Nun bin ich also in der heiligsten aller Städte des Landes – Luang Prabang. Und heute werde ich herausfinden, warum das so ist …
Doch das erste, was am Morgen, beim Hinaustreten ins Frei, auffällt, ist die frische Luft. Sie riecht nach Gewürzen, nach frischem Brot, nach Wald.
Seltsam in einer Stadt, die gestern Abend noch vor allem nach Auspuffgasen und allerlei anderen schlimmen Düften roch. Vielleicht hat sie der Nachtwind weggeblasen, vielleicht – und das ist die grössere Wahrscheinlichkeit – bilde ich mir das nur ein.
Weil es so sein sollte in dieser heiligsten allen Städte in Laos.
Wat Xieng Thong
Es fängt an mit den Malereien, an denen sich auch das ungeübte Auge nicht sattsehen kann. Vögel, Tiere, Gottheiten, in allen Farben des Spektrums, die auch nach so vielen Jahren (oder Jahrhunderten) noch immer verzaubern.
Eine billige Plastikblume am Buddha
Und immer ist da dieser typisch buddhistische Klang, dieser weltliche Aspekt, der in allem mitschwingt. Eine billige Plastikblume am Hals einer jahrhundertealten Figur. In Burma waren es gelegentlich Preisschilder, hier könnte auch eine Colaflasche zelebriert werden. Es würde keinen stören.
Für westliche Geister allerdings, vor allem die dogmatischen, undenkbar, verstörend, eine Beleidigung des guten Geschmacks und für den Künstler (dem es vermutlich ziemlich egal gewesen wäre). Das ist das Schöne am Buddhismus, diese Dinge spielen schlicht keine Rolle, der Geist der Vergänglichkeit durchdringt die Welt, also auch die alten Götter und deren Abbilder.
Absurde kleine Existenzen
Nun, wie auch immer, ich sitze an einem Steintisch im Schatten eines Baumes, Touristen strömen in Scharen vorbei, ich gehöre zu ihnen, diesen Ignoranten. Macht nichts. Vergänglich. Wir sind alle absurde kleine Existenzen, hechelnd nach Anerkennung, manchmal jaulend vor Einsamkeit, eine winzige Flamme in der Dunkelheit. Vergänglich. Es spielt keine Rolle, nur die Summe am Schluss zählt. Oder doch nicht?
Einige dunkle Wolken hängen über der Stadt; zuhause würden sie wohl ein baldiges Sommergewitter ankündigen. Doch hier bilden sie nur eine kurze Episode, machen den Mittag und seine Hitze etwas erträglicher.
Sich treiben lassen
Die Stadt ruft sozusagen danach, sich einfach treiben zu lassen. Das Denken beiseite zu lassen. Achtsamkeit, diesen westlichen Hype, wirken zu lassen. Und dann nur noch sein. Mal beim nächsten Tempel, beim Fluss, der sich träge an der Stadt vorbei wälzt. Oder im Café bei der Betrachtung der Menschen, die vor dem Fenster vorbeigehen. Auf dem Hügel, der über der Stadt thront, die Aussicht geniessen.
Philosophische Gedanken am Abend
Die Stadt ruft ambivalente Gefühle hervor. Ohne Touristen wäre sie eine stille, verträumte alte Stadt, voller Geschichte, voller Erzählungen übe die Welt, über Kriege und Not. Und die absonderlichen Launen der Spezies Mensch, die fähig ist zu höchster Kunst und barbarischer Grausamkeit. Man muss es wie alles andere in Gelassenheit hinnehmen.
Und wenn wir gerade von Gelassenheit sprechen – die wirkungsvollste Waffe gegen die Zweifel am Sinn der eigenen Existenz wäre eigentlich das Zurücknehmen der Wichtigkeit der eigenen Existenz. Sehr heilsam als Gedanke, aber kann man leben damit?
Seltsam – die Stadt scheint prädestiniert dafür, in philosophische Gedanken abzugleiten. Ob das gut ist, weiss ich nicht, wir werden sehen.
Der Nachtmarkt
Gegen Abend entsteht Hektik. Wo vor kurzem noch allerlei Vehikel und tausende Fussgänger sich den Platz streitig gemacht haben, werden nun in Windeseile Stände aufgestellt, aus Anhängern, Autos, Fuhrwerken, Taschen und Rucksäcken eine Million Tücher, T-Shirts, Handschuhe, Ringe und Armbänder und eine weitere Million kleiner und grösserer Kinkerlitzchen bereitgestellt. Jetzt verstehe ich – Nightmarket!
PS Song zum Thema: Sisters of Mercy – Temple of Love
Und hier geht’s weiter …