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Nepal

Langtang Trek – Tag 6

Von Langtang zum Bamboo Village

Irgendwas stimmt nicht frühmorgens um sechs. Zum Konzert der Vögel und der entfernten Stimmen des Küchenpersonals hat sich ein rhythmisches Klopfen auf dem Dach gesellt. Der Blick aus dem Fenster enthüllt die ganze Wahrheit. Es pisst aus allen Rohren. Das darf nicht wahr sein. Regen! Und wie!

 

Regen am frühen Morgen

Das bedeutet, dass ich heute tatsächlich auch die restliche Ausrüstung, mühselig hierher hochgetragen, benutzen muss. Also die Gamaschen, die Handschuhe (es ist nämlich auch kalt), der Regenponcho (Kraxen). Und wenn wir Pech haben, wird trotzdem alles feucht, denn der aufkommende Wind wird uns das Nass um Ohren und Beine schlagen.

 

Der Wettergott meint es gut

Aber mal sehen, die Suppe wird nicht so heiss gegessen, wie sie gekocht wird. Sitaram wirft allerdings ein, dass diese Art Regen sehr lange dauern kann, Stunden oder noch mehr. Ich dagegen bin überzeugt, dass es schon bald wieder aufhellen wird. Und tatsächlich, noch während ich mit wenig Genuss in ein langweiliges geschmackloses Chapati beisse, scheint uns der Wettergott gnädig zu sein. Aber mal abwarten, ich traue dem Frieden noch nicht.

 

Buddhistische Morgenrituale

In der Zwischenzeit vollzieht der Boss des Hauses seine morgendlichen Rituale vor dem kleinen Altar zu Ehren Buddhas. Zuerst füllt er kleine runde Behälter, in einer Reihe aufgestellt, mit irgendwas und zündet es an. Wahrscheinlich eine Art brennbares Oel oder sowas.

Auf jeden Fall füllt sich der Raum schon bald mit leichtem, kaum sichtbarem Rauch, der in den Augen brennt. Dazu murmelt und singt er seine Gebete. Sehr eindrücklich, aber man müsste mehr darüber wissen, um die Bedeutung des Ganzen zu verstehen. Auch Sitaram kann nicht helfen, er ist Hinduist, seine Gebete gehören anderen Gottheiten.

 

Gedenkstätte für die Toten

Am Rand des (neu errichteten) Dorfes steht eine kleine Gedenkstätte in Form einer Stupa. An ihren Seitenwänden sind die Namen aller Toten des Bergsturzes eingraviert. Die meisten davon Einwohner. Viele Soldaten. Zahlreiche Touristen aus aller Herren Länder …

Man bleibt stehen und liest die Namen. So viele Tote … Einfach verschwunden. Begraben im grössten Friedhof der Gegend.

 

Memorial for the victims
Gedenkstätte für die Toten

 

Der Friedhof der Bäume

Wie prophezeit – beim Abmarsch um acht hat sich der Regen verzogen, der frostige Hauch und der in der Luft schwebende Nebel sind aber immer noch wenig aufmunternd. Immerhin kommen wir schnell vorwärts und stehen schon bald wieder auf dem riesigen Friedhof, der einmal das Dorf Langtang war. Vor uns und hinter uns keuchen die anderen Trecker bergauf- oder abwärts, doch auch sie bleiben stehen, legen eine Minute des stillen Gedenkens ein.

Bergabwärts sieht man erst die anderen Verheerungen, die die vom Bergsturz ausgelöste Druckwelle verursacht hat. Man muss verstehen, dass die Verlagerung von Millionen Tonnen Gesteins und Sands und Wasser einer entsprechenden Verdrängung von Luft zur Folge hat. Diese weicht aus, die Druckwelle rast in ungebremstem Tempo das Tal hinunter und reisst alles um, was ihr im Wege steht. Tausende von umgestürzten Bäumen liegen talabwärts auf den Hängen, einzelne verkrüppelte Stämme trotzen noch immer der endgültigen Niederlage. Ein schreckliches Bild.

