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Alpenpanoramaweg

Alpenpanoramaweg – Dunkle Wolken

Als Schlossherren erwarten wir eigentlich, im Bett bedient zu werden, natürlich durch Diener in dunkelblau glänzenden Livrees und weissen Strümpfen, wie es für edle Herren angebracht ist. Dabei würden sie uns einen guten Tag wünschen, während sie Kaffee eingiessen und pochierte Eier mit Lachs bereitstellen.

Natürlich werden wir enttäuscht, anstelle der livrierten Diener schleichen ein paar andere Gäste (die gibt es tatsächlich) durchs Haus, anstelle der pochierten Eier gibt es gemeines Brot mit Butter und Konfitüre, allerdings erst, nachdem wir den Frühstücksraum gefunden haben.

Wir haben im Vergleich zu gestern einen durchaus akzeptablen Weg vor uns, ein paar Kilometer mehr bis Rüeggisberg, aber das soll uns nicht weiter beunruhigen. Allerdings sind auf den späteren Nachmittag schwere (!) Gewitter angesagt, es könnte also noch heiter werden.

Ergebnis (bis Schwarzenburg):  Länge: 17 km, Aufstieg | Abstieg: 790 m | 820 m, Wanderzeit: 7 h 03 min

Ein letzter Blick auf die eisgekrönten Berner Alpen, dann in den Schwarzwassergraben hinunter zur ältesten Betonbogenbrücke der Welt. Vom Schwarzenburger Plateau durch Wiesen und Wälder aufs aussichtsreiche Guggershörnli mit seinem berühmten Vreneli.

Wir lassen uns überraschen. Die älteste Betonbogenbrücke der Welt? Nie gehört …

 

From Riggisberg to Guggisberg

Our path, slightly abbridged

 

Der Charme der Schweiz

Dann machen wir uns – zur Abwechslung ziemlich früh – wir buchen das unter präseniler Bettflucht ab – auf den Weg nach Rüeggisberg.

Man kommt nicht umhin, sich ein paar Gedanken zu diesen seltsamen Namen zu machen. Riggisberg und Rüeggisberg, zwei Dörfer sozusagen in Sichtweite, der einzige Unterschied ein i statt einem üe im Namen. Wer kommt auf eine solche Idee?

Sehr seltsam, aber das macht irgendwie auch den Charme unseres Ländchens aus.

Und dazu kommt selbstverständlich die Aussprache, was für Aussenstehende, sprich Nicht-Schweizer, ein gröberes Problem darstellen dürfte: ein Dorf wie Zäziwil wird Zäziwiu ausgesprochen, der Belpberg heisst Bäupberg.

Tja, die Schweiz …

 

On the way to Rüeggisberg

Nach Riggisberg nehmen wir den kürzesten Weg nach Rüeggisberg, allerdings zum Preis, den grössten Teil auf Asphaltstrassen gehen zu müssen. Aber wir nehmen es mit wandermässiger Gelassenheit, schliesslich kann uns in unserem Alter nicht mehr viel erschüttern.

 

Das Kloster Rüeggisberg

Das wahre Highlight des Tages befindet sich in Rüeggisberg in Form einer alten Klosterruine.

Cluny Abbey
Abtei Cluny

Es handelt sich um ein ehemaliges Kloster des französischen Cluniazenser-Ordens.

Die Abtei von Cluny in Burgund war als Ausgangspunkt bedeutender Klosterreformen eines der einflussreichsten religiösen Zentren des Mittelalters. Ihre Kirche war zeitweise das größte Gotteshaus des Christentums (Wiki).

Ein ziemlich unbekannter Orden, wie sich herausstellt, obwohl wir als ehemalige Klosterschüler eigentlich über verwandte katholische Orden Bescheid wissen wüssten.

 

The old Clunianzenser Monastrey

Ich zitiere aus der WebSite:

Die alten Gemäuer der Klosterruine Rüeggisberg erzählen eine fast tausend Jahre alte Geschichte. Wer durch die geheimnisvollen Überbleibsel des einst gewaltigen Klosters streift und die prächtige Fernsicht auf das Berner Oberlands geniesst, fühlt sich sofort in die Zeit der Mönche, Ordensbrüder und Choralgesänge zurückversetzt.

Im 11. Jahrhundert stiftete der reiche Landadlige Lütold von Rümligen Ländereien an den Ort Cluny im französischen Burgund. Eine bemerkenswerte Kirche sollte in Rüeggisberg erbaut werden. Aus den ersten einfachen Zellen entstand im Laufe der nächsten hundert Jahre eine imposante romanische Basilika mit mehreren Nebengebäuden. Uralte Grundmauern, imposante Pfeiler und eindrückliche Bogen zeugen noch heute von der einstigen Grösse des einflussreichen Mönchsordens aus Frankreich.

 

Ruins of an old Cluniazenser Monastery

Das Kloster ist bekannt als erster Niederlassungsort der französischen Cluniazenser in der deutschsprachigen Schweiz.

Leider trüben Verschuldung, Plünderung, Überfälle und Zweckentfremdung die glanzvolle Geschichte des einst einflussreichen Wahrzeichens der Region. Und nach der Reformation musste die Klosterkirche im Jahr 1484 ihre Pforten schliessen. Ein Dorfbrand in Rüeggisberg brachte den einst prachtvollen Bau schliesslich ganz zu Fall. Die Bewohner bedienten sich kurzerhand der Bausteine des bereits heruntergekommenen Klosters, um eigene Häuser und die Dorfkirche wieder aufzubauen. Von diesem Zeitpunkt an dienten die überbliebenen Räumlichkeiten als Kornspeicher und Scheune.

 

Old ruins

Seit 1484  geschlossen, geplündert, angezündet und zweckentfremdet, und trotzdem bekommt man beim Anblick der alten Gemäuer eine Ahnung von der ursprünglichen Pracht. Man glaubt die Choräle zu hören, die schwarzgewandeten Mönche durch die Gänge schweben zu sehen, den Geruch von Weihrauch und Myhrre zu riechen.

Mitten in den Ruinen wird eine Messe abgehalten, offenbar ist die Ruine nach wie vor ein Treffpunkt frommer Katholiken, die sich in dieser stockreformierten Gegend als Aussenseiter fühlen dürften.

 

Alphornbläser für den festlichen Rahmen

Und da, ganz unerwartet, schweben von der gegenüber liegenden Seite dumpfe Töne durch den Vormittag.

Eine Gruppe von traditionell gekleideten Alphornbläsern, darunter auch mehrere Frauen, haben sich in einem Halbkreis aufgestellt und geben den Zuschauern ein Ständchen. Und für einmal – ich bin weiss Gott kein grosser Anhänger der Alphornkultur – hören wir überrascht und beinahe ein bisschen gerührt zu.

 

Group playing Alphorn behind the ruins

 

Dem Gewitter entgegen

Die Medien sprechen eine Gewitterwarnung aus – wow! Der grosse Weltuntergang ist zwar erst für den Nachmittag zu erwarten, also Eile mit Weile. Es wird wohl nicht so schlimm werden, doch ein mulmiges Gefühl schleicht sich ein. Dieses Jahr will uns der Wettergott zeigen, wo Bartli den Most holt.

Nach Rüeggisberg bietet der Panoramaweg wieder das, worauf wir uns jeden Morgen freuen – langgezogene Hügelpassagen entlang blühender Wiesen. Manchmal führt der Weg in Schluchten hinunter, über schmale Brücken, dann wieder steil bergauf. Die Sonne verschwindet hinter dichtbelaubten Bäumen, ein paar mickrige Strahlen brechen durch, zaubern Streifen auf den Boden.

 

Through dense woods and along steep paths

We cross the Schwarzwasser (black water) River

Beim Fluss Schwarzwasser – so heisst er tatsächlich – tauchen Erinnerungen auf, an Mittelerde oder, je nach Geschmack, an den Kontinent Westeros in Game of Thrones. Der Name scheint offenbar beliebt zu sein, wenn es darum geht, ein besonders heimtückisches Gewässer zu benennen. Unser Fluss hingegen sieht sehr harmlos aus, hier würde Hellfire nicht viel bringen (siehe Ausschnitt).

Wenn ich mich nicht irre, fällt der dicke Hobbit Bombur während der Durchquerung des Düsterwaldes in den Fluss Schwarzwasser und fällt darauf in einen tiefen Schlaf, worauf ihn die erschöpften Zwergenfreunde tragen müssen.

