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Hippie Trail

Der Hippie Trail – Das Elburs-Gebirge

Der Sonntag ist, wie man weiss, der biblische Ruhetag nach sechs anstrengenden Werktagen. So wie heute.

Ob man in unserem Fall von Werktagen sprechen kann (schliesslich sind wir in den Ferien, auch wenn sich das nicht immer so anfühlt), ist eine andere Frage. Und anstrengend? Eher nicht, die Wartezeit in Täbris hat uns zu einigen, allerdings unerwünschten Ruhetagen verholfen.

Hin- und Rückreisende

Aber was soll’s, wir geniessen den Tag, liegen auf der sprichwörtlichen faulen Haut und lernen neue Leute kennen. Man sitzt ja sozusagen im Zentrum des Sturms, das Leben läuft rings um uns herum, man kann einfach sitzen und schauen und sich wundern über all die Leute, die sich  hier versammelt haben und wie man erfährt, die gleichen Ziele haben.

Einige sind auf der Rückreise, man sieht es ihnen an, oder waren sie schon immer so mager und abgekämpft?

Allerdings strahlen sie etwas aus, etwas Besonderes, schliesslich haben sie alles geschafft, was wir noch vor uns haben. Sie sind Helden, man umlagert sie, man möchte alles wissen, über die Erlebnisse und Erkenntnisse, über eventuelle Gefahren und Risiken, über die Menschen dort, noch weit weg, aber trotzdem näher kommend.

Man lechzt nach Informationen, nach all den Dingen, die nur durch eigene Erfahrungen generiert werden können und in den Führern nicht erwähnt werden. Aber eben, die meisten von uns sind noch auf dem Hinweg, alle mit Vorfreude auf das Kommende, aber auch mit gewissen Zweifeln und Ängsten, die man allerdings lieber für sich behält.

Und natürlich geniessen die Rückkehrer ihren besonderen Status und erzählen mit Gesichtern, auf denen viel Stolz zu erkennen ist.

Von den Strassenverhältnissen in Indien, von den rücksichtslosen Bus- und Lastwagenfahrern, von der Neugier der Menschen, von der Armut, von den unzähligen Erlebnissen auf und abseits der Dörfer und Städte. Manchmal hat man den Eindruck, dass sie vor allem die dramatischen Erlebnisse in den Vordergrund stellen, während das „Normale“, was vermutlich den Grossteil der Zeit ausmacht, in den Hintergrund rückt.

Aber ich gehe davon aus, dass es uns auf der Rückreise genauso ergehen wird. Wir als Helden. Falls wir das je schaffen.

Neue Freunde

Unweit unseres Platzes hat sich ein Citroën 2CV mit einem Graubündner Kennzeichen eingefunden, es dauert nicht lange, bis man sich kennenlernt.

Hallo, Beatrice und Ruedi.

Nicht überraschend ist ihr Ziel ist das gleiche, Indien, der grosse Traum aller, das ultimative Paradies, das man unbedingt erreichen möchte. Wir spüren gegenseitig schon bald viel Sympathie, aber dass unsere Reise in trauter Zweisamkeit viele tausend Kilometer weitergehen wird, ist zu diesem Zeitpunkt noch weit weg.

Anyway, der Kreis unserer Bekanntschaften erweitert sich im Verlauf unseres Aufenthalts noch weiter, eigentlich fast zwingend, denn – wie wir später feststellen werden – sind die Autos mit CH-Kennzeichen häufig anzutreffen, manchmal sogar in der Überzahl. Was natürlich etwas stutzig macht. Ich habe nicht gewusst, dass die Schweizer derart abenteuerlich veranlagt sind.

Die neuen Bekanntschaften sind Roli und Dora mit einem nagelneuen orangen VW-Bus, begleitet von Ueli und Silvia, mit einem ebenso neuen wie orangen Vehikel. Wenn ich da an unseren alten Kasten denke, der alle paar Tage kurz davor ist, den Geist aufzugeben, bekommen wir schon gewisse Minderwertigkeitskomplexe. Und auch ihr gemeinsames Ziel unterscheidet sich von unseren vergleichsweise bescheidenen Vorhaben – sie wollen bis nach Australien.

