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Südamerika

Von Cusco nach Lima

Während der langen Nachtsstunden ist im Bus nur das leise, gleichmässige Summen des Motors zu hören.

Manchmal ächzt ein Sessel unter den schwerfälligen Bewegungen eines Schläfers, manchmal kaum hörbares Atmen oder Schnarchen oder Stöhnen. Der Bus zieht seine Bahn, beinahe lautlos, kontrolliert durch die (hoffentlich) wachen Augen des Chauffeurs, über Berge und Pässe, im Dunkel unsichtbar, entlang endloser weiter schnurgerader Strassen.

 

 

Tote Welt

Die ersten Schimmer des Morgens erscheinen beinahe unbemerkt. Ich ziehe den Vorhang zur Seite und schaue mit verklebten Augen aus dem Fenster. Die Nacht ist noch überall und dort, wo das erste Licht der Dämmerung hinfällt, wirkt sie noch bedrohlicher. Doch allmählich, mit dem Einbruch des Tages, verändern sich die Schatten, verblassen und vergehen.

Eine tote Welt taucht auf, menschenleer, immer noch auf gut 4000 Metern, graugrüne Hügel, aber kein Baum, kein Strauch, nur Felsen und Steine und blassgrünes Gras. Der Bus fährt schnell, windet sich durch tausend Kurven, entlang Abgründen, entlang Flüssen. Doch nirgends ein Lebenszeichen. Tote Welt, wie gesagt …

 

Frühstück ohne Kaffee

Es dauert aber noch eine ganze Weile, bis Unruhe einsetzt, die ersten Vorhänge zur Seite gezogen werden, dann ein Schnaufen und Husten und Räuspern. Ganz wie zuhause. Wir haben gemäss Fahrplan die erste Hälfte geschafft, doch irgendwie zeigt der Blick auf Google Maps, dass der Rest bis Lima sich noch eine ganze Strecke hinzieht. Mal sehen. Pünktlich um acht versorgt uns die nette Begleiterin mit dem Frühstück, aber – oh Gott! – kein Kaffee! Wie soll man diesen Tag überstehen?

Ich frage mich, wie oft die Dame diese hochanstrengende Aufgabe macht. Auch sie schläft in einem der Sitze ganz zuhinterst, wird aber wahrscheinlich jedes Mal geweckt, wenn jemand während der Nacht auf die Toilette geht. Ich bin sicher, dass wir nach dem Trip ziemlich geschafft sein werden, aber das Mädel macht den gleichen Trip möglicherweise kurz danach erneut, einfach in umgekehrter Richtung. Ich werde sie fragen, ob sie wie eine anständige Stewardess (das heisst zwar heute nicht mehr so) eine gewisse Ruhezeit zugebilligt erhält. Ich hege grosse Zweifel daran.

 

Nazca

Und so geht die Reise weiter, Google Maps zeigt den Verlauf, die Höhenanzeige die Höhe, und meine Muskeln und Knochen die angesammelte Müdigkeit. Irgendwann nach weiteren Stunden verliert der Bus an Höhe, ziemlich schnell sogar, wahrscheinlich würde man vor dem Fenster das Meer riechen. Es dauert aber noch eine ganze Weile bis dahin.

Zuerst erreichen wir Nasca, die Ebene mit den berühmten Sand-Zeichnungen, die nur aus grosser Höhe erkannt werden können und von Däniken zur Millionen-Idee inspirierten, dass Aliens ihre Hand (oder was auch immer) im Spiel gehabt haben müssen. Für mich auch die Erinnerung an einen unvergesslichen Flug mit einer Uralt-Cessna; auch diese Geschichte ist andernorts bereits erzählt worden.

 

Nazca - pictures from high up
Scharrbilder in Nazca

 

Eine braune nasse Welt

Einen Augenblick lang taucht der erschreckende Gedanke auf, ob die verheerenden Regenfälle auch diese Gegend heimgesucht haben könnten. Das wäre ein für alle Mal das Ende der Zeichnungen. Sie haben nur überlebt, weil in dieser Gegend sozusagen nie Regen fällt. Mit dem Klimawandel ist aber auch diese Sicherheit in Frage gestellt.