Aber die Schlacht am Blackwater am Ende der 2. Staffel von Game of Thrones schlägt so ziemlich alles, was es an Schiffsschlachten gibt. Die Flotte und die Armee von Stannis Baratheon erreichen King’s Landing und die Schlacht um die Stadt beginnt.

Hier ein Ausschnitt (nichts für zartbesaitete Gemüter):

 

Eines aber ist klar: auch der heutige Tag – kommende Wetterüberfälle ausgenommen – stellt eine prächtige Darstellung von allem dar, was ein nicht mal besonders sonniger Tag zu bieten hat. Manchmal glauben wir uns in einem Gemälde, stehen still, bewundern, richten unsere Aufmerksamkeit auf die Landschaft, auch wenn sie auf den ersten Blick nichts Besonderes zu sein scheint.

Manchmal genügt der Anblick eines Bauernhofs, der still und vermeintlich verlassen daliegt, als ob er auf etwas warten würde. Dann wieder Pause auf einem seltsamen Holzgestell, dessen Sinn und Zweck sich nicht auf Anhieb erschliesst, ist uns aber egal. Von da an führt der Weg wieder mal durch mannshohes Gras, wir kämpfen uns durch, während der Blick nun öfters zum Himmel geht, wo sich was Ungutes zusammenbraut.

 

Along the typical Bernese farm houses

Short break

Walking through high grass

 

Das Gewitter

Für einmal dürften die Wetterpropheten recht behalten, denn ein paar Kilometer vor Schwarzenburg verdüstert sich der Himmel in einer Weise, die auf Schlimmste hindeutet. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass die diesjährigen Wetterkapriolen mitunter recht gefährlich sein können, vor allem wenn sie mit Hagel verbunden sind.

Und so hat der gemächliche Schritt ein Ende, es muss auf Teufel komm raus pressiert werden. Schon während diesen letzten Kilometern entwerfen wir alternative Pläne, neu-deutsch Contingency Pläne.

Allerdings sind die Optionen recht übersichtlich, im Grunde genommen gibt es nur eine einzige, nämlich bei allzu schlimmem Wetter den Bus nach Guggisberg zu nehmen.

Soweit ist es aber noch nicht, obwohl bei unserer Ankunft der Himmel tief und schwarz und düster über Schwarzenburg hängt. Wir erkundigen uns nach einem geöffneten Restaurant, und mit etwas Glück finden wir eines mit gedecktem Gartenplatz, und warten nun bei einem gemütlichen Kaffee und einem Schwatz mit den Nachbarn auf den kommenden Weltuntergang.

 

Waiting for the thunderstorm

Dieser lässt tatsächlich nicht lange auf sich warten, es wird noch dunkler, schwere Regentropfen klatschen auf die Plane über dem Sitzplatz. Wir fühlen uns in Sicherheit, doch nach einer halben Stunde zeigt das Gewitter, wo der Hammer hängt und und verscheucht uns ins Innere des Restaurants.

Der Bus fährt um 16.43, wir ergeben uns dem Schicksal und lassen uns durch den Regen nach Guggisberg chauffieren. Der Blick durch das Fenster ist entspannt, doch wir realisieren, dass diese restlichen 12 Kilometer es in sich gehabt hätten, und so schleicht sich langsam die Gewissheit ein, dass uns das Wetter einen Gefallen getan hat.

 

Das Guggershörnli

Während ich es mir altersbedingt in den Gemächern bequem mache (die täglichen Notizen sind ziemlich vernachlässigt worden), sind die beiden Jungspunds noch zu wenig müde und entschliessen sich, das nahe gelegene berühmte Guggershörnli zu besteigen.

Ihre nachträgliche Beschreibung des Kurztrips klingt euphorisch und lässt darauf schliessen, dass ich etwas verpasst habe. Wie so oft gibt es in solchen Fällen keine Entschuldigung, bestenfalls „im nächsten Leben.“

Da ich durch Abwesenheit glänze, muss ich auf alternative Informationsquellen zurückgreifen:

Das Guggershörnli oder Guggershorn ist ein markanter Berg oberhalb des Dorfes Guggisberg und 12 km südlich von Schwarzenburg im Kanton Bern. Schon von weitem ist diese bewaldete Bergspitze wegen ihrer charakteristischen Form auszumachen. Mit dem östlich anschliessenden Schwendelberg bildet das Guggershorn eine Gruppe und eine erste Bastion der Voralpen.

