Eigentlich hätte mir ein altes klappriges Damenfahrrad genügt, um die geplante Tour durch die Stadt zu absolvieren, aber die Verleiher ziehen natürlich die viel teureren Mountainbikes vor.

So fährt man dann schliesslich für 500 Rupies los, ein knallgrünes, ziemlich neu aussehendes Rad unter dem Arsch, mit geschätzten 100 Gängen und einem karbongehärteten Gestell (so hat mir die Dame beim Verleih glaubhaft versichert, aber der Glaube an ihre Beteuerungen hält sich in Grenzen).

 

Karbon und hundert Gänge

Natürlich alles vollkommen unnütz für meine Zwecke, aber was soll’s. Allerdings scheint mein Fahrrad Eindruck zu machen, denn kaum bin ich zögernd – wie schaltet man mit diesem verfluchten Ding einen Gang runter? – losgefahren, werde ich bereits angehalten.

Ein Italiener, wie sich herausstellt, möchte unbedingt wissen, wo ich mein Velo gemietet habe, denn seins sei absoluter Schrott. Ein Profi wie ich gibt natürlich gerne Auskunft, auch über Gänge und Karbon und dergleichen, obwohl ich keinen Dunst habe. Auf jeden Fall ist der junge Mann sehr beeindruckt und macht sich schnellstens auf den Weg zu meinem Vermieter.

 

Wie schaltet man runter?

Stolz und erhobenen Hauptes ziehe ich nun von dannen, fühle mich schon ein bisschen wie Eddy Merckx oder Ferdy National (was wahrscheinlich eher mit meinem Alter zu tun hat), allerdings immer noch in einem viel zu hohen Gang.

Erst nach einer Weile – es ist ziemlich anstrengend und meine Gesichtsfarbe dürfte sich einem tiefen Rot nähern – merke ich, dass sich unter meiner rechten Hand noch ein Schalter verbirgt, und tatsächlich – damit kann man runterschalten. Es gibt also einen Schalter zum rauf- und einen zum runterschalten. Interessant.

 

Auf der Suche nach dem Mountain-Museum

Mit dem Gefühl, die Sache nun vollkommen im Griff zu haben, mache ich mich auf den Weg zum Mountain-Museum, irgendwo gegen Westen in der Nähe des Flugplatzes. Für einmal bin ich der Offline-Karte von Google Maps dankbar, denn ohne sie hätte ich mich im Gewirr der unzähligen Strassen und Strässchen rettungslos verirrt.

Trotzdem muss ich alle paar hundert Meter anhalten, um einen Blick auf die Karte zu werfen. Es gibt die eine oder andere knifflige Situation zu überstehen, vor allem beim Kreuzen einer Strasse oder beim linksseitigen Umfahren eines Kreisels. Ich bin den Lastwagen und Bussen, die sich an allerhand Idioten im Strassenverkehr gewohnt sind, dankbar, dass sie mich nicht über den Haufen fahren oder ins Gebüsch schubsen.

 

Das Mountain Museum

Durch das Eingangstor, beinahe so bewacht wie das Schloss Versailles, wird man in eine weitläufige Anlage voller Grün und Wiesen und Gebüsch und Bäume geführt. Das Fahrrad muss natürlich zurückgelassen werden, man deutet aber an, ein besonders wachsames Auge darauf zu werfen.

 

So many ...
Es sind viele ….
The Mountain Museum is an impressive building with equally impressive contents
Das Mountain Museum ist ein beeindruckender Bau mit ebenso beeindruckendem Inhalt

Der grosse Bau inmitten der Parkanlage macht schon von weitem Eindruck. Man steigt ein paar Stufen hinauf, wird durch eine Sicherheitsschleuse gelotst, deren Zweck mir unklar ist. Ein terroristischer Anschlag ist kaum zu erwarten, und ob sich der Diebstahl uralter Bergsteigerausrüstungen lohnen würde, ist fraglich.

 

Bewunderung und Kopfschütteln

Es gibt viel zu sehen. Neben zahlreichen wunderbaren Bildern aller Gipfel des Himalayas, den Trachten der jeweiligen Bergvölker, der Bilder aller Erstbesteigungen und Expeditonen, finden vor allem die Ausrüstungsgegenstände der damaligen Zeit mein Interesse.

Der Vergleich mit den heutigen Utensilien mit den damals benutzen,, von den gewärmten Schuhen über die UV-Strahlen abwehrenden Brillen, den Eispickeln und alle den anderen Dingen, löst ebenso Erstaunen wie Kopfschütteln aus.

 

Weil sie da sind

Wie zum Teufel überlebten die Männer die Eiseskälte in ihren Lederschuhen? In den zwar gefütterten, aber trotzdem suboptimalen Handschuhen? In der Unterwäsche, die alles andere als Thermo war?

Das alles kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Das Bild von Louis Lachenals erfrorenen Händen, neben Maurice Herzog einer der beiden Erstbesteiger der Annapurna Expedition 1950, bestätigt die Fragezeichen.

Einmal mehr wird klar, zu welchen Leistungen der Mensch fähig ist, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Die Antwort auf die Frage, warum man die Berge, und wenn sie noch so gefährlich sind, besteigen will, sagt einiges aus.

„Weil sie da sind.“

 

Klimaveränderung

Das grosse Problem unserer Zeit, die Klimaveränderung, stellt auch hier ein zentrales Thema dar. Wir sind uns in der Zwischenzeit an die Hiobsbotschaften bezüglich Gletscherrückgang gewohnt und zucken lediglich noch mit den Schultern.

