Immer sind es Vorstellungen, die in keinster Weise der Wirklichkeit entsprechen. Sie generieren die grössten Überraschungen.

Kilometer 18, so heisst die südliche Bushaltestelle in Pakxe, obwohl sie weit im Osten der Stadt liegt. Der Namensgeber hat sich also einen Scherz erlaubt. Oder aber, was ich bei den nicht gerade für absurden Humor bekannten Laoten eher annehme, jemand hat in der Geographiestunde gefehlt.

 

Sorry, no Bus

Es handelt sich also im wörtlichen Sinn um eine „Bus“-Haltestelle, was darauf hinweisen könnte, dass hier Busse verkehren. Eine weitere Vorstellung oder Annahme, die nicht erfüllt wird. Ich hatte mir also einen Bus vorgestellt, einen wie die letzten beiden Tage, doch einen solchen gibt es nicht bei Kilometer 18. Im Nachhinein verstehe ich das Grinsen des Ticket-Beamten. Meine Frage nach einem Bus quittiert er mit einem breiten Grinsen. „Sorry, no Bus, only TukTuk.“

Der Tag beginnt also mit einer nicht geplanten, aber überraschenden und wunderbaren Fahrt.

Heute will ich den südlichsten Punkt meiner Reise erreichen – Si Phan Don – die 4000 Inseln. Mal sehen, was da auf mich wartet.

 

Pickup to the South
Vollgestopft nach Süden
Voll oder nicht?
Voll? Oder doch nicht?

Im Minibus nach Süden

Anstelle des Phantombusses wird mich nun halt ein TukTuk nach Süden bringen. Es ist eigentlich ein falscher Ausdruck, denn das sogenannte TukTuk entpuppt sich als eine Art Pickup mit überdachter Ladefläche, wo es bereits von Frauen, Kindern, Hühnern und unzähligen Gepäckstücken in allen Grössenordnungen wimmelt.

Die Frage, wo in diesem Durcheinander noch jemand wie ich Platz haben sollte, grenzt schon beinahe an Verzweiflung, doch meinem Blick entgeht nicht, dass zuhinterst noch ein sozusagen jungfräulicher Platz frei ist, genau richtig für mich. Ich zwänge mich also mit entschuldigenden Worten zwischen den abfahrtsbereiten Damen mit ihren Kindern und Taschen hindurch und setze mich auf die paar Quadratzentimeter, die gerade eben noch zur Verfügung stehen.

 

Opera Buffa

Es dauert eine ganze Weile bis zur Abfahrt. Bis dahin – Cabaret, Opera Buffa, Realsatire nach laotischer Art. Eine wunderbare Vorstellung der asiatischen Kunst, aus wenig ganz viel zu machen, und das alles mit viel Lärm und Gestikulieren und Lachen und Fluchen. Allein die Vorstellung, wie eine ähnliche Veranstaltung in unseren Breitengraden ablaufen würde, gibt Anlass zu Zweifeln. Haben wir das alles vergessen? Vor lauter Optimierung, Hektik, Kontrollwahn? Ich weiss es nicht, wie so vieles …

Nun, bei der Abfahrt, sitzen in diesem wirklich nicht allzu grossen Vehikel gut 25 Personen, inklusive Kinder und einem Jungen mit Trisomie. Seine Mutter geht ganz selbstverständlich damit um, gerät keinen Moment aus der Ruhe, auch dann nicht, wenn sich der Junge an die daneben sitzenden Frauen lehnt oder auch schon mal ein Kind zum Weinen bringt. Auch in diesem Fall ist das unterschiedliche, kulturbedingte Verhalten deutlich spürbar, und einmal mehr wird klar, warum nur das eigene Erlebnis, die 1:1 Beobachtung wirkliche Erkenntnisse bringt.

Alles andere ist Fiktion.

Der Wagen tut mir fast ein bisschen leid, denn schon bei der Abfahrt kann man das protestierende Stöhnen der Federung hören. Aber die Vehikel sind auf diese Belastungen ausgelegt, keine noch so brutale Behandlung lässt sie zurückweichen.

 

Das mäandernde Monstrum

Und so gehen die knapp vier Stunden vorbei. Das reglose Sitzen ohne die Möglichkeit, die Beine zu strecken oder die Glieder zu dehnen, ist ziemlich mühsam. Nach einer Weile beginnt der Arsch zu schmerzen, aber ich habe trotzdem den Eindruck, dass die Fahrt auf genau diese Weise richtig ist.

Für nichts auf der Welt würde ich sie missen wollen.

Es geht immer schön dem Mekong entlang. In der Ferne als glitzernde Helle zu erkennen, winkt er uns alle paar Kilometer zu, als würde er uns willkommen heissen. Meine Mitpassagiere kümmert das wenig, für sie ist der Fluss etwas Alltägliches, auch wenn er ihre Existenz in jeder Hinsicht beeinflusst. An dieser Stelle ist er noch breiter und wuchtiger geworden, und bereits sind die ersten Anzeichen zu erkennen, dass er sich schon bald zu einem mäandernden Monstrum entwickeln wird, in ein in unzählige Arme und Nebenarme aufgespaltenes Ungeheuer.

 

Mekong Mäander
Ist das noch ein Fluss?

Und dann erreichen wir das Ziel. Eine Viertelstunde heftiges Durcheinander, bis jeder seine Siebensachen zusammengepackt, seine Kinder und Grossmütter an der Hand hat, die wartenden Verwandten begrüsst sind.

Aber es geht nun darum, über den Mekong, der an dieser Stelle kaum noch als Fluss zu erkennen ist, zu den Inseln zu gelangen. Dazu gibt es verschiedene, in Alter und Zuverlässigkeit unterschiedliche Angebote. Das Holzboot, mit dem ich mich mit ein paar anderen furchtlosen Passagieren zwischen zahllosen Inseln und Inselchen  hindurch zu Don Khon chauffieren lasse, sieht zwar nicht eben aus, als könnte es noch manchen Sommer überstehen, aber die Fahrt ist grossartig.

 

Eine grossartige Fahrt zwischen den Inseln hindurch

Der Motor tuckert laut und unregelmässig vor sich hin, während wir uns der phantastischen Umgebung ergeben. Zwischen ins Wasser reichenden riesigen Bäumen hindurch, an bewohnten und unbewohnten, an grossen und winzigen Inseln vorbei, nähern wir uns gemütlich einer der beiden Hauptinseln, Dom Khon.

 

Mekong bei den 4000 Inseln
Auch das ist der Mekong
Vögel am Ufer
Ein Willkommens-Komittee
Die ersten Gebäude über dem Wasser
Gebäude über dem Wasser
Häuser über dem Mekong
Ich fühle mich jetzt schon wohl

Dom Khon

Das ist nun also der südlichste Punkt der Reise (ausser ein paar Kilometern, die ich morgen zu tun gedenke), Dom Khon, die zu Unrecht etwas stiefmütterlich behandelte Schwesterinsel von Dom Det.

Doch für wie lange wird es so bleiben? An allen Ecken wird emsig gebaut, gehämmert, gesägt. Neue Bungalows, neue Restaurants, neue Unterhaltungsmeilen für das endlose Meer ungesättigter Touristenseelen, die dereinst an diesen Orten vorbeiflanieren werden. Alles, was schön ist, muss gehen, so scheint es.

 

Die "Hauptstrasse" auf Dom Khon
Die „Hauptstrasse“ auf Dom Khon

Ich folge der „Hauptstrasse“, den wachen Blick auf das gerichtet, was mich hier erwartet. Gefällt mir, gefällt mir sogar sehr. Schliesslich, nach aufmerksamem Suchen finde ich einen Bungalow, der genau meinen Vorstellungen entspricht. Dass dabei eine ausnehmend hübsche junge Lady bei der Vermietung eine Rolle spielt, ist klar. Es scheint, dass ich dringend meine lange verschütteten Flirterinnerungen aktivieren muss.

 

Pretty Lady at Hotel
Meine Hotelmanagerin – da werden alte Gefühle wach

PS Song zum Thema:  The Smiths – This Charming Man

Und hier geht’s weiter …

 

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