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Südamerika

Tumbes – Nasse Füsse im Hotelzimmer

Ausnahmsweise werde ich nicht vom Lärm der Strasse oder von unruhigen Zimmernachbarn geweckt, sondern durch ein wildes Wetterleuchten, das tiefe Schrammen in den Nachthimmel reisst.

 

Der Himmel fällt auf die Erde

Aha, das könnte der Beginn von ‚Tumbes aislado‘ sein. Die ersten Anzeichen des kommenden Unwetters. Also doch kein Journalistenkäse? Der nächste Weckruf ist ein donnerndes Geräusch vor dem Fenster. Und wieder fällt der Himmel auf die Erde, und einmal mehr finde ich es im warmen Bett äusserst gemütlich, während draussen der Sturm tobt.

Um zwei erwache ich, das Tosen hat eher noch zugenommen. Ich tappe im Halbdunkel ins Bad und zucke zusammen … Kann es sein, dass … Nein, das ist unmöglich. Da ist etwas, was man auf keinen Fall erleben will. Meine Füsse patschen in kaltes Wasser. Na wunderbar!

 

Nasse Füsse

Das Licht zeigt das ganze Disaster. Da mein Zimmer im obersten Stock liegt, also dort, wo sich unter dem offenen Dach der Swimmingpool befindet, aber auch dort, wo sich jetzt die Wassermassen sammeln und beim besten Willen nicht wissen, wohin sie abfliessen sollen, suchen sie sich halt eigene Wege.

Einen davon durch die Etagentür in meinen Flur hinein und von da direkt in mein Zimmer. Einen Augenblick lang zögere ich. Soll ich die Tür öffnen, auf die Gefahr hin, dass noch viel mehr Wasser in mein Zimmer fliesst? Ich lasse es sein und rufe die Reception an. Keine Antwort. Entweder sind die Kerle am Schlafen oder sie sind bereits als erste Opfer des Unwetters zu beklagen.

Da ich im Moment eh nicht viel machen kann, bringe ich halt mein Zeug auf sichere Höhen, schlafe noch etwas weiter und träume nasse Träume.

 

Überblick über das Disaster

Am Morgen dann, es schüttet weiterhin aus allen Himmelsöffnungen, versuche ich mir erst mal einen Überblick zu verschaffen.

Allerdings muss ich zu diesem Zweck an den Empfang hinunter, aber besser zu Fuss als mit dem Lift. Die Lust, irgendwo zwischen dem 3. und 4. Stock hängen zu bleiben, weil der Strom ausfällt, ist ziemlich klein. Also suche ich das Treppenhaus, finde es auch. Ein düsterer Betonschacht ohne Licht, und ob sich die Tür je wieder öffnen lässt, falls ich wieder zurück muss, ist fraglich.

Mit der Taschenlampen-App bewaffnet, tapse ich also durch endlose Gänge, vorbei an seltsamen Gegenständen, die ich nicht zuordnen kann, und komme mir vor wie Indiana Jones auf der Suche nach dem heiligen Gral. Aber den Mutigen gehört die Welt, ich erreiche schliesslich das Parterre und kann an der Reception nun endlich meinen Klagebericht zum Zustand meines Zimmers abgeben.

Was aber bestenfalls zu einem verständnisvollen Lächeln führt. Verstehe ich irgendwie, denn man hat ganz andere Probleme als meine nassen Füsse. Alles rennt durcheinander, ruft sich Befehle zu, ist ziemlich ausser Rand und Band. Denn eines scheint klar zu sein: das eben erst fertiggestellte Hotel scheint nicht nur an Kinderkrankheiten zu leiden, sondern auch an ernsthaften Baumängeln.

