Angezeigt: 1 - 2 von 2 ERGEBNISSEN
Alpenpanoramaweg

Alpenpanoramaweg – Die Berge bleiben zurück

Drei Uhr morgens am Hotelfenster.

Pechschwarze Nacht. Die Konturen der Bäume sind aufgesogen durch eine undurchdringliche Schwärze. Kein Laut, kein einziger. Kein Käuzchen ruft in der Ferne, kein Wind pfeift durch die Blätter, keine Regentropfen klopfen auf das Dach, rein gar nichts.

Irgendwie schön und irritierend zugleich.

Das erinnert mich an einen der berühmten Romane von Philip K. Dick (Autor der Grundlagen zur Verfilmung von Bladerunner, Minority Report, Total Recall etc.), nämlich Marsian Timeslip. Er beschreibt dabei das Problem, dass das menschliche Gehirn ohne Sinneseindrücke nicht überleben kann.

Im Roman wird das zeitliche Problem beim Transport eines Gehirns zu einem anderen Körper (SF-Literatur) so gelöst, dass von aussen künstliche Sinneseindrücke vermittelt werden, um das Gehirn am Leben zu erhalten. Allerdings hat dieses keine Möglichkeit zu erkennen, ob die wahrgenommenen Sinnesphänomene echt oder künstlich sind.

Was uns zwangsläufig zur Frage bringt, welche Möglichkeiten wir selbst hätten, um zu erkennen, ob das, was wir zu erleben glauben, real oder von aussen implantiert ist. By the way, im Film MATRIX wurde das Thema aufgenommen.

Verstörende Überlegungen mitten in der Nacht …

 

Der letzte Tag in den Bergen

Heute Abend werde ich am Genfersee ankommen. Die Berge bleiben endgültig hinter mir zurück, nach über drei Wochen und unzähligen Höhenmetern, zahlreichen Wegen über Hügel und Berge, über Pässe und durch Wälder. Ach Gott, wie werde ich sie vermissen …

Doch einmal mehr gibt der Wanderführer grünes Licht für eine besonders schöne Etappe:

Die Wanderung nach Vevey über Les Paccots führt über die Grenze der Kantone Freiburg und Waadt und hält viele Entdeckungen bereit: den naturbelassenen Lac des Joncs, den Pont de Fégire (Grenze zwischen den Kantonen), eine herrliche Aussicht auf die Voralpen und den Genfersee sowie regionale Spezialitäten.

 

From Les Paccots to Vevey

Dieser elende Regen entbietet auch an diesem Morgen einen nassen Gruss, doch mein unerschöpflicher Optimismus hält dagegen. Und ganz ehrlich – eigentlich waren doch die verregneten Tage die schönsten. Nie hat man mehr Ruhe, weit und breit keine Seele, der Regen tropft und klopft auf den Kopf, ein unermüdliches Konzert ganz für mich allein.

Also bin ich beinahe etwas enttäuscht, als sich beim Aufbruch der Regen bereits verzogen hat, nur noch ein paar niedrig hängende Wolken verdecken eine blasse Sonne. Die Landlady hat es geschafft, mir Bargeld abzuknüpfen, vermeintlich wegen technischer Probleme. Na ja, alles passt.

 

A wet green world again

Path through the wet forest

Oberhalb von Les Rosalys, ich habe eine Variante gewählt, taucht man in eine feuchte grüne Welt ein, immer noch tropfend und nach nasser Erde riechend. Doch es erinnert einmal mehr an Mittelerde, und hinter den Büschen verstecken sich Waldelben oder Hobbits, vielleicht aber auch Orks oder Uruk-Hai, gezüchtet von Saruman.

Aber nichts in diesem Wald oberhalb Les Paccots lässt auf Böses schliessen. Das einzige, was passieren kann, ist, dass man auf dem glitschigen Boden das Gleichgewicht verliert. Und da grüsst auch eine hölzerne Eule, der Wächter des Waldes, sie verfolgt die unbeholfenen Schritte der seltenen Besucher, warnt die Wesen des Waldes vor den Eindringlingen.

