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Alpenpanoramaweg

Alpenpanoramaweg – Irrungen und Wirrungen

Irgendwann möchte ich aufhören, den Tag mit Regen zu beginnen und mit Regen zu beenden.

Ich hoffe, dass heute der Tag der Auferstehung bedeutet, der Tag mit dem letzten fucking Rain bis Genf. Natürlich wird dies ein frommer Wunsch bleiben, denn auch heute Morgen entdeckt der erste Blick aus dem Fenster das haargenau Gleiche wie gestern Abend.

Beim Morgenessen starre ich irgendwie apathisch aus dem Fenster, Lastwagen preschen vorbei, die Gischt des aufgewühlten Wassers fliegt meterhoch in die Luft. Die Berge sind nicht zu sehen, ist mir egal. Sie sehen genau gleich aus wie gestern, tief verhangen mit Nebel und Nässe.

Der Blick auf den heutigen Plan zeigt eine einfache Route durch das Tal von Stein nach Amden.

Der recht lange Aufstieg von Stein zur Vorderen Höhe wird mit einer herrlichen Aussicht auf die Glarner Berggipfel belohnt. Eine abwechslungsreiche Höhenwanderung führt um den Gulmen herum, zum Mattstock hinüber und nach Amden hinunter.

 

From Stein to Amden

 

Ein wunderlicher Entscheid am frühen Vormittag

Wie sich heute zeigen wird, kann man einen falschen Entscheid auch beliebig wiederholen. Anyway, der Regen hat tatsächlich eine Pause eingelegt, als wollte er mich davon überzeugen, dass er mir trotz allem gut gesinnt ist. Ich kenne diesen elenden Lügner in der Zwischenzeit sehr gut, also erwarte ich nichts Gutes.

Auf jeden Fall trete ich um neun aus der Tür, schaue mich um, da ist der Wegweiser, kein 3-er, aber ein Wegweiser, der garantiert in die richtige Richtung zeigt. Frohgemut – der Schlaf im hochanständig getrennten Bett war gut und tief und die Klamotten trocken – folge ich dem Weg, der in ein Tal hineinführt.

Selbstverständlich beginnt es nach einer halben Stunde zu regnen – hallo du lügenhafter Kerl – Autos und Traktoren fahren an mir vorbei, vorsichtig, wie mir scheint, um den seltsamen Wanderer nicht noch nasser zu machen, als er eh schon ist. Und wieder führt der Wanderweg auf die Wiesen hinaus, ich wiederhole meine Abneigung gegen hohes nasses Gras nicht mehr. Auf jeden Fall taucht ein spitzer Kegel am Horizont auf, kaum sichtbar durch den Nebel, aber es könnte sich um den Speer handeln.

 

Could it be the Speer on the horizon?
Könnte es der Speer am Horizont sein?

Die erste Warnung. Eigentlich dürfte ich aus dieser Perspektive noch keinen Berg sehen, auf jeden Fall nicht den Speer.

 

Scattered farms along the way
Verstreute Bauernhöfe auf dem Weg

Aber ich fühle mich wohl, es geht vorwärts, langsam und stetig, vorbei an den typischen Bauernhöfen dieser Gegend, kein Mensch ist zu sehen, manchmal höre ich ein unterdrücktes Muhen aus den Ställen. Ich scheine nicht der einzige zu sein, der auf schöneres Wetter hofft.

Die Bäche sind voll, rauschen unter den Brücken vorbei.

 

After the Flood

Aber dann werden die Wege schlechter, die Strasse hat sich irgendwohin verflüchtigt, es geht nun aufwärts. Der Dreck steckt wieder mal tonnenschwer an den Schuhsohlen, der Atem geht schwer, und alle paar Meter muss ich eine Atempause einlegen.

Aber der Wegweiser zeigt stur in die hoffentlich richtige Richtung, bergaufwärts, dem Sonnenuntergang entgegen (falls es denn Sonne hätte).