Wer allerdings schon mal den Morteratsch-Gletscher besucht hat und die erste Tafel mit dem Datum (Anfang letztes Jahrhundert) des damaligen vorderen Endes des Gletschers gelesen hat und nun weit hinten im Tal, Kilometer weit weg, das aktuelle Ende sieht, weiss, wie dramatisch die Entwicklung ist.

Hier im Himalaya stellt das Problem eine ernsthafte Bedrohung dar. Die Gletscher des Gebirges sind die Quelle einiger der grössten Flüsse der Erde, Brahmaputra, Huang He, Jangstekiang, Indus, Ganges … Und die Gebirgsvölker in Nepal oder auch in Ladakh sind auf Wasser angewiesen (das bereits heute versiegt und ganze Dörfer zum Umziehen zwingt).

Aber wer weiss, vielleicht ist es ja noch nicht zu spät (als Zeichen gegen den Klimawandel zeigte die Uhr am Fraumünster in Zürich einige Tage lang 5 vor 12 an). Greta sei Dank!

 

Heiss und feucht

Während sich das Museum mit ganzen Herrscharen von Besuchern füllt (die sicher alle motorisiert angekommen sind), verlasse ich Eispickel und Louis Lachenal und schwindende Gletscher und trete hinaus in die flirrende Hitze des Vormittags.

Es scheint mir, dass es in den letzten Tagen merklich heisser geworden ist. Und allabendlich knallt es nun vom Himmel, dass einem Hören und Sehen vergeht. Die Gewitter sind manchmal richtig heftig, sodass sich das Touristenvolk am Durbar Marg schleunigst in die Restaurants verzieht.

Und noch eine unglückliche Entwicklung: die Feuchtigkeit in der Luft führt dazu, dass sich die Berge tagein, tagaus mit einem undurchdringlichen Wolkenschleier verhüllen. Machapuchare, Annapurna und all die anderen machen sich wieder rar.

 

Innenstadt

Die Dienste von Google Maps weiterhin benutzend, fahre ich Richtung Innenstadt, natürlich anfänglich mal wieder auf einer der dümmsten, da meistbefahrenen Strassen und komme damit einmal mehr in der Genuss einer vollen Ladung Auspuffgase und Staub. Als Ausweichrouten bieten sich die schmalen Strassen und Gassen an, wo das Leben auf der Strasse stattfindet und Lärm und dreckige Luft weitgehend verschwunden sind (zumindest stelle ich mir das so vor).

 

Not interested in taking care

Definitely full of purpose

Erst jetzt erkennt man, wie gross die Stadt wirklich geworden ist. Auch nach zwei weiteren Stunden scheine ich nur einen Bruchteil abgefahren zu haben. Man hat Mühe, Unterschiede zwischen den einzelnen Quartieren zu erkennen. Überall die gleichen Strassenzüge, die gleichen Läden, Handwerksbetriebe, Restaurants, Wohnhäuser oder das, was sich die Bewohner darunter vorstellen.

Doch manchmal, ganz unerwartet, doch noch eine Überraschung. Eine Hochzeitsfeier, laut und fröhlich und ziemlich unmusikalisch.

 

 

Paragliding Landezone

Der Weg zurück zum See bringt mich auf die Idee, die Strasse bis zum Ende am Paragliding Landeplatz abzufahren. Eine nicht wirklich gute Idee. Am Anfang ist der Verkehr wie überall dicht und gefährlich, bis dann die Strasse zu einem Bachbett wird, und man sogar als professioneller Mountainbiker aufpassen muss, keinen Unfall zu bauen.

 

My friends in the air

Schwitzend und schnaufend und fluchend erreiche ich schliesslich doch noch den Zielort, um dort feststellen zu müssen, dass die heutigen Landungen beendet sind und man es doch lieber am nächsten Tag versuchen solle. Die freundliche zerknitterte alte Dame beim winzigen Restaurant überredet mich zu einer Fanta, und erzählt mir ihr Leben, wovon ich allerdings kein Wort verstehe …

 

Abend mit einer Million anderer Touristen

Die Hauptstrasse, deren hauptsächlicher Zweck die Verbreitung von allerlei unnötigen Souvenirs besteht (dessen Sog auch ich mich nicht entziehen kann), ist jeweils am Abend hauptsächlich von Touristen bevölkert. Man flaniert rauf und runter, wühlt in den unzähligen Shops nach Singing Bowls, Messern, Sportbekleidung und anderem Krimskrams.

Ich denke, neunzig Prozent der angebotenen Ware ist gefälscht oder auf billigste Weise industriell hergestellt. Natürlich ist die Qualität lausig, aber das scheint niemanden davon abzuhalten, eine North Face Jacke für 10 Dollars zu kaufen, natürlich im Bewusstsein, dass sie zuhause das zehnfache kostet.

 

A cheap and dubious pleasure - shoppingShoppimg mile The same stuff as anywhere  A show?

This tailor works old-style
Dieser Schneider arbeitet old-style

Dieser Schneider arbeitet an einer Nähmaschine, die bei uns bis in die 60-Jahre benutzt wurden. Dann allerdings wurden sie entsorgt. Ein gutes Geschäft für meinen Vater, der Alteisen und Metalle sammelte. Ich selbst habe hunderte dieser Maschinen mit grosser Freude zertrümmert. Macht mich beim Anblick dieses Mannes irgendwie traurig. Irgendwas stimmt nicht mit unserer Welt.

 

PS Song zum Thema: Mozes and the Firstborn – All Will Fall to Waste

Und hier geht die Reise weiter …

 

Ähnliche Beiträge

Entdecke mehr von Travelbridge

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen