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Laos

Nam Ou Flussfahrt – Das Abenteuer endet

Der Tag beginnt früh, mit Hühnergegacker, Entengeschnatter, fröhlichen Kinderstimmen.

Frühmorgendliche Kühle und Feuchtigkeit in der Luft. Langsamer, träger Gang durch die Pfade zwischen den Häusern. Das Ticketbüro öffnet erst um acht, also zuerst mal Frühstück, wie es sich gehört. Abschiedsgespräche, immer dasselbe. Man schwört sich, in Verbindung zu bleiben, und weiss doch ganz genau, dass es niemals klappen wird.

 

Abschiede

Das Boot legt verspätet ab, weil ein paar hohe Beamte begrüsst werden müssen. Sie werden empfangen wie Könige. Ich will mich gar nicht erst damit aufhalten, wie sehr mich die Verneigungen vor diesen merkwürdig spiessigen Männern ärgern. Wir leben gottseidank in Ländern, wo Unterwürfigkeit vor den oberen Hierarchiestufen verpönt ist. Aber kann man es den Leuten hier verdenken? Sie leben in einem Land, wo oben und unten klar geregelt ist. Verstösse werden geahndet. Punkt. Aber daran gewöhnen werde ich mich niemals.

Das Dorf, das mir in kurzer Zeit ans Herz gewachsen ist, Muang Ngoi und Reto und James und Suzie, verschwinden im vom Morgenlicht verwunschenen Ufer.

 

Farewell tu Muang Ngoi
Ready for takeoff

 

Ein Blick zurück, nur einer, dann gibt es nur noch das Vorne.

Am Anfang lässt uns der Fluss unsere morgendliche Ruhe, gibt vor, gezähmt zu sein, seine Kraft verloren zu haben. Das Ufer gleitet ruhig und gemächlich vorbei, eine Herde Kühe, eng zusammen liegend, ein Boot am Ufer, dann wieder lange nichts, nur Bäume, Gebüsche, braune und gelbe Erde.

Und manchmal Fischer, stoisch ihre Ruten ins Wasser haltend, Wasserbüffel, im Dreck suhlend, Dörfer, Häuser, Hütten. Und der Urwald, manchmal gerodet und mit Eukalyptusbäumen bepflanzt. Dann werde ich wütend und traurig und verfluche die Chinesen, die das alles angerichtet haben.

 

Fishermen at work
Fischer an der Arbeit
Cows at the shore, sunbathing
Sonnenbadende Kühe am Ufer
Sometimes a boat, empty ...
Manchmal ein leeres Boot …

... or a few kids, playing in the water

Aber dann ist es mit der Ruhe vorbei, der Fluss will uns einmal mehr zeigen, wer der Herr im Hause ist.

Ich schaue auf das rasende Wasser hinaus, wie in Trance, immer wieder durchgeschüttelt durch die eine oder andere Stromschnelle, die nun im Minutentakt auftauchen, ein paar Sekunden lang tosen und lärmen, um dann hinter uns zu verschwinden.

 

Wild water
Wildes Wasser

Unidentifiable Objects in the water

An einer Stelle ist der Fluss zu einem tobenden Ungeheuer geworden. Wir sind gezwungen, das Boot zu verlassen und ein paar hundert Meter zu Fuss flussabwärts zu gehen, bis zur Stelle, wo man wieder guten Gewissens und ohne unnötige Risiken einsteigen darf.

 

Auf der Suche nach einem Boot

In Nong Kiao, dem nächsten grösseren Dorf, geht das Boot vor Anker. Ende der Reise. Von hier an heisst es, wieder einen Platz auf einem Boot zu finden. Was erheblich schwieriger ist als angenommen. Das erste Boot ist nämlich bei unserer Ankunft bereits voll und legt eben ab. Ja Kruzifix! Natürlich gibt es andere Boote, und auch der Preis ist bekannt. Allerdings sinkt dieser natürlich mit der Anzahl der Passagiere, was zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht gewährleistet ist.

Es gilt also, in der heissen Mittagspause ein paar Leute zu finden, die das gleiche Ziel haben. Ich mache mich erst mal auf den Weg in die nächste Bank; das Bargeld geht zur Neige und der freundliche Bootsvermieter möchte gerne in bar bezahlt werden. Na gut, allerdings dauert es doch seine Zeit, bis ich in dem Kaff etwas Ähnliches wie eine Bank finde.