 

Wooden owl

 

Ein einfaches Leben

Beim Wandern wird das Leben ganz einfach – man geht, man isst und trinkt, man macht Pausen, man übernachtet, man pflegt sich, man geht weiter … Es ist eine Art Metapher, wie man vielleicht leben könnte oder sollte. Einfacher, bescheidener, konzentriert auf das Wesentliche und nichts weiter.

Aber natürlich ist das schwierig in unserer komplizierten Welt. Wie soll man einfach und bescheiden leben, wenn man permanent von Angeboten überhäuft wird? Von Pflichten und Zielen und Massnahmen vereinnahmt? Wenn das Leben ein endloser Parcours durch all das ist, was man moderndes Leben nennt?

Manchmal wird man lethargisch, manchmal deprimiert, manchmal verzweifelt. Aber das ist so. Jeder muss auf seine Weise damit fertigwerden.

Deswegen sind Auszeiten so beliebt, ein eigentlicher Hype, dem jeder folgen will und doch fast niemand schafft.

Meine Art und Weise, das Problem zu entschärfen, ist wandern (oder reisen, je nachdem). Manchmal nur kurz, manchmal ein bisschen länger. So wie jetzt. Auf dem Weg von Les Paccots nach Vevey …

 

Der letzte Mensch

Manchmal komme ich mir vor wie der letzte Mensch. Ich bin schon einige Zeit unterwegs, doch auch heute bin ich offenbar der einzige Wanderer weit und breit.

Auch kein Wunder, heute ist definitiv kein Wanderwetter, denn der Weg bleibt rutschig, voll tiefer Pfützen, der nächtliche Regen hat Spuren hinterlassen. Seltsam riechendes Moos hat Bäume und Boden überwachsen, der Weg ist weich wie ein Bett aus Daunenfedern. Manchmal ist das satte Grün unversehens nicht mehr satt sondern irgendwie verblasst, als wäre die Natur am Absterben.

 

Pale world

Es geht immer noch bergauf, dem Pass Les Joncs entgegen. Den Abstecher zum viel gerühmten Lac des Joncs lasse ich bleiben, bis Vevey ist noch lang. Das einzige, was mir fehlt, ist der Kaffee im Gasthaus am See.

 

Die Brücke in die Waadt hinüber

Eine Holzbrücke führt über den Fluss Veveyse de Fégire, der die Grenze zwischen den Kantonen Freiburg und Waadt bildet. Gemäss Wanderführer sind die Freiburger Wanderwege sehr gepflegt, auf waadtländischem Boden hingegen eine eher trübselige Angelegenheit. Wir werden sehen.

Mein Weg hingegen ist, ungeachtet ob in Freiburg oder Waadt, genau so schlimm wie schon den ganzen Tag, überschwemmt mit den schlimmsten Wasserlachen, manchmal muss ich mitten durch das dichte Gebüsch ausweichen, manchmal hilft nur ein weiter Sprung über den aufgeweichten Pfad hinweg.

 

Bridge over troubled water Creek with nightly rain water

flooded path

 

Eine Alpwirtschaft und ein Wiedersehen

Der Wald bleibt für einen Moment zurück, eine weite grüne Hochebene liegt unter dem grauen Himmel, und nicht zum ersten Mal werde ich von einer Herde schwarzweisser Freiburgerkühe begrüsst. Sie haben sich in einer Reihe am Zaun aufgestellt, fehlt nur noch die Achtungsstellung.

 

Black and white cows greeting me at the fence

Wir sind zwar nicht mehr in Freiburg, aber an Alpwirtschaften mangelt es trotzdem nicht. Die Buvette les Mossettes entpuppt sich von aussen als ziemlich geschlossen, innen aber von erlesener Einrichtung. Hier könnte man Tage verbringen.

Ich erlaube mir, die Zeichnung des Innenraums aus der Website der Buvette zu übernehmen.

 

La Buvette les Mossettes

Noch während ich mit gebührender Achtung den Raum betrachte – im übrigen brennt mitten im Raum ein Ofen, der die klammen Finger aufwärmt – treten Mann und Frau aus Luzern herein. Ein fröhliches Wiedersehen (man erinnere sich an das Abendessen in Jaun, die beiden absolvieren ein paar Etappen bis Vevey).

