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Nepal

Pokhara – Das Märchen vom Frieden

Die Stupa thront hoch über dem See und der Stadt, ein idealer Ort, um eine Friedensbotschaft in die Welt zu senden. Meine Bucketlist für Pokhara neigt sich langsam dem Ende entgegen, und so mache ich mich schon am frühen Vormittag auf, um den Hügel mit der World Peace Stupa zu besteigen.

Aber eignet sich ein kaum bekannter Stupa an einem Ort, der den meisten Menschen fremd ist, für eine Friedensbotschaft an die Welt? Ich bezweifle es, lasse mich aber gerne vom Gegenteil übezeugen.

 

Ein schmales Boot und Schwimmwesten

Die kurze Fahrt über den See kostet 500 Rupien, dazu 70 Rupien für die zwingend erforderliche Schwimmweste. Einerseits ein einträgliches Geschäft für den Verleiher, andererseits vermutlich auf schlechte Erfahrungen der Schwimmkünste ihrer Klienten zurückzuführen. Mit mir zusammen wartet ein junges deutsches Paar auf die Abfahrt.

Jetzt endlich komme ich mir vor wie ein richtiger Tourist.

 

Boats on the Lake  Shop at the shore

 

Die Insel

Das Boot ist klein und schmal, der Ruderer sitzt ganz hinten und schwingt sein Werkzeug mit gemächlichen, professionellen, beinahe lautlosen Bewegungen. Wider Erwarten gibt es einen Zwischenhalt auf der kleinen, offenbar heiligen Insel mitten im See.

 

Apparently a Hindu sanctuary  Fat fish near temple

Hier finden sich vor allem Hindus ein, um im kleinen Tempel ihre Anbetungen an die zahllosen indischen Götter anzubringen. Die Schlange vor dem Eingang ist lang, doch die Gläubigen warten, leise schwatzend, geduldig. Man hat Zeit sich umzusehen, die vollgefressenen Fische zu bestaunen, die tagtäglich von den Touristen gefüttert werden. Sie haben offenbar ein gutes Karma erwischt, waren im letzten Leben vielleicht ausgemergelte Bettler. Die ewige Gleichung muss aufgehen.

 

Der Aufstieg

Der Weg zur Stupa hinauf bietet mal wieder Stufen ohne Ende, doch mit dem leichten Gepäck am Rücken ist das alles ein Klacks.

Meine beiden deutschen Bootsbegleiter haben sich verzogen, offenbar ziehen sie es vor, allein weiterzuziehen. Kann ich gut verstehen. Vor allem auch, weil ich sehr langsam bin, ein Spaziergänger, jemand, der keine Eile hat, nicht wie die anderen Touristen, die an mir vorbeihetzen.

Es wäre sicher schön, allein durch den dichten Wald zu steigen, den würzigen Geruch der Bäume und Gebüsche einzuatmen, um endlich all den Staub und Dreck der Grossstadt loszuwerden. Aber eben, der Solo-Aufstieg wird mir verwehrt, denn vor mir und hinter mir und manchmal auch neben mir keuchen ganze Heerscharen den Berg hinauf.

 

Steps again

 

Schlechte Sicht und ein guter Kaffee

Wie nicht anders zu erwarten, bieten bei der Ankunft ganz oben eine ganze Menge Restaurants und Läden ihre Produkte und Dienste an. Ich setze mich auf eine kleine Terrasse, nippe an einem Black Coffee und versuche, die unter mir liegende Stadt zu erkennen. Ein eher schwieriges Unterfangen, denn die Luft ist so feucht, dass die Stadt wie durch einen Filter scheint.

 

Pokhara through haze  ... and the lake, in haze as well

Doch der Kaffee ist zur Abwechslung mal wirklich gut.

Die Dame am Tresen, bei der ich bezahle, klärt mich auf. Offenbar gibt es hier in der Gegend einen kleinen Kaffeeanbau, von dessen Produkten ich eben eine Tasse voll geniessen durfte. Ich würde gerne einen Sack kaufen, aber wenn ich an meine übervollen Rucksäcke denke, verzichte ich lieber und halte mich an den Ferrari-Kaffee in Dietikon.

 

Der Stupa

Der Weltfriedesnstupa auf 1113 Meter Höheauf dem Bergkamm gehört zu den schönsten Ausflugszielen in der Umgebung von Pokhara. Er ist 40 Meter hoch und wirkt irgendwie falsch. Zuviel Bombast?

 

The World Peace Stupa

Natürlich muss man beim Betreten des Stupas die Schuhe ausziehen und auf jegliche lauten Geräusche verzichten. Wenn ich an die vergleichbaren Stupas in Burma denke, dann wirkt das Ding hier ausgesprochen künstlich. Aber was soll’s, wenn ich schon mal hier bin …

Meine Befürchungen haben sich bestätigt. Dieses Gebäude ist alles, aber ganz sicher nicht geeignet, um eine Friedensbotschaft in die Welt zu senden. Aber Hauptsache, die Besucher glauben an das Märchen – eines von vielen.

 

Golden Buddha  And a sitting Buddha

 

Der Abstieg

Es gibt mehrere Varianten, zurück in die Stadt zu gelangen. Man kann natürlich denselben Weg wählen und das Boot über den See nochmals nehmen. Finde ich nicht so attraktiv. Man kann aber auch einen kürzeren Weg durch den Dschungel nehmen, oder man nimmt den längeren, der allerdings etwas unübersichtlich ist.

Da ich jeweils mit Genuss die falscheste aller Alternativen wähle, ist klar, dass ich die dritte Variante wähle. Wie sich herausstellt, ist auch diese Wahl nicht das Gelbe vom Ei. Die Strasse ist zumindest im oberen Teil einigermassen verkehrsarm, das ändert sich jedoch schnell, als sie in die Hauptstrasse einbiegt, die vom Tal hinten in Richtung Pokharas verläuft. Nun also dichter Verkehr, stinkende und rauchende Busse und Lastwagen, Hupen und Brummen, und einmal mehr die Gefahr, über den Haufen gefahren zu werden. Als ich endlich die Ebene erreiche, sind bereits zwei Stunden verflossen.