 

Once upon a time a dense forest
Das war einmal ein dichter Wald

Einmal mehr wird klar, wie die Macht der Natur wirkt. Dabei ist das Phänomen einfach zu erklären. Nepal liegt in einer geologischen Hochrisikozone, an der Grenze zweier tektonischer Platten. Seit Millionen von Jahren bewegt sich die indische Platte langsam gegen Norden auf die viel grössere eurasische Platte zu und schiebt sich dabei zum Himalaya auf. Der dabei entstehende Druck entlädt sich in ruckartigen Erdbeben, so wie am 25. April 2015.

 

Affen, Vögel, Pandas

Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit, Tiere zu sehen, verschwindend klein. Der Lärm der Trekker-Kolonnen, die permanente Bewegung durch den Wald stört die Tiere auf.

Immerhin, die Chance, einem der niedlichen Languren zu begegnen, ist gross. Sie haben sich offenbar an die sonderbaren Gesellen in ihren modischen und farbigen Kleidern und die verschiedenen Sprachen gewöhnt. Sie beobachten, falls überhaupt, was da geschieht, und entschliessen sich dann ohne Rücksicht auf Verluste, in weiten Sprüngen den Wald und die Wege zu überqueren.

Natürlich zur Freude der Touristen, die endlich mal eine der animalischen Sensationen des Tales sehen können.

 

Langurs - as nimble as fearless
Languren – ebenso flink wie furchtlos
A cautious look from afar
Ein vorsichtiger Blick von weitem

Im Unterschied zu unseren Breitengraden ist hier der Gesang der Vögel noch in allen Variationen zu hören. Es singt und zwitschert und zirpt und triliert, doch zu entscheiden, welche Stimme zu welchem Vogel gehört, fällt auch Sitaram schwer.

Immerhin sind es über 350 verschiedene Vogelarten. Einige davon erkennt er, darunter den Glanzfasan, den nepalesischen Nationalvogel, aber auch Ibis, Tragopan und andere, deren Namen und Aussehen mir vollkommen fremd sind.

In der Goseinkund-Region, also der Gegend um die entsprechenden heiligen Seen, lebt der kleine rote Panda, eine extrem vom Aussterben bedrohte Spezies. Zu ihrem Schutz hat die Regierung ein grossangelegtes Schutzprogramm ins Leben gerufen.

 

Red Panda
Der rote Panda (Copyright Wikipedia)

Und natürlich ist es Frühling, auch die Zeit der Jungtiere, teilweise kurz zuvor geboren und voller Stolz auf den Armen herumgetragen. Sie sind die Zukunft der Bauernfamilien, ohne sie ist keine Existenz denkbar.

 

Born just recently, but curious and still a little confused
Erst kurz zuvor geboren, aber neugierig und immer noch etwas verwirrt
Being so young and already on its feet
So jung und schon auf den Beinen
Dwelling for animals or people?
Behausung für Tiere oder Menschen?

 

Das Rätsel des linken Knies

Dann aber geht es zügig bergabwärts. Wir treffen unseren Freund, den Thai-Buddhisten, der sich zur Abwechslung offenbar ein Zimmer genommen hat. Und ja, die ersten Stufen bergabwärts, ursprünglich ein mulmiges Gefühl bezüglich meines linken Knies verursachend, sind beruhigend. Natürlich bin ich vorsichtig, natürlich versuche ich, bei ganz hohen Tritten das rechte Knie zu belasten, aber es geschieht – nichts. Das Knie hält. Dreimal Hurra!

Aber es sind schon wahnsinnige Stufen, die auch bergab Kopfschütteln auslösen. Wie ich es geschafft habe, hier hochzukommen,ist mir ein Rätsel, aber wie schon erwähnt – der Stolz macht vieles möglich.