Sie haben realisiert, dass heute Abend ihre Tour endet und damit auch ihr Alpenpanorama-Abenteuer. Ich kann das Bedauern darüber spüren, sie würden noch so gerne bis Genf mitkommen.

 

Das Reich der Narzissen

Kurze Zeit nach der Buvette führt der Weg nochmals durch dichten Wald, bevor er in Richtung Süden abbiegt und man das Gebiet der Les Pléiades, das Reich der Narzissen, erreicht.

Leider ist die Blütezeit vorbei, aber im Mai sollen auf diesen Alpweiden tausende von weissen Narzissen blühen. Schade, ich hätte die leuchtende Naturpracht gerne gesehen, aber das Naturschutzgebiet des Marais des Tenasses ist an sich schon eine Augenweide.

Der Weg führt durch Wiesen, auf einer Art Holzsteg, den man nicht verlassen darf. Und so folgt man auf leicht schwankendem Untergrund reinster Natur, wie sie hier noch in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten ist. Oder stellt man sich das einfach so vor? Ist der Holzsteg wirklich der einzige Eingriff des Menschen? Ich kann es mir nicht vorstellen, obwohl ich es gerne täte. Und ja, die Zweifel sind berechtigt – Hochspannungsleitungen überqueren das Naturschutzgebiet. Ein weiterer zivilisatorischer Gruss …

 

Wooden walkway

Nature reserve

 

Les Pléiades – das panoramische Glück

Nach der Durchquerung des Naturschutzgebietes erreicht man Lally, von wo eine Zahnradbahn auf den Gipfel der Pléiades fährt. Als eingefleischter Wanderer ist es klar, dass man den Fussweg nimmt, der neben den Bahngeleisen hangaufwärts führt. Nicht unbedingt die angenehmste Weise, ich erinnere mich einmal mehr an den Niesen Berglauf. So ungefähr muss es dort aussehen, einfacher viel weiter und viel höher.

Natürlich steht auf dem Gipfel ein grosses Restaurant, der Blick von hier ist tatsächlich atemberaubend. Und natürlich treffe ich meine Luzernerfreunde, sie genehmigen sich eben ein wohlverdientes Mittagessen, zu dem ich mich gerne dazusetze.

 

View on Lake Geneva from the Pléiades

Wir beschliessen, den Rest des Weges bis Vevey gemeinsam zu gehen, und so ergibt sich wieder mal ein fröhliches, ziemlich geschwätziges Trio, man hat sich ja viel zu erzählen. Und so verwundert es nicht, dass wir für die restlichen knapp 5 Kilometer über anderthalb Stunden brauchen. So ist es halt, wenn man sich auf Anhieb sympathisch ist und eben – viel zu erzählen hat.

 

Die letzten Kilometer

Irgendwann erreichen wir die ersten Häuser, doch ich realisiere erst nach einigen Minuten, dass ich die Hügel und Berge nun eben das letzte Mal verlassen habe. Ich versuche, mein schmerzendes Herz zu verstecken.

In Blonay ist definitiv Schluss. Der Weg in die Stadt hinunter ist weit und mühsam, also steigen wir in den Zug. Eine merkwürdige Erfahrung. Die Zivilisation hat mich wieder in die Fänge gekriegt, bis Genf wird sie mich nicht mehr loslassen.

Aber sei’s drum, ich wusste, was mich erwartet.

An der Endstation verabschieden wir uns, einmal mehr im Wissen, dass der Abschied definitiv und für immer ist.

Ich gehe die letzten Meter zum See hinunter, rings um mich die Hektik und der Lärm der Grossstadt – bright lights, big city – welch ein Unterschied zu heute morgen.

Und dann bin ich da, stehe einen Augenblick lang gerührt am See, ein Fremdkörper mit meinen Wanderschuhen und dem Rucksack und dem Hut inmitten der fröhlichen Menge, die das Wochenende einläutet.

Aber ich bin am Genfersee, niemals hätte ich gedacht, dass ich es bis hier schaffe. Noch 5 Tage …

 

Lake Geneva

seahorse with lady

 

Das erste Mal so etwas wie Erschöpfung

Bisher bin ich von Müdigkeit verschont geblieben, doch heute Abend spüre ich so etwas wie Erschöpfung. Ist es die Einsicht, dass mein Traum bald zu Ende ist? Oder rührt es ganz einfach davon, dass ich Dummkopf den ganzen Tag viel zu wenig gegessen habe?

So sitze ich später in einem Gartenrestaurant, Bier und Pizza und Kaffee und Dessert, und weg ist die vermeintliche Erschöpfung.

Ein paar Spatzen erkennen flugs, dass da jemand sitzt, der ihnen wohl gesonnen ist. Sie setzen sich entspannt auf meinen Tisch, knabbern an den Resten der Pizza, ein sehr willkommener Beitrag zu meiner Unterhaltung.

 

Ein perfekter Abschluss eines wunderbaren Tages …

 

Song zum Thema: Ruelle – The World we made

Und hier geht der Trip weiter … nach Lausanne

 

Alpenpanoramaweg

Alpenpanoramaweg – Wieder allein

Dieses Geräusch kenne ich doch – das Klatschen am Fenster, das Prasseln auf den Dächern, das Trommeln auf dem Asphalt. Es ist kurz nach Mitternacht, und es regnet. Ausserdem ist es kalt geworden, durch das offene Fenster dringt ein frostiger Hauch, zum ersten Mal seit langem bin ich einer warmen Decke dankbar.

Wunderbare Aussichten für einen ziemlich anstrengenden Wandertag in Richtung Süden, nach Les Paccots. Nichts Neues für den Wanderer.

Der Wanderführer formuliert es so:

Den mächtigen Moléson vor Augen und das Städtchen Gruyères im Rücken zur Mittelstation Plan Francey aufsteigen, der Nordwestflanke des Moléson entlang wandern und ins waldreiche Voralpenland von Les Paccots absteigen.

Für mich ergibt sich allerdings noch ein zusätzlicher Abschnitt von Broc nach Gruyères, aber was soll’s, Hauptsache vorwärts.

 

From Broc to Les Paccots

 

The Rain, the Park and other Things

Erinnert sich jemand an den wunderbaren 60-Jahre Song der Cowsills? Wenn ich mich recht erinnere, war es das Werk eines vielköpfigen Familienclans, wie es sie in den USA zahlreich gab und gibt. Nun, für alle Vergesslichen, hier der Link: The Rain, the Park and other Things.

Auf jeden Fall erinnert mich der traurige Blick durch den verregneten Morgen an das Lied (und andere Regenlieder, nicht zu vergessen Rain von den Beatles, nochmals eine Klasse besser). Denn es regnet nicht nur, es schüttet. Das alles kommt mir sehr bekannt vor.

Wie auch immer, ich werfe wieder mal meine gesamten Regenklamotten über, verabschiede mich vom netten Hotelpersonal und stürze mich hinaus in den Regen. Broc sieht im morgentlichen Dunst verlassen aus, wenige Autos preschen vorbei, werfen die Gischt nach allen Seiten. Eine einzelne Person kauert sich unter ihren Schirm und wirft mir einen mitleidigen Blick zu.

In der Ferne grüsst Gruyères auf dem Hügel, das erste Tagesziel, doch zuerst gilt es, dem Wanderweg einem kleinen Bach entlang zu nehmen. Der Pfad ist an einigen Stellen kaum begehbar, grosse Pfützen verwehren den Durchgang. Von den Bäumen tropft das Wasser, Dunst steigt aus den durchnässten Wiesen, ein optimaler Beginn der heutigen Etappe.

