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Alpenpanoramaweg

Alpenpanoramaweg – Der zerbrechliche Mensch

Das Hotel Chez Yann weist heute Morgen tatsächlich eine menschliche Komponente in Gestalt einer jungen Dame auf, die mir freundlich das Frühstück serviert. Mit etwas Mühe setze ich trotzdem mein grimmigstes Gesicht auf. „C’etait pas tres drole hier soir“.

Ich kann gar nicht anders als ebenfalls grinsen, denn ein Grinsen ist alles, was ich als Antwort erhalte. Offenbar ist der Herr und Meister des Hotels bekannt dafür, dass er schon mal vergisst, das Eintrittsprozedere bekanntzugeben.

Bei der heutigen Etappe ist es wie erwartet – man muss nun die Natur, nicht so wie die letzten Wochen, suchen. Manchmal ist es fast ein bisschen zuviel Zivilisation. Lange Reihen von Häusern, eher langweilig, dann wieder Asphaltstrassen. Aber das wusste ich ja, meine geliebten Berge und Hügel und Wiesen sind verschwunden, dafür jede Menge moderner Welt.

Der Travelguide findet:

Ein aussichtsreicher Vormittag durch die Rebberge und Weindörfer der Waadtländer La Côte und ein schattiger Nachmittag entlang des Toblerone-Wegs am Serine-Bach (ehemalige Panzersperre).

Da der Original Panoramaweg andere Routen nimmt, werde ich von jetzt an nur noch meine eigenen Werte anzeigen.

 

From Etoy to Gland

 

Das ewig Gleiche – oder doch nicht?

Eine Strasse führt in Richtung des Sees, ich durchquere ein weiteres Dorf und zahlreiche hässliche Industriegebäude, die mich schneller gehen lassen. Es wird in ein paar Tagen früh genug sein, um diese Anblicke wieder ertragen zu müssen.

Doch nach einer halben Stunde liegt das Gröbste hinter mir, ein schmaler Weg entlang Weizenfeldern führt mich geradewegs in einen Wald, wo ich nach kurzer Zeit auf den Fluss Aubonne treffe. Das ist wieder mehr nach meinem Geschmack.

Auf den ersten Blick sieht alles genau gleich aus wie gestern – alte knorrige Bäume, die sich über den Weg neigen, eine grüne Welt rechts und links des Weges, manchmal ein Bach, diesmal die Aubonne.

Und doch ist es anders – und gleich. Auch ich bin nicht der gleiche wie gestern, und doch gleich. Auch die Eindrücke sind anders – und doch irgendwie gleich. Aber so muss es sein. So ist das Leben. Alles gleicht sich und ist trotzdem anders. Es erinnert mich daran, dass 99% der Gedanken, die man im Verlauf eines Tages denkt, die gleichen sind wie an allen Tagen zuvor. Irgendwie beschämend.

 

Path along woods and meadows

And then again a creek, this time the Aubonne

The paths seem to be similar and yet different

The thunderstorm has left its traces

 

Der zerbrechliche Mensch

Es ist ein permanentes Hin und Her zwischen Wald und Wiesen und See. Die Aubonne hat ihren eigenen Weg zum See genommen, ich nehme einen anderen, doch auch dieser endet irgendwann am Ufer.

Heute spielt das Wetter eine untergeordnete Rolle, Wolkenschlieren verschaffen dem See ein kränkelndes Grau, nicht eben das, was man sich wünscht. Es ist niemand zu sehen, wahrscheinlich, heute ist ja Montag, sind alle am Arbeiten. Viel Spass!

Ich parkiere meinen Rucksack und setze mich ans Ufer. Das heisere Geschrei der Möwen ist das einzige Geräusch, vielleicht noch alle paar Sekunden begleitet durch das sanfte Plätschern der Wellen.

Die letzten Tage ist mir aufgefallen, dass ich eine merkwürdige Wehmut empfinde. Mein Blick liegt zwar nach wie vor auf der Umgebung, aber in einer Art Trance, als hätte ein inneres Auge die Kontrolle übernommen. Es ist so, wie wenn man lange, unfokussiert, ohne zu blinzeln, in die Ferne blickt.

Was hat dies zu bedeuten? Ist es das baldige Ende der Tour, oder hat es andere Gründe?