So gehe ich denn talaufwärts, beinahe wie in Ladakh auf dem Babytrail, einfach mit Regenbegleitung.

 

Immerhin würden die Wiesen bei Sonnenschein ein wunderbar farbiges Bild abgeben; heute sehen sie aus wie halb ertrunken und machen mir einmal mehr das Gehen zu einer mittleren Tortur.

Es wird steiler und steiler, und immer noch hoffe ich, endlich die 3-er Wegweiser zu entdecken. Immer noch im Glauben, am richtigen Ort zu sein, male ich mir in Gedanken eine böse e-Mail an die Organisatoren des Panoramawegs aus. Es darf doch nicht sein, dass eine ganze Etappe nicht bezeichnet wird.

 

Blooming meadows - again

 

Erste Zweifel – Das falsche Tal?

Doch langsam schleichen sich Zweifel ein. Der notwendige Blick auf die Karte oder das iPhone ist schwierig und nass bei diesem Regen und entfällt grösstenteils. Aber die umliegenden Berge und Abhänge entsprechen doch mehr oder weniger dem, was ich erwartet habe. In Kürze müsste doch eigentlich die Vorderhöhi auftauchen, oder doch nicht?

Auch der Weg wird noch schlimmer, Sumpf und Schneereste wie gestern, dazu steile Hänge, die das Gehen zur Mühsal machen. Es ist absolut keine lebende Seele zu sehen, ich höre nichts ausser dem eigenen Schnaufen und Fluchen. Der Weg sieht auf jeden Fall so aus, als hätte ihn das letzte Mal jemand im 19. Jahrhundert durchquert.

 

Really bad path

Aber plötzlich taucht von rechts eine stattliche Waldstrasse auf, die ich ganz und gar nicht erwartet habe. Auf der Karte ist nichts zu finden, aber was soll’s, viel mehr falsch kann ich heute nicht mehr machen. Und tatsächlich, nach kurzer Zeit taucht so etwas wie Kamm auf, und ich kann meinen Augen kaum trauen, zum ersten Mal heute sehe ich einen 3-er Wegweiser.

Ich bin auch jetzt noch überzeugt, auf der Vorderhöhi zu sein, allerdings meint der Wegweiser, dass ich auf dem Weg zwischen Vorder- und Hinderhöhi stehe.

Ja Herrgott, wo bin ich denn da durchgegangen? Mit Hilfe der verschiedenen Wegweiser und einem verschämten Blick auf die Karte verstehe ich endlich meinen Fehler. Ich bin doch tatsächlich den ganzen Tag durch das falsche Tal gegangen, also weiter nördlich als das richtige. Das Missgeschick passierte offenbar unmittelbar nach dem Verlassen des Hotels. Ich hätte nicht nur links sondern auch rechts blicken müssen, und dort hätte ich meine geliebten 3-er Schilder entdeckt.

Einmal mehr – was für ein Idiot!

Aber irgendwie finde ich es auch lustig. Es gibt nichts Besseres für das eigene Ego bzw. dessen richtige Einordnung als solche blödsinnigen Fehlleistungen. Das hat in meinem Fall nichts mit dem Alter zu tun, ich war diesbezüglich schon immer ein ziemlicher Vollpfosten!

Wie man sieht, kann man dasselbe Ziel auf unterschiedlichen Wegen erreichen und zwar ohne es zu merken. Dazu braucht es allerdings Blindheit, Regen, der die Kontrolle auf der Karte verunmöglicht, sowie eine gehörige Portion Gleichgültigkeit. Eine wichtige Voraussetzung für entspanntes Gehen und gelassene Geisteshaltung.

 

The path I did today
Diesen Weg habe ich heute genommen – ziemlich falsch

 

Nah am Glück

Zwei ältere Biker treffen ein, ziemlich schwer atmend, ich erkundige mich, woher sie kommen. Sie lachen sich halbtot, als ich ihnen mein Missgeschick erzähle, aber wir stimmen überein, dass solche Geschichten letztendlich das Salz in der Wandersuppe sind.