Aber eben, eigentlich wollten wie schon lange die Reise fortsetzen. In Afghanistan soll es im November, also schon recht bald, ziemlich kalt werden, auch Schnee ist eine durchaus ernst zu nehmende Möglichkeit. Schnee? Um Gottes Willen, nur das nicht. Wir wollen in die Wärme, in den ewigen Sommer, und vor allem, unser Wagen besitzt vieles nicht, was andere haben, vor allem aber keine Heizung.

Das hält uns aber nicht davon ab, trotz all diesen Unabwägbarkeiten weiter Kaffee zu trinken, zu schwatzen und das Leben zu geniessen. Und die Weiterfahrt zu verzögern. Ich hoffe, wir werden das nicht früher oder später bedauern.

Und übrigens – die Wasserpumpe ist wieder in Betrieb, die Wellen der Empörung haben sich in Minne aufgelöst.

Dann aber doch noch die Weiterfahrt

Mit dem afghanischen Visum in der Tasche und aufgefülltem Vorrat an Lebensmitteln und Benzin und Gas und was es sonst noch braucht für die nächsten Etappen lassen wir Teheran mit wenig Wehmut hinter uns entschwinden.

Teheran ist in verschiedener Hinsicht ein prekärer Ort, aber es ist auch eine Stadt, die brummt.

Wir schauen zurück, und nicken bedauernd, doch das Bedauern gilt der Bevölkerung, die trotz Reichtum der kleinen oberen Schicht immer noch in tiefer Armut lebt (wie wenig uns die damaligen Gefühle getäuscht haben, wird ein paar Jahre später mit der Revolution klar). Teheran ist eine dieser Orte auf der Welt, wo man partout nicht leben möchte. Es werden in der Zukunft noch einige dazukommen, aber das ist nicht wirklich überraschend.

Das Elburs-Gebirge

Wie könnte es anders sein – auch in Gesellschaft der neuen Freunde starten wir kein bisschen früher als sonst.

Es ist schon beinahe Mittag, als wir endlich im Pulk von vier Vehikeln losbrausen. Ein sehr heterogener Pulk, bestehend aus 2 glänzend orangen neuen Bussen, einem blauen 2CV und einem sehr heruntergekommenen VW-Bus, was uns doch ein bisschen beschämt, aber nur ein bisschen.

Anyway, das Elburs-Gebirge liegt vor uns, es muss überwunden werden, um das heutige Ziel, das Kaspische Meer, zu erreichen.

Also ein ziemlich lange Strecke, die wir einmal mehr, diesmal in Gesellschaft, sträflich unterschätzen. Es hält uns nicht davon ab, inmitten einer wunderschönen Landschaft mit fruchtbaren Tälern und malerischen Dörfern zuerst mal in aller Ruhe den Lunch zu geniessen.

Und auch ein gelegentlicher Halt inmitten rauer Berglandschaft, der Blick des jungen Herrn zwar schon ein wenig angespannt, scheint möglich zu sein (obwohl die im Hintergrund sichtbaren schroffen Hügel etwas anderes aussagen).

Allerdings, es ist nichts anderes zu erwarten, ist es mit unserer Ruhe ziemlich schnell vorbei, als kurz nach Karadsch die Steigungen durch eine braune öde Landschaft beginnen. Gelb-rotes Felsgestein, mit breiten Bändern durchzogen, säumt zu beiden Seiten die Strasse. Die Steigungen den Pass hinauf werden immer steiler, die Schluchten immer tiefer.

Es dämmert uns, dass wir einmal mehr in Zeitnot kommen werden.

 

Der Amir-Kabir-Staudamm

Auch die grösste Zeitnot kann uns nicht hindern, an einem der längsten Stausee (40km2), die wir je gesehen haben, eine Pause einzulegen. Die Amir-Kabir-Talsperre ist so eindrucksvoll, dass ich ein paar gekürzte Informationen aus Wikipedia zitiere:

Die Bogenstaumauer der Talsperre ist 180 m hoch und doppelt gekrümmt. Die ersten Überlegungen zum Bau der Talsperre stammen noch aus der Zeit von Reza Schah Pahlavi. Es sollte dann allerdings bis zum Jahr 1952 dauern, bis die ersten konkreten Planungen in Angriff genommen wurden.

