Man soll bekanntlich die Feste feiern, wie sie fallen oder so ähnlich. Das dürfte zum heutigen Sonntagmorgen ganz besonders gut passen, denn der Tag scheint sich tatsächlich in festliche Kleider geworfen zu haben. Der Himmel ist ebenso blau wie gestern, die Luft am frühen Morgen ist frisch und duftet nach … Sonntag.
Caceres
Ich bin erstaunlich früh auf den Beinen, finde zu meiner Überraschung sogar ein ansprechendes Lokal just neben dem Hotel und schlage mir den Bauch mit Churros voll.
Ich würde meinen, ein Tag kann nicht besser beginnen.
Ein irisches Sonntagskonzert
Die Plaza Mayor ist bevölkert, man hat den Eindruck, dass die ganze Stadt auf den Beinen ist. Schon von weitem hört man Klänge, die bekannt vorkommen, irische Klänge, ganz klar.
Das Festival ist also in vollem Gang, die Leute strömen zusammen, wollen sich das Spektakel nicht entgehen lassen.
Zu meinem Erstaunen übertrifft die Anzahl der Musiker, die sich auf den Treppen und auf offenbar mitgebrachten Stühlen bequem gemacht haben, im Moment noch die Anzahl der Zuschauer. Grob geschätzt dürften es mehr als 50 Musiker sein, die sich hier versammelt haben, um gemeinsam irische Musik zu zelebrieren. Woher die alle kommen, ist mir schleierhaft.
Man sitzt auf den Treppenstufen oder auf einem Stuhl, alt und jung, Mann und Frau, Geigen sind, wie in der irischen Volksmusik üblich, die wichtigsten Instrumente, doch auch Trommeln sind da und andere Schlaginstrumente, Blasinstrumente und solche, die ich beim besten Willen nicht identifizieren kann.
Schliesslich wird mittendrin ein Platz freigemacht, dunkel und sehr festlich gekleidete Damen und Herren stellen sich auf, ein Tanz wird angekündigt. Ich nicke unwillkürlich, was nun folgt, kann ich mir vorstellen. Den Spaniern muss man das Tanzen nicht beibringen. Während die Musik mich mitten in ein irisches Dorf hinein versetzt, bewegen sich die Tänzer im Klang und Rhythmus der Volksmusik.
In der Zwischenzeit haben sich zahlreiche Zuschauer eingefunden, der Applaus und die Zwischenrufe sind laut und begeistert, und man könnte stundenlang zusehen und sich in andere Welten denken.
Und einmal mehr fällt mir ein, dass ich nicht nur des Wanderns willen unterwegs bin, sondern dass es auch eine Art Flucht vor der banalen Existenz zuhause ist. Und immer hofft man, dass die Flucht einen an genau diese Orte führt, wo man unversehens merkt, was im wohlgeordneten Leben fehlt.
Es ist wieder mal Sonntagmorgen, Zeit für allerhand philosophische Betrachtungen, denen ich manchmal eine Tiefe zugestehe, die sie nicht verdienen. Aber so ist es halt auf Reisen und Wanderungen, man hat Zeit für andere Gedanken.
Nachmittag mit Bier und Hitze
Die Stadt hat ihr mittelalterliches Aussehen bis heute bewahrt. Trotz der gestrigen ausgiebigen Besichtigung, gilt es die anderen, die kleineren, die unwichtigen Details, die ebenso sehr zum Image der Stadt beitragen, zu entdecken.
Ich habe es schon immer geliebt, mich in Städten treiben zu lassen, in grossen wie Delhi oder Buenos Aires oder Mandalay, aber auch in kleineren wie Leh oder Luang Prabang oder Cartagena.
Und so ist es auch heute, einen Schritt nach dem anderen, immer schön der Nase nach, die Orientierung geht schnell verloren. Ich finde mich in stillen Hinterhöfen wieder, an Ecken, wo unbekannte Heilige ihr steinernes Ebenbild gefunden haben, an Plätzen, wo sich kein Mensch befindet, nur ich auf einer Sitzbank, ganz ohne Ziel, und ehrlich gesagt ganz ohne grosse Gedanken. Man könnte sagen, ein Mensch aufs pure Sein reduziert.
Abend mit Freunden
Ja, und dann meldet sich Frank nach seinem Ausflug nach Valdesor zurück, er wird noch einen Tag in Caceres verbringen und dann weiterwandern. Wir benützen die Gelegenheit, um am Abend zusammen mit Romi noch einmal ausgiebig zu diskutieren, zu lachen, die gegenseitige Anwesenheit zu geniessen.