 

Ascent to the GuggershörnliPath to Guggershörnli

Stairs to GuggershörnliOn top of the Guggershörnli

The successful mountaineersSteep stairs down

 

Das Gewitter 2.0

Und dann – eigentlich erwartet und trotzdem überraschend in seiner Heftigkeit – das Gewitter, auf das wir gewartet haben. Der Himmel wird erst grau, dann dunkler, dann ziemlich schwarz. Die Versuche, das Ereignis gebührend festzuhalten, endet genau in dem Moment, wo der Regen anfängt, quer gegen das Haus zu peitschen. Dann wilde Flucht ins Innere des Zimmers.

Wir haben übrigens ein ganz besonderes Zimmer erhalten – zwei Etagen, durch eine steile Treppe verbunden, alles aus Holz, mit Balkon, aman könnte sich hier eine Weile wohlfühlen. Und das Dinner – eine Wohltat nach unseren spartanischen Picknicks.

 

The Storm is here

 

Das Guggisberg Lied

Der heutige Song zum Thema ist für einmal ganz klar – das Guggisberg Lied.

Es hat mich aus unerfindlichen Gründen während Tagen und Wochen auf meiner Wanderung verfolgt, und zwar Tag und Nacht. So sehr ich dieses Lied mag, nach einer gewissen Zeit verliert es an Schönheit und ist einfach nur noch nervig. Ich habe alles Mögliche versucht, es durch andere Ohrwürmer zu ersetzen, ohne Erfolg. Jä nu, dann hallt halt die traurige Geschichte vom Vreneli und Hans-Joggeli noch etwas nach.

Das Lied vom Vreneli ab em Guggisberg, kurz Guggisberglied, auch Guggisbergerlied oder Altes Guggisbergerlied genannt, ist wohl das älteste noch bekannte Schweizer Volkslied. Es wurde erstmals 1741 erwähnt, die älteste erhaltene Textvariante stammt von 1764.

Es gibt unzählige Versionen davon, für mich ist die modernste gleichzeitig die beste: Steff La Chef – Guggisbärglied

Und hier geht morgen die Reise weiter – zum Schwarzsee

 

Alpenpanoramaweg

Alpenpanoramaweg – Der Weg zum Schloss

Eigentlich ein Wunder, dass niemand um sechs „Tagwache“ schreit und man sich nach einer halben Minute vor dem Bett hinstellen muss.

Aber das Erwachen im 4-er Zimmer, das zwar tatsächlich entfernt ans Militär erinnert, ist wesentlich angenehmer. Anstelle des brüllenden Feldweibels murmelt Fridli leise „halb Acht“ und so beginnt der erste gemeinsame Tag.

Das gestern bereits erwähnte Wöschhüsli (berndeutscher Diminutiv für Waschhaus) dient jetzt als Frühstücksraum. Und tatsächlich, alles steht bereit, die Kaffeemaschine ist in Betrieb, Saft, Brot, Butter, alles da. Wir geniessen, während sich draussen der Tag bereitmacht.

Der bedeckte Himmel scheint aber eher auf eine missmutige Laune hinzudeuten.

 

Natürlich sind wir wieder mal spät dran

Wen wundert’s – die vergangenen zwanzig und mehr Jahre haben gezeigt, dass wir beim Abmarsch prinzipiell immer die letzten sind und kaum je vor 09.00 in die Gänge kommen. Der heutige Tag ist keine Ausnahme, kommt dazu, dass nach dem erneuten Marsch zum Bahnhof noch verschiedene Besorgungen zu erledigen sind.

Es dauert also nochmals eine halbe Stunde, bis wir kurz vor zehn tatsächlich losmarschieren, die geliebten Panorama Wegweiser fest im Auge.

 

My hiking buddies, ready for action

Der Weg führt uns via Schützenfahrbrügg über die Aare und anschliessend den Belpberg hoch.

Der Führer schwafelt was von einer riesigen Insel inmitten der Landschaft, Insel ja, aber wie wir ziemlich schnell herausfinden werden, handelt es sich eher einen saublöden unnötigen Hügel in der Landschaft, den man besser irgendwo anders hätte hinstellen sollen.