 

The path is definitely wet ... and the creek watery

 

Gruyères – ein Käse Hotspot

Wie könnte es anders sein – nach einer halben Stunde, ich habe noch nicht mal den halben Weg bis Gruyères geschafft, entflieht das schlechte Wetter irgendwohin, wo es der Teufel holen soll, und der Himmel taut in milchigem Blau auf. Wäre ich eine halbe Stunde später aufgebrochen, wäre ich trocken geblieben. Well, Shit happens …

Gruyères liegt auf einem malerischen Hügel, das Schloss grüsst mit spitzen Türmchen von weitem. Man überquert den Fluss durch eine gedeckte Brücke (Le Pont qui branle) und macht sich kurz darauf bereit für den Aufstieg hinauf zum Dorf, natürlich auf heissgeliebten Treppenstufen.

 

Bridge just below the hill to Gruyères

The castle of Gruyères

Stairs again - hopefully the last ones for today

Gruyères (oder Greyerz auf deutsch) ist ein bekannter mittelalterlicher Touristenort, allerdings vor allem bekannt geworden durch den gleichnamigen Käse, dessen Werbetafeln im Winter die Pisten entlang sämtlicher Langlauf- und Biathlon Wettbewerbe zupflastern. Aber das Dorf ist tatsächlich einen Besuch wert, auch wenn der Regen einen irgendwie tristen Eindruck hinterlassen hat.

Ich sitze ziemlich allein vor einem Restaurant, umgeben von nassen Tischen und Stühlen, und nippe an einem Kaffee, während rings um mich herum absolut nichts passiert, ausser ein paar Last- und Lieferwagen, die irgendwas aus- oder einladen. Oder sind das ein paar ausländische Touristen, die ziemlich verloren vor den Häusern stehen und sich wohl fragen, was sie hier machen?

Neben dem Schloss, das allerlei kulturelle Aktivitäten anbietet und ausserdem eine bedeutende Sammlung von was auch immer besitzen soll, bietet das kleine Städtchen vor allem einen Blick auf die Art und Weise, wie vor hunderten von Jahren gebaut und gewohnt wurde.

 

The castle og Gruyères 2

Quiet and sad after the morning's rain

 

Erinnerung an ALIEN

Wenn ich etwas mehr Zeit hätte und nicht eine anstrengende Route vor mir hätte, würde ich das H.R. Giger Museum in Gruyères besuchen.

Ich kann mich nur allzu gut an ALIEN von Ridley Scott erinnern, irgendwann gegen Ende der 70-Jahre, damals noch im grössten Kino in Zürich, dem Apollo. Der Saal war proppenvoll, nach einer halben Stunde mucksmäuschenstill, während der Horror in Form eines Monstrums langsam die Nerven zu strapazieren begann.

Die ultimative Horrorshow – ein begrenzter Raum in einem riesigen Raumschiff, dazu dunkel, feucht, mit vielen düsteren Nischen, und irgendwo ein unappetitlicher Alien, der von Stunde zu Stunde grösser und gefährlicher wurde, und dem die gesamte Besatzung des Raumschiffs Nostromo zu Opfer fiel. Ausser Ripley, gespielt von Sigourney Weaver, die als die erste Actionheldin in die Filmgeschichte einging.

Aber das Monstrum, das fremdartige Wesen, geschaffen von Hansruedi Giger, war stilbildend für viele der nachfolgenden Horror- oder SF-Filme. Nicht überraschend, dass er dafür den Oskar erhielt.

Hier ein Ausschnitt aus dem Film (nicht für zarte Gemüter):

 

 

Der Weg nach Süden, dem Moléson entgegen

Kurz nach Gruyères beginnt der Aufstieg, anfänglich durch einen Wald. Ein paar Männer stehen diskutierend neben dem völlig zerstörten Wrack eines Pickups. Offenbar ein Opfer des vergangenen Gewittersturms, der nicht nur Bäume und Gebäude in Mitleidenschaft gezogen hat, sondern auch Autos, die zur falschen Zeit am falschen Ort gestanden haben und durch herabstürzende Bäume zerquetscht wurden.

Einmal mehr zeigt uns die Natur, wer hier die Macht im Staate hat.

 

Destroyed vehicle by the thunderstorm

Dann aber verlässt der Weg den Wald und beginnt sanft zu steigen. Das Tal bleibt zurück, die Abhänge sind weniger schroff als in den vergangenen Tagen, ich fühle mich sehr wohl, obwohl wieder mal weit und breit keine einzige Seele, ausser den obligaten Kühen, zu sehen ist.