 

Frühstück unter der Sturzflut

Soll mich aber nicht weiter interessieren, denn ein währschaftes Frühstück wartet auf mich, das ich mir auf keinen Fall entgehen lassen will. Da es aber ausgerechnet vor der Kaffeemaschine von der Decke pisst, sind ein paar organisatorische Kniffe von Nöten, aber alles andere klappt perfekt. Zwei Herren in den besten Jahren sind neben mir die einzigen Gäste. Sie stellen sich als Berater einer deutschen Firma heraus, die eben die Installation einer neuen städtischen Wasserversorgung abgeschlossen haben. Zumindest an Wasser dürfte es in den nächsten Tagen nicht fehlen …

 

Fährt der Bus?

Neben den unmittelbaren Folgen der Sturzflut beschäftigt mich die Frage, ob es überhaupt einen Bus gibt, der mich über die Grenze nach Ecuador und dann nach Guayaquil bringt.

Die Herren an der Reception glauben fest daran, es könnte aber auch sein, dass sie mich einfach loshaben wollen. Ich trampe also kurze Zeit später mit meinem Gepäck entlang der überfluteten Strassen zum Busterminal und treffe dort tatsächlich auf andere Travellers mit dem gleichen Ziel.

Der Regen fällt weiterhin. Ich würde gerne das Geräusch beschreiben, aber da fehlen in der deutschen Sprache schon beinahe die entsprechenden Adjektive. Es ist nicht einfach ein Plätschern oder Triefen, wie wir es kennen, es ist ein veritables Donnern und Tosen auf den Dächern, auf der Strasse, auf den Autos, auf den Dächern der TukTuks, das jede Unterhaltung schwierig macht. Hält man sich zu nahe am Regen auf, wie zum Beispiel die Raucher, die vor das Gebäude verdammt werden, ist man in Sekunden platschnass.

 

Der Bus fährt ab – durch knietiefes Wasser

Irgendwann fährt tatsächlich ein Bus vor, allerdings nicht der geplante, aber mir ist alles recht, solange ich aus diesem nassen Paradies wegkomme. Es geht nur langsam durch die überschwemmten Strassen, einige sind so tief unter Wasser, dass der Verkehr Ausweichrouten nehmen muss. Reissende Bäche strömen durch die Strassen und Gassen, allerlei Müll schwimmt oben auf (auch eine Möglichkeit, diesen loszuwerden). Zahlreiche Menschen stehen am Strassenrand, schauen sich ohne grosse Emotionen das Ergebnis der Niederschläge an.

 

 

Floods in Tumbes
Knietiefes Wasser überall
The bus plows its way through
Der Bus pflügt sich durch

Doch sobald wir die unmittelbaren Stadtbezirke verlassen haben, bessert sich die Situation, und der Fahrer gibt Gas. Es sind nur wenige Kilometer bis zur Grenze, die Abfertigung geht zügig, Adios Peru, hola Ecuador.

 

 

Guayaquil

Guayaquil ist die grösste Stadt Ecuadors, das wirtschaftliche Zentrum des Landes, hektisch, grossstädtisch, arrogant. Aber nicht ohne Charme.

Nach der Ankunft – etwas müde von den Aufregungen – mache ich trotzdem einen Rundgang durch das Stadtzentrum und bin sehr positiv überrascht worden durch die grosszügigen und schon ein bisschen nach Geld und Wohlstand riechenden Anlagen. Die Stadt hat etwa 2,53 Millionen Einwohner (Stand 2013); im Großraum Guayaquil leben mehr als 3 Millionen Menschen.

Guayaquil liegt am Westufer des Guayas, etwa 50 km oberhalb von dessen Mündung in den Golf von Guayaquil. Das ursprüngliche Zentrum von Guayaquil liegt auf geringer Höhe zwischen drei Hügeln und dem Estero Salado (span. für Salziger Sumpf), einem weit ins Landesinnere ragenden Meeresarm, der im heutigen Stadtgebiet zum Teil ausgetrocknet und mit gehobenen Wohnvierteln bebaut worden ist.