Natürlich stolpert man bei einer derart langen Wanderung früher oder später über jedes Thema, auch die unangenehmen, die lieber stumm bleiben wollen. Aber es ist unausweichlich, und ich realisiere langsam, dass in den letzten knapp vier Wochen einiges an Verdrängtem aufgebrochen worden ist. Es kommt mir vor, als hätten sich lang vergrabene Gefühle und Schmerzen an die Oberfläche gedrängt. Soviel, was nicht gedacht, nicht gesagt, nicht getan wurde. Oder umgekehrt.

In diesen Momenten wird man sich der eigenen Zerbrechlichkeit bewusst.

Der Leser verzeihe mir, wenn ich hier nicht weiter in die Tiefe schweife. Gewisse Dinge müssen ungesagt bleiben.

 

Back at the lake Gray in gray

 

Rolle

Nach einem erneuten Ausflug in die Natur empfängt mich Rolle, eine Kleinstadt am See, wunderschön gelegen, wie sich schon bald zeigen wird.

Offenbar entspricht das Stadtbild einem mittelalterlichen Muster. Es gibt nur eine einzige Hauptstrasse, an der entlang die Häuser stehen. Es gibt eine reformierte Pfarrkirche, deren Glockenturm noch aus dem Mittelalter stammt.

Das Schloss von Rolle steht direkt am Seeufer, ich bleibe stehen, lese seine Geschichte nach und bin beeindruckt. Es sieht aus, als könnte es noch heute jeder Bedrohung widerstehen, allerdings erfahre ich, dass es im 16. Jahrhundert von den Eidgenossen niedergebrannt wurde. Also doch nicht so trutzig wie erwartet.

 

The Rolle Castle

Old and inspiring

Eine kleine Insel, die Ile de la Harpe, liegt einen Steinwurf weit im See draussen, das Schiff auf dem Weg zur französischen Seite nimmt eben Fahrt auf.

 

Ship leaving Rolle

Die Seepromenade ist einmal mehr eine Augenweide. Der ganz normale Steg zur Anlegestelle ist mit roten und violetten und gelben Blumen geschmückt, ein überlebensgrosses Modell einer Biene, mit Blumen bedeckt, steht in einem Blumenbeet, als würde sie den Nektar schlürfen.

Man kann gar nicht anders als glücklich zu sein.

 

a larger than life artificial bee

Flowers everywhere

 

Lange Wege nach Gland

Irgendwie ein seltsamer Weg heute. Er scheint sich nicht entschliessen zu können, ob er eher dem See entlang oder doch lieber im Landesinneren durchgehen soll. Nach Rolle geht es erstmal wieder ins Grüne, endlos scheinende Pfade den dunklen Wolken entgegen, der Himmel hängt tief und bedrohlich. Es würde mich nicht wundern, wenn ich auch heute Nachmittag mit einem feuchten Gruss beschenkt werde.

Es ist noch früh, wenn ich in diesem Tempo weitergehe, bin ich hoffentlich noch vor dem erwarteten Gewitter im Hotel. Wenn ich mir allerdings den Himmel ansehe, wird mir etwas unbehaglich. Der Blick geht nun häufiger zur Karte, man schätzt die Entfernung ab, beruhigt sich für den Moment, um sogleich wieder das verstörende Gefühl vor einem nahenden Gewitter zu verspüren. Wenn ich etwas hasse, dann auf einem flachen Feld einem Gewitter ausgesetzt zu sein.

Immerhin, ich werde bis wenige Kilometer vor dem Tagesziel verschont, um dann doch noch verregnet zu werden. Die letzten Kilometer führen entlang einer stark befahrenen Strasse, nicht unbedingt meine bevorzugte Fortbewegung. Neben mir donnern die Autos und Lastwagen vorbei, aus denen mir der eine oder andere spöttische Blick zugeworfen wird.

Aber schliesslich bin ich da, ich werde bereits erwartet, welche Ehre, und man führt mich gemessenen Schrittes zu meinen Gemächern, für heute allerdings lediglich in Form eines ziemlich kleinen Zimmers, aber was brauche ich mehr.

 

Long way to Gland

It seems endless and threatening

And at the end even along a road

 

Ein Fussball-Krimi am späten Abend

Das Abendessen im Hotel Restaurant de la Plage fällt aus, heute ist das Restaurant geschlossen, und ich bin wieder mal angeschmiert. Das Etablissement befindet sich zwar an schönster Lage direkt am See, allerdings weitab von jeglichen anderen Restaurants oder Einkaufsläden.

Die Dame des Hauses sieht meinen enttäuschten Blick und sucht nach einer Lösung. Sie beauftragt ihren Mann, einen Herrn trés distingué in den besten Jahren, mich zu einer Pizzeria zu fahren, die nicht allzu weit entfernt liegt.