Nach der Hinderhöhi, die ich nach einer halben Stunde erreiche, geht es nun zügig abwärts, am Mattstock vorbei. Im HIntergrund ragt der Speer empor, sein Auftauchen am Horizont hätte das erste Warnsignal sein sollen. Und oh Wunder, es regnet nicht mehr.

 

Way down

Und endlich eine Sitzgelegenheit, eine hölzerne Bank mitten auf einer blühenden Wiese. Ich esse, trinke, atme tief durch, sinniere über die wechselhaften Einfälle des Lebens, und da, unerwartet und so willkommen, ausgerechnet nach diesem seltsamen Tag wieder einer dieser Momente, wo alles in vollkommener Balance ist. Näher am Glück kann man nicht sein.

 

My bench for picknick

Während im Tal der Löwenzahn, meine Lieblingsblume, längst verblüht und sich fallschirmmässig über die Wiesen ergossen hat, blüht er auf dieser Höhe noch immer in voller Pracht. Gibt es ein schöneres Bild für den Frühling als eine Wiese übersät mit blühendem Löwenzahn? Für mich nicht. Da kann sich jede noch so schöne Orchidee oder Rose schleunigst verziehen.

 

Blooming dandelion whole fields of dandelion

Wie befürchtet ist die Sesselbahn nach Amden hinunter nicht in Betrieb, als muss ich die letzten Abhänge auf teuflisch steilem und glitschigem Weg zu Fuss machen. Nach kurzer Zeit scheine ich gewachsen zu sein, denn an den Schuhsohlen hat sich eine dicke Schicht Dreck angesammelt, die das Gehen noch mühsamer macht. Immer wieder kann ich mich im letzten Moment auf den Füssen halten, Kühe am Wegrand finden es wieder mal hochinteressant, dem stolpernden und fluchenden Wanderer zuzusehen.

Im Hintergrund tauchen die Glarneralpen auf, ein Stück Walensee glänzt in der Tiefe. Ich bin fast da.

 

The Glarner Alps

Aber irgendwann ist das letzte Stück dieser unseligen Etappe geschafft, und tatsächlich, die Sonne ist aufgegangen, es wird schnell warm, eine Einladung, sich vor dem Café mit Bäckerei einen Kaffee mit Meitschibei zu gönnen. Selten hat mich diese Kombination in eine derart positive Stimmung gebracht.

 

A well-deserved Coffee

 

Übernachtung im Punjab

Das Hotel Schäfli hält eine Überraschung bereit, denn ich werde von einem waschechten Sikh begrüsst. Schon der erste Blick im Inneren zeigt eine wunderbare Vermischung von indischer und einheimischer Kultur. Aber im Moment interessiert mich nur eine heisse Dusche und anschliessend etwas zu essen.

Ich erkundige mich bei einem alten Freund, ob er Lust auf ein Bier mit mir hat, leider ist er aber momentan abwesend in den Ferien. Und so esse ich halt allein im Hotel Rössli. Und übrigens – draussen regnet es wie aus Kübeln (nur um die alte Tradition fortzusetzen, den Tag mit einer Regenmeldung zu beenden).

 

Song zum Thema:  Bob Dylan – Idiot Wind

Und hier geht es weiter … nach Siebnen

 

Laos

Westwärts Bangkok entgegen

Heute geht es Bangkok entgegen, also eine lange Fahrt quer durch Thailand.

Also früher Beginn, wieder mal ohne Frühstück. Die chinesischen Hotelbediensteten sind offenbar nicht auf frühe Gäste eingestellt, auf jeden Fall ist weit und breit nichts zu entdecken, was einem Frühstücksraum entsprechen könnte. Vielleicht gibt es schlicht keinen.