Und dann haben wir zwar nicht die gewünscht Anzahl Passagiere beisammen, aber der Preis tut nicht mehr ganz so weh (es gibt da doch einige Travellers, die monetär eher aus dem letzten Loch zu pfeifen scheinen).

 

Der Mekong saugt uns auf

Ich bin heute ganz still, rede kaum, während um mich vielstimmiges, vielsprachliches Geschnatter den Lärm des Aussenborders zu übertönen versucht. Wieder einmal gehöre ich heute, ganz bewusst, nicht dazu. Ich befinde mich in meiner eigenen Welt, konzentriert und ganz, dem Augenblick hingegeben.

Und so geht es weiter, immer weiter, dem Mekong, Süden entgegen, und auch ein bisschen der Zivilisation, die sich mit dem Vibrieren des Handys bemerkbar macht. und dann wird unser Fluss, den wir alle liebgewonnen haben in den vergangenen zwei Tagen, einfach aufgesogen im Monstrum namens Mekong, der von rechts heranprescht, düster, mächtig, kraftvoll. Der Kreis hat sich geschlossen, ich bin wieder zuhause auf meinem Fluss.

 

Die Pak Ou Höhlen

Ein paar Kilometer nördlich von Luang Prabang befinden sich die Pak Ou Höhlen, eine buddhistische Kultstätte, berühmt für ihre hunderten von Buddhastatuen. Es handelt sich um zwei Höhlen, die sich auf der Westseite des Mekong Flusses befinden.

Es ist klar, dass wir dort Halt machen. Allerdings muss man sich einmal mehr den Platz erkämpfen. Seit es in Laos immer mehr chinesische Touristen hat, die in Hundertschaften die berühmtesten Orte bevölkern, ist es manchmal etwas schwierig geworden. Aber man gewöhnt sich daran.

 

One of the many Buddhas
Einer der vielen Buddhas

 

Even more Buddhas
Noch mehr Buddhas

 

Und dann sind wir da, pünktlich zum Sonnenuntergang

Wie bestellt geht in dem Augenblick, als das Boot am Ufer von Luang Prabang anlegt, die Sonne in ihrem täglichen Pomp und unerreichtem Pathos unter.

 

Sunset over the Mekong
Sonnenuntergang über dem Mekong

 

Ich weiss nicht recht, wo ich mich befinde, irre ein bisschen herum, und bin unversehens allein. Ich frage mich durch, erreiche die Hauptstrasse, biege in einen Nebenweg ab. Irgendwann finde ich ein Hotel, esse eine Pizza, schlurfe durch die Stadt. Alles andere morgen …

 

PS Song zum Thema:  The Hat ft. Father John Misty & S.I. Istwa – The Angry River

Und hier geht’s weiter …

 

Laos

Muang Ngoi – Auf der vergeblichen Suche nach Mr. Wong

Jedes Haus, jedes Zimmer hat seine Geschichten.

Tieftraurige, wehmütige, herzzerreissende, aber auch wunderbare, herzerfüllende Geschichten. Geschichten von Glück und Verlust. Von Verrat und Freundschaft. Sie sind unsere Zeugen. Es gehört zu unserer Welt und unserem Leben, dass Yin und Yang immer wirken, dass Leben und Tod immer zusammengehören. Das ist der einzige Trost, den ich den beiden unglücklichen Jugendlichen geben kann. Und mir selbst. Und deswegen schlafe ich trotz der seltsamen und unglücklichen Vergangenheit meines Zimmers gut und fest.

Beim Morgenessen Gespräch mit einem englischen Paar, James und Suzie. Er ist Reiseschriftsteller (aber später stellt sich heraus, dass er noch viel mehr ist; seine Vita ist beeindruckend, aber davon später mehr). Auf jeden Fall entschliessen wir uns, zusammen mit James Ruddy, so heisst der Mann, ins nächste Dorf zu wandern. Reto möchte einen alten Bekannten aufsuchen, einen Herrn Wong.

Wie sich zeigen wird, ist Herr Wong schwierig zu finden.

