Also das Puzzle würde passen: ein älterer Herr als Alleinreisender, Dunkelheit, Absprache mit Kumpeln, Slums der schlimmsten Ordnung rundherum. Wer würde da nicht leichtes Kribbeln empfinden?

Haben mich nun die dauernden Warnungen doch noch eingeholt? Das Unterbewusstsein endgültig übernommen? Aber nein, der Kerl ist wahrscheinlich so harmlos wie meine Katzen, auf jeden Fall setzt er mich nach einer guten Stunde Fahrt am Terminal ab und wünscht eine gute Reise. Sorry, Amigo!

 

Kolumbianische Standup-Comedians

Der Nachtbus nach Medellin füllt sich langsam, ich dürfte einmal mehr der einzige Ausländer sein, dafür mit bevorzugtem Sitz in den hinteren Reihen. Während der erste Film gestartet wird („Central Intelligence“ mit The Rock – ein grauenhafter Film, der aber perfekt in die verblödende Unterhaltung in den Bussen passt), versuche ich so schnell wie möglich in das angenehm wohlige Gefühl des Zustands vor dem Einschlafen zu gelangen.

Meine Einschlafversuche sind von Erfolg gekrönt, denn ich erwache erst, als lautes Lachen durch den Bus dröhnt. Einige Frauen hinter und neben mir halten sich die Bäuche, während ich krampfhaft nach den Ursachen der Belustigung suche. Es läuft ein Programm mit einem offenbar berühmten kolumbianischen Standup-Comedian, und ich muss zugeben, auch wenn ich nicht alles verstehe – der Kerl versteht sein Handwerk. Er gibt ein Feuerwerk von Sprüchen und Witzen von sich, untermalt durch wilde Sprünge und immer lauter und hysterisch werdender Stimme.

Ich schlafe trotzdem wieder ein, erwache offenbar sehr viel später, denn in der Zwischenzeit hat sich der Bus geleert. Die lachenden Frauen, der junge Mann neben mir, die Mutter mit ihren zwei Kindern auf den Sitzen hinter mir – alle verschwunden. Es sind gerade mal noch etwa 6-7 Personen geblieben, alle im vorderen Teil des Busses sitzend. Ich habe also den ganzen hinteren Teil für mich, was mir allerdings nicht allzu viel bringt, ausser Ruhe und Frieden. Und das ist doch schon mal was …

 

Die wunderlichen Auswirkungen der Physik

Die Strecke ist ganz schön kurvig, man wird hin und her geworfen, was aber dem Chauffeur am Arsch vorbeigeht, denn wenn es so richtig schön zur Sache geht, gibt er noch mehr Gas.

Der Gang auf die Toilette ist dann immer etwas, gelinde gesagt, schwierig bis unmöglich. Ich möchte dem Leser die Einzelheiten ersparen, aber gewisse physikalische Gesetzmässigkeiten spielen eine grosse Rolle. Wie auch immer, dieses Mal schaffe ich es grade mal, die Tür hinter mir zu schliessen, da macht der Bus einen wilden Schlenker.

Die Physik, (ich hasse Physik!) das heisst die Zentrifugalkraft, schleudert mich rückwärts in die Tür, die sich unter dem plötzlichen Druck öffnet, und ich rückwärts aus der Toilette zu Boden stürze. So liege ich also mit wunderlichem Gesicht auf dem Rücken, die Beine halb in der Toilette, der Rest im Gang draussen.

Obwohl der Sturz schnell und heftig war, scheint wundersamerweise nichts passiert zu sein. Meine Knochen sind noch ganz, mein Selbstbewusstsein allerdings etwas angeschlagen. Gott sei’s gedankt, es hat niemand etwas bemerkt. Wahrscheinlich hätte ich tot sein können, mein Abgang wäre erst beim nächsten Toilettengang eines Passagiers entdeckt worden. Mein nächster Toilettenbesuch wird auf jeden Fall auf einer ruhigen, geraden Strecke stattfinden …

Irgendwann gegen Morgen erwache ich aus tiefem Schlaf, der Morgen meldet sich. Novemberstimmung. Nebel liegt über den sanften Hügeln, wabert in den Senken, wehrt sich verzweifelt gegen die Macht der Sonne, die am Horizont aufsteigt. Die sanften Hügel sind umschleiert von Dunst und Wolken, eine leblose Welt, wie es scheint.

Doch es sieht schön aus, ich bin einmal mehr ein Fremder in einer fremden Welt.