 

Nudelsuppe am Busbahnhof

Das Taxi kommt rechtzeitig und bringt mich zum in der Zwischenzeit sehr bekannten Busbahnhof. Die wartenden Reisenden sitzen in langen Reihen und starren stumm und müde und gelangweilt vor sich hin. Immerhin gibt es ein paar Restaurants, allerdings finde ich kein einziges, wo etwas Westliches angeboten wird. Die Busreise wird aber sehr lang sein, immerhin ist halb Thailand in einem einzigen Tag zu durchqueren. Ich brauche also dringend etwas zu essen.

Das einzige, was mir noch einigermassen akzeptabel erscheint, ist eine Suppe, es könnte sich möglicherweise um Nudelsuppe handeln. Das ist zwar nicht die Art Essen, die ich mir am frühen Morgen vorstelle, aber sie mundet gut und füllt den Magen. Die freundlich lächelnde Dame hinter dem Tresen ist auf jeden Fall hell begeistert, als ich ihr ein lobendes Nicken schenke.

 

Busbahnhof in Ubon
Müde Reisende warten auf die Abfahrt

Der VIP-Bus

Der VIP Bus (!) entpuppt sich als wirklich anders als die bisher kennengelernten in Laos. Neben jedem vorstellbaren Luxus von AirCon bis Toilette gibt es sogar eine Begleiterin, eine aufgedonnerte Matrone, die den Frühling des Lebens einige Jahre hinter sich gelassen hat. Sie macht einen ziemlich griesgrämigen Eindruck, der sich auch nicht bessert, als sie mir einen Platz zuweist, der mir ganz und gar nicht passt und ich auf einen andern im hinteren Bereich bestehe.

 

Bus nach Bangkok
Moderner Bus nach Bangkok
Bus Nr. 14
Dann also von Ubonratchathani nach Nakhonratchasima

600 Kilometer quer durch Thailand

Und so mache ich mich auf den letzten Trip dieser Reise. Er führt über eine Strecke von über 600 Kilometer quer durchs Land, eine lange, eintönige Fahrt von über acht Stunden durch die wenig abwechslungsreiche Landschaft auf einer schnurgeraden Autobahn Richtung Westen. Das ist zumindest der Plan, aber wie sich später herausstellt, können aus den acht Stunden noch ein paar dazukommen. Aber was soll’s, es ist die letzte Fahrt, sie könnte von mir aus ewig dauern.

Der anfänglich beinahe leere Bus füllt sich zusehens und ist nach kurzer Zeit bis auf den letzten Platz besetzt. Ein junger schüchterner Thai sitzt neben mir, Kopfhörer im Ohr, das Gesicht abwesend. Ich komme leider erst nach vielen Stunden, beinahe am Ende der langen Fahrt ins Gespräch mit ihm. Er hat seine Eltern besucht und kehrt nun nach Bangkok zurück, wo er an der Universität Maschinenbau studiert. Ein intelligentes Bürschen, er wird es weit bringen.

Manchmal hält der Bus, aber erstaunlicherweise steigt niemand aus. Nach etwa sechs Stunden ein Stopp, und wir werden an einer überdimensionierten Halle, die Platz für ungefähr zwei Millionen Leute hat, abgeladen.

 

Busstop
Wenig einladender Busstop

Es gibt einen Laden, ein Restaurant und unzählige Tische und Stühle, bereit für die Menschenmassen, die sich hinein entleeren. Es bleibt aber merkwürdigerweise sehr still, jedermann mampft an seinem Essen, bevor uns die hässige Matrone in den Bus zurückruft.

 

Rush-Hour vor Bangkok

Es ist kaum zu glauben, aber der sonntägliche Abendverkehr ist so dicht, dass die Ankunft massiv verzögert wird und wir tatsächlich erst um 19.00 ziemlich weit ausserhalb Bangkok eintreffen. Ich nehme ein Taxi, handle zwar den überhöhten Preis (Sonntag! Stau!) noch etwas herunter, aber ich bin mir bewusst, dass ich mit grosser Wahrscheinlichkeit trotzdem über den Tisch gezogen werde.