 

Crossing of the Aare

 

Nichts Besonderes

Die heutige Etappe ist von eher einfacher Topologie (vom Belpberg abgesehen), aber entfernungsmässig eine ziemliche Herausforderung für die beiden Rookies. Im Gegensatz zu mir haben sie nicht bereits ein paar hundert Kilometer in den Beinen, was also zum einen oder anderen Keuchen oder Fluchen führen dürfte.

Es könnte allerdings auch sein, dass ich derjenige bin, der keucht und flucht, während die beiden Frischlinge ausgeruht den Berg hochhetzen.

Und da auch heute eine Variante angesagt ist, müssen wir uns noch auf ein paar Kilometer mehr einstellen. Und was die Gesamtzeit anbetrifft – ich bin einigermassen sicher, dass die tatsächlich marschierte Zeit bestenfalls gleich lang sein wird wie die Pausen.

Wenn also die angegebene Zeit 6 Stunden beträgt, dürfte die zu erwartende mindestens 40-50% höher sein.

Ergebnis: Länge: 24 km, Aufstieg | Abstieg: 950 m | 660 m, Wanderzeit: 9 h 20 min

Aber der Führer schwärmt, und wir möchten ihm gerne glauben.

Vom weiten Aaretal über den Belpberg, der wie eine riesige Insel in der Landschaft steht, ins Gemüseland Gürbetal und auf den Längenberg zu den eindrücklichen Ruinen des Klosters Rüeggisberg. Immer wieder grossartige Aussicht auf die Berner Alpen.

 

From Münsingen to Riggisberg

 

Dieser elende Belpberg

Der Belpberg wird nach dem heutigen Tag nicht zu meinen Lieblingshügeln zählen. Kurz nach der Aare beginnt eine Steigung, die es in sich hat (bis 23% erklärt meine Pulsuhr), und noch schlimmer, die Steigung wird immer wieder durch Treppen überwunden.

Wenn ich etwas nicht ausstehen kann, dann sind es Treppen auf Wanderwegen. Es ist ja nicht das erste Mal, dass mir die verfllxten Dinger begegnet sind, aber heute haben sie definitiv noch einen Zahn zugelegt.

Apropos Treppen: da fällt mir doch gleich der berühmt-berüchtigte Niesen Treppenlauf ein.

Die Niesen-Treppe ist die längste Treppe der Welt mit 11’674 Stufen. Die Höhendifferenz vom Start bis zum Ziel auf der Gipfelplattform beträgt 1’669 Meter. Merkwürdigerweise (aber wahrscheinlich ist es gar nicht so merkwürdig) melden sich trotzdem Teilnehmer aus der halben Welt an.

Verschiedene Filme auf Youtube zeigen keuchende Teilnehmer, die auf den letzten Energiereserven scheinen, während die besten Läufer bereits leichtfüssig dem Ziel entgegen sprinten.

The Niesen Staircase Run

Treppen oder besser gesagt ihre Bewältigung scheint für gewisse seltsame Leute eine unüberwindbare Anziehungskraft zu besitzen.

Während ich also keuchend und leicht gedemütigt hinter den topfitten Jungspunden her eile, sind die beiden weit voraus. Immerhin kann ich mich mit meinem hohen Alter herausreden, was mich aber nicht wirklich zu besänftigen vermag.

Eins ist hingegen sicher – der Niesen Treppenlauf ist definitiv nichts für mich (und wäre es auch vor 50 Jahren nicht gewesen).

 

Poppies again on the fields

Steep ascent to Belpberg

Fridli on the way up

 

Das Berner Dreigestirn

Zugegeben, ohne Treppen und mit einem Himmel, der etwas blauer wäre als in diesem öden Grau, wäre der Belpberg tatsächlich eine grossartige Insel in der Landschaft. Sobald man den breiten Hügelrücken erreicht, erkennt man das Grossartige der Landschaft. Im Süden strecken Eiger, Mönch und Jungfrau, des Schweizers liebste Gipfel, ihre Spitzen zum Himmel.