Und so lande ich nach kurzer Fahrt in der besagten Pizzeria, wo ich erstens eine grossartige Pizza und zweitens einen Logenplatz vor dem TV erhalte. Die damit verbunden Diskussionen zum Fussball-Match machen mich in kurzer Zeit zu einem engen Freund der Belegschaft.

Um 21 Uhr findet der entscheidende Achtelfinal zwischen Frankreich und der Schweiz statt. Allerdings hat der Glaube an unsere Nationalmannschaft stark gelitten (und nicht mal das gute Spiel gegen die Türkei hat meine Zweifel reduzieren können). Gegen Frankreich, immerhin den amtierenden Weltmeister hat unser Team keinen Stich.

Nach dem 1:3 ist jegliche Hoffnung erloschen, ich habe genug und lege mich schlafen. Allerdings werde ich kurze Zeit später durch seltsame Geräusche von draussen geweckt. Doch etwas neugierig geworden, schalte ich den TV wieder ein, oh, neues Resultat 3:3. Wow!

Es geht in die Verlängerung, aber vor dem entscheidenden Penaltyschiessen erinnere ich mit Schaudern an 2006 und schalte wieder ab, um nach gut zehn Minuten durch ein paar euphorische SMS geweckt zu werden. Was niemand erwartet hat, ist passiert: die Schweiz hat Frankreich nach Hause geschickt. Und ich armer Tor habe das meiste verpasst!

 

Song zum Thema: Lana Del Rey – Summertime Sadness

Und hier geht der Weg weiter … nach Commugny

 

Alpenpanoramaweg

Alpenpanoramaweg – Ein Weg für Träumer

Es geht dem Ende entgegen.

Manchmal glaube ich, in der Ferne Genf zu sehen, was natürlich nicht sein kann. Es sind immerhin noch vier harte Etappen und viele Kilometer zu bewältigen, heute nach Etoy, einem kleinen Dorf im Landesinneren.

Aber was soll’s, auch die heutige Tour verspricht eine ganze Menge:

Ohne die geringste Steigung und dennoch mit wunderbarer Aussicht auf die Savoyer Alpen spaziert man vom Lausanner Hafen Ouchy auf einem breiten Uferweg ins alte Städtchen Morges mit seinem imposanten Schloss und dem ehemaligen Kriegshafen der Berner.

Tatsächliche Werte: Länge: 23.5 km, Aufstieg | Abstieg: 725 m | 650 m, Wanderzeit: 7 h 42 min

Es ist also tatsächlich eine recht lange Etappe geworden, aber meistens dem Ufer entlang, durch Wälder und Wiesen. So wie man sich’s vorstellt.

 

From Lausanne to Etoy

 

Das Leben am See

Während ich gemütlichen Schrittes dem See entlang laufe – bis Morges bleibt ja alles flach, keine Steigungen – beobachte ich das Leben am See. Es ist Sonntag, das Wetter fühlt sich zwar schlecht gelaunt an, aber die Seeufer sind bevölkert, Mamis und Papis mit Kinderwagen, alte Leute, die Hand in Hand am Uferweg flanieren, Jogger, Biker, Badende im See und im Pool, bloss kein einziger Wanderer. Aber zum ersten Mal überhaupt stellt sich eine merkwürdige Erkenntnis ein, unerwartet und überraschend.

Ich könnte mir vorstellen, hier zu leben.

Es ist nicht nur der See, das Lavaux, die milde Luft, die Atmosphäre, nein, es sind vor allem die Menschen, die mich mit Freundlichkeit und Herzlichkeit und Charme empfangen. Nicht dieses manchmal dumpfe, schwere, verschlossene Verhalten der Deutschschweizer, das auf ihre Abstammung hinweist. Bergler, Bauern, misstrauisch gegen alles Fremde, gegen alles von oben, gegen alles, was sie nicht kennen. Ein Menschenschlag, der Jahrhunderte lang das Überleben kannte und nichts anderes.

Ich will ihnen nichts vorwerfen, ich gehöre ja selbst dazu, aber wenn man sie besser kennt (was lange dauern kann), sind sie ganz angenehm (nicht immer).

Aber zurück zum Weg.

 

Boats at the shore of Lake Geneva

Deserted Pool, the clouds are guilty

Manchmal führt der Trail mitten durch eine öffentliche Badeanstalt, doch die Pools sind an diesem düsteren Tag leer, nur ein paar Unentwegte wagen den Sprung ins kalte Wasser.