 

Foggy hills
Eine leblose feuchte Welt, wie es scheint
might be a painting
Ein Gemälde aus Nebel und Wolken und Hügel und Nichts

Der Rest der Nacht vergeht in Musse, und einmal mehr schafft es der Buschauffeur, seinen Plan auf die Minute genau anzuhalten. Es ist kurz nach neun, als wir nach dreizehn Stunden in Medellin einfahren. Ich kaufe bereits das Ticket für die letzte Fahrt nach Bogotà, wechsle Geld und genehmige mir ein ausgiebiges Frühstück, bevor ich, der sich hier schliesslich auskennt, nicht ein Taxi sondern die Metro nehme …

 

Kilometerstand:  9659

Song zum Thema: Sam Phillips – All Night

Und hier geht der Trip weiter … nochmals in Medellin

 

Südamerika

Cartagena – Ionesco und Frieda Kahlo

Mein Hotel ist offenbar erst seit letzten Dezember in Betrieb.

Allerdings sind die Fehlüberlegungen, Konstruktionsmängel und allerlei Schäden schon heute sichtbar und absolut typisch für die diesbezüglichen Talente der Architekten und Handwerker. Lichtschalter, Steckdosen, Duschbrausen, Wasserhahnen, Türschlösser sind prinzipiell entweder am falschen Ort angebracht oder funktionieren schon gar nicht oder nur nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen.

Da es selten ein Nachtlicht neben dem Bett gibt, muss man aufstehen, den Lichtschalter, der sich neben der Tür befindet, betätigen und anschliessend im Dunkeln ins Bett zurücktapsen. Steckdosen sind an allen möglichen Orten angebracht, nur nicht dort, wo man sie gerne hätte. Türschlösser sind eine Knobelaufgabe für helle Geister, denn nur nach langem Nachdenken und tausend fluchenden Versuchen schafft man es, endlich, ins oder aus dem verdammten Zimmer zu kommen.

Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen …

Ach, Kolumbien, wie liebe ich dich.

 

Die Zubereitung des Frühstücks als logistische Denkaufgabe

Beim Frühstück im Innenhof lässt sich trefflich eine weitere wunderbar erhellende Studie der menschlichen, in diesem Fall kolumbianischen Denk- und Arbeitsweise beobachten.

Eine fröhliche, sehr symphatische dunkelhäutige Dame in hellblauer Uniform ist für die Bereitstellung des Frühstücks verantwortlich. Also Kaffee kochen, Früchte schneiden, Fruchtsaft pressen, Toast und Butter und Konfitüre bereitstellen, gelegentlich Rührei kochen.

Eine alltägliche Aufgabe, die aber unser fröhliches Mädchen massiv überfordert. Unser logisches Denken, das in Abläufen geschult ist, Prioritäten kennt, zeitliche Zusammenhänge miteinbezieht, ist in diesem Fall ziemlich abwesend. Entweder ist die Dame eben am Früchte pressen für den Saft, dann fehlt der heisse Kaffee; oder der Saft ist anstatt um 7.30, wenn offiziell Frühstücksbeginn ist, erst um kurz nach neun fertig; oder an diesem Tag ist einfach keine Konfitüre zu finden und man muss sich das trockene Brot mit etwas Margarine in den Hals stopfen.

Auch diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Aber – und das ist das Schöne – kein Mensch regt sich auf. Niemand reklamiert, man lässt der Dame ihren eigenen Rhythmus, und irgendwie klappt’s dann doch. Man kriegt seinen heissen Kaffee, manchmal sogar Konfitüre und alle paar Tage Rührei. Was will man mehr …

 

Südamerika und der Klimawandel

Wenn man durch das Centro Historico von Cartagena geht, so wie ich jetzt, dann fallen nicht nur die vielen Autos, die permanent verstopften Strassen und Gassen auf, sondern vor allem die vielen Autos, Motorräder, Busse, Lastwagen, die mit laufendem Motor stehen oder parkiert sind.

Bei einigen ist es pure Bequemlichkeit, bei anderen ist der Grund klar: die Klimaanlage am Laufen halten, sodass der Fahrer nach dem Bier oder dem Essen oder der Konferenz eine angenehme Umgebung vorfindet. Es ist nicht überraschend, dass viele davon SUVs sind, von denen es auch hier zahlreiche gibt, teure, schwarzlackierte Monster, deren Fahrer sich üblicherweise weder um Verkehrsregeln noch um andere Verkehrsteilnehmer kümmern.

Kommt uns doch irgendwie bekannt vor, nicht wahr?