 

Guayaquil - Highlights Guayaquil - at the Shore Guayaquil - Water everywhere Guayaquil - Highlights Guayaquil - Highlights 2 Guayaquil - Highlights 3

 

Die ‚Casa de Romero‘ mitten im Stadtzentrum hat sich wieder mal als Griff in die richtige Hotelkiste erwiesen. Das nette Fräulein an der Reception klagt zwar über mangelnde Gäste, den Grund dafür kennt sie nicht. Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass die Stadt nicht im Fokus der Touristen liegt.

Andere Destinationen in Ecuador haben eine ganz andere Bedeutung, vor allem natürlich die Hauptstadt Quito, 426 Kilometer im Norden gelegen, mitten in der sogenannten Sierra. Da will ich morgen hin.

 

Kilometerstand: 6102

Song zum Thema:  Van der Graaf Generator – After the Flood

Und hier geht die Reise weiter … nach Quito

 

Südamerika

Tumbes – Bye-bye Panamericana

Noch vor der Dusche und dem Essen und dem Schlafen ist gestern Abend klar geworden, dass es keinen einzigen Bus nach Norden gibt.

Die am Fernsehen gezeigten Horrorbilder sind Beweis genug dafür, dass dort nichts, aber auch gar nichts mehr geht. Viele Brücken sind zerstört, weggeschwemmt, zu Bruchstücken zertrümmert worden. Von den Strassen ganz zu schweigen. Es wird einige Zeit dauern – sofern die Jahrhundertniederschläge nicht noch etwas andauern – bis ein regulärer Busbetrieb wieder möglich ist.

Land unter – Überschwemmungen in Peru

 

Floods in Peru
Überschwemmungen in Peru

 

Kein Bus nach Norden

Tja, das war’s dann mit dem Bus nach Norden. Da wir uns hier in Südamerika und nicht in Europa befinden, wo es unter Garantie Ausweichrouten gegeben hätte, so bleibt eigentlich nur das Flugzeug.

Stinkt mir zwar gewaltig, denn die Panamericana entlang fahren, war schon immer ein kleines Träumchen. Nun, das Träumchen bleibt Schall und Rauch bzw. Wasser und Geröll, und so muss ich mir in aller Kürze einen Flug suchen.

Ich streiche den geplanten Zusatztag in Lima (in diesem Hotel würde ich nicht mal unter Androhung der Todesstrafe eine weitere Nacht bleiben) und finde – Internet sei Dank! – schon bald einen geeigneten Flug nach Tumbes ganz im Norden. Wenn ich schon die Panamericana auslassen muss, dann richtig. Abflug 10.45, also genügend Zeit für ein ausgiebiges Morgenessen.

 

Wieder mal ein sehr besonderes Frühstück

Manchmal kommt die Phantasie schlicht nicht nach, was alles noch an zusätzlichen Plagen möglich ist.

Desayuno ab sieben, so verkündet der mürrische Kerl an der Reception. Wunderbar. Alles andere als wunderbar ist aber das, was mir am Morgen dieses neuen Tages serviert wird.

 

a very bad breakfast
Oscar-preiswürdiges Frühstück

Ich habe ja schon einiges an Frühstücksüberraschungen erlebt, aber es hatte immer einen gewissen Charme (man erinnere sich an die kalte Crepe in Santa Cruz), aber dieses hingeworfenen lieblose Zeug ist der bisherige Tiefpunkt meiner diesbezüglichen Erfahrungen.

Saft gibt es nicht, aber eine Kanne mit knapp heissem Wasser, eine Dose mit Nescafe, der so hart ist, dass er garantiert schon den dreissigjährigen Krieg erlebt hat, und zwei ziemlich altbackene Sandwiches, eines davon mit einer so dünnen Scheibe Käse belegt, dass man durch den Käse hindurch die Zeitung lesen könnte, das andere mit einer Scheibe Schinken, olfaktorisch ebenfalls ziemlich älteren Datums. Mit einem an Tollkühnheit grenzenden Mut beisse ich hinein, schlucke einen Bissen runter, bevor ich einigermassen entrüstet aufgebe.