 

Ein Fanta und rotgekleidete Damen

Ich setze mich am Srassenrand an einen Tisch vor einem Shop, bestelle ein Fanta und beobachte wieder mal, mit viel Genuss, das alltägliche Leben an einer gewöhnlichen nepalesischen Strasse. Wie immer ein Schauspiel, eine Operette, ein Drama, manchmal Komödie, manchmal Tragödie, doch immer Leben in all seinen Facetten.

Mein Blick fällt schliesslich auf eine Gruppe wunderschöner, in allen Tönen von Rot gekleideter Damen, sehr würdevollen Schrittes an mir vorbei stolzierend, bis eine ihren Daumen an das eine Nasenloch hebt und sich schnäuzt und damit die ganze stolze Würde auf einen Schlag zerstört …

 

Dem See entlang

Am Nachmittag dann zum letzten Mal der Spaziergang entlang des Sees, eine besondere Attraktion, die mich allerdings etwas an einen Senioren-Urlaub erinnert, der vor allem aus langen Spaziergängen und noch längeren Mittagsschläfchen bestehen soll (wie ich höre).

 

Boat on the lake  Cow on the lake

Ein Boot liegt im von Algen und anderen Pflanzen überwachsenen See, eine Kuh steht gedankenverloren im Wasser, man möchte ihre Gedanken lesen können (wenn sie denn welche hätte).

Kinder spielen am Strand, ihre Gesichter versunken in ihrer eigenen Welt, und doch, der Fremde wird sekundenlang mit misstrauischem Blick gemustert.

Auf halber Strecke kommen mir zwei Jungen entgegen, ziemlich verwahrlost, dem Kindesalter längst entwachsen und auf direktem Weg in eine Zukunft, die keine ist. Der jüngere der beiden stellt sich in Kung-Fu Pose vor mich hin, Herausforderung und Aggression in den bereits erloschenen, kalten Augen. Keine guten Aussichten …

 

Kids playing at the shore

 

PS Song zum Thema:  The Veils – Here come the Dead

Und hier geht die Reise weiter …

 

Nepal

Pokhara – Klimawandel im Himalaya

Eigentlich hätte mir ein altes klappriges Damenfahrrad genügt, um die geplante Tour durch die Stadt zu absolvieren, aber die Verleiher ziehen natürlich die viel teureren Mountainbikes vor.

So fährt man dann schliesslich für 500 Rupies los, ein knallgrünes, ziemlich neu aussehendes Rad unter dem Arsch, mit geschätzten 100 Gängen und einem karbongehärteten Gestell (so hat mir die Dame beim Verleih glaubhaft versichert, aber der Glaube an ihre Beteuerungen hält sich in Grenzen).

 

Karbon und hundert Gänge

Natürlich alles vollkommen unnütz für meine Zwecke, aber was soll’s. Allerdings scheint mein Fahrrad Eindruck zu machen, denn kaum bin ich zögernd – wie schaltet man mit diesem verfluchten Ding einen Gang runter? – losgefahren, werde ich bereits angehalten.

Ein Italiener, wie sich herausstellt, möchte unbedingt wissen, wo ich mein Velo gemietet habe, denn seins sei absoluter Schrott. Ein Profi wie ich gibt natürlich gerne Auskunft, auch über Gänge und Karbon und dergleichen, obwohl ich keinen Dunst habe. Auf jeden Fall ist der junge Mann sehr beeindruckt und macht sich schnellstens auf den Weg zu meinem Vermieter.

 

Wie schaltet man runter?

Stolz und erhobenen Hauptes ziehe ich nun von dannen, fühle mich schon ein bisschen wie Eddy Merckx oder Ferdy National (was wahrscheinlich eher mit meinem Alter zu tun hat), allerdings immer noch in einem viel zu hohen Gang.

Erst nach einer Weile – es ist ziemlich anstrengend und meine Gesichtsfarbe dürfte sich einem tiefen Rot nähern – merke ich, dass sich unter meiner rechten Hand noch ein Schalter verbirgt, und tatsächlich – damit kann man runterschalten. Es gibt also einen Schalter zum rauf- und einen zum runterschalten. Interessant.

 

Auf der Suche nach dem Mountain-Museum

Mit dem Gefühl, die Sache nun vollkommen im Griff zu haben, mache ich mich auf den Weg zum Mountain-Museum, irgendwo gegen Westen in der Nähe des Flugplatzes. Für einmal bin ich der Offline-Karte von Google Maps dankbar, denn ohne sie hätte ich mich im Gewirr der unzähligen Strassen und Strässchen rettungslos verirrt.

Trotzdem muss ich alle paar hundert Meter anhalten, um einen Blick auf die Karte zu werfen. Es gibt die eine oder andere knifflige Situation zu überstehen, vor allem beim Kreuzen einer Strasse oder beim linksseitigen Umfahren eines Kreisels. Ich bin den Lastwagen und Bussen, die sich an allerhand Idioten im Strassenverkehr gewohnt sind, dankbar, dass sie mich nicht über den Haufen fahren oder ins Gebüsch schubsen.

 

Das Mountain Museum

Durch das Eingangstor, beinahe so bewacht wie das Schloss Versailles, wird man in eine weitläufige Anlage voller Grün und Wiesen und Gebüsch und Bäume geführt. Das Fahrrad muss natürlich zurückgelassen werden, man deutet aber an, ein besonders wachsames Auge darauf zu werfen.