Das alles ist nur ein Puzzlestein in einem viel grösseren Spiel genannt „Klimaveränderung geht mir am Arsch vorbei“.

 

Ein paar Gedanken zur Gedankenlosigkeit

Ein weiterer Puzzlestein in dieser Tragödie – die Entwicklung des Bahnwesens in Südamerika.

Natürlich gibt sie es noch, die berühmten Bahnstrecken: der ‚Tren a las Nubes‘ in Argentinien, der ‚Andean Explorer‘ in Peru, der ‚Nariz des Diablo‘ in Ecuador, die ‚Valle Sagrado‘ nach Machu Pichu oder der ‚Serra Verde Express‘ in Brasilien.

Wunderbare Züge, leider ausschliesslich für Touristen. Die eigentliche Aufgabe, Personen oder Waren von einem Ort an den anderen zu bringen, wird immer mehr zu Gunsten der Strasse umverteilt. Das Ergebnis ist ein langsamer Tod des Schienennetzes. Wieviele Male haben meine Busse Bahnschienen überquert – alle stillgelegt, alle ins Nichts führend, von Gras und Sträuchern überwachsen. Nutzlos.

Dafür sind Millionen von Bussen unterwegs, Tag und Nacht, Winter und Sommer. Gigantische Busterminals werden gebaut, die mehr einem modernen Flughafen gleichen als einem Busbahnhof, so wie wir ihn kennen. Kann man sich vorstellen, welche Mengen an Treibhausgasen allein durch die Busse in die Luft geblasen werden? Von den anderen Vehikeln auf der Strasse ganz zu schweigen.

Während andernorts auf der Welt in zunehmender Ernsthaftigkeit nach Lösungen gesucht wird (der sogenannte Tipping Point ist nahe!), scheint sich hier kein Schwein für Lösungen zu interessieren. In China vor allem, aber auch in anderen asiatischen Ländern wie Laos oder Burma verkehren immer mehr Elektrofahrzeuge. Hier habe ich kein einziges gesehen.

 

Wir alle sind das Problem

Aber seien wir uns über eines klar: nicht nur Onkel Donald Trump, der von der ganzen Klimageschichte rein gar nichts hält, ist Teil des Problems, wir alle sind es, auch ich mit den bald 10’000 Kilometern auf der Strasse und den 20’000 in der Luft.

Es zeigt, wie sehr wir Wasser predigen und Wein trinken.

Die Auswirkungen sind in den letzten beiden Monaten sicht- und spürbar geworden. Überschwemmungen in Peru und Ecuador und Bolivien. Schlammlawinen in Kolumbien. Unnatürlich heftige Regenfälle in ganz Südamerika … Klimaveränderung? … Ach wo. Das ist El Nino, der wieder mal sein Unwesen treibt. Das geht vorbei.

Das geht vorbei? Wenn du dich nur nicht täuschst, Amigo!

Es gibt ein paar andere Selbstverständlichkeiten von Argentinien bis Kolumbien, die ins gleiche Muster passen. Zum Beispiel die Gewohnheit, an der Ladenkasse prinzipiell jedes einzelne Produkt (!) in einen grossen (!) Plastiksack zu verpacken. Wenn man darauf hinweist, dass man keinen braucht, da man ja einen Rucksack bei sich hat, erntet man zumindest verwunderte wenn nicht mitleidige Blicke.

Umweltverschmutzung? Verschwendung von fossilen Brennstoffen? Gigantische Plastikhaufen im Meer? … Nie gehört. Interessiert kein Schwein.

Oder doch? Ein paar junge Leute, mit denen man das Thema Überschwemmungen diskutiert, sind sich der Zusammenhänge bewusst. Allerdings ist eine ganze Menge Resignation herauszuspüren. Aber sie sind die Zukunft. Manchmal geschehen ja noch Zeichen und Wunder. Auch hier in Südamerika.

Wir werden sehen …

 

Ein farbiger Traum

Aber lassen wir uns den wunderbaren Tag durch diese pessimistischen Gedanken nicht verderben. Der Tag ist zu schön und zu farbig, um ihn in dystopischer Laune zu verderben.