Aber eines muss man der Bude lassen: alle Leistungen sind absolut konsistent schlecht.

 

Flug nach Tumbes

Ich habe Lima schon beim ersten Besuch nicht ausstehen können, und die bisherigen Erfahrungen lassen darauf schliessen, dass es nicht zu einer Verbesserung der Beurteilung kommen wird. Anyway, der Flug mindestens ist ruhig, wenn auch gerappelt voll. Auch andere Leute, vor allem Einheimische, haben keine andere Möglichkeit, in den Norden zu gelangen, als das Flugzeug zu nehmen.

 

Bei der Landung auf dem winzigen Flugplatz ist es angenehm heiss, ein wunderbares Gefühl nach den Wochen in der Kälte. Und oh Wunder, ich werde abgeholt, fühle mich wie weiland King Krösus und lasse mich ins Hotel ‚Costa del Sol Wyndham‘ kutschieren.

Die bereits erfolgte Buchung in der ‚Posada del Mar de Don Durand‘ wurde seitens Hotel kurzfristig annulliert, offenbar musste der Herr des Hauses kurz verreisen und die Stellvertretung hatte grade keine Zeit. Mein Mail wurde zwar beantwortet, allerdings wies Don Durand darauf hin, dass ausser mir eh niemand im Hotel sei. Auch eine Möglichkeit, sich neue Freunde und Gäste zu besorgen.

Er kann froh sein, dass ich prinzipiell nie eine Bewertung abgebe, sei es für ein Hotel oder irgendwas. Ich habe und das nur nebenbei, auch noch niemals etwas geliked und habe auch nicht vor, es jemals zu tun.

Nur nebenbei: nach dem Einchecken am Flughafen in Lima wurde ich sofort nach Erledigung der Formalitäten aufgefordert, eine Bewertung abzugeben. Eine Bewertung? Für eine Selbstverständlichkeit? Geht’s noch? „I never do that“, verkünde ich der verblüfften Dame am Schalter und mache mich hocherhobenen Hauptes von dannen.

 

Costa del Sol Wyndham

Anyway, das Hotel ‚Costa del Sol Wyndham‘ ist zur Abwechslung mal etwas eher dem Alter Entsprechendes, genau das richtige nach dem letzten Hotel in Lima. Ein riesengrosses Zimmer mit zwei Betten erwartet mich, ein ultragrosser Flachbildschirm hängt an der Wand, im Badezimmer könnte ich mit Leichtigkeit drei der letzten Badezimmer unterbringen.

 

Dining Room
Dining Room im Hotel – trés distingée
Swiimming Pool on the roof
Swimming Pool auf dem Dach – ich werde verwöhnt

 

Tumbes

Tumbes ist ein Kaff am Meer, noch nicht allzu bekannt, wie mir scheint, denn ich bin der einzige Ausländer weit und breit.

Ein Gang durch das Städtchen zeigt aber allerhand Buntes und von Leben Strotzendes, und ich muss gestehen, dass mir ziemlich wohl ist hier. Das hat natürlich auch mit der Tatsache zu tun, dass mir wieder mal der Schweiss von der Stirne rinnt und ich endlich wieder mal die Sonnencreme benutzen darf. Das Ticket für die für morgen geplante Fahrt nach Ecuador ist gekauft, um zehn geht’s los, bye-bye Peru.

 

Church in Tumbes
Die obligate Kirche

 

Tumbes aislado?

Das einzige, was mich stutzig macht, ist eine Aussage in den Nachrichten am Abend. ‚Tumbes aislado‘. Was so viel heissen soll wie ‚Tumbes isoliert‘. Wieso denn das? Ein Blick zum Himmel zeigt nicht das kleinste Wölkchen, also muss es sich wohl um einen Journalistenwitz handeln.

Oh Gott, wie kann man sich nur so täuschen.

 

Kilometerstand: 5803

Song zum Thema:  King Crimson – Islands

Und hier geht die Reise weiter … nach Norden, nach Equador