 

Alles verändert sich

Um halb elf geht’s los, die Häuser fallen hinter uns zurück.  Es ist (noch) ein gutes Dorf, dieses Muang Ngoi, aber wie lange noch? Es verändert sich mit rasender Geschwindigkeit, wie alles, das auf dem Radar der touristischen Weltgemeinde auftaucht. Allein heute Morgen sind ein paar schöne alte Palmen gefällt worden, um Platz für ein weiteres Guesthouse oder eine Spelunke zu machen, die dann mangels Erfolg über kurz oder lang zerfällt. Oder auch nicht. Der Lauf der Welt, wie immer auch ein düsteres Kapitel …

Ich wage nicht mir vorzustellen, wie es hier in ein paar Jahren aussehen wird.

 

What will it look like here in a few years?
Wie wird es hier in ein paar Jahren aussehen?

 

Summende Stille zwischen den Bäumen

Wir machen uns also auf den Weg ins abgelegene Dorf, er ist angenehm, meistens flach, an sprudelnden Bächen und weidenden Kühen und Wasserbüffeln vorbei. An einem solchen Tag gibt es eigentlich nichts Schöneres als einen gemütlichen Spaziergang, ganz ohne Hast, dafür mit viel entspannter Ruhe.

Wir treffen ein paar Kinder auf dem Weg zur Schule, sonst sind wir allein mit dem Vogelgezwitscher, mit dem Wind in den Bäumen, der Sonne auf dem Gesicht.

 

My two companions on the way  Cottages, grazing cows - idyllic

Manchmal führt der schmale ausgetretene Pfad durch Alleen durch, Äste schwingen herab und manchmal ins Gesicht, eine summende Stille zwischen den Bäumen, die wie aufrechte Soldaten gegen den Himmel schauen. Gelegentlich gilt es einen Bach zu durchqueren, barfuss mit Vorteil, denn das Wasser ist teilweise recht tief und wunderbar kühlend. Schuhe aus, waten, Schuhe an.

 

Alleys in the jungle
Alleen im Dschungel

 

James

James ist klug, belesen, sehr sympathisch und höflich, wie man sich einen Engländer vorstellt. Er ist aus dem Arbeitstrott ausgeschieden und verdient sich nun seinen Lebensunterhalt mit dem, was er am liebsten macht: Reisen. Er ist auch schon sechs Monate unterwegs und schreibt ein neues Buch für Reisende über 50 mit dem Arbeitstitel „Born to be mild“.

Ganz bescheiden, wie er ist, verweist er auf ein anderes seiner Bücher: „The Kindness of a Stranger„. Er beschreibt darin seine Aufenthalte in Kriegsgebieten, die Gräuel, das menschliche Leid, die Perspektivlosigkeit der Welt.

 

Eine vergangene Welt

Dann endlich das Dorf. Das Gefühl, im Mittelalter oder einer längst vergangenen Welt angekommen zu sein.

Ein paar da und dort herumliegende Plastikflaschen stören das Bild, doch die Holzhäuser auf Stelzen, die gackernden Hühner auf den unbefstigten Gassen zwischen den Hütten, die schwach rauchenden Feuerstellen, die lärmenden Kinder, alles deutet auf etwas hin, das in unserer westlichen Welt längst vergessen ist: Ruhe, Frieden und Harmonie.

Auch wenn sie trügerisch ist …

 

A bygone world  Midday nap in the heat

Während Reto sich auf die Suche nach Mister Wong macht (der sich als Phantom entpuppt, auf jeden Fall ist er unauffindbar), lassen James und ich uns auf der Terrasse des einzigen Restaurants nieder, bestellen Suppe, Bier und was sonst noch alles dazugehört.

 

Lachendes Elend

Der Wirt ist ein seltenes Unikum: klein, rundlich, ein verschmitztes Lachen im Gesicht. Sein Englisch würde jeden Comedypreis erhalten, aber wir erfahren trotzdem so einiges über das Dorf, über diese kleine, dem Untergang geweihte Welt.

Er ist nicht nur Restaurantbesitzer, sondern hätte auch ein paar Bungalows zu vermieten, Kostenpunkt 5000 Kips pro Nacht. Das sind umgerechnet gut 70 Rappen! Meine Güte! Ob sie unseren ziemlich niedrigen Standards genügen würden, ist eine andere Frage. Wohl eher nicht.

Es dauert allerdings nicht lange, bis ein paar junge Travellers dem Angebot nicht widerstehen können und die Zimmer beziehen.