Ich lasse mich wieder einmal treiben, von Strasse zu Strasse, von Haus zu Haus, von blau zu gelb zu rot zu grün. Man kann sich kaum sattsehen an all den Farben. Es ist Disneyworld, Alice im Wunderland, eine Stadt aus Marzipan. Manchmal bleibe ich stehen, lese die Schilder an den Eingängen, bewundere die in der Luft schwebenden Balkone, die Graffitis (vor allem dasjenige mit Miles Davis), schlendere genauso wie die Einheimischen mit Langsamkeit und Würde den Gassen entlang, bis der Schweiss in Strömen fliesst und das nächste Open Air Restaurant lockt …

 

Cartagena Houses 4
Sogar Miles Davis hat seinen Platz gefunden
Cartagena Houses 1
Blaue Wände, schwebende Balkone
Cartagena Houses 2
Menschen vor gelben Wänden
Cartagena Houses 3
Ein nie verlöschendes Feuer an Farben und Formen
Cartagena Houses 5
Einfach nur schön
Cartagena Streets and Alleys
Nicht einfach nur Früchte und Gemüse – ein Bildnis

 

Ionesco und Frieda Kahlo

Die Crew besteht aus jungen Leuten, die den Laden schmeissen. Eine fröhliche junge Bande, die es mit Organisation und Aufgaben nicht immer so genau nimmt. An diesem Abend ist eine besondere Feier angesagt, alle Gäste sind eingeladen.

Wir sagen zwar zu, haben allerdings keinen Dunst, worum’s geht. Nach einer weiteren Erkundungstour in der Stadt bin ich um Punkt acht zurück im Hotel und treffe als erstes den jungen Mann an der Reception, der sich als Frieda Kahlo verkleidet hat, allerdings absolut perfekt.

 

Das ist die echte Frieda Kahlo, die berühmte mexikanische Malerin und Muse Diego Riveras, und Blaupause für unseren schwulen Concierge …

Ich frage ihn, ob er auf Diego Rivera wartet und ernte ein dankbares, wunderbar schwules Kichern. Es könnte sich also um eine Kostümparty handeln, denn auch der Rest der Crew ist verkleidet. In den nächsten zwei Stunden fragt man sich, ob hier ein absurdes Ionesco-Theater zum Besten gegeben wird.

Dass jemand Geburtstag zu haben scheint, wird nach einer gewissen Zeit klar, aber die Darbietungen vor der Torte und dem Gesang sind uns auch nach langer Überlegung völlig unklar. Es werden Blumensträusse verteilt, jemand putzt wie wild den Boden mit einem Besen, ein anderer steigt grundlos in ein bereitgestelltes Fass, eine andere Dame fuchtelt mit einem Bügeleisen herum …

Alles ist irgendwie wunderbar Sinn-los, man klatscht mit, lacht mit, doch ohne einen Hauch Verständnis, was da abläuft. Aber niemand tanzt zur perfekten Salsamusik, was mich nun doch ein bisschen frustriert. Einigen Natives beim Tanzen zuzusehen, wäre doch ein erhellender Beitrag gewesen. Und das hätten wir verstanden …

Kilometerstand:  9015

Song zum Thema: Patti Smith – Ain’t it strange?

Und hier geht der Trip weiter …

 

Südamerika

Cartagena – Die schönste Stadt Südamerikas

Ich erinnere mich in dieser elenden Nacht mit Wehmut an die wunderbaren Busse der „Cruz del Sur“ Gesellschaft, an die Cama Sitze, die warmen Decken, die weichen Kissen, die Beinstützen, auf der Fahrt von Cusco nach Lima.

Davon kann man hier nur träumen. Nach ein paar Stunden hat man zwar irgendwie etwas Schlaf gefunden, aber lediglich mühsamen, eingeengten, ganz und gar nicht komfortablen. Allerdings stimmt die Behauptung, dass die nächtliche Fahrt auf der Strasse beträchtliche Vorteile aufweist. Es sind nur wenige Fahrzeuge zu überholen, vor allem fast keine dieser Monstertrucks, und so braust unser Bus mit Höchstgeschwindigkeit durch die dunkle Nacht, einmal mehr ein geisterhaftes Schemen, ein Gespenst mit hunderten von PS.

Er hält kein einziges Mal an. Hat es etwas damit zu tun, dass nächtliche Überfälle auf Busse keine Seltenheit sind (waren?) und die Wahrscheinlichkeit nun durch hohe Geschwindigkeit reduziert wird? Keine Ahnung.

 

From Medellin to Cartagena

 

Tu Onda Beach Hotel

Anyway, auch unangenehme Nächte gehen nach gut 13 Stunden zu Ende.

Schon der erste Kontakt mit der Aussenwelt zeigt ganz andere Temperaturen als die in letzter Zeit erlebten. Es ist bereits am frühen Vormittag drückend heiss, was das besagte Feel-Good-Level ein weiteres Mal positiv beeinflusst.