Die ersten Anzeichen der Regenfälle sind wiederum einige Stunden später zu sehen. Brücken führen über Bäche und Flüsse, die normalerweise wahrscheinlich kaum Wasser führen. Jetzt winden sich braune Fluten durch enge Bette oder auch mal neben ihnen durch, der Bus muss langsam fahren, auch mal anhalten, sozusagen Atem holen für die Durchfahrt über die überfluteten Strassen. Und wir sind uns bewusst, dass das hier nichts, NICHTS, im Vergleich zu dem ist, was sich nördlich Lima abspielt.

 

a brown desertlike plain in Peru
Braune nasse Wüste
Brown desert in Peru
Kilometer um Kilometer nichts oder fast nichts, dann ein Dorf inmitten von Wüste …
Brown desert in Peru
Mars wiedermal?
Brown desert in Peru
Nur braun und blauer Himmel

Lima

Die Stunden verdämmern, achtzehn an der Zahl sind längst vorbei, dann zwanzig, und erst als die Uhr gegen 23 Stunden zugeht, erreichen wir die Vororte von Lima.

Die Busstation liegt wie üblich am Stadtrand. Das Taxi bringt den leicht erschöpften Passagier an die angegebene Adresse, der Geist ist bereits mit Duschen, etwas Kleines essen und dann nur noch schlafen beschäftigt, da erreichen wir die Adresse, und einmal mehr, Himmelarschnochmal, ist da kein Hotel, kein Name.

Das hatten wir doch schon mal, lang ist’s her in Montevideo, auch hier nützt Läuten und Klopfen nichts, und einmal mehr bin ich dem Taxichauffeur dankbar, dass er mich an diesem ungastlichen Ort nicht einfach stehen lässt, sondern mich zu einem anderen Hotel bringt.

Es ist zwar eine Abzockerbude par excellence, der Hotelbesitzer (oder was auch immer der Kerl ist) griesgrämig, das Zimmer winzig und spartanisch und kostet trotzdem 40 Dollars. Ist mir aber sowas von schnuppe, ich will nur noch eine Dusche, etwas essen, eben …

 

Kilometerstand: 5803

Song zum Thema:  Freur – Riders in the Night

Und hier geht die Reise weiter … in den Norden Perus

 

Südamerika

Cusco – Ein Fest der Indios

Heute Abend steht eine Herausforderung der besonderen Art an, die Fahrt nach Lima.

Das Ticket bei ‚Cruz del Sur‘ ist gebucht, Abfahrt um 14.00, Reisedauer 18 Stunden. Das wird ein Spass.

Allerdings machen mir die Nachrichten aus dem Norden von Peru etwas Sorgen. Die Bilder am Fernseher erinnern an den Tsunami 2004, schlimme Szenen, die sich da vor unseren Augen, live gefilmt, abspielen. Irgendwie drängt sich da ein unangenehmes Gefühl zur bevorstehenden Busfahrt ein. Aber wir werden sehen …

 

Zackige Marschmusik

Auf der leidigen Treppe, die ich heute besonders vorsichtig nehme (Viejo!), hört man schon von weitem zackige Marschmusik, Lautsprecherdurchsagen, Applaus.

Irgendwas besonders muss da los sein. Tatsächlich, vor der Kathedrale hat sich eine grosse Menschenmenge versammelt. Auf einem überdachten Podium stehen offenbar wichtige Leute aus Politik, Wirtschaft und Armee; in enge Uniformen und Anzüge gezwängt, stehen sie in Achtungsstellung da und starren ernsten Blickes auf ihre Untertanen herab. Eine Parade Soldaten zieht eben strammen Schrittes vorbei, dann ergreift der erste Redner das Mikrofon.

 

Big Parade
Es wird geredet und gesungen, falscher als jede Fussballmannschaft bei der Hymne …

A lot of VIPs

 

El Dia de los Artesanos

Es wird nun sehr martialisch, eine nationalistische Parole folgt der nächsten.

Anyway, irgendwann wird der eigentliche Grund klar. Es ist der Tag der Artesanos, der verschiedenen Handwerker aus dem ganzen Land. Unzählige, in ihre wunderbaren Trachten gekleidete Gruppen, ziehen am Podium vorbei, werden heftig beklatscht und von den hunderten (tausenden?) von Zuschauern fotografiert und gefilmt.

Der Internationale Tag des Handwerks wird jedes Jahr am 19. März gefeiert. Es ist ein Tag, an dem die Arbeit jedes einzelnen Kunsthandwerkers gewürdigt wird. Er fällt zeitlich mit dem in der katholischen Religion gefeierten St. Josephs-Tag zusammen. Josef, der Ehemann der Jungfrau Maria, war ein Zimmermann und Handwerker, deshalb wird dieser Tag als Tag der Handwerker gefeiert.