Der Himmel ist mir (und all den anderen) heute nicht wohlwollend gesinnt, dunkle Wolken ziehen lautlos über das ebenso graue Wasser, doch nach den vergangenen Hitzetagen tut der Schatten und die angenehme Wärme gut.

Der Weg führt einmal mehr am Ufer entlang, der Lärm hinter mir verstummt, ich bin ganz allein, nur ein paar Ruderboote draussen im See versuchen offenbar die lokalen Rekorde zu brechen. Ein Mädchen, vorne sitzend, gibt den Ton an, die muskulösen Männer geben ihr Bestes.

 

Gray sky, gray water

Again alone along the shore

 

Allein auf weiter Flur

Ich bin allein unterwegs, wie meistens auf dieser Wanderung. Schätzungsweise 80-90 % der Zeit verbringe ich in meiner eigenen Blase, ungestört durch den Lärm der Welt, die Sinne offen und empfänglich für alles. Ich sehe, ich höre, ich rieche, ich fühle.

Wenn ich mich nicht irre, steht in Folge 5 von „Damengambit“ der Satz, der dazu passt: „Die stärkste Person ist diejenige, die keine Angst hat, allein zu sein.“

By the way, eine der besten Netflix Serien ever. Unbedingt reinsehen. Hier meine absolute Lieblingsszene am Schluss, wenn sie nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft die alten Schachspieler in einem Moskauer Park trifft:

 

Hape Kerkeling hat auf dem Jakobsweg Erleuchtung gesucht oder zumindest ein paar Antworten zu drängenden Fragen. Ob er sie gefunden hat, weiss ich nicht, aber ich denke, dass dieser Aspekt einen wichtigen Anteil am Riesenerfolg seines Buchs gehabt hat.

Ich suche zwar keine Erleuchtung, sollte sich aber etwas in dieser Richtung einstellen, bin ich durchaus empfänglich dafür.

Die langen Stunden durch strömenden Regen, weit und breit kein lebendes Wesen ausser den gelegentlichen Kühen auf der Wiese, oder unter sengender Sonne, während sich ringsherum eine Welt voller Schönheit öffnet, verschaffen mir so etwas wie Erleuchtung. Schon heute, ein paar wenige Tage vor dem Ende, spüre ich Emotionen, die mir bewusst machen, dass mir etwas sehr Kostbares geschenkt worden ist.

Wenn ich von der Wanderung und meinen Erlebnissen berichte, ist die erste Frage meistens „Allein?“ Auf die Antwort folgt in den meisten Fällen ein verständnisloses „Aha“, begleitet von Fragezeichen, die sich hinter gerunzelten Stirnen verstecken.

Es sind nicht die gestellten Fragen, es sind die nicht gestellten.

 

Ein Weg für Träumer

Wie oft muss ich noch wiederholen, wie sehr mir diese Wege gefallen? Wie verbunden ich mich fühle mit allem, was mich umgibt?

Manchmal folgt der Weg wieder dem See, mit einem einzigen Satz könnte man ins Wasser springen, dann wieder zweigt er ab, Sträucher und dichtes Gebüsch neigt sich über den Weg. Einmal, zweimal, je nach Lust und Laune, setze ich mich irgendwo hin, meistens am Wasser, starre hinaus auf die hellblaue Fläche, folge den Bewegungen der Wolken, sie sind meine Freunde geworden.

 

Path along the Lake Geneva

... and a path across dense nature

Sometimes just looking out to the gray lake

And always water and trees and clouds

some steadfast rowers

Path along a tunnel of trees and bushes

And then again through a forest, dirty and wet

 

Morges

Nach knapp vier Stunden erreiche ich Morges, gemäss Führer das heutige Tagesziel.

Das Savoyer Städtchen mit seiner breiten Uferpromenade, dem von den Bernern angelegten Kriegshafen (1691-96 erbaut) und dem Schloss, das heute ein Militärmuseum beherbergt, hat einiges zu bieten.

Aber es ist immer das gleiche Problem auf dieser Wanderung: nicht genügend Zeit, um gelegentlich zu verweilen, dem permanenten Vorwärtsdrang für eine Weile Einhalt zu gebieten. Das trifft heute ganz besonders zu. Ich bin sicher, dass Morges einen Aufenthalt lohnen würde, aber eben ….

 

The cathedral of Morges

The ancient castle, today a military museum

Der Weg führt eine Weile durch grosszügig angelegte Parkanlagen, uralte Bäume stehen reglos in Reih und Glied, eine Armee stummer Soldaten, Baumspitzen, die wie Speere in den Himmel stechen.