Der Taxichauffeur allerdings hat nicht die geringste Ahnung, wo er meine Unterkunft finden soll, also fahren wir mal aufs Geratewohl los, immer schön in Richtung des Meeres. Man hält mal hier, fragt jemanden am Strassenrand, dann hält man dort bei einem Hotelwächter, doch der hat keinen blassen Schimmer, zeigt aber souverän in die falsche Richtung, und erst später stellt sich heraus, dass sein Hotel grade mal etwa dreihundert Meter von meinem weg liegt.

Wir nähern uns aber unserem Ziel, allerdings ohne es zu wissen, und als dann unerwartet das Schild „Tu Onda Beach Hotel“ auftaucht, sind der Taxifahrer und ich schon beinahe zu einer verschworenen Gemeinschaft geworden und geben uns ein High-Five.

 

Tu Onda Beach Hotel 1Tu Onda Beach Hotel 2

 

Das „Tu Onda Beach Hotel“ erweist sich als das richtige Hotel, allerdings am falschen Ort, wie sich später herausstellen wird. Das soll mich aber im Moment nicht interessieren, denn alles, wonach mein geschundener Körper lechzt, ist eine tüchtige Dusche und zwei, drei Stunden Schlaf. An der Reception sind zwei weitere Touristen eben am einchecken, eine Dame mit ihrem Sohn. Wir unterhalten uns geraume Zeit auf Englisch, bis der Junge zu seiner Mutter sagt: „Häsch gseh?“

Alles klar, dos Suizos.

Aber wie gesagt, das Hotel ist schön, besitzt einen grossen Innenhof mit Tischen und Stühlen, einer Bar und seltsamerweise einem Barren und einem Reck. Kein Swimming Pool, aber Turngeräte, an denen sich ein paar junge Männer mit massgeschneiderten Bodys und Sixpacks versuchen, allerdings ohne die Zuschauer auch nur im Geringsten zu beeindrucken …

 

Cartagena de Indias

Cartagena de Indias mit ihren 1.001.755 Einwohnern ist eine Stadt an der Karibikküste Kolumbiens und liegt im Norden des Landes mit Zugang sowohl zum offenen Meer als auch zur Bahía de Cartagena de Indias.

Die Stadt hat sich als eine der schönsten Kolonialstädte Südamerikas behauptet. Cartagena ist die Stadt mit den meisten Touristen und nicht zuletzt wegen der geografischen Lage die sicherste und bestbewachte Stadt in Kolumbien.

Auf dem Weg in die Stadt (die sich leider viel weiter entfernt von meinem Hotel befindet als erwartet) zeigt sich am Horizont die Skyline der City. Sie macht den Eindruck einer mondänen Weltstadt, was allerdings nur für einen relativ kleinen Teil der Stadt zutrifft.

 

Cartagena Skyline 1 Cartagena Skyline 2

 

Das ummauerte Stadtzentrum

Das komplett ummauerte alte Stadtzentrum mit Festungsring und den Stadtteilen Centro mit der Kathedrale und zahllosen Palästen im andalusischen Stil, San Diego, dem Viertel der Händler und der zahlenmäßig kleinen Bourgeoisie sowie Getsemaní, dem Viertel der kleinen Leute und Handwerker, das aus dieser Zeit stammt, wurde 1959 zum nationalen Kulturerbe erklärt und ist seit 1984 UNESCO-Weltkulturerbe.

 

City Walls of Cartagena Old part of town

 

Das besagte Centro Historico ist eine besondere Augenweide. Schachtelartig angelegt (das kennen wir in der Zwischenzeit) bietet es eine beeindruckende Ansammlung wunderbar erhaltener Kolonialhäuser aus spanischen Zeiten. Viele sind farbig bemalt, blau, grün, rot, orange und alle Töne dazwischen. Violette Pflanzen (Bougainvillea?) hängen tief über den Gassen, verströmen einen betörenden Duft (oder ist es doch das Parfum der Dame, die eben neben mir vorbeirauscht?).

 

Houses painted in all colors
Farbige Häuser, dazwischen enge Gassen
Colors you never get enough of
Farben um sich sattzusehen

Ich kann mich nicht erinnern, in einem Kaff dermassen viele Touristen gesehen zu haben, nicht mal in Cusco. Sie sind im Vergleich zu den Einheimischen massiv in der Überzahl, stolpern einander über Beine und Füsse, auf der Suche nach der Kathedrale, dem Parque Bolivar, einem kühlen Bier oder vielleicht nach dem Ausgang, der nämlich nicht so einfach zu finden ist.

