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Südostasien

Kambodscha – Und plötzlich diese Stille …

Nach dem abendlichen Spaziergang dem Meer entlang, mit einer unendlichen Auswahl an Seltsamkeiten, an unerwarteten und nie zuvor gesehenen Anblicken, wurde es spät. Aber jetzt erwartet mich eine weiterer, allerdings weniger erfreulicher Anblick.

 

Und wieder ein Höllenritt

Ich bin zwangsläufig schon um sechs wieder auf Achse, einmal mehr mit schwerem Kopf und leerem Magen. Man bringt mich mit dem Motorrad zum Reisebüro. Ich bin der festen Meinung, dass diese paar hundert Meter mit Abstand die gefährlichsten fünf Minuten der bisherigen Reise sind. Dass dem mitnichten so ist, werde ich in Kürze erfahren, aber dazu später.

 

Panoptikum

Vorerst geht es darum, ein weiteres Mal mal zu warten, und wieder öffnet sich meinem staunenden Blick ein Panoptikum der seltsamsten Gestalten. Eine Opera Buffa, genannt Daily LIfe, die sich hier und überall sonst abspielt. Mit vielen kleinen und grossen Dramen, vielen Komödien und erstaunlich wenig Tragödien (zumindest nicht sichtbaren). Und es scheint, dass auch dieser Tag wieder ein paar besondere neue Leckerbissen bereithält.

Ein rüstiger alter Herr fährt vorbei, ebenfalls noch im Pijama, seitwärts auf einem seltsamen dreirädrigen Töff sitzend und dabei allen Bekannten begeistert zuwinkend. Und dann steht plötzlich und unerwartet diese alte Lady vor mir, ihr rundes Gesicht in unzähligen Falten zerknittert. Sie streckt mir ein Bündel Lose hin. Auf mein bedauerndes Nein hin öffnet sie ihren Mund, in dem absolut kein einziger Zahn mehr zu sehen ist, zu einem der schönsten und charmantesten Lächeln, das ich in langer Zeit gesehen habe. Es hätte nicht viel gefehlt, und ihr Bündel Lose hätten den Besitzer gewechselt.

 

Und noch ein Höllenritt am frühen Morgen

Ja, und dann werde ich wieder auf ein Motorrad verfrachtet, Rucksack auf dem Rücken, das Daypack über der Brust, Helm auf dem Kopf, die Hände krampfhaft um die seitlichen Halterungen geschlungen, und dann beginnt der mit Abstand wildeste Höllenritt meines Lebens.

Ich bin mich ja in der Zwischenzeit einiges gewöhnt, allerdings immer aus der Perspektive des kopfschüttelnden Zuschauers, doch diesmal bin ich Teilnehmer am tollkühnen Spiel, offenbar einer aktuellen Version von “Grand Theft Töff 5″. Der Fahrer – ein junger Bursche von knapp Zwanzig – will dem Westler offenbar zeigen, wo Bartli den Most holt, denn sein Bleifuss scheint tatsächlich nur das Gaspedal zu kennen, das er die ganzen Kilometer durchgedrückt hält.

 

Paris-Dakar-Rallye

Er überholt Lastwagen, Busse, Traktoren, Motorräder, Fahrräder, Traktoren mit dröhnenden Zylindern und knatterndem Auspuff. Er weicht mit eleganten seitlichen Schlenkern Fussgängern und anderen Hindernissen aus, alle paar Minuten – die längsten meines Lebens – schrammen wir um Haaresbreite an entgegenkommenden Fahrzeugen vorbei.

In einem dieser Momente stelle ich fest, dass ich das Atmen eingestellt habe. Die Bodenwellen tun ihr ihriges, denn jedes Mal, wenn er darüberprescht, als gälte es die Paris-Dakar-Rallye zu gewinnen, schlagen die Stossdämpfer bis zum Anschlag durch. Eine Hoch auf meine Bandscheiben. Irgendwie sind wir aber plötzlich da, ein Bremsen, eine Staubwolke, ein Durchatmen, und das Abenteuer ist überstanden, überlebt.