 

 

Weibliche Trägerinnen

Wir haben nur wenige getroffen, aber alle machen den Eindruck extremer Leistungsfähigkeit, die uns Fitness-Center gestählte Mannsbilder erblassen lassen. Sie strahlen gleichzeitig etwas Schüchternes aus. Man möchte ihnen die Hand schütteln, ihnen danken. Ach, ich weiss nicht, irgendwas stimmt da nicht. Wie so vieles andere …

 

Female porters - as strong as shy
Weibliche Trägerinnen – ebenso stark wie schüchtern

 

Lama Hotel und zwei Bekannte im Stress

Das Lama Hotel ist genauso überfüllt und irgendwie abweisend wie beim Aufstieg. Sitaram schlägt vor (da wir zeitlich gut imPlan liegen), doch noch zwei Stunden bis Bamboo Village (heisst es so?) weiter zu marschieren. Okay, warum nicht. Alles, um auf dieses wenig einladende Etablissement zu verzichten, ist gut.

Wir treffen zum ersten Mal unsere beiden Mexiko/Slowakei-Australier wieder, sie scheinen aus irgendeinem Grund pressant zu sein. Sie wollen den restlichen Abstieg bis Syabrubesi noch an diesem Tag bewältigen. Eine echte Herausforderung, wie mir scheint. Das bedeutet ein Bergabrennen gegen die Zeit, und wenn ich mich an die steilen Abschnitte erinnere, die noch vor ihnen liegen – dann Prost und viel Glück!

 

Zimmer in Bamboo Village?

Irgendwie scheint mir der Weg bergab richtig viel Vergnügen zu bereiten. Wir haben alle Zeit der Welt, Sitaram ist überzeugt, dass wir im Bamboo ein Zimmer finden werden. Aus nachvollziehbaren Gründen kann ich seinen Optimismus nicht ganz teilen, schliesslich sind wir schon einige Male versetzt worden.

Meine Sorgen machen ihn schliesslich doch ein bisschen nervös machen lässt. Auf jeden Fall schlägt er vor, doch schon mal vorzugehen, um sicherzustellen, dass seine optimistische Annahme auch zutrifft. Während er also in Riesenschritten (endlich mal ohne den Grossvater) den Wald hinunter rennt, habe ich Zeit, mich umzusehen. Und endlich die phantastische, mystische Welt der lebenden und toten Bäume zu bewundern, die mich einmal mehr an Mittelerde erinnern, fehlen nur noch die Hobbits, Frodo und seine Gefährten Sam Gamdschie und Pippin und Merry, die bei einem späten Frühstück sitzen.

 

Middle Earth forest, but without Hobbits
Mittelerde-Wald, aber ohne Hobbits

Path or creek?

Creek with Rhododendrons

Und da, ganz in der Nähe, noch ein Langur-Affe. Er versteckt sich anfänglich hinter einem Baum, doch dann, mutiger geworden, zeigt er sich. Wunderbar.

 

We are approaching today's destination
Wir nähern uns dem Tagesziel
And another suspension bridge
Und wieder eine Hängebrücke

Der letzte Abschnitt, kurz vor dem Tagesziel, ist die ultimative Herausforderung nicht nur für meine Knie, sondern für alle Muskeln und Sehnen. Aber auch dieser Abschnitt, langsam und vorsichtig, bleibt hinter mir zurück, und schon eilt mir Sitaram entgegen. Meine Besorgnis bezüglich Zimmerverfügbarkeit scheint doch nicht ganz falsch gewesen zu sein. Wir haben nämlich das allerletzte Zimmer gefunden. Glück gehabt, mein Freund!

 

Das tibetische Hotel

Diesmal ist es ein tibetisches Hotel, wie alle bisherigen in einem sagen wir mal desolaten Zustand, der aber zu genügen scheint. Der Dining Room ist etwas düster und kalt, der Ofen ist zwar in Betrieb, aber da dauernd jemand die Tür offen lässt, verpufft seine ganze Leistung.

 

Bleak and cold
Düster und kalt

In meinem Zimmer ist alles ein bisschen klapprig, zwischen den Wandbrettern scheint die Sonne durch, das Schloss lässt sich nur mit viel Mühe schliessen. Man gewöhnt sich daran. Sogar an die sich ziemlich abweits des Hotels befindliche Toilette – ein weiteres Meisterstück tibetisch/nepalesischer Baukunst.