Leider sind nur wenige Strassen für den Verkehr gesperrt, sodass das beständige Hupen schon bald auf die Nerven geht. Allerdings ist zu erwarten, dass bei einem weiteren Wachstum des Tourismus dieses Problem wohl bald zu Ungunsten des Verkehrs gelöst wird.

 

Nearly destroyed Murales in Cartagena
Murales vom Zahn der Zeit angenagt
Streets and alleys in Cartagena 1
Erinnert manchmal an Havanna in Kuba
Streets with no Names
Namenlose Strassen und die unvermeidlichen Murales
Yet sometimes a human being
Und doch, manchmal ein menschliches Wesen, das sich auf die Strasse traut

 

Das Leben als ruhiger Fluss

Die Seitenstrassen sind still und einsam, hier ist das Leben ein ruhiger Fluss. Aber auch hier haben Graffiti-Künstler ihre Spuren hinterlassen.

Ich lasse mich wie üblich treiben, die Augen weit offen, lasse die Bilder, die Geräusche aus den Fenstern, aus den Hinterhöfen, den Garagen und kleinen Shops auf mich wirken. Merkwürdigerweise habe ich plötzlich den Eindruck, gar nicht mehr an einem bestimmten Ort zu sein. Es ist ein Ort-loses, Zeit-loses, Sein-loses Treiben, ganz im Hier und Jetzt, wo weder Ort noch Zeit eine Rolle spielen.

Die Sonne spielt ihre gewohnte Rolle, brennt auf Haupt und Schultern, macht das Atmen schwer, aber ich bin dankbar, suhle mich in den aufgeheizten Gassen an der unüblichen Hitze.

Ich bin glücklich.

 

Das Nachtleben

Das karibische Nachtleben in Cartagena de Indias ist legendär, eine touristische Spezialität ist Rumba en Chiva, eine Party im Bus.Ich weiss allerdings nicht, was das bedeutet. Ich habe weder einen Bus noch eine Party erblickt.

Die meisten Diskotheken befinden sich in der Calle Arsenal, Getsemaní. Kleinere Clubs und Restaurants befinden sich im Historischen Zentrum der Stadt. In Cartagena entstand die afrokaribische Musikrichtung Champeta, die vor allem in den Armenvierteln der Stadt gehört und gefeiert wird.

 

Warm yellow light filling the enpty alleys
Warmes gelbes Licht füllt die beinahe verlassenen Strassen
and in the middle of the hustle and bustle Horse carriages, waitimg for tired touristst
Mitten im Trubel Pferdekutschen, auf müde Touristen wartend
illuminated restaurants with all kinds of bric-a-brac
beleuchtete Kneipen mit allerhand Krimskrams
The guests are surrounded by lights and random stuff
Die Gäste sind von Lichtern und irgendwelchen Dingen umgeben

 

Wie Djema al Fna

Manchmal kommt man sich vor wie auf der Djema al Fna in Marrakesch, fehlen eigentlich nur noch die Wasserverkäufer und die Märchenerzähler.

Junge Burschen geben vor den Touristenbussen in perfekter Choreographie Breakdance-Einlagen, die absolute Weltklasse sind. Diese Körperbeherrschung. Man kann gar nicht anders als stehen zu bleiben und zu staunen. Ein junger Bursche hängt waagrecht in der Luft, nur durch seine Hand an einem senkrechten Stab in der Luft gehalten. Die Fussgänger bleiben stehen, wundern sich, überlegen sich eine physikalisch korrekte Antwort auf das unerklärliche Phänomen, bis auch der letzte merkt, dass der junge Mann durch den Ärmel, sein Hemd und seine Hose durch eine waagrechte Metallkonstruktion in der Schwebe gehalten wird.

Soviel zum Hintergrund. Zum Nachtleben kann ich nicht viel beitragen, denn wie schon erwähnt liegt unser schönes Hotel zwar am Meer, dafür weit abseits von Nachtleben, Diskos und Champeta (vom altersbedingten Drang, früh ins Bett zu gehen, ganz zu schweigen).

So geht der Tag schnell vorbei, Müdigkeit kommt auf, der Himmel verdunkelt sich, Time to say Goodbye …

 

Kilometerstand: 9015

Song zum Thema:  Fonseca, Silvestre Dangond – Cartagena

Und hier geht die Reise weiter …