 

artisans' day 1

artisans' day 2artisans' day 3artisans' day 4

 

Abfahrt, leicht verspätet

Nach dem Checkout im Hotel (ich muss noch eine zerbrochene Lampe bezahlen, die ich bei der Jagd auf eine lästige Fliege in tausend Stücke zerschlagen habe), die Fahrt zum Cruz de Sur Terminal, wo ich Punkt 13 Uhr, so wie auf dem Ticket angeordnet, vor dem Counter stehe, und erst mal eine kalte Dusche erhalte.

Die nette junge Dame, die ich nach ein paar Sekunden bestenfalls noch jung finde, teilt mir mit freundlichstem Blick mit, dass sich die Abfahrt des Busses auf 18 Uhr verschoben hat. „Como?“ Es muss wohl etwas lauter und ärgerlicher geklungen haben als normal, denn das Fräulein zuckt merklich zusammen und stottert eine Entschuldigung.

Damn it! Sie kann ja nichts dafür, aber das merkwürdige präkognitive Gefühl dieses Morgens hat sich bestätigt. Die Huaicos, die Überschwemmungen, sind der Grund. Später erscheint mir aber der Grund, dass der 14-Uhr Bus durch Unterbuchung mit dem 18-Uhr Bus zusammengelegt wurde, als plausibler. Aber was soll’s, und so verbringe ich den Nachmittag halt andersweitig, fluche ein bisschen mit anderen Betroffenen, trinke einen Kaffee nach dem anderen, und warte und warte …

 

Aber dann ist er da, der Bus

Der Bus, der dann endlich eintrifft, ist einmal mehr, allererste Sahne.

Muss er auch sein, denn wie soll man sonst eine zwanzigstündige Fahrt überstehen. Jeder Sitz hat ein eigenes Display, Ladestationen für Handys, Nachtessen, Frühstück, Wolldecken, Kissen …

Die Passagiere, wie immer ein nationenübergreifender Mix, machen es sich bequem, doch bei der Abfahrt Punkt 18.00 ist es bereits so dunkel, dass sich kaum mehr ein Blick aus dem Fenster lohnt. Also zurücklehnen, Film auswählen, etwas essen, langsam hinüberdämmern …

 

Kilometerstand: unbekannt

Song zum Thema: Lee Dorsey – Working in the Coalmine

Und hier geht die Reise weiter … nach Lima

 

Südamerika

Cusco – Die Stadt der Inkas

Cusco ist das absolute, unumstrittene Highlight Perus. Im Gegensatz zu anderen Orten kann ich mich gut daran erinnern.

Auf der Skala von 1 bis 10 bezüglich touristischer Ausprägung erhält die Stadt mindestens eine Elf, und ist in diesem Fall durchaus positiv gemeint. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit einer der interessantesten und attraktivsten Orte Südamerikas. Und ich bin sicher, dass es mich nicht enttäuschen wird, auch wenn der touristische Zahn der Zeit, wie beispielsweise in Machu Picchu, vieles verändert oder zerstört hat.

 

Viejo?

Nach dem Frühstück (ich scheine der einzige Gast im „El Mirador de Santa Ana“ zu sein) mache ich mich auf in die Stadt hinunter.

Die Dame an der Reception rät mir, für den Rückweg ein Taxi zu nehmen. „Porque?“ „Es muy duro, Viejo!“ „Viejo“? Sagte sie das wirklich? Das erinnert mich doch irgendwie an Burma („You trekking? Yes, why? … You old!“). Aber in einem Punkt hat sie recht. Die Treppe hinunter in die Stadt hat es tatsächlich in sich. Und ein paar Stunden später, nämlich auf dem Rückweg, wird mich ihre Warnung auf schmerzliche Weise einholen …

 

Stairs to my hotel
Die verhasste Treppe hinauf zu meinem Hotel

 

La Plaza de Armas

Cusco ist nicht die einzige Stadt Südamerikas, deren Hauptplätze mit kriegerischen Namen benannt und voll von ebenso kriegerischer Helden sind. Im Unterschied zu anderen Orten stehen hier aber nicht irgendwelche Generäle im Licht der Bewunderung, sondern Helden des Inkareichs, getäuscht und verraten von den spanischen Konquistadoren unter der Führung von Francisco Pizarro.