Immerhin ist nun für den Moment das Gröbste hinter uns, man atmet durch, lässt den Blick über die gelben Wiesen schweifen, die Berge im Dunst, die sich im Wind wiegenden Weizenfelder. Jetzt beginnt der positivere Abschnitt der heutigen Route. So hoffe ich wenigstens. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

 

On top of the Belpberg

It gets easier

 

Alte Geschichten

Wenn man sich so lange kennt (ein Leben lang) und so viele gemeinsame Abenteuer erlebt hat, sind die Erinnerungen daran das, was uns jeweils bei den Pausen oder am Abend beim wohlverdienten Bier die Zeit vertreibt. Für alle Aussenstehenden, die nicht dabei waren, eher ein zweifelhaftes Vergnügen.

Die Erzählungen verändern sich natürlich, werden im Verlauf der Jahre lustiger, spannender, interessanter als sie tatsächlich waren. Aber wie wir wissen, ist die Erinnerung eine zweifelhafte Sache, sie verschleiert den Blick, etwas, was in der Realität grau war, wird rosarot. Ist aber vollkommen egal, solange wir uns in den alten unvergessenen Geschichten wohlfühlen, ist alles in Ordnung.

Bei unserer ersten Pause (nicht die letzte, wie wir später erkennen müssen) sind sie bereits in alter Pracht zurück, und wir lachen zum hundertsten Mal über den gleichen Blödsinn, die gleichen alten, ewig gleichen Episoden. Sie gehören zu uns, sie sind ein Teil unserer gemeinsamen Geschichte. Und das ist gut so.

 

First break

Doch dann geht es weiter, auf der anderen Seite den Belpberg hinunter – what goes up, must come down – und wieder entlang Weizenfeldern und Wasserfällen (nicht gerade Niagara, aber fast), und, wer hätte es gedacht, da sind auch meine geliebten Treppen wieder.

 

Wheat fields on the Belpberg

Niagara Falls at the Belpberg

... and other fucking stairs down to the valley

 

Keuchende Biker

Wie gesagt, Pausen sind ein häufig wiederkehrendes Phänomen, schliesslich sind wir nicht mehr die jüngsten und brauchen Abwechslung.

Und so sitzen wir nicht viel später schon wieder beim Znüni, ein ziemlich ruppiger Abhang vor uns. Der Weg führt sozusagen senkrecht hinunter, nicht mal für Fussgänger leicht zu bewältigen, geschweige denn für Biker auf dem Weg hangaufwärts.

Deswegen bedeutet es eine besondere Freude und Abwechslung, wenn ausgerechnet jetzt, da wir es uns auf einer Bank gemütlich gemacht haben, eine Dame mit Mountainbike heftig keuchend und schnaufend den steilen Hang empor gekrochen kommt. Wir können ein boshaftes Grinsen nicht unterdrücken.

„Ziemlich steil hier, nicht wahr? … Wir dachten bisher, dass Mountainbikes gefahren und nicht gestossen werden.“

„Ja schon, pfff pfff, aber pfff pfff nicht immer pfff.“

Alles gut, die Dame lacht, wir auch, und so lassen sich alle Widerwärtigkeiten dieser Welt mit einem blöden Spruch und einem gutmütigen Grinsen aus der Welt schaffen.

 

Der Tag der langen Pausen

Ich schäme mich fast ein bisschen, zugeben zu müssen, dass es heute zwar auch ein wenig um prächtige Wiesen und Hügel und blöde Treppen geht, aber eigentlich vor allem um Pausen.

Wir erreichen an mehreren hübschen Weilern vorbei schliesslich doch noch den Talboden im Gürbetal, atmen tief durch nach der erfolgreichen Überquerung des Belpberges und erreichen Toffen, ein Dorf, das uns bis anhin vollkommen unbekannt war.

Ist aber egal, Hauptsache es gibt ein Restaurant mit Garten, in dem wir endlich wieder mal eine wohlverdiente Kaffeepause einlegen können. Die Annahme, dass die zusammengezählten Pausen möglicherweise länger dauern als die gesamte Wanderzeit, scheint langsam aber sicher Wirklichkeit zu werden.

Das ist allerdings nicht das erste Mal auf unseren gemeinsamen Wanderungen. In der Konsequenz sind wir natürlich auch meistens die letzten, die am Abend am Zielort ankommen. Die anderen Wanderer sind bereits beim Nachtessen, die grimmigen und spöttischen Blicke sprechen Bände.

Aber wenn das so weitergeht, kommen wir zwar ausgeruht, aber bei tiefer Nacht an unserem Ziel in Riggisberg an.