 

Niemandsland

Zwischen den beiden Grenzposten ist Niemandsland, also auch irgendwie ausserhalb der Gesetze liegend, und so entstehen hier Casinopaläste. Riesige, geschmacklose Bauten, die wohl an Las Vegas orientiert sein sollen. In ihrer Billigkeit manifestieren sie nur, dass es lediglich darum geht, den Kunden auf möglichst einfache und schnelle Weise das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Valentino Rossi schleust mich in der Zwischenzeit durch die Zollabfertigung, doch seltsamerweise interessiert sich kein Schwein für mich, weder auf der vietnamesischen noch auf der kamobschanischen Seite. Nachdem sich Rossi mit einem letzten triumphierenden Grinsen verabschiedet hat, merke ich, dass ich in Kambodscha bin, Stempel im Pass, und heureka! wieder ein neues Land.

 

Und plötzliche diese Stille

Und das neue Land löst zunächst mal einen kleineren Schock aus. Waren es auf der vietnamesischen Seite tausend Vehikel, Millionen von Menschen, Lärm und Hektik, dann ist es hier eine plötzliche und unerwartete Stille. Eine Strasse liegt vor mir, schmal, löchrig, auf beiden Seiten von ausgedörrten Feldern umgeben, und es ist kein einziges Fahrzeug zu sehen.

Kein Mensch weit und breit, kein Lebenszeichen, sieht man von ein paar ausgemergelten Kühen ab, die im graslosen, zu Beton gebrannten Boden nach etwas Essbarem suchen. Ich bin allein in einem abgewrackten Minibus, ein dunkelbrauner Fahrer, offensichtlich ein Khmer, hat mich mit kurzem Nicken begrüsst. Er fährt mich nach Kep, wo mein heutiges Tagesziel liegt. Während er in gemächlichem Tempo die schnurgerade, immer noch absolut leere Strasse abfährt, verweilen meine Blicke, ungläubig und betroffen, auf der Landschaft. Hundert Gedanken schwirren im Kopf, die Vorstellung eines dunkeln Schattens, der wie Mordor über einem Land liegt, lässt sich nicht verdrängen …

 

Kep

Die Fahrt dauert nicht lange, es sind lediglich 25 Kilometer, und nach einer halben Stunde erreichen wir Kep. Die üblichen TukTuks erwarten mich auf dem Hauptplatz unweit des Meeres.

Central plaza in Kep
Zentraler Platz in Kep
TukTuk in Kep
Er wird mich zu meinem Hotel fahren

Der TukTuk Fahrer bringt mich an mein Ziel. Es ist bedeutend weiter als erwartet, über eine staubige, sehr breite Strasse geht’s in Richtung Landesinnere. Ein einziges Vehikel steht am Strassenrand, sonst ist absolut kein Verkehr auf der Strasse. Eine fast schockartige Erfahrung nach Vietnam …

Road in Kep
Eine breite Strasse wofür?
old truck
Heiliges Wasser

Aber das Hotel ist toll, und die Inhaberin ein Schatz. Es liegt zwar etwas abseits der Stadt, ein Fussweg von knapp dreiviertel Stunden muss man ein planen. Dafür ist das Zimmer mit Terrasse etwas vom Besten, was mir bisher untergekommen ist.

Hostess and host
Die Gastgeberin und ihr Gast
My terrace - my breakfast
Meine Terrasse – mein Frühstück

Spaziergang am Nachmittag

Wie erwähnt – der Spaziergang zur Stadt hinunter ist lang, aber voller Überraschungen. Leere Häuser stehen am Strassenrand, verlassen und von Wind und Wetter zerstört. Ich bin überzeugt, dass hier reiche Leute gewohnt haben, die wahrscheinlich durch die Wirren des Pol Pot Regimes ihr Haus verlassen mussten und möglicherweise umkamen …

A god? a goddess?
Gottheit?
Memomries of better times
Erinnerungen an bessere Zeiten

Was die merkwürdige Statue unweit des Zentrums bedeutet, entzieht sich meiner Kenntnis. Eine Gottheit …?

beach in Kep
Blick aufs Meer hinaus

Am Meer gibt es eine Reihe von Restaurants mit Blick auf den Ozean hinaus. Ich setze mich beim Ufer auf einen Stein und sehe den Fischern zu, die ihre Netze flicken.