 

So many ...
Es sind viele ….
The Mountain Museum is an impressive building with equally impressive contents
Das Mountain Museum ist ein beeindruckender Bau mit ebenso beeindruckendem Inhalt

Der grosse Bau inmitten der Parkanlage macht schon von weitem Eindruck. Man steigt ein paar Stufen hinauf, wird durch eine Sicherheitsschleuse gelotst, deren Zweck mir unklar ist. Ein terroristischer Anschlag ist kaum zu erwarten, und ob sich der Diebstahl uralter Bergsteigerausrüstungen lohnen würde, ist fraglich.

 

Bewunderung und Kopfschütteln

Es gibt viel zu sehen. Neben zahlreichen wunderbaren Bildern aller Gipfel des Himalayas, den Trachten der jeweiligen Bergvölker, der Bilder aller Erstbesteigungen und Expeditonen, finden vor allem die Ausrüstungsgegenstände der damaligen Zeit mein Interesse.

Der Vergleich mit den heutigen Utensilien mit den damals benutzen,, von den gewärmten Schuhen über die UV-Strahlen abwehrenden Brillen, den Eispickeln und alle den anderen Dingen, löst ebenso Erstaunen wie Kopfschütteln aus.

 

Weil sie da sind

Wie zum Teufel überlebten die Männer die Eiseskälte in ihren Lederschuhen? In den zwar gefütterten, aber trotzdem suboptimalen Handschuhen? In der Unterwäsche, die alles andere als Thermo war?

Das alles kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Das Bild von Louis Lachenals erfrorenen Händen, neben Maurice Herzog einer der beiden Erstbesteiger der Annapurna Expedition 1950, bestätigt die Fragezeichen.

Einmal mehr wird klar, zu welchen Leistungen der Mensch fähig ist, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Die Antwort auf die Frage, warum man die Berge, und wenn sie noch so gefährlich sind, besteigen will, sagt einiges aus.

„Weil sie da sind.“

 

Klimaveränderung

Das grosse Problem unserer Zeit, die Klimaveränderung, stellt auch hier ein zentrales Thema dar. Wir sind uns in der Zwischenzeit an die Hiobsbotschaften bezüglich Gletscherrückgang gewohnt und zucken lediglich noch mit den Schultern.

Wer allerdings schon mal den Morteratsch-Gletscher besucht hat und die erste Tafel mit dem Datum (Anfang letztes Jahrhundert) des damaligen vorderen Endes des Gletschers gelesen hat und nun weit hinten im Tal, Kilometer weit weg, das aktuelle Ende sieht, weiss, wie dramatisch die Entwicklung ist.

Hier im Himalaya stellt das Problem eine ernsthafte Bedrohung dar. Die Gletscher des Gebirges sind die Quelle einiger der grössten Flüsse der Erde, Brahmaputra, Huang He, Jangstekiang, Indus, Ganges … Und die Gebirgsvölker in Nepal oder auch in Ladakh sind auf Wasser angewiesen (das bereits heute versiegt und ganze Dörfer zum Umziehen zwingt).

Aber wer weiss, vielleicht ist es ja noch nicht zu spät (als Zeichen gegen den Klimawandel zeigte die Uhr am Fraumünster in Zürich einige Tage lang 5 vor 12 an). Greta sei Dank!

 

Heiss und feucht

Während sich das Museum mit ganzen Herrscharen von Besuchern füllt (die sicher alle motorisiert angekommen sind), verlasse ich Eispickel und Louis Lachenal und schwindende Gletscher und trete hinaus in die flirrende Hitze des Vormittags.

Es scheint mir, dass es in den letzten Tagen merklich heisser geworden ist. Und allabendlich knallt es nun vom Himmel, dass einem Hören und Sehen vergeht. Die Gewitter sind manchmal richtig heftig, sodass sich das Touristenvolk am Durbar Marg schleunigst in die Restaurants verzieht.

Und noch eine unglückliche Entwicklung: die Feuchtigkeit in der Luft führt dazu, dass sich die Berge tagein, tagaus mit einem undurchdringlichen Wolkenschleier verhüllen. Machapuchare, Annapurna und all die anderen machen sich wieder rar.

 

Innenstadt

Die Dienste von Google Maps weiterhin benutzend, fahre ich Richtung Innenstadt, natürlich anfänglich mal wieder auf einer der dümmsten, da meistbefahrenen Strassen und komme damit einmal mehr in der Genuss einer vollen Ladung Auspuffgase und Staub. Als Ausweichrouten bieten sich die schmalen Strassen und Gassen an, wo das Leben auf der Strasse stattfindet und Lärm und dreckige Luft weitgehend verschwunden sind (zumindest stelle ich mir das so vor).

 

Not interested in taking care

Definitely full of purpose

Erst jetzt erkennt man, wie gross die Stadt wirklich geworden ist. Auch nach zwei weiteren Stunden scheine ich nur einen Bruchteil abgefahren zu haben. Man hat Mühe, Unterschiede zwischen den einzelnen Quartieren zu erkennen. Überall die gleichen Strassenzüge, die gleichen Läden, Handwerksbetriebe, Restaurants, Wohnhäuser oder das, was sich die Bewohner darunter vorstellen.

Doch manchmal, ganz unerwartet, doch noch eine Überraschung. Eine Hochzeitsfeier, laut und fröhlich und ziemlich unmusikalisch.

 

 

Paragliding Landezone

Der Weg zurück zum See bringt mich auf die Idee, die Strasse bis zum Ende am Paragliding Landeplatz abzufahren. Eine nicht wirklich gute Idee. Am Anfang ist der Verkehr wie überall dicht und gefährlich, bis dann die Strasse zu einem Bachbett wird, und man sogar als professioneller Mountainbiker aufpassen muss, keinen Unfall zu bauen.