Mit ernsthaften Absichten zur Besserung machen wir uns auf den Weg und hoffen, jeder Versuchung widerstehen zu können. Bis in einem kleinen, ziemlich verlassen scheinenden Weiler eine Kapelle auftaucht, die uns zuzurufen scheint: „Kommt her, dies ist ein wunderbarer Ort, um eine Pause einzulegen.“

Den Rest kann man sich vorstellen.

 

Chapel

Next stop

 

Der Gasthof Sternen

Natürlich ist es nicht so, dass wir nicht vorwärtskommen, nur nicht so schnell, wie es nötig wäre.

Aber es geht manchmal zügig vorwärts, manchmal auch nicht, schliesslich gibt es immer wieder botanische Fragen zu klären, beispielsweise ob meine Behauptung, dass es sich bei diesen Pflanzen auf dem Feld um Roggen handelt. Waltis App sei Dank, wissen wir bald Bescheid, natürlich ist es nicht Roggen sondern ganz einfach Weizen. Dabei dachte ich doch tatsächlich, bezüglich Getreideerkennung ein Ass zu sein. Wieder eine zerstörte Überzeugung.

Eigentlich, wie die Uhr zeigt, sind wir schon ziemlich lange unterwegs, wobei „unterwegs“ ein klassischer Euphemismus ist. Aber was soll’s, wir fühlen uns prächtig, es könnte endlos so weitergehen. Manchmal geht es aufwärts, dann wieder den Berg oder Hügel hinunter, doch die Landschaft behält ihre Schönheit, auch wenn der bedeckte Himmel nicht recht mitmachen will bei der Präsentation.

 

Along wheat fields

Hills with scatterd farms

Aber dann erreichen wir, ganz unerwartet, eine wunderbare Gartenwirtschaft, und trotz der fortgeschrittenen Zeit gönnen wir uns wieder mal eine Pause.

Der Gasthof Sternen scheint eine besondere Geschichte zu haben. Der Inhaber, als Migrant irgendwann in der Schweiz gelandet, übernahm vor einiger Zeit diesen Gasthof und brachte ihn zum Erblühen. Heute ist das Restaurant ein Touristen- und Wandertreffpunkt. Die Aussicht in die umliegenden Landschaften bietet uns langsam etwas müden Wanderern den letzten notwendigen Anstoss, um die letzten Kilometer bis Riggisberg zu schaffen.

 

Und endlich Riggisberg – und ein Schloss

Der Weg nach Riggisberg scheint endlos zu sein, ein Wanderweg ist nicht mehr vorhanden, also sind wir gezwungen, auf der Strasse zu gehen. Immerhin geht’s abwärts, die ersten Gebäude tauchen auf, doch das Dorf ist gross und sehr weitläufig.

Es gibt sogar ein Spital, eine Polizeistelle und zahlreiche Restaurants, die hoffentlich heute Abend für drei müde Wanderer geöffnet sind.

 

Destination Riggisberg close by

Es muss natürlich so sein, dass zum Abschluss des heutigen Tages nochmals ein Aufstieg zum Schloss absolviert werden muss, wen wundert’s, natürlich über eine Treppe. Und dann sind wir endlich da, es gilt nur noch, den Eingang in das richtige Gebäude zu finden.

Der Zutritt allerdings muss, wir befinden uns in digitalen Zeiten, via Code geschafft werden. Alte Schlösser sind offenbar bezüglich Digitalisierung erheblich weiter als unser Gesundheitssystem.

 

The Riggisberg Castle

Auf jeden Fall empfinden wir uns schon bald als kleine Schlossherren, das Zimmer ist riesig, das Badezimmer ebenso.

Über eine Fehlleistung meinerseits bezüglich Duschen soll der Mantel des Schweigens gelegt werden. Es handelt sich um eine weitere Episode, über die bei zukünftigen Wanderungen herzlich gelacht werden darf.

Auf jeden Fall darf ich der Leserschaft mitteilen, dass das Alter massive Fortschritte macht.

Und tatsächlich, wir finden im Dorf auf Anhieb ein Gartenrestaurant, das alles bietet, was das Herz nach einem solchen Tag begehrt. Vor allem ein oder zwei Biere …

 

Evening Beer

 

Song zum Thema:  Tom Waits – All the World is green

Und hier geht der Trip weiter … nach Guggisberg