Und mein Verdacht, dass der Fahrer keine Ahnung hat, wo sich das Hotel Ibis befindet (da ich das Wort so sage wie bei uns üblich, also I-bis und nicht Ei-bis, versteht er mich nicht) bestätigt sich auch ziemlich schnell. Es braucht ein paar Anläufe, aber schliesslich landen wir doch noch im Ibis Riverside, am Ufer des riesigen Flusses gelegen, und ich bin sehr glücklich über das wunderbare Zimmer.

 

Hotel Ibis Bangkok Riverside
Hotel I-bis oder Ei-bis

PS Song zum Thema:  Fifth Harmony – I’m in Love with a Monster

Und hier geht’s weiter …

 

Laos

Bye-Bye Laos, Land des Lächelns

Die Küche ist am frühen Morgen bereits in Hochbetrieb. Sie macht einen ziemlich exotischen Eindruck, doch die Gerüche, die aus den Kochtöpfen in die Nase steigen, verstärken das Hungergefühl und machen Lust auf eine ausgedehnte Frühstückszeremonie.

Und tatsächlich – auch wenn das untenstehende Bild nicht unbedingt auf Köstlichkeiten hinweist – alles ist perfekt. Der Hotelbesitzer macht einen etwas müden Eindruck, was aber keinen Einfluss auf sein ewiges Grinsen hat.

Man muss ihn einfach gern haben, den alten Hallodri.

 

Küche
Eine etwas andere Küche als bei uns

Über die Brücke nach Thailand

Ja, und dann heisst es definitiv Abschied zu nehmen von Laos, vom Mekong, was mir ausserordentlich schwer fällt. Es gibt beinahe ein paar Tränen, als wir die Brücke überqueren und der Mekong zum letzten Mal hinter mir verschwindet.

Bridge between Laos and ThailandIch habe mich nicht nur in einen Fluss verliebt, sondern in ein Land. In seine Menschen.

In ihre Freundlichkeit, ihr Lächeln. Ihre Weise, mit dem Leben und dessen absonderliche Probleme umzugehen, ohne den inneren Frieden zu verlieren.

Das ist mehr als man erwarten kann. Ich werde zurückkehren.

Um auch meinen inneren Frieden aufzufrischen.

 

Über die Grenze

Aber der Blick geht nach vorne. Unerwarteterweise habe ich den ersten Bus nach Ubon über die thailändische Grenze erwischt. Die Fahrt dauert ein paar Stunden, aber ich kann sie nicht recht geniessen. Es ist doch immer das Gleiche: sobald man sich an einem Ort wohlfühlt, will man nicht mehr weggehen. Und trotzdem ist man sich bewusst, dass es unmöglich ist, dass man nicht hierher gehört, dass die Anziehungskraft des Ortes, wo man seine Wurzeln hat, langfristig stärker ist.

 

Mehr Geld, mehr Glitzerzeug, mehr Plastik, mehr Hektik, mehr Gier

Es gibt einen längeren Zwischenhalt an der Grenze zu Thailand. Die Unterschiede fallen sofort ins Auge, überraschenderweise nicht zugunsten von Thailand. Der vergleichsweise Wohlstand ist spürbar. Es gibt mehr Geld, das ist offensichtlich, aber auch mehr Glitzerzeugs, mehr Plastik, mehr Hektik, mehr Gier.

Was mir auffällt – die Kühe auf den Weiden einen weniger guten Eindruck als ihre Kollegen in Laos. Sie scheinen magerer zu sein, weniger gut betreut. Ich muss darüber nachdenken, um es zu verstehen.

In Ubon angekommen, nehme ich das gleiche TukTuk wie zwei ältere englische Damen, die einen sehr erfahrenen Eindruck machen. Auch wenn das angepeilte Krungtong Hotel etwas gar weit abseits des Zentrums zu liegen scheint, werde ich wunschgemäss abgeladen, für einen Preis von sagenhaften 10 Baht.