Nach der erfolgreichen Bewältigung der Treppe stehe ich mitten auf der Plaza de Armas, dem Zentrum der Stadt, einstmals einer der heiligen Orte des untergegangenen Inkareiches.

 

Plaza de Armas in Cusco
Plaza de Armas
Túpac Yupanqui?
Túpac Yupanqui?
Cathedral Basilica of the Assumption of the Virgin
Kathedralbasilika der Jungfrau Maria Himmelfahrt

Dass es hier von Touristen geradezu wimmelt, ist verständlich, denn wenn es in Peru einen Ort gibt, der garantiert in jedes touristische Angebot gehört, dann Cusco. Von hier aus sind die wichtigsten Orte des Inkareiches zu erreichen, darunter natürlich der der wichtigste, Machu Picchu.

Die meisten Touristen sind junge Backpacker, aber auch zahlreiche ältere Semester, vorzugsweise organisiert unterwegs. Das erkennt man nicht nur an den Gruppen und ihrem nicht sonderlich gut englisch/deutsch/japanisch/whatever sprechenden Guide, sondern auch an den typischen, irgendwie misstrauischen Blicken. Im Gegensatz zu den Backpackern sind sie nicht an die potentiellen Unabwägbarkeiten des Reisens gewohnt und wittern an jeder Ecke irgendwelche Halunken, die ihnen das letzte Hemd ausziehen wollen.

 

Das Inkareich

Immer, wenn man vom untergegangenen Reich der Inkas spricht, denkt man an Cusco, die einstige Hauptstadt des damaligen Riesenreiches, das sich über eine Fläche von knapp einer Million Quadratkilometer zog und neben Peru Teile von Bolivien, Chile, Argentinien, Equador und Kolumbien umfasste.

Man kann es vergleichen mit anderen Imperien der damaligen Zeit. Eine Hochkultur, die seltsamerweise weder das Rad noch ein Schriftsystem noch die Verarbeitung von Eisen oder Stahl kannte und trotzdem zu einem unfassbar grossen Reich wuchs, das in unfassbar kurzer Zeit vollkommen zerstört wurde.

 

Inca Empire
Inka Reich

 

Cusco – Hauptstadt des Inkareiches

Wenn man bedenkt, welches Schicksal die Stadt erdulden musste, hat Cusco nichts von ihrer zeitlosen Schönheit eingebüsst. Nicht nur die Eroberungskämpfe und Plünderungen der Spanier unter Franscisco Pizarro, auch Erdbeben und andere immer wiederkehrende Schicksalsschläge haben die Stadt zwar beschädigt, aber nicht zerstört.

Sie ist die Perle auf dem Altiplano geblieben, die sie immer war.

Heute ist Cusco immer noch die Hauptstadt der gleichnamigen Region und der Provinz Cusco im Zentrum des peruanischen Andenhochlandes. Sie liegt in 3.416 m Höhe und hat im Ballungsraum über 400’000 Einwohner. Kein Wunder wurde sie 1983 in die Liste der UNESCO-Welterbestätten aufgenommen.

Die Geschichte der Stadt ist lang und voller Tragik. Irgendwann im 13. Jahrhundert gegründet, entwickelte sie sich zum Zentrum des Inkareiches und Ausgangspunkt der schnellen Expansion des Inkareichs unter verschiedenen Inkas. Dem Einfall der Spanier im Jahre 1532 ging ein mörderischer Bürgerkrieg voraus, angefacht durch die beiden verfeindeten Inkabrüder Atahualpa und Huascar.

Doch kaum war der Bürgerkrieg mit dem Sieg Atahualpas an sein Ende gelangt, drohte eine neue, viel schlimmere Gefahr in Gestalt eines spanischen Conquistadors, der mit einer bescheidenen Truppe von knapp 200 Soldaten das Ende des glorreichen Inkareiches einläutete. Dass dabei die vergleichsweise Naivität der Inkas dem Verrat und der von vermeintlicher Gottesfurcht geprägten Brutalität der Spanier nichts entgegenzusetzen wussten, ist historisch gesehen eine Schande der damaligen eurozentrischen Kolonialisierungspolitik.

Aber eben, zumindest hat Cusco die Irrungen und Wirrungen der verrückten Zeit einigermassen schadlos überstanden. Ein Gang durch die Plätze und Gassen zeigt die unvergleichliche Schönheit der Stadt und des Erbes der Inkas.

 

Cuscos Inca Inheritance
Ein Mix aus Inka- und Spanienkultur
Forts and walls and towers
Wuchtige Mauern und Türme
playful house fronts
Verspielte Hausfassaden
mighty forts
Mächtige, wuchtige Wälle

 

La Piedra de los 12 Angulos

Wenn ich mich an etwas garantiert erinnere, dann an den zwölfeckigen Stein, „la piedra de los 12 angulos“, in der alten Inkamauer.

Man muss sich das so vorstellen, dass die Inkas riesige Steine mit unvorstellbarem Gewicht auf eine Weise bearbeiteten, dass auch die grössten und schwersten exakt in- und aufeinander passten.

Der grösste von ihnen hat zwölf Ecken, und zu all den umgebenden Steinen besteht nicht der geringste Zwischenraum. Die Fugen sind so eng, dass nicht der kleinste Finger hineinpasst. Wie die Inkas das geschafft haben, ist unbekannt.

Spannend dabei ist ja, dass sie in vielerlei Hinsicht kulturelle und bauliche Highlights schufen, die unerreicht sind, trotzdem aber versäumten, das Rad, möglicherweise die wichtigste Erfindung früherer Zeiträume, zu erfinden. Was möglicherweise – nebst allerhand politischer Naivität – einer der Gründe für ihre Niederlage gegen die Spanier war.

 

a small road leads to the famous wall
Eine schmale Strasse führt zur berühmten Mauer
each stone fits perfectly
Jeder Stein passt perfekt
The Stone of the 12 Angles
Der berühmte Stein mit den 12 Ecken

Man hat keine Mühe, die alte Inkamauer (auf der heute ein banales Gebäude steht) zu finden, denn dort, wo sich vor einer von weitem unscheinbaren Mauer dichte Trauben von Touristen sammeln und wie wild Fotos und Selfies schiessen, da ist der besagte Stein. Einmal mehr versucht man sich vorzustellen, wie die Inkas das geschafft haben. Auf jeden Fall Hut ab vor einer unglaublichen Meisterleistung!

 

Das touristische Cusco

Man geht durch Strassen und Gassen, gesäumt von unzähligen Läden, die alle das exakt gleiche Sortiment an farbigen Taschen und Mützen und Handschuhen und Pullovern aus Alpacawolle anbieten, aber auch durch abgelegene, stille, wo ein paar Indiofrauen ihre Produkte anbieten. Dass das wunderschöne knuddlge Lama dabei eine gewisse Rolle spielt, ist nicht verwunderlich. Auf jeden Fall scheint der Trick zu funktionieren.

 

Indio women with lama
Indio Frauen mit Lama
even more women and lamas
… und noch ein paar
same same stuff everywhere
Aber das gleiche Angebot
one of the touristy roads
eine der vielen Gassen, wie geschaffen für die Touristen
a small square with market
Ein kleiner Platz mit Markt

Obwohl fern davon, mir etwas kaufen zu wollen, tut es mir einer dieser selbstgestrickten Pullover trotzdem an. Allerdings ist er mir mindestens drei Nummern zu klein, also muss ich diesen Kelch (vielleicht zum Glück) an mir vorübergehen lassen (und alle meine Versuche, etwas Ähnliches zu finden, scheitern kläglich).

 

Der Weg zurück – die elende Treppe

Gegen Abend – es wird schnell kälter, sobald sich die Sonne verzieht – der langsame Rückweg ins Hotel. Das stetige stundenlange Auf und Ab hat bei meinem Lieblingsknie offenbar Spuren hinterlassen, denn auf der Treppe hinauf in die oberen Gefilde, diesem Horrorgebilde aus tausend Stufen, jede in unterschiedlicher Höhe, spüre ich zum ersten Mal seit langem echte Schmerzen. Verdammt!

Und damit schwindet wohl endgültig die naive Vorstellung, dass die Wärme und die Ruhe und viel Bewegung während der Reise mein Knie wieder in Ordnung bringen. Weit entfernt davon …

 

Kilometerstand: 4665

Song zum Thema:  The Stooges – Search and destroy

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südamerika

Von Puno nach Cusco

Der Taxichauffeur steht Punkt Viertel vor sieben vor der Tür, ein kurzes ‚Hasta Luego‘ und weiter geht’s. Der heutige Tag wird sich nicht gross vom gestrigen unterscheiden, eine lange Fahrt durch eintönige Landschaften, wo manchmal während Stunden kein lebendiges Wesen zu sehen ist.