 

Smooth ascent to the Moléson

Doch in der Ferne, noch verhüllt von Nebel und Wolken, zeigt sich der Moléson, der Hausberg der Freiburger, ein markanter Kalksteinkoloss. Er zeigt mir die Richtung an, an ihm vorbei wird der Weg nach Süden gehen.

Immer wieder Kühe, meine ständigen Begleiter seit Rorschach; werden sie in fünfzig Jahren auch noch so zahlreich auf den Wiesen weiden, oder hat sie der Klimawandel endgültig vertrieben? Einerseits eine Notwendigkeit, denn die ewigen Furzer sind zumindest für einen Teil des CO2 Ausstosses verantwortlich, andererseits ein schmerzlicher Verlust.

Aber so ist die Zeit, sie hinterlässt nur Opfer.

 

Le Moléson, the Hausberg of the people of Fribourg, as seen from afar

And again cows - my favorite animals (except every other animal)

 

Le Moléson – Freiburgs Hausberg

Die mächtige Kuppe des Molésons kommt Schritt für Schritt näher, irgendwie bedrohlich in seiner Schroffheit, seiner Schwärze, seiner offenkundigen Ablehnung jeglichen Besuchs von ausserhalb. Oder scheint es nur so?

In Plan Francey findet sich die Talstation der Luftseilbahn auf den Moléson, ein weiterer Höhepunkt, den ich durch den engen Zeitplan verpasse. Die Aussicht allerdings dürfte an diesem nebligen Tag eher bescheiden sein, also verpasse ich nichts. Aber das muss irgendwann nachgeholt werden.

 

Base station of the cable car to the Moleson

Aber immerhin gibt es ein riesiges Restaurant, wo ich einen Kaffee trinke und tatsächlich unser Luzerner Ehepaar erblicke. Ich habe kaum Zeit, sie zu begrüssen, denn ein Border Collie hat Gefallen an meinen unermüdlichen Streicheleinheiten gefunden.

 

Coffee break beneath the MolésonNew friend

 

Fort mit dem Denken

Manchmal, viel zu selten, setzt mein Denken aus, obwohl rechts und linkst des Weges soviel zu sehen, zu hören, zu riechen ist. Das sind die Höhepunkte des Wanderns, wenn man ganz bei sich ist, in vollständiger Balance.

Vielleicht haben die zahlreichen Meditationskurse doch ihre Wirkung getan.

Ich erinnere mich an den ersten Vipassana-Kurs nach der U Ba Khin Tradition im Jahr 2003, vor allem an die unerträglichen Schmerzen beim Sitzen in der ungewohnten Stellung (ich spüre heute noch, nach beinahe 20 Jahren, meinen Rücken, meine Beine, meine Schultern … Und die Gedanken, weit weg zu rennen).

Die endlos scheinende Stunde, das Zählen der letzten Minuten, umgerechnet in Sekunden, nur noch 300, nur noch 250, nur noch 100 … Und dann endlich der Gesang von Mutter Sayamagyi, die jeweils das Ende einer Stunde einläutete.

Die komplizierten Strukturen des Buddhismus, der achtfache Weg und alles andere, anfänglich unverständlich, bis es nach einiger Zeit endlich seine Wirkung entfaltete.

Das edle Schweigen, für uns Dauerquatscher eine beinahe unerträgliche Pein – 10 Tage ohne Sprechen, ohne Medien, ohne Musik, ohne Bücher, ohne Kontakte, ohne alles – bis am neunten Tag das Schweigen gebrochen wird, und alles aus einem herausbricht. Alles Aufgestaute, alles nur nonverbal Kommunizierte, alle Gedanken, die während den endlosen Stunden das Gehirn verstopften, alles musste raus, sofort.

Und das Wichtigste – plötzlich spürte man, dass zwar keine Lichtphänomene aufgetaucht waren (wie sie sehnlichst erwartet worden waren), aber die innere Batterie aufgeladen worden war, als wäre man innerlich um Jahre verjüngt worden.

Und eben – die Achtsamkeit, eines der zentralen Themen im Buddhismus, erweckt und aktiviert auf dem Weg nach Les Paccots. Mehr kann man nicht erwarten …

 

Noch weit weg – der Genfersee

Der Moléson verschwindet in seinem selbst gewählten Nebelkostüm, er wirft mir noch einige schwarze drohende Blicke hinterher, stört mich aber nicht, denn nun geht es langsam bergabwärts.

Die Natur verändert sich, wird flacher, zumindest manchmal, winzige Bäche sprudeln durch sumpfartige Wiesen, bedeckt mit kniehohem Gewächs, das ich wieder mal nicht identifizieren kann.

Dann doch eine erste unerwartete Überraschung (ich weiss, ein Pleonasmus) – weit weit weg, so scheint es, ist doch tatsächlich ein hellblauer Streifen zu erkennen, der erste Gruss des Lac Léman. Oder will man mich täuschen? Etwas vorgaukeln, was nicht da ist, nur in meiner Phantasie?

Und trotzdem, es scheint, dass ich meinem Ziel näherkomme. In einer Woche bin ich in Genf. Leise schleicht sich Wehmut ein.

 

Changing Landscape

First glimpse of the Lake Geneva

Aber vorläufig bin ich noch weit weg vom Genfersee, sogar noch ziemlich weit weg von Les Paccots, dem heutigen Tagesziel.

Der Weg führt manchmal mühsam der Teerstrasse entlang, dann wieder mitten durch den Wald und einmal sogar entlang einer Finnenbahn. Ich habe irgendwo gelesen, dass Les Paccots ein wahres Paradies für Sportler sein muss. Es würde mich nicht wundern, schon bald über einen Jogger zu stolpern (oder eher er über mich). Es muss also so sein, dass ich mich langsam der Zivilisation nähere.

 

Path through dense forest

 

Les Paccots – nicht meine Welt

Nichts kann mich noch erschüttern, auch nicht der drohende Regen, der wie ein Damoklesschwert über der zerzausten Landschaft hängt. Irgendwann stehe ich zwar vor der Ortstafel von Les Paccots, aber wie sich zeigen wird, heisst das nicht viel bei diesem langgezogenen Dorf, das sich über endlose Kilometer hinzuziehen scheint.

 

Les Paccots

Aber Geduld bringt Rosen, wie man so schön sagt, und tatsächlich taucht Au petit Gîte auf, ein kleines Hotel weit weg vom Zentrum, wie ich schmerzlich erfahren werde. Das Zimmer besitzt aber seinen eigenen hölzernen Charme, obwohl die Dame des Hauses einen etwas abweisenden Eindruck macht.

 

My wooden room at Au petit gÎte

Ist mir aber ziemlich egal, es ist spät geworden, ich habe über acht Stunden gebraucht (Kaffee und Hundestreicheln inklusive), und ich möchte unbedingt etwas essen. Allerdings steht die Absicht wieder mal in vollständigem Kontrast zur Wirklichkeit, denn ein Restaurant zu finden ist offenbar ein aussichtsloses Unterfangen.

Mit schmerzenden Füssen und Beinen stolpere ich der endlos scheinenden Strasse entlang, immer in der Hoffnung, irgendwann irgendwo das Zentrum zu finden, wo wunderbare Restaurants darauf warten, mich verköstigen zu dürfen.

Aber eben, es gibt zwar Coiffeursalons und seltsame Shops, die den ganzen Ramsch anbieten, wir er nur in Touristenhochburgen angeboten wird, es gibt sogar Hotels, die allerdings geschlossen sind. Am Schluss, ziemlich entnervt und verärgert, lande ich doch tatsächlich in einem Fastfood Restaurant und lasse mir einen Cheeseburger mit Frittes munden. Immerhin läuft im Hintergrund ein Fussballspiel der EM, was mich zumindest teilweise etwas besänftigt …

 

Song zu Thema:  UNKLE – Set no Sun

Und hier geht der Weg weiter … nach Vevey am Genfersee