 

The group is becoming more and more cheerful ...
Die Runde wird immer fröhlicher …

 

Nach ein paar Bieren und Schnaps wird die Stimmung immer besser, das Lachen lauter. Am lautesten lacht der Wirt; wir wälzen uns beinahe am Boden, obwohl wir eigentlich nicht wissen, warum. Während er lacht, erzählt er traurige Geschichten, von seiner Frau, die einen Unfall hatte, in Luang Prabang und Vientiane behandelt wurde, bis ihm das Geld ausgegangen ist. Nun ist sie wieder zuhause, aber es geht immer noch nicht gut.

Das Lachen bleibt im Hals stecken …

In einem anderen Leben, einem anderen Ort auf der Welt, wären seine Probleme gelöst. Krankenkasse, Behandlung, Geld – alltägliche Sicherheiten unseres bevorzugten Lebens. Wieder einmal wird man daran erinnert, welche Lotterie das Leben doch ist. Wir im Westen haben den Topgewinn mit Zusatzzahl, während diese ungemein freundlichen Menschen hier ein ganz schlechtes Los gezogen haben. Man lacht und ist gleichzeitig unendlich traurig …

Es ist eine dieser Geschichten, die hängen bleiben, wie viele andere.

 

Irgendwann machen wir uns trotz angenehmer Gesellschaft auf den Rückweg, die Sonne steht bereits am Horizont, wir schaffen es aber eben noch vor Einbruch der Dunkelheit. Meine Zehe macht mir etwas Sorgen. Falls es sich zu einer Blutvergiftung entwickeln sollte, habe ich ein Problem. Aber so weit sind wir noch nicht.

Dann der letzte Abend in Muang Ngoi, ich werde eine wehmütiges Gefühl mitnehmen, nicht nur des Dorfes, sondern auch der Gesellschaft der neu gewonnenen Freunde wegen, die ich nun wahrscheinlich wieder einmal für immer verlassen muss.

 

PS Song zum Thema:  Lynyrd Skynyrd – Searching

Und hier geht’s weiter … Zum zweiten Teil der Nam Ou Flussfahrt

 

Laos

Nam Ou Flussfahrt – Das Abenteuer beginnt

Der Ausblick aus meinem Fenster zeigt einen wolkenlosen tiefblauen Himmel. Ein perfektes Omen für diesen besonderen Tag.

Denn heute steht die erste Etappe der Nam Ou Flussfahrt nach Luang Prabang auf dem Programm. Das wird hoffentlich genau der verrückte Trip werden, den ich mir erhoffe. Also wilde Strudel und Stromschnellen und Wellen und Untiefen. Und dazwischen Herzklopfen und Adrenalin. Genau das Richtige für mich.

Die Aussicht auf diesen Tag hat mich früh aus den Federn geholt. Nichts mit Frühstück, die griesgrämige Dame an der Reception schenkt mir auf meine diesbezügliche Frage einen abschätzigen Blick, der wahrscheinlich die laotische Version von Fuck off bedeutet. Die etwas jüngere Dame, die mich in einem Restaurant oberhalb des Flusses bedient, scheint zur gleichen Spezies zu gehören. Auch hier lediglich ein grimmiges Gesicht, als hätte ich sie durch meine blosse Anwesenheit zutiefst beleidigt. Doch der Kaffee ist Klasse.

Immerhin.

 

Das Abenteuer beginnt

Langsam versammeln sich die potentiellen Mitglieder des geplanten Trips am Ufer. Ich habe mich mit Reto verabredet, einem Schweizer, den ich gestern kennengelernt habe. Wir werden die Fahrt zumindest bis Muang Ngoi gemeinsam machen.    Nachdem sich die wartenden Touristen im Boot bequem gemacht haben, stösst das vollbeladene Boot pünktlich um 9.30 ab.

 

Before the start
Vor dem Start am frühen Morgen

 

Der Mensch reagiert bei Gefahr immer so wie vor tausenden von Jahren: die Kampf-oder-Flucht-Reaktion kommt ins Spiel. Sie beschreibt die rasche körperliche und seelische Anpassung von Lebewesen in Gefahrensituationen als Stressreaktion. Bei gefährlichen Flüssen allerdings scheinen weder Kampf noch Flucht sinnvolle Reaktionen zu sein. Cortisol- und Adrenalin Ausschüttungen werden dabei vor allem zu erhöhtem Blutdruck und Herzklopfen führen.