Wer weiss schon, ob das noch möglich sein wird, denn ich bin von jetzt an einen Tag voraus (und wie sich herausstellt, ist dieser Zustand tatsächlich eingetreten).
Aber wieder einmal vernehme ich den unüberhörbaren Ruf des Camino – es muss weitergehen, immer schön in Richtung Norden, dem so weit entfernten Ziel entgegen. Eigentlich müsste eine Wanderung dem Herunterfahren der inneren Maschinerie gelten, man müsste zur Ruhe kommen, die permanente Anspannung reduzieren, diesen Drang, etwas zu tun, etwas zu bewirken.
Leider, wie sich zeigt, eine unlösbare Aufgabe. Aber wer weiss, es liegen noch viele Tage und viele Kilometer vor mir, vielleicht stellt sich jener ersehnte Traum von Ruhe doch noch ein.
Von Caceres nach Casar de Caceres
Der Morgen empfängt mich mit einem Touch von Gold, die Häusermauern sind gelb gesprenkelt, die Lampen brennen noch, doch schon bald dürfte ihr Licht durch ein mächtigeres am Himmel abgelöst werden. Man dürfte nicht weg, man müsste bleiben. Ein Appartement mieten, nur für ein paar Wochen, den Nachmittag unter den Arkaden verbringen, während das Leben ringsherum pulsiert. Auf dem Tisch ein Buch, ein Bier oder ein Glas Weisswein, den Blick manchmal auf die Schönheit am Nebentisch gerichtet, manchmal in der Ferne liegend.
Immer diese Abschiede. Aber so ist das Leben. Ein permanenter Abschied.
Mit einem wehmütigen Blick zurück folge ich den Caminopfeilen, hinab in den unteren Teil der Stadt, genannt La Bomba. Im Unterschied zum Travelguide führt mich meine App über einen nicht allzu steilen Hügel, sehr angenehm, Jogger nicken mir zu, „Buen Camino“, und schon öfffnet sich der Blick auf das weite Land.
Man könnte die Etappe gut und gern als Sonntagsspaziergang bezeichnen, aber angesichts der morgigen Monsteretappe, dem Big One, nehme ich den Spaziergang gerne mit.
Nach dem Hügel beginnt ein ziemlich flacher Feldweg in das etwas mehr als 10 km entfernte Dorf, das offenbar vor allem für seinen Käse, die Torta de Casar, berühmt ist. Ob ich in den Genuss dieser Berühmtheit kommen werde, bleibt abzuwarten.
Hinaus aufs weite Land
Sobald man die Ebene erreicht, verliert der Blick an Tiefenschärfe. Der Horizont verblasst, wird undeutlich, rings herum nur noch verbranntes Land, wo scheinbar nichts wächst. Aber das ist eine Vorspielung falscher Tatsachen, denn was tot aussieht, hat sich lediglich aufs Warten zurückgezogen, denn irgendwann, das weiss jeder Keimling im Boden, kommt der Frühling zurück und bringt Leben.
Und wieder schimmert der Himmel im tiefsten Blau, das am Horizont zu einem weisslichen Nichts wird. Man müsste es erklären können, Frank als Physiker könnte dies, während ich wieder mal keine Ahnung habe.
Also tappe ich dahin, wie alle Tage vorher und die Tage danach, während die Sonne, dieses tägliche Wunder, diese tägliche Mühsal, vom Himmel brennt und die Gedanken zum Erliegen bringt.
Ich werde manchmal gefragt, warum ich mir das antue, in meinem fortgeschrittenen Alter. Keiner kommt auf die Idee, dass es kein willentlicher Entscheid ist, sondern ein genetisch vorgeschriebener Akt, der irgendwo auf den Steppen unserer Vorfahren seinen Anfang genommen hat.
Irgendjemand hat letzthin in einem Film behauptet (Reacher?), dass sich vor tausenden von Jahren einige Menschen ans Feuer setzten und blieben, während die anderen weiterzogen. Offenbar gehöre ich zu den letzteren.
Casar de Caceres
Nach knapp vier Stunden endet der Sonntagsspaziergang in Casar de Caceres, eine lange Hauptstrasse führt mich durch das Städtchen. Linker Hand taucht ein offenbar neues Hotel auf, ich gehe vorbei, bin sicher, dass es sich nicht um das Albergue Rural Vía de la Plata handelt.
Und so folge ich der scheinbar endlosen Strasse, entlang der stummen Häuser (eigentlich noch zu früh für die Siesta), bis zur örtlichen Herberge, die aber gar nicht das ist, was ich suche. Das neue Hotel ist also tatsächlich das gesuchte. Was den Sonntagsspaziergang doch noch etwas länger gestaltet.
Im Unterschied zum Hotel, dass zwar einen sehr modernen, neuen Eindruck macht, entpuppt sich der Hotelmanager als Arsch erster Ordnung, unfreundlich, arrogant, abschätzig. Ob mein in der Zwischenzeit doch etwas derangiertes Aussehen dabei eine Rolle spielt? Egal, das Zimmer ist riesig, drei Betten, ein Badezimmer, das grösser ist als einige bisherige Hotelzimmer, was will man mehr für 30 Euros.
Hitze
Die Hitze, dieses lähmende Wesen, dröhnt an diesem Tag ganz besonders. Wikipedia meint dazu: „Das Klima im Winter ist mild, im Sommer dagegen warm bis heiss“. Das hindert mich allerdings nicht, die Vorzüge des Dorfes zu erkunden. Die Läden mit der berühmten Torta de Casar sind zwar links und rechts der Strasse vorhanden, doch, wen wundert’s, natürlich geschlossen. Es gibt generell nicht viel zu sehen, vor allem keine Einwohner. Diese haben sich in ihre Gemächer zurückgezogen und überlassen die Strasse den eher unbedarften Touristen.
Ich lasse mich durch die Hitze nicht abbringen, zumindest den Ort zu finden, wo morgen in aller Herrgottsfrühe der Big One beginnt. Die dem heiligen Jakobus geweihte Ermita de Santiago wird der Ausgangspunkt sein.
Auf dem Rückweg begegne ich doch tatsächlich einem menschlichen Wesen in Gestalt eines alten Mannes, der entspannt vor seiner Haustür sitzt und mich mit einem spöttischen Lächeln begrüsst. Camino? fragt er, für einmal kein Gruss, sondern eine skeptische Frage. Klar, antworte ich stolz, doch er lacht. Morgen wird es noch viel heisser sein, behauptet er und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Auf was habe ich mich da eingelassen? Noch heisser? Auf dem Big One? Schöne Aussichten.
Von Casar de Caceres nach Cañaveral
Heute also der gefürchtete Big One, die 35 km lange Etappe bis Cañaveral, die in allen Berichten als sehr anspruchsvoll bezeichnet wird. Und da das ungefähr in der Mitte liegende Hotel geschlossen ist, muss ich wohl in den sauren Apfel beissen.
Für einmal spiele ich einen waschechten Pilger, stehe also um halb sechs auf, immerhin mit der Gewissheit, dass eine Bar am Ort pünktlich um halb sechs öffnet.
Der Gang durch das in tiefem Schlaf liegende Casar hat seine eigene Schönheit. Meine Schritte auf dem Asphalt sind das einzige Geräusch, ein paar Strassenlampen beleuchten den kurzen Weg zur besagen Bar, die tatsächlich geöffnet hat und mir ein paar Extra-Kalorien in Form von einer ansehnlichen Portion Churros verpasst.
Denn dann beginnt das Abenteuer.
Wie gesagt, die heutige Etappe hat es in sich. Sie wird in allen Travelguides erwähnt, mit all den Herausforderungen, denen man gegenübersteht, der Länge der Strecke, der Hitze, der Einsamkeit.
Eigentlich genau das, was mir gefällt.
Schrödingers Katze
Bei der Ermita atme ich nochmals tief durch, nehme mein iPhone aus der Tasche und aktiviere das Flashlight. Denn das, was vor mir liegt, ist zappendustere Dunkelheit.
Die letzten Lichter Casars bleiben zurück, verblassen, während ich in die allumfassende Finsternis eintauche. Kein Mond am Himmel, der etwas Licht auf die Welt werfen könnte, keine Lichter eines Bauernhofes oder einer Hütte, nichts, nur eine durchdringende Schwärze. Ohne das Flashlight würde ich nicht mal die Hand vor den Augen sehen, aber ich tappe weiter, das zitternde Licht des iPhones auf dem Boden, in der linken Hand die Stöcke, in der rechten das Handy.
Und doch gefällt es mir. Es ist wieder mal eine dieser Ausnahmesituationen, die ich so liebe. Man ist vollkommen allein mit sich und der Dunkelheit und der Stille, nur das Geräusch der vorsichtigen Schritte auf dem Weg. Er ist zerfurcht, mit tiefen Gräben und Löchern, man muss aufpassen, dass man nicht hineintappt, oder noch schlimmer, die Orientierung verliert, denn ausnahmensweise, allerdings nicht überraschend, sind für einmal keine Wegweiser zu erkennen.
Eine Art Schrödingers Katze – sie sind gleichzeitig da und nicht da.
Wie soll ich sagen, eine dieser Situationen, wo man sich so sehr am Leben fühlt wie nie sonst. Ich könnte schreien vor Freude. Das ist genau das, was ich suche.
Aber über mir, wie ein gepunkteter schwarzer Mantel, der Nachthimmel, die Milchstrasse so nah und so sichtbar wie lange nicht mehr gesehen.
Doch dann, ganz gemächlich, als wäre keine Eile angebracht, beginnt im Osten das, was jeden neuen Tag zu etwas Besonderem macht.
Ein rotes Feuer
Es beginnt ganz langsam, am Anfang kaum zu erkennen. Ein Schimmer nur, etwas, was in der undurchdringlichen Dunkelheit ein Fremdkörper zu sein scheint. Doch das Phänomen wird stärker, die Konturen der Umgebung werden mit einem Mal sichtbar, Zäune tauchen auf, als kämen sie aus der Untiefe eines Meeres, Bäume und Sträucher, der Boden mit all seinen Löchern, es wird heller und heller.
Der Horizont verwandelt sich, am Anfang nur als oranger samtener Schleier, er steigt auf, verändert seine Farbe, das Orange weicht einem tiefen blutenden Rot.
Ich bleibe unwillkürlich stehen, denn das, was jetzt passiert, obwohl milliardenmal wiederholt, ist ein tägliches glorreiches Wunder, die Sonne, die aus dem Nichts taucht, dem Tag Helle verleiht, Wärme, alles, was zum Leben gehört.
Ich habe aufgehört zu atmen. Das rote Feuer übertüncht die Landschaft mit einem rosigen Schaum, und da sind die Vögel, die wie ich einen Moment lang geschwiegen haben.
Nichts kann diesen Moment übertreffen. Das sind sie, die Momente, die zählen.
Momente der Klarheit
Jetzt erkenne ich auch, dass der Weg sich sanft ansteigend entlang eines Höhenzuges zieht, dekoriert durch einen seltsam gemalten Himmel. Und auch die Meilensteine, die am Wegesrand teils stehen teils liegen, erheben ihr steineres uraltes Gesicht. „Buen Camino“ flüstern sie mir zu, „Buen Camino“. Die Etappe verläuft ja auf dem originalen Pfad der alten Römerstraße.
Und dann ist der Tag endgültig angekommen, warmes Licht tränkt das Land, die Wiesen, die Bäume. Eine Kuh steht reglos in der Wiese, in Gedanken versunken, so scheint es. Was geht in ihrem Kopf vor? Teilt sie meine Bewunderung? Ich fühle mich unwillkürlich mit ihr verbunden.
Der Weg führt weiter, meistens zwischen Steinmauern hindurch, hinter denen sich ausgedehnte Felder verstecken, bewachsen mit den üblichen Verdächtigen, Stein- und Korkeichen, Gebüsche, Gräser, alles, was der Hitze und Trockenheit standzuhalten vermag.
Der Embalse de Alcàntera
Ich komme erstaunlich gut vorwärts, meine Beine fühlen sich an wie zwei geölte Maschinen, Schritt um Schritt vorwärts. Doch manchmal erklingt hinter mir ein leises Keuchen, Stimmen und Tritte auf dem Pfad, und wie schon so oft werde ich durch jüngere, anscheinend sehr agile Wanderer überholt.
„Perfecto?“ ruft man mir zu, ich nicke, alles perfekt. Zumindest jetzt noch. Dann verschwinden die beiden, die sich später als kanadisches Ehepaar herausstellt, Doug und Heidi. Und es ist tatsächlich so, dass sich die Eltern der hübschen Dame Johanna Spyris Heidi als Namensgeberin erkoren haben.
Eine Eisenbahnbrücke taucht auf, man muss sie überqueren, und kurz darauf folgt der erste Abschnitt der Etappe, den ich mal als grenzwertig bezeichnen möchte. Es geht nun nämlich fast acht mühsame Kilometer, also 2 Stunden lang, der Autostrasse entlang, mal auf dem rechten Streifen, mal auf dem linken. Autos, Lastwagen, Busse, Motorräder brausen vorbei, gelegentlich erhasche ich einen Blick. erstaunt, spöttisch, gelangweilt.
Der Stausee Embalse de Alcàntara wird zur Staffage, man wirft zwar immer wieder Blicke auf den riesige Gewässer, doch Grund zur Freude herrscht nicht.
Doch ein paar Worte zum Embalse sind angebracht. Immerhin wird hier der Tejo (oder Tajo) aufgestaut, bevor sein Wasser wieder in die Freiheit entlassen wird und er schliesslich in Lissabon in den Atlantik münden darf.
Man kann gar nicht anders, als immer wieder stehen bleiben, die riesige Fläche bewundernd, den Geruch des Wassers in die Nüstern ziehend, bevor es weitergeht. Irgendwann ist der Ort der Sehnsucht erreicht, nämlich die Abzweigung von der Autostrasse, es geht einen steilen Abhang hinauf, bis man den Hügel erklommen hat und sich endlich, nach mehr als 20 Kilometern, zum Picknick niederlassen kann.
Ein bisschen stolz bin ich schon, dass mein gestern Abend ausgeklügelter Terminplan aufgegangen ist. Der entscheidende Punkt dabei war, beim Mittagessen mindestens 20 Kilometer geschafft zu haben. Die restlichen 15 müssten dann eigentlich problemlos zu schaffen sein.
Nur eben, soweit so gut, doch die Hitze am frühen Nachmittag ist mörderisch geworden, und das, was mich erwartet, ist eine weitere baum- und schattenlose Einöde.
Nicht lustig
Und so wie befürchtet, stellt es sich tatsächlich als Probe für die eigene Widerstandskraft heraus. Ich habe mich in der Zwischenzeit an schlechte Wege gewöhnt, doch dieser Pfad besteht hauptsächlich aus ausgewaschenem Boden voller Steine und Felsen und Furchen, jeder Schritt ist mit Vorsicht zu gehen, man will ja nicht ausgerechnet an diesem gottverlassenen Ort den Fuss verstauchen.
Dabei gäbe es viel zu sehen, schliesslich wandert man wieder auf der Originaltrasse der römischen Heeresstrasse. Wenn der Geist nicht mit der elenden Strasse beschäftigt wäre, könnte er sich Armeen vorstellen, die übermüdeten Legionäre in ihren Rüstungen und Togas oder was immer sie damals trugen. Aber eben, eigentlich will man nichts mehr wissen von Römern und ihren längst vergangenen Kriegen, es gibt nur noch ein Ziel, dieses verfluchte Cañaveral zu erreichen.
Die letzten Kilometer vor dem Ort, der längst zu einer Fata Morgana geworden ist und immer gleich weit entfernt scheint, sind das Mühsamste, was ich seit langer Zeit erlitten habe. Es macht einfach keinen Spass, nach über 30 Kilometern bei brütender Hitze diesen elenden Pfad absolvieren zu müssen.
Aber wie schon Nelly Furtado in ihrem Hit „All good things come to an End“ besang, kommt auch das Schlechte irgendwann an ein Ende, und ich erreiche vollumfänglich bedient das Tagesziel.
Cañaveral
Eigentlich habe ich ein Zimmer erwartet in einem Hotel, was mich aber tatsächlich empfängt ist ein weiterer mässig freundlicher Hospitalero, der mir ein Bett zuweist und sonst gar nichts. Wie schon so oft bin ich eher einer der letzten Ankommenden, man hat es ich gemütlich gemacht, die Betten sind alle belegt, das übliche Sprachgewirr aus allen Regionen der Welt.
Ich setze mich erst mal aufs Bett, ziemlich geschafft, der Schweiss hat mein T-Shirt zu einem nassen Lappen verwandelt, es dauert eine geschlagene Viertelstunde, bis ich imstande bin, auszupacken, mich zu duschen und mich zurück in eine lebendes Wesen zu verwandeln.
Ich bin aber offenbar nicht der einzige, der mit dieser Etappe seine liebe Mühe hatte. Man erzählt sich, dass vor kurzer Zeit ein junger Mann unweit des Dorfes tot aufgefunden wurde. Wahrscheinlich hatte er am Abend einen Schwächeanfall, vielleicht einen Hitzeschlag, fiel in Ohnmacht, und weil er allein unterwegs war und ihn am Etappenort niemand vermisste, starb er an den Folgen.
Der Abend bringt nicht viel, alle Shops sind geschlossen, keiner weiss den Grund, es gibt eine einzige Bar, die aber nur Flüssiges anbietet, also Dinner in der Herberge, immerhin in der Gesellschaft von Doug und Heidi.
Die Nacht ist kurz, es ist heiss, das Zimmer überfüllt, und ich wundere mich, ob ich nach der anstrengenden Etappe die morgige von wieder knapp 30 Kilometern schaffen kann. Also ein paar Gründe, den Schlaf gründlich zu versauen.
Passender Song: Michael Lucarelli – Malagueña
Und hier geht der Trail weiter … nach Galisteo