 

unfinished, but somehow cozy
Etwas unfertig, aber irgendwie gemütlich

Und tatsächich – mitten in der Nacht, der verschlafene Blick auf die Uhr zeigt 2.30 – folge ich grimmig und mit verquollenen Augen und der Stirnlampe dem Ruf der Natur und fühle mich eins mit der Welt und dem Kosmos …

 

PS Song zum Thema:  Ty Segall Band – I bought my Eyes

Und hier geht die Reise weiter …

 

Nepal

Langtang Trek – Tag 3

Vom Lama Hotel nach Langtang

Nach der besagten schlimmen Nacht weckt ich mein Zimmernachbar um 5 aus meinem kurzen Schlaf. Er wühlt knappe anderthalb Stunden in seinen Sachen herum, ich habe nicht den leisesten Schimmer, ob erwas sucht oder Ordnung schafft oder einfach so früh wach ist und nichts Besseres zu tun hat.

 

Olfaktorische Überfälle und andere Beleidigungen

Immerhin verschwindet er um halb sieben, und ich kann endlich durchatmen und mich ebenfalls zum Frühstück aufmachen. By the way, die hiesige Toilette – es ist kaum zu glauben – stellt eine weitere Steigerung olfaktorischer Angriffe auf meinen Geruchssinn dar, von den visuellen Beleidigungen ganz zu schweigen. Trotzdem schaffe ich es, meinen Gedärmen endlich etwas Erleichterung zu verschaffen.

Es scheint, dass die meisten Trecker bereits unterwegs sind, was mich nicht besonders überrascht, denn eine Überraschung wäre es nur gewesen, wenn ich mal nicht der Letzte beim Abmarsch wäre.

Immerhin entpuppt sich das Frühstück im Gegensatz zum gestrigen Abendessen als positive Überraschung.

Dazu eine Ergänzung: obwohl die Küche sehr überschaubar ist, bringt sie es doch irgendwie fertig, eine grosse Anzahl unterschiedlichster Menüs anzubieten. Also Pizza, Frühlingsrollen, MoMos in allen Ausprägungen …

Allerdings scheint das grüne Zeug, das gestern Abend die Pizza des Mexikaners verziert hatte, das gleiche zu sein, das auch die Füllung meiner Frühlingsrolle ausmachte. In beiden Fällen – ebenso ungeniessbar wie undefinierbar. Wir rätselten darüber, was es sein könnte, wurden aber nicht einig. Spinat? Etwas Lokales, das nur hier wächst?

Aber das System braucht Kalorien für die nächsten Tage, also isst man alles, was auf den Tisch kommt. Mit wenig Begeisterung, aber was soll’s …

 

Lama Hotel - a collection of buildings, but "hotel" seems a bit exaggerated
Lama Hotel – einfach eine Ansammlung von Gebäuden, aber „Hotel“ scheint leicht übertrieben

Stufen, Stufen, Stufen …

Ich würde gerne feststellen, dass der heutige Tag weniger anstrengender als der gestrige ist, kann ich aber nicht. Es geht genauso weiter wie gehabt, eine Tritt nach dem anderen, nur ist die Strecke im Vergleich zu gestern länger. Muss ich mich also auf einen weiteren 9-Stünder einstellen?

Es sieht so aus.

 

Second stage according to Polar recording
Zweite Etappe gemäss Polar-Aufzeichnung
The jungle is thinning out ...
Der Dschungel lichtet sich …
The river rushes and accompanies us on the way
Der Fluss rauscht und begleitet uns auf dem Weg

Immerhin kommen wir langsam aus dem Wald heraus, und zum ersten Mal zeigt sich das wundervolle Panorama der verschneiten Berggipfel. Auch das Wetter zeigt sich wieder in Festlaune, azurblauer Himmel, eine Luft, die allen Müll von Kathmandu aus den Lungen und Bronchen entsorgt.

 

On the left the Langtang Ri, the highest peak of the region
Links der Langtang Ri, der höchste Gipfel der Region

Allerdings spüre ich, dass sich das System nach der anfänglichen Beunruhigung weitgehend stabilisiert hat. Ich atme leichter, obwohl die zunehmende Höhe spürbar wird (wir nähern uns der 3000-Meter Grenze). Wir durchqueren die letzten Meter im Wald, wie gewohnt werde ich dauernd überholt.