 

Reisen wie im Flugzeug

Heute habe ich mir ein besonders luxuriöses Busunternehmen ausgesucht: Cruz del Sur. Teuer, aber top! Das ist ein Riesenbus, neueste Technologie, ausgestattet nicht nur mit Cama-Sitz, sondern wie bei einem Flugzeug mit eigener Unterhaltungselektronik. Filme, Musik, Nachrichten, Bücher … Alles da.

Das wird, falls die Aussensicht eintönig sein sollte, eine unterhaltsame Fahrt werden.

 

Goodbye Puno
Puno fällt hinter uns zurück, im Morgenlicht glänzend

 

Braungrüne, verlassene Landschaften

Und das wird sie auch. Allerdings wäre es schade, die wunderbare Landschaft vor dem Fenster zugunsten von zum Beispiel ‚Jason Bourne‘ sausen zu lassen. Die Fahrt ist alles andere als eintönig, aber das ist natürlich Geschmackssache.

Eigentlich kennen wir die Bilder, die braungrünen Ebenen mit ein paar verstreuten Hütten und Dörfern, am Horizont verschneite Berggipfel, manchmal eine Herde Lamas, friedlich weidend, dann wieder ein Dorf, eine grössere Stadt.

 

deserted landscape
Manchmal ein paar Hütten …
snowtopped mountain ranges
… schneebedeckte Berge …
a few houses behind a wall
… ein paar Häuser …
who lives here?
… und noch ein paar

 

Ein Dorf auf dem Weg

Manchmal taucht tatsächlich ein Dorf aus der rauen Landschaft, ganz überraschend, aber sehr willkommen. Die Strassen sind versumpft wie in einem alten Sergio Leone Western, fehlen nur noch Clint Eastwood und Lee Van Cleef …

 

Village as in a western movie
Wie bei Leone, aber ohne Pferde

dirty roads

 

Und was vor allem auffällt – es ist hier eine ganz besondere Art von TukTuks zu bestaunen. Sie sind auch dreirädrig, aber mit geschlossenem Dach und einheitlicher blauweisser oder rotweisser Bemalung. Man möchte sich sofort hineinsetzen und den Rest der Strecke nach Cusco gefahren werden.

 

TukTuks pervian style
TukTuks wie in Asien, oder beinahe …

 

Cusco

Nach über 350 Kilometern erreichen wir Cusco, genau nach Fahrplan.

Mein Hotel liegt am Abhang oberhalb der Stadt. Es ist schon ziemlich kühl, was sich in den nächsten Stunden noch zu einer weiteren schmerzlichen Erfahrung ausweiten wird. In der Nähe gibt es eine Pizzeria oder sowas Ähnliches, und so bleibt mir für diesen Abend der Gang hinunter in die Stadt erspart.

Die Pizzeria bietet allerdings an diesem Abend alles an, nur keine Pizza. Es ist ein seltsamer kleiner Laden, nur ein paar ziemlich schmutzige Tische, eine Küche, kleine Kinder, die am Boden spielen, aber eine Menükarte, ebenfalls schmutzig und mit einem Angebot, das in keinster Weise mit dem gedruckten übereinstimmt.

Egal, ich entscheide mich mit etwas Besorgnis für ein ‚Filet Milanese‘ und erhalte tatsächlich einen Riesenteller voll mit Reis, Pommes Frites, Tomaten, Salat und einem Stück Fleisch, das tatsächlich irgendwie so etwas wie Milanese sein könnte.

Auf jeden Fall schmeckt es gut, ein junger Mann setzt sich an den Nebentisch, beginnt ein Gespräch mit mir, während er schmatzt und kaut und jedem Chinesen in Sachen unanständig Essen alle Ehre machen würde …

Zurück im Zimmer erwartet mich eine Kälte, die es in sich hat. Diese Zimmer haben keine Heizung, weiss der Henker warum. Es wird von Minute zu Minute kälter, und so bleibt gar nichts anderes übrig, als sich schon um acht unter die Decke zu verkriechen und sich ‚Harry Potter und der Stein der Weisen‘ zum hundersten Mal anzusehen …

 

Kilometerstand: 4665

Song zum Thema: Annie Taylor – Where the Grass is greener

Und hier geht die Reise weiter …