 

Park near Morges

an army of old trees

Aber dann, für heute die letzten Kilometer dem See entlang. Nachher geht’s ins Landesinnere, wo ein Zimmer in Etoy auf mich wartet. Nochmal die Wege durch dichtes Gehölz, ganz nahe am Wasser, Bäume strecken sich den Wellen entgegen, man glaubt, dass sie sich nahe sein möchten.

 

Even seen so many times - always an awesome view

Trees and water - they belong to each other

 

Le Boiron

Ein Bach, Le Boiron, führt nach dem Dorf Tolochenaz in den Wald hinein. Es geht nun gegen Norden, weg vom See, in Richtung von Etoy, dem heutigen Tagesziel. Dass der Weg dem Bach entlang „Sentier de la Truite“, Forellenbach, heisst, scheint selbsterklärend zu sein. Ich kann mir angesichts des schmutzig braunen Wassers allerdings nicht vorstellen, dass es hier noch viele Forellen gibt.

Aber der Weg ist traumhaft. Nur ganz wenige Wanderer, wohl eher Sonntagsspaziergänger, verirren sich in den Wald, man grüsst sich „Bonjour Monsieur“, „Bonjour Madame“ und geht seines Wegs.

Es ist feucht geworden, die nassen Bäume und Strächer zeugen von den Regengüssen der vergangenen Tage, der Weg ist zeitweise morastig und schwer zu begehen, aber das ist nichts Neues für mich.

Obwohl die bewohnten Gebiete wie auch die Autobahn nahe sind, fühlt man sich in einer anderen Welt. Die einzigen Geräusche sind das Murmeln des Baches, das leise Wiegen der Bäume im Wind, manchmal der sehnsüchtige Ruf eines einsamen Vogels im Geäst.

Manchmal wünschte ich mir, der Weg würde nie zu Ende gehen.

 

Le Boiron, a small brook in the forest

The bridge has lasted many years, one can see it

It is quiet, sometimes the lonely cry of a bird

The only sound far and wide - the gurgling of the water

 

Etoy – und ein geschlossenes Hotel

Nach ein paar Kilometern zweigt der eigentliche Panoramaweg wieder zurück zum See, doch für mich gilt eine alternative Route, die mich nach Etoy führen soll. Ich überquere die Autobahn – die lärmige Welt hat mich wieder – und folge dann einem endlos scheinenden Weg entlang Weizenfeldern und Treibhäusern.

Und tatsächlich, kurz vor Etoy fängt es an zu regnen, ich flüchte mich in den vermeintlichen Schutz eines Treibhauses, doch schon nach kurzer Zeit lässt der Regen nach, die paar Tropfen stören mich nicht.

 

I cross the Autobahn - back in civilisation

Etoy - greeted by house with ivy

Und dann bin ich da, in Etoy, einem kleinen unscheinbaren Dorf, das ich garantiert nicht besucht hätte, wenn ich andernorts ein Zimmer gefunden hätte.

Die Auberge Communale „Chez Yann“ sieht von weitem recht ansehnlich aus, allerdings auch sehr verlassen und geschlossen. Dass mir ausgerechnet das teuerste Hotel auf dem Weg einen sonntäglichen Streich spielt, finde ich nicht wirklich lustig.

Auf der anderen Strassenseite hat zumindest ein kleiner Laden geöffnet, die jungen Leute sind äusserst freundlich und zuvorkommend und helfen mir bei der Lösung dieses stupiden Problems. Nach einigen vergeblichen Anrufen beim Hotelmanager (der irgendwo ausserhalb wohnt), kriege ich den Kerl tatsächlich ans Telefon, bin wahrscheinlich etwas ruppig im Ton, aber immerhin verrät er mir das Geheimnis, wie sich das Tor zum Sesam öffnen lässt.

Also, ich habe ein Zimmer, es gibt eine heruntergekommene Dusche, die ich erst mal flicken muss, einen winzigen TV, wo ich später Fussball sehen möchte, und im ganzen Kaff kein Restaurant, wo ich mein weiss Gott hart verdientes Dinner essen könnte. Ich kaufe also im Laden ein und verziehe mich dann ziemlich schmollend auf mein Zimmer und schwöre, dass ich für einmal eine sehr negative Bewertung dieses unmöglichen Etablissements abgeben werde.

 

Song zum Thema:  Bishop Briggs – The Way I do

Und hier geht die Reise weiter … nach Gland am Genfersee