 

My friends in the air

Schwitzend und schnaufend und fluchend erreiche ich schliesslich doch noch den Zielort, um dort feststellen zu müssen, dass die heutigen Landungen beendet sind und man es doch lieber am nächsten Tag versuchen solle. Die freundliche zerknitterte alte Dame beim winzigen Restaurant überredet mich zu einer Fanta, und erzählt mir ihr Leben, wovon ich allerdings kein Wort verstehe …

 

Abend mit einer Million anderer Touristen

Die Hauptstrasse, deren hauptsächlicher Zweck die Verbreitung von allerlei unnötigen Souvenirs besteht (dessen Sog auch ich mich nicht entziehen kann), ist jeweils am Abend hauptsächlich von Touristen bevölkert. Man flaniert rauf und runter, wühlt in den unzähligen Shops nach Singing Bowls, Messern, Sportbekleidung und anderem Krimskrams.

Ich denke, neunzig Prozent der angebotenen Ware ist gefälscht oder auf billigste Weise industriell hergestellt. Natürlich ist die Qualität lausig, aber das scheint niemanden davon abzuhalten, eine North Face Jacke für 10 Dollars zu kaufen, natürlich im Bewusstsein, dass sie zuhause das zehnfache kostet.

 

A cheap and dubious pleasure - shoppingShoppimg mile The same stuff as anywhere  A show?

This tailor works old-style
Dieser Schneider arbeitet old-style

Dieser Schneider arbeitet an einer Nähmaschine, die bei uns bis in die 60-Jahre benutzt wurden. Dann allerdings wurden sie entsorgt. Ein gutes Geschäft für meinen Vater, der Alteisen und Metalle sammelte. Ich selbst habe hunderte dieser Maschinen mit grosser Freude zertrümmert. Macht mich beim Anblick dieses Mannes irgendwie traurig. Irgendwas stimmt nicht mit unserer Welt.

 

PS Song zum Thema: Mozes and the Firstborn – All Will Fall to Waste

Und hier geht die Reise weiter …

 

Paragliding in Pokhara
Nepal

Pokhara Paragliding – Die Welt im Auge des Adlers

Dann also der grosse Tag.

Das Geburtstagsgeschenk an mich selbst. Der Himmel ist klar und ganz blau, wie er sein sollte, ein leichtes Wolkengeflirr um den Machapuchare, nichts Aufregendes. Der Blick zum Hügel von Sarankot zeigt Grün und Braun und Gelb, Wald und nochmals Wald und darüber der Gipfel.

Der Startplatz.

 

Perfekte Aussichten für einen erfolgreichen Jungfernflug

Sollte man etwas spüren an einem solchen Morgen? Gibt es Statistiken über Unfälle? Todesstürze? Ich nehme ein betriebswirtschaftliches Argumentarium zu Hilfe.

Jeder Unfall, verursacht durch suboptimale Qualität des Piloten, würde das Geschäft sofort zum Erliegen bringen. Also müssen die Veranstalter alles tun, um ein solches Szenario zu vermeiden. Alles klar? Mit diesen (vermeintlichen) Erkenntnissen widme ich mich beruhigt dem Frühstück und verpasse beinahe den Zeitpunkt, wo ich vom Veranstalter abgeholt werde.

 

Nur die schlechten Piloten übrig?

Wie alles in Asien geht es igendwie vorwärts und doch nicht. Irgendwo in einem Büro muss ich ein Dokument ausfüllen, darunter auch eine Adresse, an die man sich im Fall der Fälle wenden könnte. Der freundliche Herr, ein beinahe perfektes Englisch sprechend, erzählt, dass an diesem Tag auch eine Competition stattfindet, an der die besten Piloten teilnehmen.

„It means that there are only the bad ones left for today’s flights?“ Meine Frage klingt lustig, ist aber eigentlich ernst gemeint.

 

My pilot - as intelligent as he is competent
Mein Pilot – ebenso intelligent wie kompetent

Er lacht lauthals und gibt mir recht. „Exactly. Only the bad ones.“

Nicht überraschend, dass ich in sein Lachen etwas verkrampft einstimme.

 

Auf dem Weg nach Sarankot

Der Jeep muss sich den Weg nach Sarankot durch das dichte Verkehrsgewühl suchen, einmal mehr fragt man sich, ob es in diesem Land überhaupt Verkehrsregeln gibt und ob jemand von deren Existenz weiss.

Auf der ganzen Welt gilt eine doppelte Linie als heilig und nicht überfahrbar und wird bei Missachtung streng geahndet. Hier scheint es so zu sein, dass sie eine Art Einladung darstellt, auf die andere Spur zu wechseln und den dort vorhandenen Platz für die eigenen Zwecke zu nutzen.

Anyway, auch nicht überraschend ist, das der obere Teil des Hügels nicht mehr asphaltiert ist. Einmal mehr kommt mir das Spiel der Lottokugeln in den Sinn, und da ich als elder Statesman vorne sitzen darf (natürlich unangeschnallt, da das Gegenstück des Verschlusses nicht auffindbar ist), werde ich noch ein bisschen mehr durchgeschüttelt als die Herren auf den Rücksitzen.

So ganz klar Ist mir ihre Rolle nicht, doch ein junger Mann chinesischer Provenienz scheint ebenfalls fliegen zu wollen. Die anderen gehören offenbar irgendwie zum Team.

 

Der Startplatz

Ja, und dann sind wir da, der Startplatz ist eine leicht abfallende Wiese, wo sich zahlreiche Männer (wo sind die Frauen?) eingefunden haben, um sich in die Tiefe zu stürzen. Der nette Herr, der sich um mich gekümmert hat, stellt sich auch als mein Pilot vor, sein Name ist Anil, was mir nun doch einen sehr willkommenen Schubs in positiver Richtung verschafft (für Eingeweihte: siehe „Der Fährmann“, Protagonist, überlebt jedoch nicht mal die ersten zwanzig Seiten der Geschichte).

 

Still relaxed before takeoff
Noch entspannt vor dem Start

 

Ich werde mit entsprechender Ausrüstung versehen, Helm, Gurten, viele Verschlüsse. Der wunderbar knallrote Schirm liegt ausgebreitet am Boden, und schon werde ich über die ersten entscheidenden Schritte informiert. Erstaunlicherweise bleibt mein Puls ruhig, habe ich doch eine ziemliche Aufregung erwartet.

Wo ist der angekündigte Adrenalin-Schub?

Aber schon laufen wir den Hang hinunter, ein kurzer Ruck, und der Boden bleibt unter uns zurück.

 

Wir fliegen

So sanft wie eine Feder. Lautlos, ganz ruhig, die Erde entgleitet uns, wir werden hinausgetragen ins scheinbare Nichts. Eine seltsame Ruhe überkommt mich. Anil fotographiert und filmt, während er bedächtig sein Gerät steuert. Die Thermik ist perfekt, langsam schrauben wir uns höher und höher …

 

We fly, gently and weightlessly
.Wir fliegen, sanft und schwerelos

 

Ach, Tiburon, jetzt weiss ich endlich aus eigener Erfahrung, was du gespürt hast. Ich zitiere aus „Eine Schlange in der Dunkelheit“:

Tiburon fuhr mit der Zunge über die Lippen und bekreuzigte sich. Dann fasste er die Querstange, so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten, nahm einen Anlauf und rannte mit stolpernden Sprüngen den Hang hinunter. Am Anfang geschah nichts, das Keuchen wurde lauter und seine Beine schlaffer, und er zweifelte, dass er das Tempo noch lange halten würde, da ging plötzlich ein kaum merklicher Ruck durch die Tragfläche, er wurde von den Füßen gerissen und hob ab.

Er flog.

Einen Meter unter ihm huschte der Boden vorbei, dann zwei Meter, drei, vier, die Erde glänzte nass und kalt. Er spürte weder den eisigen Fahrtwind, der ihm die Tränen in die Augen trieb, noch die Riemen, die sich schmerzhaft in die Handgelenke gruben. Sein Traum war wahr geworden, er war der Erde entflohen, ein Gott, unsterblich für alle Zeiten. Verwunderung überkam ihn und ein Staunen. Zum ersten Mal fühlte er sich frei, herausgeschleudert aus der Welt. Ich habe es geschafft, dachte er. Wenn ich jetzt sterbe, ist es egal.“

 

We are not the only ones
Wir sind nicht die einzigen

 

Ich fühle mich zwar nicht gerade als Gott, aber das Gefühl ist schon etwas ausserirdisch. Zahlreiche andere Flieger zirkeln um uns herum, manchmal bedrohlich nahe, doch die Piloten verstehen ihr Handwerk. Schliesslich ist das etwas, was sie tagtäglich vollziehen.

Ich kann mich allerdings an ein Gespräch in der Schweiz erinnern, beim Zusehen der startenden Gleitschirmflieger. Offenbar sind es nicht die ganz Jungen oder die Neulinge, die verantwortlich für die meisten Unfälle sind. Es sind die älteren, erfahrenen Piloten, die sich duch ihre Erfahrungen so sicher fühlen, dass sie übermütig werden.

Aber das gilt wohl für alles. Man denke nur ans Kochen. Der erste Versuch ist meistens der beste. Dann glaubt man, die Sache im Griff zu haben und scheitert kläglich.

Ja, die menschliche Natur. Immer wieder ein Rätsel …

 

Die Welt im Auge des Adlers

Zum Rätsel soll mir aber dieser Flug nicht werden. Es sieht auch gar nicht danach aus.Ganz ruhig drehen wir unsere Runden, mal etwas weiter hinunter, bis man beinahe in die Küche der dortigen Häuser blicken kann. Dann wieder aufwärts, unter Ausnützen der perfekten Thermik, bis die Welt im Auge des Vogels ganz klein und unbedeutend erscheint.

Keinen Moment scheint irgendeine Gefahr da zu sein. Der Puls schlägt ruhig, als würde ich gemütlich vor dem TV sitzen. Erstaunlich, ich hätte anderes erwartet. Soll mir aber recht sein. Die Berge scheinen weit weg und gleichzeitig ganz nahe zu sein. So hoch oben in der Luft ist man ein Teil der Welt, ein anderer als sonst. Berge, Hügel, kühle Luft, darüber der blaue Himmel. Und wir.

 

Ein bisschen Akrobatik gefällig?

Ich könnte endlos zu weiter gleiten, doch die Zeit vergeht schnell. Wir nähern uns dem See, fliegen darüber hinweg, unter und über uns nur noch blau, der See an seinen nördlichen Enden allerdings braun und voller Dreck.

 

Above the lake it gets even more exciting
Über dem See wird’s noch eine Stufe spannender
Quite high for a mountain man like me
Ganz schön hoch für einen Bergler

 

Anil erzählt, dass der Klimawandel auch hier seine Auswirkungen zeigt, dass immer wieder ganze Hänge in den See stürzen und ihn langsam verlanden lassen.

„You want some Acrobatics?“

„Acrobatics? What do you mean?“

„I show you.“

 

Acrobatics - loops, flips - stomach someplace
Akrobatik – Loopings, Übereschläge – Magen irgendwo

 

Im nächsten Moment schlagen wir die verrücktesten Dreher, ein altes Gefühl nach Chilbi macht sich bemerkbar. Mein Magen hüpft nach alter Manier in alle Richtungen, genauso wie ich es schon als Kind über alles liebte.

Ein wunderbarer Abschluss eines wunderbaren Fluges.

Wir gleiten nun schnell nach unten,ein paar kurze Anweisungen zur Landung, und schon stehen wir auf der Wiese, wie zahlreiche andere Flieger, und alle, wirklich alle, auch der junge Chinese, der eine Flagge seines Heimatlandes umgebunden hatte, zeigen ein stolzes Gesicht. Ich auch.

Man bringt mich mit dem gleichen Wagen zurück zum Hotel. Der Wirt empfängt mich mit einem wissenden Grinsen.

„All well?“

„I survived.“

 

PS Song zum Tag:  Foo Fighters – Learn to fly

Und hier geht die Reise weiter …

 

Nepal

Pokhara – Neu entdeckt

Es hat sich einiges verändert in den letzten knapp 45 Jahren.

Nichts ist geblieben vom stillen, abgelegenen Städtchen, den stinkenden, mit Abfall übersäten Gassen, wo man aber wunderbare Kuchen kaufen konnte. Die einzigen Ausländer, die immer noch misstrauisch begutachtet wurden, waren Hippies wie wir. Irgendwie fehl am Platz.

Ich erinnere mich an unseren Campingplatz, an den Mann, der am frühen Morgen in der Nähe unseres Wagens am Boden sass. Sein Blick war irgendwie glasig, traurig. Irgendjemand übersetzte seine leisen Worte. Offenbar hatte ihn seine Frau verlassen. Es berührt mich heute noch, dass wir so wenig für ihn tun konnten.

Die raschen Veränderungen waren bereits bei unserem zweiten Besuch spürbar. Das Städtchen war grösser, den Kinderschuhen entwachsen, ein Ort für Trecker, Ausgangspunkt in die Annapurna Region. Auch wir starteten von hier aus unseren Kali Gandaki Treck.  

 

Ein neues Pokhara

Das Pokhara unserer Zeit hat sich gewandelt. Es ist zu einer Metropole mit einer knappen halben Million Einwohnern geworden, zu einem Touristen-Hotspot erster Güte. Doch der Pewa See ist immer noch da, nicht mehr leer und verlassen, sondern voll von Booten, die Ausflüge auf den See und Überfahrten zum anderen Ufer anbieten.

 

Endlich die Berge!

Bisher haben sie sich rar gemacht, Pokharas Hausberge, aber an diesem blauen Morgen sind sie endlich da, etwas verschwommen im Dunst, aber immerhin. Der Machapuchare. Der Annapurna. All die anderen Könige des Himalaya. Sie erstrahlen immer noch in zeitloser Grazie.

 

Annapurna
Der Annapurna im zarten Morgenlicht
Machapuchare
Und auch der Machapuchare

 

Eine Menge Arbeit

Und es wird gebaut. Da die bei uns eingesetzten technischen Geräte fehlen, wird alles von Hand gemacht, um die vielen Leute zu beschäftigen. Erinnert mich an Burma oder Thailand, wo das Gleiche gilt.

 

A lot of construction work to do
Es gibt viel manuelle Arbeit auf den Baustellen
The sand is supplied in bags
Der Sand wird in Säcken bereitgestellt

 

Junge Reiher?

Auf dem Weg zum See werde ich von vielstimmigem Gezwitscher, Schnattern und Krächzen und Flügelschlagen empfangenk. Diesen Anblick werde ich nicht so schnell wieder vergessen. Niemand, auch die Einheimischen nicht, können mir den Namen der wunderbaren Vögel sagen. Ich tippe auf eine nepalesische Gattung von Reihern.

 

Young herons
Die Äste biegen sich unter der Last der hunderten von Vögeln
You just might spend hours watching and listening to them
So wunderbar anzusehen – man könnte ihnen stundenlang zusehen und zuhören

Sie scheinen alle noch in jugendlichem Alter zu sein, weisses Gefieder, Hals und Kopf manchmal gelblich. Es sind soviele (hunderte), dass die Äste sich unter ihrem Gewicht durchbiegen. Ein wunderbares Bild.

 

 

Der Pewa-See

War der See früher eher ein Stausee als ein Touristen-Hotspot, so hat sich dies gründlich verändert. Ganze Heerscharen waren in langen Reihen vor den Ticketschaltern, sie alle wollen auf den See oder ans andere Ufer oder zur kleinen Insel mit den Heiligtümern. Die Nachfrage ist da, also auch das Angebot.

Zahlreiche Boote in allen Grössen und Farben warten auf Kundschaft, sie alle wollen etwas vom Kuchen, den der Tourismus in die Stadt gebracht hat. Das Treiben ist laut und lärmig und lustig, am besten setzt man sich hin und schaut zu.

 

Boats on Pewa Lake waiting for customers
Boote auf dem Pewa See warten auf Kundschaft
Boats in all sizes and colors
Boote in allen Grössen und Farben

Ein gut ausgebauter Weg führt dem Ufer entlang. Ganze Familienclans sind unterwegs, Kinder rennen sich gegenseitig lachend über den Haufen, an allen Ecken und Enden sitzen Händler, verkaufen ihre Ware, die sich in nichts von all dem Schrott unterscheidet, der überall verkauft wird.

 

Even balloons are on sale
Sogar Luftballons sind im Angebot

Und natürlich wimmelt es von Restaurants und Bars, outdoor oder gedeckt, sehr ärmlich oder auch mit allem im Angebot, was eine wohlhabendere Kundschaft verlangt.

Ich setze mich in eines der Gartenrestaurants, ganz entspannt, und frage mich, wie man einen runden Geburtstag am besten feiert. Am besten gar nicht, schliesslich gibt es einen Grund, warum ich ausgerechnet jetzt im Ausland bin, und mich nicht zuhause feiern lassen will.

Aber vielleicht komme ich doch noch zu einer Idee, um mich selbst hochleben zu lassen. Etwas weiter dem See entlang, wo sich das Gewusel auflöst, ist der See teilweise verlandet. Hier versammeln sich Kinder und Männer, um im brackigen Wasser nach Fischen oder was weiss ich zu fangen.

 

Kids at the lake Boy with fishing net What is he looking for? Kids and boats

 

Die Aeronauten

Pokhara ist bekannt für seine Paraglider-Tradition. Der Himmel ist voll von ihnen. Rote, gelbe, blaue, violette, grüne Vögel, daran hängend, ganz klein und zerbrechlich, einzelne oder auch paarweise Flieger, die sich durch die warmen Lüfte gleiten lassen.

Ein wunderbarer Anblick!

 

 Sky full of Paragliders

 

Ein besonderer Tag? Nein

Und so geht auch dieser blöde Tag, den ich am liebsten vergessen würde, zu Ende. So ganz ohne Anstossen geht’s aber doch nicht, also setze ich mich in mein Lieblingsrestaurant und genehmige mir einen Gin Tonic. Also denn prost und may you live long and prosper.

 

    A well earned Gin Tonic

 

Und am Ende – der Vollmond

Das Ende eines Tages – erleuchtet durch den Vollmond, zu meinen Ehren …

 

Full Moon over Pokhara
Vollmond über Pokhara

Aber dann, später am Abend, ich sitze an meinem Bier und geniesse den Abend, kehren zwei junge Deutsche aus der Stadt zurück. Auf ihren Gesichter zeichnet sich eine seltsame Euphorie. Auf meine Frage hin, erzählen sie mir von einem ihrer besten Erlebnisse ihres Lebens – einem Flug mit einem Paraglider.

Und genau in diesem Moment macht es klick, und ich realisiere in Windeseile, was mein spezielles Geburtstagsgeschenk sein könnte.

 

Song zum Thema: The Beatles – Birthda

Und hier geht’s weiter …

 

Nepal

Von Kathmandu nach Pokhara – Der Prithvi Highway

Heute also geht’s nach Westen, nach Pokhara.

Ich habe Sitaram Goodbye gesagt, der Abschied ist uns schwer gefallen. Er war ein exzellenter Guide, nicht nur in Bezug auf seine Kenntnisse der lokalen Fauna und Flora. Er hat mich vor allem um einige Kilogramme erleichtert, wenn der alte Mann kurz vor dem Kollaps stand.

Ich wünsche ihm alles Gute oder noch mehr, denn ob seine Idee, in Malta nach Arbeit zu suchen, eine gute ist, wage ich zu bezweifeln. Also all the best, my Friend!

 

Der Prithvi-Highway

Der Prithvi Highway ist die zentrale Verbindungsstrasse zwischen den beiden grössten Städten des Landes, gut 200 Kilometer lang, und bietet einen grossartigen Eindruck von Hügeln und Bergen und tiefen Tälern entlang schäumender Flüsse.

 

FRom Kathmandu tp Pokhara - Prithvi Highway

Die Schlange von Bussen entlang der Strasse, frühmorgens um halb sieben, ist lang und unübersichtlich. Es geht nun darum, den richtigen Bus zu finden, einen rot-gelben, der mich heute nach Pokhara bringen soll. Gar nicht so einfach, denn irgendwie scheinen alle gleich auszusehen, vielleicht sind es auch nur meine verschlafenen Augen, die etwas Mühe haben. Wenn auch – wie nicht anders zu erwarten – vernebelt durch die Staub- und Abgaswolken der Busse und der überladenen LKWs.

Aber dann taucht ein knalloranger Bus auf, den ich sofort ins Herz schliesse, denn er erinnert an eine unvergessliche Fahrt in Peru.

 

For once a really nice bus
Für einmal ein richtig schöner Bus

Zuerst aber gilt es, der Stadt zu entfliehen, was unter Umständen Stunden dauern kann. Auch zu früher Morgenstunde sind die Strassen verstopft, es gibt keine Möglichkeit zur schnelleren Flucht. Kathmandu ist ein Gefängnis, das seine Insassen nicht so schnell entwischen lässt.

Wenn man sich dann bei Thankot aus dem Kathmandutal herausgequält hat, beginnt die lange Serpentinenstrasse hinunter, bis die Strasse den Trisuli Fluss trifft, dem wir von hier an folgen werden.

 

Leichtes Gepäck

Der gestrige Tag hat nicht nur dazu gedient, die Strapazen des Treks (und der letzten Busfahrt) zu verdauen, sondern auch einigen organisatorische Pflichten nachzukommen.

Man muss sich im Klaren sein: Solo-Traveling heisst auch immer organisieren. Nicht der Tour Operator kümmert sich um Hotels, Essen, Tickets, Abfahrtszeiten und alles andere. Das liegt alles bei mir selbst und kann mitunter viel zeitlichen Aufwand bedeuten, viel mehr, als man es sich vorstellt.

Ich werde die nächsten zwei Wochen mit sehr leichtem Gepäck reisen. Also mit dem kleinen Rucksack, wenig Kleidern, einfach nur dem Allernötigsten.

Ich habe die Vorstellung schon immer verführerisch gefunden, nur mit dem zu reisen, was man wirklich braucht zum Leben. Das Leben auf die Basics zu reduzieren und dabei festzustellen, wie wenig man wirklich braucht. Ein paar wenige Kleider (es gibt tausend Laundries, die das Waschen für wenig Geld anbieten), Zahnbürste/-pasta und Deo und Duschzeugs, Medikamente (im schlimmsten Fall gibt es überall Apotheken und Ärzte) und da im 21. Jahrhundert lebend, einen (schweren) Sack voll technischen Schnickschnacks wie Ladekabel und solchen Blödsinns, der das Sinnentleerte unserer Existenz erst so richtig nachweist.

Man müsste es mal ausprobieren. Sehen, was nach einigen Tagen ohne Smartphone und iPad und Camera geschieht. Konzentriert man sich endlich wieder auf das Schöne, das Überraschende, das Erstaunliche, ohne gleich nach Camera oder iPhone zu greifen, ohne im Kopf bereits die Beschreibung vorzuformulieren?