 

Krung Tong Hotel in Ubon
Das Krung Tong Hotel – kein Ort des Verweilens

Auf der Suche nach einem Busticket

Nach einer Dusche auf zum Bahnhof, um ein Ticket für die Bahnfahrt nach Bangkok zu kaufen. Denkste! Denn nun beginnt eine unglaubliche Odyssee, in deren Verlauf ich mehrmals durch die Stadt chauffiert werde.

Es beginnt beim dezentralen Bahnhof, auf der Karte als in der Nähe gelegen bezeichnet, was sich aber als Scherz des Autors erweisen sollte. Es gibt an der angegebenen Stelle keinen Bahnhof, hat nie einen gegeben, oder er befindet sich schlicht viel weiter entfernt. Niemand scheint je von einem Bahnhof an dieser Stelle gehört zu haben.

Meine diesbezüglichen Fragen werden von den zahlreichen Passanten mit einem höflichen, aber verständnislosen Lächeln beantwortet. Ja, ist es denn zu glauben! Die Leute sprechen zum Donnerwetter noch schlechter Englisch als die Laoten, und das will was heissen. Schliesslich erbarmt sich ein junger Thai und fährt mich in seinem alten klapprigen Toyota zum Hauptbahnhof. Dort gibt es allerdings keine Tickets, die sind nämlich schon seit Tagen ausverkauft.

Bleibt nur der Bus, also bringt mich mein Chauffeur zurück zum Busbahnhof, notabene denjenigen, an dem ich vor nicht allzu langer  Zeit angekommen bin. Und weil die Tickets bar bezahlt werden müssen und ich zuwenig Geld habe, heisst es eine Bank zu finden. Mangels Wechselgelegenheiten im Busbahnhof heisst es nun, ein Shopping-Center aufzusuchen, wo es eine Wechselstube geben soll.

Das entspricht der Wahrheit, allerdings bin ich geschätzte Nummer 144 in der langen Schlange vor dem Schalter. Der Blick fällt auf einen ATM Automaten, der mir das Geld im Nu wechselt. Der Blick meines Chauffeurs ist in der Zwischenzeit schon sehr mitleidig geworden, einen ATM hätte es auch beim Busbahnhof gegeben.

Der Abschied von meinem temporären Chauffeur ist wie immer etwas seltsam. Ist es beleidigend, wenn ich ihm was gebe für seine Mühe? Und falls ja, wieviel ist genug? Wie würde ich reagieren, wenn ich aus reinen Hilfsbereitschaft jemandem einen Dienst erweise und am Schluss mit Geld abgespeist werde? Ach Gott, diese Fragen sind schwierig und letztlich nur mit Instinkt zu beantworten.

Ich bin in der Zwischenzeit völlig ausgedörrt und hungrig. Allerdings gibt es in der unmittelbaren Nachbarschaft des Hotels weder ein Restaurant noch sonst was Gescheites. Ich decke mich also in einem kleinen Laden mit Essen und Trinken ein  (darunter sogar ein Magnum Glacé) und verbringe den Abend im Hotel. Das TV Programm ist ausschliesslich in unverständlichen Sprachen, also lese ich den Great Expectations zu Ende und bin gerührt und begeistert.

 

PS Song zum Thema:  Elton John – Border Song

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Laos

Wat Phou – Zu Fuss mit dem Fahrrad

Ein eigenartiger Tag, wie schon so viele, und trotzdem wieder anders.

Er beginnt mit dem Abschied von Don Khon, wehmütig wie erwartet, vor allem die letzte Fahrt zwischen den Inseln hindurch, der Blick zurück auf das Dorf erfüllen mich mit grosser Melancholie.

 

Zimmer auf Dom Khon  Letzte Fahrt durch Si Phan Don

 

Die Fahrt im Bus nach Norden nachdenklich, schweigend. Dann erreichen wir in Champasakh das Ufer des Mekong, da ist er in seiner alten gewohnten Form und Wildheit. Es dauert ein paar Minuten, bis wir ein Boot finden, das uns über den Fluss bringt, aber dann geht alles ruckzuck.