Lange Kolonnen aus unterschiedlichen Nationen keuchen den Berg hinauf. Chinesen mit ausdruckslosen Gesichtern, denen man die Anstrengung kaum ansieht. Tätowierte Russen mit Oberarmen wie Baumstämme. Indische Gruppen, alle zum Steinerweichen keuchend. Ein paar fröhliche Amerikaner. Fast keine Europäer. Gar keine Schweizer.

Und alle sind schneller als ich. Sogar die Eselkarawanen …

 

They are also constant companions, sometimes in the same, sometimes in the opposite direction
Auch sie sind ständige Begleiter, manchmal in der gleichen, manchmal in der Gegenrichtung
A peaceful cooperation of the gray animals
Ein friedliches HIntereinander der Grautiere
So beautifully decorated - the pride of the owners
So wunderschön geschmückt – der Stolz der Besitzer

Die Träger

Aber nicht nur sie. Auch die Träger, diese kleinen, sehnigen Männer in jedem Alter (selten sogar Frauen), mit ihren ungeheuren Lasten von manchmal über 50 Kg steigen leichtfüssig an mir vorbei, die meisten mit schlechtem Schuhwerk (Flipflops und dergleichen) und kaum einem Schweisstropfen auf der Stirn.

Ich versuche eine der Lasten vom Boden zu heben – keine Chance. Dabei bin ich nicht gerade der Schwächste, aber mit dieser Last auf dem Rücken käme ich keine hundert Meter weit.

 

This load looks lighter than it is; besides, the porter suffers from an injured foot
Diese Last sieht leichter aus als sie ist; ausserdem leidet der Porter unter einem verletzten Fuss
Small wiry men, sometimes in flip-flops or other useless shoes, but with loads on their backs that I can't lift a millimeter off the floor
Kleine drahtige Männer, manchmal in Flip-Flops oder anderen nutzlosen Schuhen, aber mit Lasten auf dem Rücken, die ich keinen Millimeter vom Boden heben kann

Kosten sparen

Ich ärgere mich gewaltig über die Tatsache, dass mit ihnen ein ungebührliches Spiel mit den Kosten getrieben wird. Viele Trekker, diese vermeintlich naturverbundenen Leute, möchten möglichst billig zu einem Trek kommen, was letztlich bedeutet, dass der Tour Operator dort bei den Kosten spart, wo er keinen Widerstand zu erwarten hat. Also bei den Trägern. Diesen am untersten Ende der Fresspyramide angesiedelten Wesen. Es ist eine Schande, die nur schwer erträglich ist.

Sitaram beruhigt mich insofern, dass die Kinder der potentiellen Träger (und später Guides) schon mit 5 Jahren beginnen, schwere Lasten zu tragen. 50 Kilos wiegen für sie wahrscheinlich weniger schwer als für mich meine gut 15 Kilos. Trotzdem – es gibt vermeintlich Regeln zum Schutz der Träger, aber daran hält sich – wie an vieles andere – kein Schwein.

 

Rast im Hotel Tibetan

Die erste Rast im Hotel Tibetan, das zwar so heisst, aber irgendwie eher nach Verschlag aussieht. Es ist heiss geworden, überraschend nach der eiskalten Nacht.

In der Zwischenzeit habe ich mich sogar an Black Tea gewöhnt, ein Ausbruch aus Gewohnheiten, der nachdenklich macht. Ich und Tee trinken? Da stimmt was nicht. Vielleicht aus lauter Langeweile. Und weil der sogenannte Black Coffee ausser black nicht viel zu bieten hat.

 

It doesn't look like a hotel, but it is one ...
Es sieht zwar auch nicht nach Hotel aus, ist aber eines …

Hotel Tibetan

Rhododendron – die nepalesische Nationalblume

Und dann endlich, so wie im Führer versprochen, die lang ersehnten Rhododendren-Wälder. Die nepalesische Nationalblume. Die meisten Sträucher sind allerdings schon verblüht, doch einige – rosa, dunkel- bis hellrot und weiss – erstrahlen noch in ihrer ganzen Pracht. Ein Bild, an dem man sich sattsehen kann.