Fühlt man sich abgenabelt von der Welt? Hat man den Eindruck, nicht mehr dazu zu gehören? Stellt sich ein Gefühl der Leere ein?

Der ultimative Test. Ìrgendwann werde ich es ausprobieren. Irgendwann.

Der Rucksack ist tatsächlich so klein, dass er heute sogar in die Gepäckaufbewahrung oberhalb meines Sitzplatzes passt. Das Hotel in Pokhara, das Nirvana-Hotel (schon der Name deutet auf gute Zeiten hin), ist für ein paar Tage gebucht, alles andere wird sich zeigen.

 

Verstaubte Erinnerungen

Auf dem Weg entlang des Flusses versuche ich angestrengt, irgendeine Erinnerung an das letzte Mal vor knapp dreissig Jahren oder das erste Mal vor über 40 Jahren zu aktivieren. Erfolglos!

 

On long serpentines down into the valley of the Trisuli  A bit hazy, but just right for a long bus ride

Auf langen Serpentinen hinunter ins Tal des Trisuli

 

Die Sache mit dem Gedächtnis

Das Gedächtnis ist eine seltsame Sache. Es ist so ungefähr das am wenigsten Vertrauenswürdige in der Suche nach Vergangenheit. Es tendiert dazu, Ereignisse zu entsorgen, dafür andere zu kreieren, die es so nie gegeben hat. Und weitere werden manchmal so verändert, bis sie eine vollkommen andere Form angenommen haben.

Vielleicht eine, die uns besser gefällt.

Obwohl ich diese Strasse schon zweimal durchgefahren bin, scheint mein Gedächtnis bezüglich dieser Route auf brutale Entsorgung geschaltet zu haben. Es ist schlichtweg nichts geblieben. Ich muss also Annahmen treffen.

Ich bin also zweimal hier durchgefahren. Das erste Mal mit unserem klapprigen VW-Bus, das zweite Mal mit einem Touristenbus so wie heute. Ich nehme an, dass es Anfang 1975 eher wenig Verkehr gegeben haben muss. Ob die Strasse damals wirklich schlechter war, bezweifle ich. Sie ist nämlich auch heute nicht in einem Zustand göttlicher Offenbarung. Immerhin – da es sich um einen sogenannten Tourist-Bus handelt – sind nur die Sitze belegt, also für einmal keine Sardinenbüchse mit Aussicht auf Erstickungstod.

Doch entweder sind meine Augen durch den Treck in Mitleidenschaft gezogen worden, oder die Landschaft scheint von einem seltsamen Grüngrau überzogen zu sein. Wir fahren sozusagen durch eine milchig grüne Landschaft, als wäre sie künstlich farbverändert worden. Hoffentlich gibt sich das wieder.

 

We follow the dirty Trisuli almost the whole day  Sometimes crossed by a suspension bridge

Then again green fertile fields  Trisuli valley 1 1

Trisuli valley 3  Trisuli valley 2

Wir folgen dem schmutzigen Trisuli fast den ganzen Tag

Neben mir sitzt ein dezent gekleideter Herr in mittleren Jahren, Frau und Sohn auf den beiden Sitzen vor uns. Offenbar auch auf dem Weg nach Pokhara, ein Familienausflug. Wir kommen uns allerdings nicht näher, seine spärlichen Englischkenntnisse sind eine zu grosse Barriere.

Er gibt den Herrn des Hauses, mit fester Hand und klaren Anweisungen. Die Familie gehorcht schweigend.

 

Blick aus dem Fenster in eine fremde Welt

Manchmal beim Vorbeifahren oder bei kurzen Stopps – ein Blick in eine fremde Welt. Obwohl – ist sie wirklich fremd, oder scheint es nur so? Da stehen Menschen inmitten von Autos, vor Läden und Restaurants, schwatzend, lachend, wartend …

Alles, was sie von uns unterscheidet, ist eine andere Hautfarbe, eine andere Kultur, eine andere Nationalität? Mehr nicht. Alles andere ist gleich. Sie leiden unter der Hitze oder Kälte, sie fühlen sich gross oder klein, reich oder arm, sie lieben ihre Kinder und hassen Ungerechtigkeit. Manchmal lachen sie oder weinen, sind hungrig oder durstig. Alles eine Frage der Perspektive.

 

Simply a typical scene in any village  Waiting for the bus? Or a meeting?

Es ist eine lange, beinahe siebenstündige Fahrt, in einem Zustand meditativer Versunkenheit, denn alles, was ich tue, ist aus dem Fenster schauen und versuchen, nichts zu denken. Natürlich gelingt es nicht, immer wieder tauchen Erinnerungen auf, assoziativ, zusammenhangslos, auf merkwürdige Weise traurig. Hat es etwas zu tun mit meinem baldigen runden Geburtstag, der mir am nächsten Tag droht? Wer weiss …

 

Pokhara – eine ferne Erinnerung

Schon viele Kilometer vor dem Erreichen der Stadt entsteht der Eindruck, nicht mehr weit vom Ziel entfernt zu sein. Was aber täuscht, denn die Stadt wächst an allen Ecken und Enden. Aus dem kleinen geruhsamen Städtchen ist eine Metropole geworden, laut und hektisch und voller Leben. Das Taxi bringt mich in ein paar Minuten zum Hotel Nirvana, ein freundlicher Herr empfängt mich, und ich fühle mich sofort wohl und beinahe zu Hause.

 

Hotel Nirvana - I will feel comfortable here for a while
Hotel Nirvana – hier werde ich mich eine Weile wohlfühlen

 

Der See ist nahe, die lange Strasse entlang dem Phewa Lake ebenso, nichts steht einem sehr geruhsamen Aufenthalt in einer Stadt, die ich vollkommen vergessen habe, entgegen.

 

PS Song zum Thema:  AC/DC – Highway to Hell

Und hier geht die Reise weiter …