Just watching
Just watching

Krabben

Doch irgendwann knurrt der Magen, und die Schilder vor dem Eingang der Restaurants preisen in erster Linie ihre Krabbenmenüs an. Da kann ich natürlich nicht widerstehen …

Crab dish at the beach of Kep
Krabbenmenü am Strand von Kep

Crab Amok

Der Crab-Market ist das Zentrum der Krabbenindustrie Kambodschas, also nichts wie hin, um zum ersten Mal Krabben zu essen (tja, der Bauer braucht eben etwas länger, bis er etwas isst, was er nicht kennt). Ein Restaurant reiht sich ans andere, verdächtig viele sehen nach ausländischen Eigentümern aus. Im flachen Meer sind unzählige Einheimische auf der Suche nach den begehrten Krabblern, nur Fischerboote, wie z.B. in Mui Ne sucht man vergeblich …

Nun also, Crabs. Das Problem meiner Abneigung gegen alles, was ich mit den Händen zerteilen muss, wird durch einen “Crab Amok” gelöst, eine Art Krabben-Geschnetzeltes, das nicht schlecht schmeckt, allerdings hätte ich mir tatsächlich etwas weniger Fades erwartet.

PS Song zum Thema:  Portishead – Silence

Und hier geht die Reise weiter …

 

Südostasien

Der Mekong löst sich auf

“Il est cinq heures, Paris s’éveille”, einer der zeitlosen Hits von Jacques Dutronc. Es ist etwas später als 5 Uhr und anstatt Paris erwacht Saigon aus seinem kurzen Schlaf. (“Les travestis vont se raser, les stripteaseuses sont rhabillées”).

Noch müde vom ebenfalls kurzen Schlaf, lehne ich an die Wand, während rings um mich bereits ein geschäftiges Tun im Gange ist. In einem Hotel in dieser Gegend darf man sich nicht wundern, wenn bis früh in den Morgen eine lautstarke Party abgefeiert wird, so wie vermutlich jede andere Nacht auch.

Das junge Mädchen, dem Lokal gegenüber meinem Hotel zugehörig, wischt die Strasse mit einem Ernst, der beinahe rührend ist  (“les balayeurs sont plein d’balais”). Alle Überbleibsel der Party, jedes Papierchen, jedes noch so winzige Mikro-Fetzchen Staub wird sorgfältig zusammengewischt. Das dauert gut und gerne eine Viertelstunde. Nach getaner Arbeit kann ich ihr den verdienten Applaus nicht verwehren, was wiederum ein überraschtes und erfreutes Lächeln auslöst. Eine alte Erkenntnis: Es ist einfach, einen Tag auf positive Weise zu beginnen.

 

Am Rand der Gesellschaft

Ein paar Meter weiter wird der Tag auf weniger positive Weise begonnen. Zwei Gestalten, eine Frau und ein Mann, wie sich bei näherer Betrachtung herausstellt, wühlen sich durch die Abfallsäcke. Ihre Hände sind geschützt durch mehrmals darum herumgewickelte Plastikfolien. Sie sind erstaunlich erfolgreich in ihrem flink und mit professioneller Erfahrung durchgeführten Tun. Karton, Flaschen, aber auch allerhand undefinierbare Gegenstände werden aus dem Müll gefischt, kurz begutachtet und je nach Eignung in einen mitgeführten Karren gelegt.

Auch das eine Erfahrung, die andere Seite der Grossstadt, ihr menschlicher Ausguss, die Menschen am unteren Rand der Gesellschaft, deren Tage einzig dem Überleben dienen. In diesen Momenten relativiert sich einiges, auch all das, was man in Reisen wie der meinen zu erfahren, zu erleben, zu erhoffen glaubt. Es gibt eine andere Welt, eine unendlich weit entferntes und trotzdem so verdammt nahes Universum …

 

Ist das mein Bus?

Der Pickup-Taxi bringt mich nach kurzer Fahrt zu einem wartenden Bus. Nun bin ich doch etwas überrascht, denn anstelle des vornehmen Sleeping-Busses, der mir versprochen wurde, wartet ein mehr als heruntergekommenes Vehikel. Nun gut, das wird also einmal mehr eine toughe Sache, aber was soll’s, die durchgesessenen Sitze und die vermutlich kaputten Stossdämpfer werden Labsal für meine Bandscheiben sein.

Die Erfahrung hat nämlich gezeigt, dass das Geschüttel und Gerüttel meine angegriffenen Wirbel auf eine Weise massiert, dass sie garantiert für mehrere Wochen keinen Mucks mehr von sich geben. Aber natürlich ist alles mal wieder Schall und Rauch, denn der Bus entpuppt sich als zweiter Pickup, der mich zur endgültigen Busstation führt. Dort erwartet mich tatsächlich ein Ungetüm von einem Sleeping-Bus auf mich wartet und auch pünktlich abfährt.

 

Eine Riesenstadt

Saigon ist eigentlich mehr eine Provinz als eine Stadt, steht im Lonely Planet, beträgt doch die Entfernung vom nördlichsten noch zur Stadt gehörenden Stadtviertel bis zum südlichsten gut und gern 120 Kilometer. So überrascht es nicht, dass wir fahren und fahren und trotzdem immer noch in Saigon sind. Es erinnert mich an Los Angeles, wo wir am Stadtrand übernachteten, um den nächsten Tag damit zu verbringen, die Stadt in Richtung Santa Monica zu durchqueren.

Etwas ausserhalb des Zentrums finden sich kilometerweit Firmen, die ausschliesslich Occasions-Baumaschinen anbieten. Hunderte, tausende von verrosteten Ungetümen, für die es offenbar einen lukrativen Markt gibt. Und dazwischen, wie aus einer anderen Welt, ein winziger Stand am Strassenrand, der nichts anderes als kleine, handgrosse Spiegel anbietet …

Immer wieder Stopps – immer wieder die Möglichkeit, die kunstvoll ausgelegten, exotischen Dinge zu bestaunen.

 

Fruit and vegetables
Unbekannte Früchte und Gemüse
... and a lot of undefinable products
… und ebenso unbekannte Produkte
Sauce? Marmalade? No idea ...
Saucen? Konfitüre? … Keine Ahnung

 

Der Mekong – zum letzten Mal

Und da ist da wieder dieser Fluss, mein Mekong. Er hat seine homogene Form längst verloren, ist zu einem vielarmigen Kraken geworden, der ein hunderte Kilometer breites Delta geschaffen hat. Ein Spinnennetz von Flussarmen, Kanälen, schmalen und breiten Wasserläufen, an deren Ufer Millionen von Menschen leben.

 

Mekong - the last time
Ein letzter Blick auf den Mekong
A maze of canals and river arms
Ein Irrgarten von Kanälen und Flussarmen


Am Horizont blinkt das Meer

Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zum südchinesischen Meer, wo er endlich – vielleicht etwas müde geworden und träge – sein Ziel erreicht. Mehrmals winke ich ihm zu in der Meinung, den einzig noch verbleibenden grossen Arm zu sehen, doch jedes Mal werde ich durch einen anderen, noch breiteren überrascht. Und dann, nach knapp neun Stunden, verlassen wir das Mekong-Delta, und am Horizont blinkt das Meer, doch es ist ein anderes, der Golf von Thailand …

 

Ha Tien

Nach vielen Stunden erreichen wir Ha Tien, die letzte Stadt vor der Grenze zu Kambodscha. Eine lebendige Stadt mit freundlichen Leuten. Die jungen Männer im Hotel geben sich alle Mühe, mir den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Sie geben mir Tipps, wo sich ein müder, aber warmer Abend am besten verbringen lässt.

Und tatsächlich – nach dem Abendessen in einem seltsam überdachten Restaurant, entdecke ich eine Art Fairground, wo sich tausend Leute, vor allem Familien mit ihren Kindern vergnügen. Ich schaue ihnen lange zu und fühle mich merkwürdig glücklich …

 

strange Restaurant
Ein seltsames Restaurant
... and a very tasty dinner
… und ein sehr leckeres Abendessen

 

PS Song zum Thema:  Nine Inch Nails – The Beginning of the End

Und hier geht die Reise weiter …