 

Pale pink ...
Hellrosa …
... pink and dark red ...
… pink und dunkelrot …
... and up close quite delicate and fragrant ...
… und von nahe ganz zart und duftend …

Die Yaks

Und da sind endlich auch die Yaks. Viele viele Yaks. Braun und schwarz. Mit weissen Flecken oder ohne. Mit geschwungenen Hörnern. Mit lieben Augen, die unendliche Geduld zeigen. Und Durchhaltevermögen in dieser lebensbedrohlichen Welt.

Es entsetzt, dass vor zwei Jahren, in einem offenbar äusserst schneereichen Winter, 600 Yaks verhungert sind. Dabei stellen sie für die Bewohner des Tals die einzige zuverlässige Lebensgrundlage dar. Was ist da geschehen?

 

Always peaceful (except when cubs need to be protected), always frugal, always a feast for the eyes
Immer friedlich (ausser wenn Jungtiere beschützt werden müssen), immer genügsam, immer eine Augenweide
Definitely one of my favourite animals
Definitiv eines meiner Lieblingstiere

Langtang – Ein Friedhof für 400 Tote

Nach dem Erreichen der baumlosen Zone – wir sind jetzt bereits über der 3000-er Grenze, erkennen wir schon von weitem eine hellen Einschnitt an der linken Bergflanke.

Natürlich weiss jeder, worum es sich handelt.

 

Langtang landslide - a huge wound in the landscape
Langtang Bergsturz – eine riesige Wunde in der Landschaft

Es ist die Bergsturzzone, schon von weitem wie eine tiefe Wunde im Berg zu erkennen. Wenn man näher kommt, sind die verheerenden Wirkungen zu sehen. Man kommt, seltsam still geworden, näher, bis man die Grenze des Bergsturzes erreicht. Man bleibt stehen und traut seinen Augen nicht.

 

From up there the disaster originated ...
Von da oben kam das Unheil …
A gigantic avalanche of rock and melted ice ...
Eine gigantische Lawine aus Fels und geschmolzenem Eis …
Just rubble ...
Nur noch Geröll …
Rocks and stones and sand ...
Felsen und Steine und Sand …

Unter diesen Millionen von Tonnen liegen über 400 Menschen begraben. Ein ganzes Dorf, Langtang, vom Antlitz der Erde getilgt. Dorfbewohner. Touristen. Soldaten. Guides. Träger. Tiere. Yaks. Kühe. Schafe. Der Tod hat keinen Unterschied gemacht. In Sekundenschnelle, begleitet von einem ungeheuerlichen Grollen und Tosen und Krachen, begraben.

Auslöser der Katastrophe war das Erdbeben am 25. April 2015. Über 8000 Menschen starben in Nepal, unzählige wurden verletzt. Am Schlimmsten traf es die Bergtäler, wo noch lange nach dem Beben keine Hilfe eintraf. So wie in Langtang. Wo es allerdings nichts zu retten gab.

Wo nur noch ein gigantischer, von einem Talende zum anderen reichender Geröllhaufen zurückgeblieben ist. Offenbar war durch das Erdbeben der Damm eines Gletschersees oberhalb des Dorfes geborsten und führte dazu, dass sich Wasser und Geröll zu einer riesigen todbringenden Lawine vereinigten. Ein Zusammenspiel hochgefährlicher Komponenten. Und wer in der Flussrichtung lag, wurde beseitigt.

 

Ein neues Langtang

Unweit der Geröllhalde ist das neue Langtang mit guten Hotels und Restaurants und Läden entstanden, vielleicht schöner und moderner als das untergegangene. Immerhin ein kleiner Trost. Auf jeden Fall erhalte ich – oh Wunder! – ein Zimmer mit WC (!) und warmer Dusche (!!).