Es dauert aber noch etwas bis zu den erwarteten Auswirkungen. Vorerst scheint der Fluss ein wohlgesonnenes Monster zu sein. Wir werden erst etwas später merken, was für ein hinterhältiger Kerl dieser Fluss ist. Aber eines ist sicher: die Nam Ou Flussfahrt nach Luang Prabang könnte der Höhepunkt dieser Reise werden.

 

 

Stromschnellen und ein wackliges Boot

Es hat Platz für knapp 10 Personen, die zu beiden Seiten hintereinander sitzen. Der Kapitän sitzt majestätisch vorne am Bug, in der Hand lässig das Steuerrad, in der andern Hand eine Zigarette. Er ist sich seiner Bedeutung bewusst; wenn ein gelegentlicher ängstlicher Aufschrei zu hören ist, gleitet ein spöttisches Grinsen über sein rundes Gesicht. Doch er versteht sein Handwerk. Mit stoischer Ruhe steuert er sein Boot über die immer wilder werdenden Wogen, gibt mal Gas, umschifft eine Untiefe, die uns verborgen bleibt.

 

On the Nam Ou towards south
Auf dem Nam Ou gegen Süden

 

Ein wilder Tanz

Weitere Stromschnellen, immer ein wenig furchterregender werdend, ein wilder Tanz auf den Wellen, der Bug hebt und senkt sich im Takt des Wassers, das peitschend am Boot rüttelt. Manchmal wird man nass und fühlt sich wunderbar. Was sind wir bloss für wilde Kerle …

 

The river gets rough
Der Fluss wird rauer und wilder

 

Das Ufer, von Bäumen, Gebüschen und kargen Wiesen gesäumt, gleitet immer schneller vorbei, viel schneller als vorgestellt.

Der Aussenbordmotor knattert und röhrt und bringt das schmale Holzboot zum pfeilschnellen Gleiten auf dem unruhigen Fluss. Das auf den ersten Blick wacklige Boot entpuppt sich als rasendes Torpedo, das mit Lichtgeschwindigkeit über das unruhige Wasser gleitet. Oder schwebt. Wasser gischtet auf beiden Seiten, überzieht die Passagiere mit einer kalten Dusche.

Mit Ausnahme einiger weniger Einheimischer, die das Ganze eher als notwendiges Übel hinnehmen, ist die Begeisterung gross. Natürlich kommt es uns manchmal vor, als wären wir den Launen des Flusses vollkommen ausgeliefert (was wir vermutlich auch sind). Aber schliesslich sind wir genau deswegen hier. Um etwas Adrenalin zu spüren. Etwas Angst und Herzkllopfen, um dann nach überstandenem Abenteuer erleichtert durchatmen zu können.

 

A bridge under construction - harbingers of the future
Eine im Bau befindliche Brücke über den Fluss – Vorboten der Zukunft

 

Es dauert nicht lange, bis der Fluss seine wahre Natur zu zeigen beginnt. Doch das, was wir jetzt schon als ziemlich wild empfinden, ist nichts im Vergleich zu den kommenden Kilometern. Doch dann beruhigt er sich wieder, als müsste er kurz Luft holen.

Wir atmen auf, bewundern die Konstruktion einer neuen Brücke über den Fluss. So ganz wohl ist uns nicht dabei. Wir wissen sehr genau, dass dies die Vorboten der Zukunft sind, ob sie sich als postitiv erweisen, wird sich zeigen.

 

A lagoon, perfect to let passengers get on board
Eine Lagune, perfekt um Passagiere einsteigen zu lassen

 

Ein holländischer Gentleman

Irgendwo im Niemandsland wechseln wir das Boot, niemand weiss den Grund, aber es ist letztlich egal. Allerdings ist das Boot grösser, vor allem kann es mehr Gepäck aufnehmen. Aus einem offenbar nahegelegenen Dorf tragen Männer und zierliche Frauen gewaltige Lasten herbei, die allesamt ins Boot verladen werden. Wenn das bloss gut geht.