1956 wurde das Genehmigungsverfahren eingeleitet und mit den Bauarbeiten durch die US-amerikanische Firma Morrison-Knudsen begonnen. Die Bauarbeiten liefen ohne Unterbrechung in drei Schichten 24 Stunden am Tag. Am 24. Februar 1963 wurde die Talsperre ihrer Bestimmung übergeben. Die Finanzierung der Bauarbeiten erfolgte vollständig aus den Öleinnahmen der staatlichen NIOC.

Die Talsperre erfüllt mehrere Zwecke, unter anderem Wasserkraftgewinnung und Trinkwasserversorgung der Stadt Teheran sowie der Stromversorgung der Stadt. Außerdem ist der Stausee als Ausflugsort beliebt und es gibt im Sommer Möglichkeiten zum Wassersport wie zum Beispiel Bootfahren und Wasserski.

Wir können nicht umhin, diesem Bauwerk die verdiente Hochachtung zu schenken. Das ist mehr als eine beachtliche Meisterleistung.

Our (very bad foto) of that time And an even worse foto of the Amir-Kabir-Dam

Einige unserer eigenen verblichenen Fotos vom Amir-Kabir-Damm

Die Luft wird dünn

Je höher wir kommen und je dünner die Luft wird, desto mehr keucht unser armer 1200cc Motor. Aber eigentlich ist sein gutmütiges Schnurren beruhigend, auf jeden Fall bringt es uns trotz Keuchen heroisch bis auf fast 3000 Meter hinauf. Der höchste Punkt ist eine Erleichterung, denn lange hätte unser Vehikel nicht mehr durchgehalten.

Wer hätte schon gedacht, dass wir so schnell derartige Höhen zu bezwingen haben.

Aber eben, im Nachhinein ist man immer (immer?) klüger. Meistens sind die Dinge anders als vorgestellt. Nur eine der Erkenntnisse, die uns auf der Reise begleiten und immer wieder beweisen, wie wenig wir wissen. Im Grunde genommen, ist es bloss ein anderer Ausdruck für unsere unbeirrbare, unheilbare Arroganz und Ignoranz, die uns hierher geführt hat. Wie weit wird sie uns noch tragen? Wir wollen es lieber nicht wissen.

Always look at the bright side of Life.

Es geht also nun abwärts, hinein in eine tiefe Schlucht, die sich schattig und dunkel in Richtung Norden zieht. Endlose Kurven, manchmal an die Tremola erinnernd, machen das Fahren zur Qual. Ausserdem, was uns doch langsam ein wenig beunruhigt, zieht im Osten langsam und unaufhaltsam die abendliche Dunkelheit heran.

Als ob ein schwerer samtener Vorhang zugezogen würde.

Chalous am Kaspischen Meer

Der Vorhang ist zugezogen, und so ist es also bereits zappenduster, als wir endlich in Chalous, unserem heutigen Ziel, ankommen. Irgendwo muss das Meer sein, dieser riesige blaue Kosmos aus Wasser, genannt Kaspisches Meer, doch es hat sich in die Dunkelheit zurückgezogen, so wie alles andere.

Wir schauen nicht zurück, aber wir haben es bezwungen, dieses 3000 Meter hohe Hinterniss, diese abgrundtiefen Schluchten, die dünne Luft, unsere Angst, dass wir es nicht schaffen.

Und natürlich werden wir durch die schnelleren Vehikel bereits erwartet. Der zweite orange Bus scheint allerdings noch ausstehend zu sein, also versammeln wir uns im anderen orangen Vehikel, trinken Kaffee, schwatzen, lernen uns besser kennen. Und warten mit zunehmender Beunruhigung, wo Ueli und Silvia geblieben sind.

Nach zwei Stunden sieht es nicht danach aus, dass die Vermissten noch kommen, also suchen wir uns einen geeigneten Platz am Meer, um dort die Nacht zu verbringen.

Passender Song:  Eric Idle – Always look at the bright side of Life

Und hier geht der Trail weiter … am Kaspischen Meer

Hippie Trail

Der Hippie Trail – Keine Stadt für Geniesser

Was kann eine kaputte Wasserpumpe bedeuten?

In einem Land wie dem Iran, einer Stadt wie Teheran, einem Campingplatz wie dem unseren – sehr viel. Es ist nicht nur ein dummes Missgeschick, es ist eine ausgewachsene Katastrophe.

 

Man stelle sich einen Wassernotstand vor

Wir im reichen Westen sind uns gewohnt, alles zu erhalten, was wir uns wünschen. Energie, Lebensmittel, Benzin – und Wasser. [Ich wage es fast nicht zu erwähnen, aber heute, 2022, Jahrzehnte später, sieht die Geschichte etwas anders aus, aber davon ein anderes Mal.]

Anyway, einen echten, spürbaren Wassernotstand zu erleben, steht nicht zuoberst auf der Bucket List. Es ist eine ziemlich grauenhafte, grauslige Erfahrung.

Jeder schreit nach Wasser.

Doch die Toiletten sind verstopft, die Hahnen tropfen bestenfalls, keine Dusche, kein Zähneputzen, kein Wasser zum Kochen. Der Manager, verantwortlich für die schnellstmögliche Behebung des Schadens, im Normalfall sehr cool und sehr lässig, hat wenig Lust, sich des Problems anzunehmen. Und so bleibt er das, was er immer war, ein aufgeblasener Wicht.

Und wir, wir müssen eine Art orientalischer Gelassenheit lernen, indem wir uns entspannt der Misere ergeben.

 

Falsche Vorstellungen

Wer an eine Stadt wie Teheran denkt, stellt sich etwas Orientalisches vor, Basare, Moscheen, verträumte Innenhöfe, exotische Menschen, verschleiert, mit Turbanen und langen luftigen Kleidern, während sie entspannt und ernsthaft dem Muezzin lauschen.

Weit gefehlt.

Wir sind ja bereits bei der denkwürdigen Ankunft eines Besseren belehrt worden und wissen nun, dass diese Stadt alles andere als eine verträumte orientalische Kapitale ist. Nachdem wir den gestrigen Ausfall der Wasserpumpe einigermassen, wenn auch etwas streng riechend, überstanden haben, gilt es nun endlich, die Stadt zu erkunden.

 

Öffentliche Verkehrsmittel und andere Kalamitäten

Um unseren Wagen, der endlich wieder in gutem Zustand ist, nicht unnötig zu Schrott zu fahren, benutzen wir die sogenannten öffentlichen Verkehrsmittel. Sogenannt, weil sie so gar nicht unserem Begriff entsprechen. Es handelt sich schlicht um bizarre Vehikel, die man allerdings selten zu Gesicht bekommt.

Ausserhalb der Stadt ist es noch einigermassen möglich, einen Bus oder ein Gemeinschaftstaxi zu erwischen, allerdings nur bis zum ersten Umsteigen.

Da fängt die erste Stufe zur Hölle an.

Das Getümmel ist unbeschreiblich. Man stelle sich hunderte von Menschen vor, zornige schwitzende Männer mit schwarzen Bärten, schüchterne Frauen mit und ohne Verschleierung, mit Kindern an der Hand und Babies an der Brust, und alle schreien durcheinander, rufen den heranfahrenden Taxis ihre jeweiligen Bestimmungsorte entgegen, manche mit Erfolg, die meisten ohne.

 

Tehran Traffic

Der Verkehr ist eine Hölle aus tausenden von Vehikeln, die Luft ist stickig vom Rauch der Abgase, Motoren dröhnen, Polizisten pfeifen, Hupen hupen … Man muss es erlebt und gesehen haben, um es zu glauben.

 

Das Alte muss weg

Je näher das Stadtzentrum kommt, desto westlicher und wohlhabender sieht die Stadt aus. Boulevards werden breiter, Gebäude höher, mehr Beton, mehr Fenster, noch mehr riesige Wolkenkratzer, man glaubt, in Manhattan zu sein.

Diese Stadt scheint wie ein Magnet Geld und Wohlstand anzuziehen. Ein ungeheurer Reichtum hat dieses Land, vor allem aber diese Stadt in kürzester Zeit wie eine Lawine überrollt und alles umgekrempelt.

Nichts ist so, wie es noch vor wenigen Jahren war.

Doch wie immer hat alles seine Schattenseite. Das bei uns schon länger Verpönte – unmenschliche Betonklötze, verpestete Luft, Verkehrszusammenbrüche, Staus und Stress – feiert hier ein genussvolles Wiederauferstehen. Das Alte muss weg, um dem Neuen Platz zu machen.

 

Tehran Alley
Einige sind noch da

Die alten Basarstrassen und -gassen mit den verträumten Krämerläden sind verschwunden, mussten weichen. An ihrer Stelle stehen nun riesige Gebäude mit den üblichen Verdächtigen – Banken, Versicherungen, Modeketten, Anwaltskanzleien.

Man glaubt, in einem Märchenland gelandet zu sein, einem Märchen, wo der böse Zauberer unsichtbar ist und im Hintergrund an seinen Fäden zieht. Wo man lange nicht merkt, dass hier eine Triage passiert, wo der Reichtum neu verteilt wird.

Einigen wenigen viel, ganz vielen wenig.

 

Es ist heiss und deprimierend

Die Umgebung beeinflusst Körper und Geist. Man ermüdet schnell, will nur noch weg, irgendwohin, wo man atmen kann.

Dazu kommt, dass dieser Tag es generell nicht gut mit uns meint.

Das afghanische Konsulat ist geschlossen, wir finden keine Briefe auf der Post (hat man uns bereits vergessen?), und zu guter Letzt haben wir die grössten Probleme, in dieser Monsterstadt so etwas Ähnliches wie ein Restaurant zu finden.

Ein Restaurant? Wofür denn?

Anyway, am Nachmittag ist die Flasche leer, wie man so schön sagt, und wir machen uns auf den Heimweg. Beziehungsweise wollen wir uns auf den Heimweg machen. Doch alle Mühe, ein geeignetes Transportmittel in der gewünschten Richtung zu finden, schlägt fehlt. Kein Taxi, kein Bus, kein Irgendwas, das uns zum Campingplatz bringt.

Kann man sich vorstellen, dass Teheran-City stündlich an positiver Resonanz verliert? Wir machen uns also zu Fuss auf den Weg, kein Problem, es ist ja nur weit über 30 Grad heiss, die Luft steht, die Sonne brennt.

Immerhin, am grossen Platz, wo wir am Morgen zum ersten Mal umsteigen mussten, finden wir tatsächlich ein Taxi.

 

Passender Song zur Zeit:  Deep Purple – Mistreated

Und hier geht der Trip weiter … in Teheran und über das Elburs Gebirge

 

Hippie Trail

Der Hippie Trail – Teheran Monster

Nach genau drei Wochen haben wir das erste grosse Ziel erreicht – Teheran.

Die knapp 300 Kilometer bis zur Hauptstadt sind angenehm zu fahren, die letzten 40 Kilometer sogar auf einer richtigen Autobahn.

 

Eine Autobahn mit allem

Wer nun an eine geordnete Strasse denkt mit Abschrankungen und Mittelstreifen und – ganz wichtig – der Beschränkung auf Fahrzeuge, täuscht sich gewaltig.

Natürlich ist der Unterschied zum schrecklichen Tahir und ähnlichen Zumutungen erheblich, und natürlich geniessen wir das Fahren auf sanften ebenen Oberflächen, ohne Löcher, ohne Gräben.

 

From Zandjan to Tehran
Von Zandschan nach Teheran

Das ist aber auch schon alles, denn was sich da alles auf der Autobahn drängt, ist alles andere als vergleichbar mit europäischen Strassen.

Alles, was Räder hat oder Beine, tummelt sich fröhlich auf der Strasse, also Fussgänger, Fahrradfahrer, Kinder und Hunde und anderes Getier.

Die hunderten von Lastwagen, immer in Eile, immer gestresst, versuchen mit mehr oder weniger Erfolg den wandelnden Hindernissen auszuweichen. Was seltsamerweise tatsächlich gelingt.

Es gibt keine Trennung zwischen erlaubt und verboten, es scheint, dass sich die Leute an der schnurgeraden Strasse erfreuen und mal ausprobieren wollen, wie es sich anfühlt. Auf jeden Fall sind die Gesichter fröhlich, es sieht nach Karneval aus.

 

Eine Dunstglocke über der Stadt

Die Nähe zur Hauptstadt zeigt sich schon von weitem in Form einer riesigen Staub- und Dunstwolke.

Schon heute zählt die Stadt viele Millionen Einwohner (heute geschätzte 20 Millionen!), und obwohl sie eigentlich mitten in einer Wüste liegt, werden es immer mehr.

Hier ein paar Infos zur Stadt (heute):

Im administrativen Stadtgebiet leben knapp 8,7 Millionen Menschen (laut Volkszählung von 2016). Die Bevölkerungszahl der Metropolregion wird auf rund 20 Millionen Einwohner geschätzt; die offizielle Statistik von 2011 belegt jedoch nur 15,2 Millionen Menschen. Als Industrie- und Handelsstadt mit Universitäten, Hochschulen, Bibliotheken und Museen ist Teheran ein bedeutendes Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturzentrum sowie ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt des Landes. (Wikipedia)

 

Begrüssung durch ein Ungetüm

Am Stadtrand – von weitem schon erkennbar – hat sich der Schah ein weiteres Monument seiner göttlichen Pracht errichten lassen – den sogenannten Freiheitsturm (persisch Azadi), erstellt vom berühmten Architekten Hossein Amanat.

Na ja, über Geschmack lässt sich bekanntlich trefflich streiten, nach unserer bescheidenen Meinung ist es ein grossspuriges, klobiges, geschmackloses Ungetüm, das den Charakter und Willen des verehrten Gottkaisers sehr genau manisfestiert.

 

The Freedom Tower in Tehran

Wir fahren mehr oder weniger achtlos daran vorbei, bevor wir vom Verkehr aufgesogen werden.

 

Verkehrshölle

Der Verkehr in Istanbul als bisheriger Höhepunkt der automobilen Vermessenheit wird klar übertroffen, Teheran 100 Punkte.

Es nützt gar nichts, dass wir mehrfach gewarnt worden sind. Jetzt ist Konzentration gefragt, Autos rechts, Lastwagen rechts, Fussgänger in heldenhaften Versuchen, über die Strasse zu gelangen, knapp vor der Stossstange. Dass für sie grün angezeigt wird, interessiert niemanden.

Der stärkere gewinnt, und das sind in keinem Fall die Verkehrsteilnehmer auf Beinen.

Die Stadt ist unermesslich gross, ein Monstrum mit vielen Beinen, ein Ungeheuer, das uns zu verschlucken droht.

 

Today's Tehran from above

Und so bleiben wir mit wachsender Verzweiflung mehrmals stecken. Man befindet sich also irgendwo an einem unbekannten Ort mitten in der Stadt, es geht weder vorwärts noch rückwärts, Daily Business in Teheran. Obwohl man sich daran gewöhnt haben müsste, ist nichts von entspannter orientalischer Gelassenheit zu erkennen, im Gegenteil. Es wird gehupt, gehornt, geflucht, verflucht und verdammt.

Ohne Ergebnis.

Was die Geschichte noch schlimmer macht, ist die Tatsache, dass wir vergeblich nach irgendwelchen Hinweisen auf den Campingplatz suchen. Ich gebe zu bedenken, dass zu dieser Zeit weder Google Maps noch Navigationsgeräte noch irgendwelche anderen Hilfsmittel existierten.

Dieses Thema wird noch öfters im Zentrum vielfältiger Orientierungsprobleme sein.

 

Der Campingplatz

Nun, manchmal findet auch ein blindes Huhn ein Korn, und genau so geht es uns. Im Nachhinein ist es schwierig zu sagen, wie wir es doch noch geschafft haben, den ziemlich weit ausserhalb der Stadt befindlichen Zeltplatz zu finden.

Offenbar scheint es der zentrale Sammelplatz aller Indien- oder zumindest Afghanistanfahrer zu sein. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus haschverträumten Hippies, denen man kaum zutraut, den Weg zur nächsten Toilette zu finden geschweige den Weg nach Indien. Aber wie wir später herausfinden werden, schafft es jeder irgendwie, auch diejenigen, die sich irgendwo befinden, aber garantiert nicht in unserer Welt.

Der genaue Gegensatz zu ihnen sind pfadfinderähnliche Herrschaften älteren Datums, die sich alle Mühe geben, genauso cool auszusehen wie die viele Jahrzehnte jüngeren Indienreisenden. Man würde nicht erstaunt sein, wenn sie beim morgendlichen Appell „Allzeit bereit“ rufen würden.

Jedes Cliché wird bestätigt, jedes vorteilhafte, jedes abwertende.

Es kümmert niemanden. Langsam scheint sich so eine Art künstlicher Familie zu bilden. Alle mit dem gleichen Ziel, alle mit den gleichen Vorbehalten, Ängsten.

Aber das Schöne ist – wir sind mitten drin, ein Teil der Familie.

 

Passender Song zur Zeit:  Roxy Music – Out of the Blue

Und hier geht der Trip weiter …