 

Der grinsende Hotelbesitzer

Am andern Ufer werden wir bereits erwartet: der im Guide beschriebene Hotelbesitzer ist tatsächlich da, mit breitem Lachen im pausbäckigen Gesicht und bringt ein brasilianisches Paar und mich in seine Prachtsvilla, die sich als heruntergekommenes, aber trotzdem irgendwie charmantes Etablissement entpuppt. Für eine Nacht ist es ok, auch wenn ich anfangs das Zimmer wechseln muss, da zu laut, zu dreckig, zu alles.

Die Terasse des Hotels liegt direkt über dem Mekong, meinem alten Freund, den ich schmerzlich vermissen werde. Seltsam wie man sich in etwas wie einen Fluss, grösstenteils stark verunreinigt und manchmal an eine riesige Kloake erinnernd, verlieben kann. Eines ist sicher – wir werden uns wiedersehen.

 

Wat Phou

Aber es wartet Wat Phou. Die laotische Variante von Angkor Wat.

Wat Phu ist ein ehemaliger Tempelkomplex der Khmer. Die erhaltenen Ruinen stammen aus dem 11. bis 13. Jahrhundert. Der Tempelbezirk Wat Phou und die zugehörigen altertümlichen Siedlungen in der Kulturlandschaft Champasak sind seit 2001 UNESCO-Weltkulturerbe. Wat Phu liegt in unmittelbarer Nähe am Fuße des Berges Lingamparvata und ist von Champasak aus über eine asphaltierte Straße zu erreichen.

 

Wat Phu
Blick auf die Ruinen von Wat Phu

Ich lehne also bei meinem Freund, dem ewig grinsenden Hotelbesitzer, ein Fahhrad aus. Es kommt mir von Anfang an etwas sehr gebraucht vor, so, als ob es kaum die  nächsten hundert Meter schaffen würde, doch mein Instinkt, der mir bisher zuverlässig potentielle Probleme vorhersagte, versagt heute. Aber schön der Reihe nach ….

 

Briefmarken auf der Post? … Heute nicht

Es gibt viel zu tun heute. Erster Schritt, die Post. Die Karte für meine Schwiegermama trage ich nun schon gefühlte drei Jahre mit mir herum. Heute ist also die letzte Gelegenheit, sie von Laos aus zu verschicken. Und tatsächlich – mitten im Dorf gibt es eine Poststelle.

Sie entpuppt sich als winziges Häuschen mit einer im Halbdunkel liegenden Theke, hinter der eine ganze Familie, zumindest drei Generationen umfassend, kauert. Ich ahne bereits das Unheil. Meine Frage nach Briefmarken (Briefmarken?) wird zwar nicht gerade mit Gelächter quittiert, aber ein gewisses mitleidiges Grinsen kann sich der Boss des Hauses nicht verkneifen. Es gibt heute keine Briefmarken, die sind erst wieder am Montag zu erhalten. Am Montag? Dann werden neue Briefmarken geliefert?

Überhaupt Briefmarken? In einer Post? Nur schon die Frage …

Es wird also nichts mit dem Versand des Feriengrusses aus Laos. Dann halt aus Thailand.

 

Eine gesuchte Person in der Bank

Nächster Halt, die Bank. Etwa 7-8 Personen sitzen im gut gekühlten Raum, haben ganz offensichtlich nichts zu tun und warten dementsprechend sehnlichst auf Kundschaft. Ich müsste also als potentieller Kunde sozusagen das Highlight des Tages darstellen, die Rettung in letzter Not. Aber weit gefehlt.

Der distinguiert gekleidete Boss heisst mich mit gestrenger Stimme zuerst mal meine Sonnenbrille abzunehmen. Ich denke zuerst an einen Scherz, aber nein, es scheint ihm ernst zu sein. Na gut, ich entschliesse mich, das Spiel mitzuspielen.