 

Auf der Suche nach potentiellen Abnehmern von Malstiften

Ich habe vor der Abreise im letzten Moment noch ein paar Schachteln Malstifte gekauft, die Erinnerung an die verwahrlosten Kinder beim letzten Trekking hat sich eingeprägt. Ich suche also arme Kinder für meine Farbstifte und frage den Wirt nach potentiellen Abnehmern. Dieser denkt zuerst an seine eigenen Kinder, was ich nun angesichts seines grossen und offenbar gut besetzten Hotels etwas daneben finde.

Etwas zögerlich stecke ich also einem kleinen herzigen Mädchen die erste Schachtel in die Hand, in der Annahme, dass es sich dabei um die Tochter des Wirts handelt.

Für die anderen Malstifte jedoch suche ich geeignetere Abnehmer. Beim Gang durch das Dorf höre laute Klopfgeräusche, gehe ihnen nach und finde Arbeiter, die von Hand Steine zerkleinern.

Man muss sich das vorstellen: es ist billiger, grosse Steine heraufzutransportieren und sie durch billigste Arbeiter zerkleinern zu lassen, als eine Maschine – so wie bei uns – diese mühselige Arbeit machen zu lassen. Ich weiss, dass sich ganze Familien damit beschäftigen und mit dieser Arbeit wenigstens ein wenig zu ihrer Existenzsicherung beitragen können.

Ich frage sie nach Kindern, ernte verständnislose Gesichter, doch dann tauchen zwei andere Männer auf, die endlich einigermassen zu verstehen glauben. Ich drücke ihnen also zwei Schachteln in die Hand und versuche mit Händen und Füssen zu erklären, was der Zweck ist.

Eine Schachtel ist noch übrig, ich folge den beiden zu ihrer ärmlichen Behausung (eine weitere unglaubliche Herabsetzung menschlicher Würde), wo wir den letzten Abnehmer finden, der kaum weiss, wie ihm geschieht.

Ich verabschiede mich mit tiefer Verbeugung und Namaste und habe gleichzeitig das Gefühl, etwas Richtiges getan zu haben, und tiefstes Mitleid mit diesen armen Leuten, die auf der absolut untersten Stufe leben.

Immer noch aufgewühlt, wird mir im Hotel mitgeteilt, dass auch die erste Schachtel den richtigen Abnehmer gefunden hat. Das kleine Mädchen entpuppt sich Gott sei Dank nicht als Tochter des Wirts, sondern als die vierjährige Tochter einer alleinstehenden armen Frau, die in der Küche arbeitet.

Bingo.

Kurze Zeit später taucht das Mädchen im Diningroom auf, die Schachtel als grössten Schatz an die Brust gedrückt.

 

Ein freudloses Dasein

Da das iPhone im Lama Hotel nicht aufgeladen werden konnte, ist es nun am Kabel. Nach dem Essen sitzt man noch etwas gelangweilt herum, nichts zu lesen (ausser einer Broschüre von gerademal zwei Seiten, die mir der Boss des Hauses mitleidig in die Hand drückt). Das sind, man glaubt’s kaum, die einzigen lesbaren Buchstaben im ganzen Haus.

Heftige Lese-Entzugserscheinungen verspürend, verziehe ich mich in mein Zimmer und schlucke eine Tablette für meinen immer noch etwas angeschlagenen Magen. Es ist so kalt, dass auch mein guter Schlafsack zuwenig wärmt und die dicke Decke ein wunderbar kuscheliges Gefühl vermittelt.

Im Unterschied zu gestern hat sich mein Puls einigermassen normalisiert und ich schlafe ziemlich schnell ein.

 

PS Song zum Thema: Free – Mourning sad Morning

Und hier geht die Reise weiter …

 

Nepal

Kathmandu – Erinnerungen an Kali Gandaki

Der Regen, die mitten in der Nacht ans Fenster pocht, will nicht so recht zu meinen Vorstellungen passen, die ich mir im Vorfeld zum Langtang Trek zurecht gelegt habe. Sollte ich mich getäuscht haben? Muss ich auf dem Trek schlechtes Wetter erwarten oder gar Schnee?

 

Kali Gandaki

Die Erinnerungen an das Trecking entlang des Kali Gandaki Tals sind etwas verschwommen, aber ein Bild hat sich in mein Langzeitgedächtnis eingebrannt. Der morgentliche Blick aus dem Fenster in eine weisse Pracht, die in der Nacht vom Himmel gestürzt ist, und mitten drin – ein Pferd! Friedlich käuend, ganz entspannt, als wüsste es, dass der Schnee in ein paar Stunden wieder verschwunden sein wird.

Es gibt einige Bilder, die von schlechtem Wetter, von Wind und Sturm zeugen. Die dicken Jacken und die hochgezogenen Kapuzen, die Wollmütze im Schlafsack – es müsste eigentlich Erinnerung genug sein, um zu wissen, was mich erwartet.

 

Horse in Snow

John in Sleeping Bag

Trekkers before start

 

Auf der Suche nach einer Tour

So lautet das Motto des heutigen Tages: eine Tour finden, die genau meinen Vorstellungen entspricht. Also Langtang, 8 Tage, in einer Gruppe, frühester Starttermin 8. April.

Irgendjemand sagte doch – kein Problem, es gibt tausend Anbieter, man kann es sich aussuchen.

Das Gespräch mit dem Hotelmanager lässt meinen Optimismus ziemlich schnell schwinden und macht einer realistischeren Einschätzung Platz. Nach ein paar Telefonaten mit Geschäftspartnern oder Freunden oder was auch immer wird klar, dass es wohl doch nicht tausende Anbieter gibt.

Zwei Stunden später und nach weiteren Besuchen in mehr oder weniger düsteren Hinterhofbüros bin ich ein bisschen frustriert. Niemand scheint in den nächsten paa Wochen eine Tour nach meinem Gusto zu organisieren. Entweder gibt es gar nichts oder die angebotene Tour ist zu kurz oder zu lang.

 

Very cheap, Mister

Während ich also durch die verpesteten Thamel-Gassen irre, den Dauerruf „Very cheap, Mister“ im Ohr, bin ich erstens hungrig und zweitens frustriert. Nun denn, mit vollem Magen, lässt sich besser denken, ich bestelle bei einem überaus freundlichen Herrn eine Portion Chicken Momos und haue zum Dessert einen Pineapple Plunder hinterher.

 

Chicken Momos - my favorite dish in Nepal

Dann tue ich das, was ich von Anfang  an hätte tun sollen, ich vergesse die 0815 Tour Operators , die an jeder Strassenecke ihre Dienste anbieten, und schaue im Guide nach. Ich notiere mir also Namen und Adressen der offenbar besten und zuverlässigsten Anbieter und klappere sie schön nacheinander ab.

 

Mein Guide und ich

Der junge Herr bei „High Spirit Treks & Expedition Nepal Ltd.“ trägt ein modisches Bärtchen und spricht ein Englisch Kauderwelsch, dem ich nur mit Mühe folgen kann.

 

High Spirit Treks and Expeditions
High Spirit Treks and Expeditions

Sei es der Frust der vergangenen Stunden oder die Müdigkeit, die sich langsam einstellt, auf jeden Fall überzeugt er mich mit vielen unverständlichen Worten und Gesten von einer Tour, die am nächsten Montag startet.

Teilnehmer ich und ein Guide.

Nicht ganz das, was ich wollte. Weder bezüglich Teilnehmer noch Kosten. Aber immerhin starten wir am 8. April, so wie geplant. Ein kleiner Trost.

Und so verlasse ich das Bärtchen, eine Quittung über Fr. 750.- in der Tasche und die Aussicht auf einen wunderbaren Trek ins Langtang Valley, wo ich hoffentlich all die vielen anderen Trekker treffen werde, die man mir versprochen hat …

 

Thamel in Ruhe

Zur Abwechslung sind die Gassen in Thamel mal etwas ruhiger. Das gibt Gelegenheit, die Millionen von Souvenirs und Trekking-Utensilien ins Auge zu nehmen …

 

Quiet Thamel, for a change

There is everything and more

 

Song zum Thema: Portishead – Silence

Und hier geht  die Reise weiter …