Irgendwas an meiner Person scheint ihm ganz und gar nicht zu passen. Acht Augenpaare starren auf eine Fotokopie, die sie immer wieder mit meinem Passbild vergleichen. Nun bin ich doch etwas irritiert und erkundige mich nach dem Grund für das seltsame Gebaren. Es dauert eine Weile, bis ich Auskunft erhalte. Offenbar wird ein Schweizer von der Polizei gesucht, dem ich eine gewisse Ähnlichkeit mit meinem Konterfei nicht absprechen kann.

Mein schallendes Gelächter überzeugt sie schliesslich doch noch von meiner Unschuld, und ich verlasse die Bank – den immer noch misstrauischen Blick des Bosses in meinem Rücken – mit einem angenehmen Gefühl des Triumphs. Und dem Cash natürlich …

 

Wat Phou bleibt ein Phantom

Das alles hätte Warnung genug sein müssen. Der Weg nach Wat Phou ist lang (8km), heiss und dank einer ewig langen Baustelle in sehr schlechtem Zustand, vor allem für ein Velo wie meines (wie hiess es doch in Wikipedia – eine gut asphaltierte Strasse?).

Als die Fahrradkette am Hinterrad das erste Mal rausfällt, denke ich mir noch nicht allzu viel. Sie ist schnell wieder an ihrem angestammten Platz, was mich dummerweise wieder mal in falscher Sicherheit wiegt. Die Vorfälle wiederholen sich allerdings in beunruhigender Kadenz. Wieder raus, wieder rein, auch kein Wunder bei diesen Strassenverhältnissen. Aber dann geschieht das Unabwendbare: die Kette springt am vorderen Zahnrad raus, und ich bin am Arsch. Ohne Werkzeug ein Ding der Unmöglichkeit, das Problem zu lösen.

Ich habe Glück im Unglück, denn ich bin sozusagen in der Zivilisation gelandet. Ein Friseurladen ist ganz in der Nähe, also lasse das Velo nach kurzer Überlegung dort stehen, und nehme den Weg zu Fuss in Angriff. Es ist nun noch heisser geworden, noch mühsamer.

Und es ist auch schon ziemlich spät, die Sonne steht bereits ziemlich tief am Horizont. Meiner Schätzung nach sind es noch mehrere Kilometer bis zum Wat Phou, es dürfte also bereits einnachten, wenn ich dort bin. Der Entschluss aufzugeben, fällt mir zwar nicht leicht, aber es ist vernünftig.

 

Wat Phou Ruins
So hätte es ausgesehen, wenn ich es gesehen hätte …

Und so stosse ich etwas später also mein havariertes Velo grummelnd nach Hause. Es ist ziemlich mühsam auf der im Bau begriffenen Unterlage. Zu meiner Überraschung hält der eine oder andere Vorbeifahrende an, um sich erkundigen, ob Hilfe benötigt wird. Ein Einheimischer versucht alles, doch ziemlich vergeblich. Ich bin trotzdem gerührt ob der spontanen Hilfeleistung.

Auch ein älterer Japaner bekundet Mitleid mit dem bedauernswerten Velofahrer zu Fuss und begleitet mich ein paar Kilometer. Sein Englisch ist sehr gut, und ich muss gestehen, dass ich in kurzer Zeit mehr über Japan erfahre als all die Jahre zu vor.

Es dauert also seine Zeit, bis ich endlich im Hotel ankomme. Der Hotelbesitzer krümmt sich vor Lachen, als ich ihm von meinem Missgeschick erzähle. Zumindest erlässt er mir die Kosten für die Vermietung und ist ziemlich stolz darauf.

Das Nachtessen nehme ich in einem gegenüberliegenden Restaurant ein, eine Pizza, gar nicht mal schlecht. Und dann begebe ich mich zur Ruhe nach dem ereignisvollen Tag, zur letzten Nacht in Laos.

 

PS Song zum Thema:  Apparat ft. Soap & Skin – Goodbye

Und hier geht die Reise weiter …