 

Woman with kid and luggage
Frau mit Kind und Gepäck

 

Ein Holländer bietet sich ganz Gentleman-like an, beim Transport zu helfen, und gerät kurz, obwohl einen Kopf grösser und wesentlich breitschultriger als die schwachbrüstigen Laoten, an seine körperlichen Grenzen. Sein Keuchen ist von weitem zu hören. Wir bemitleiden ihn alle, aber nur ein bisschen …

 

Urwald und riesige Bäume

Ein dichter Urwald zieht sich dem Ufer entlang bis zum Horizont, bis zu den hügligen Gebirgszügen, kaum erkennbar im morgendlichen Dunst. Riesige Bäume, mir völlig unbekannt, stossen bis zum Himmel, andere neigen sich mit ausladenden Kronen, Schatten verbreitend, über das Ufer.

Das Wasser ist schnell, gleitet schäumend an den ausgewaschenen Ufern vorbei, das Boot ruckelt und zuckelt, und es dauert nicht lange, bis uns die erste Stromschnelle durchschüttelt. Das Lachen, eben noch mutig und heldenhaft, wird nervöser. Man erkennt zum ersten Mal, das wir uns hier in einer Situation befinden, die doch ein bisschen weniger harmlos ist als vorgestellt. Wir sind begeistert, glauben an das grosse Abenteuer, in Unkenntnis davon, dass dies erst der Beginn ist. Die wirklich furchterregenden Stromschnellen liegen flussabwärts, aber das wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht

Und dann beruhigt sich das wilde Wasser wieder, das Boot gleitet ruhig und sanft über den Fluss, das Auge hat nun Zeit, die Umgebung zu erforschen

 

  Rocks in the middle of the river  Giant trees at the shore  Cruises im the other direction

We are being watched  But then new wild rapids  Wild water again

 

Vorboten der Zukunft

Es wird gemunkelt, dass irgendwo im unteren Abschnitt des Flusses ein Staudamm gebaut werden soll. Kann es sein, dass diese Flussfahrt in absehbarer Zeit nicht mehr möglich ist? Dann unsere Freunde aus dem Norden einmal mehr ihre Muskeln zeigen und ohne Rücksicht auf Verluste ihre wirtschaftlichen Absichten in die Tat umsetzen wollen?

Es darf einfach nicht wahr sein. (Ist es aber: kaum zwei Jahre nach diesem legendären Flusstrip wurde der Damm fertiggebaut und damit der bisherige Transport auf dem Nam Ou erschwert bzw. verunmöglicht; ich darf gar nicht sagen, wie sehr mir das zu Herzen geht.)

 

Kinder, Kinder

Und weiter. Immer schön dem Wasser entlang, dem gischtenden Wasser, das an Wildheit und Kraft von Kilometer zu Kilometer zunimmt, zu beiden Seiten das Ufer als wechselnde grün-gelb-braune Kulisse. Dazwischen Kinder,immer wieder Kinder, grosse, kleine, immer laut und lärmig und herzig und freundlich.

 

Kids at the shore 1  Kids at the shore 2  Kids at the shore 3

Kids at the shore 4  Kids at the shore 5  Kids at the shore 6

 

Muang Ngoi

Nach Stunden ruhigen und dann wieder wilden Treibens auf dem Fluss, erreichen wir Muang Ngoi.

Es ist einer der Orte, die jeder Traveller kennt und in denen es garantiert wimmelt von kleinen Läden und Restaurants, wo du alles erhältst, wonach sich dein Herz sehnt. Er ist nur über den Fluss erreichbar, was ihn speziell und gottlob etwas abseits macht. Sollten die Prophzeiungen der Staudämme sich als wahr erweisen (was ich befürchte), wird sich dieser wunderbare Ort in kurzer Zeit verändern. Es werden vielleicht keine Travellers mehr kommen, kein Geld, kein Einkommen für die vielen Restaurants und Läden und Hotels. Das Leben wird sich zurückziehen, es wird wieder still und einsam.

Man möchte es sich nicht vorstellen.

 

Docking point in Muang Ngoi
Anlagestelle in Muang Ngoi

 

Zimmer mit schlechtem Ruf

Ich nehme ein Zimmer in einem Hotel oberhalb des Flusses. Jemand erzählt, dass ausgerechnet dieses Zimmer meistens frei steht. Offenbar wurde hier vor einiger Zeit ein junges Paar tot aufgefunden steht. Ich bin ja nicht abergläubisch, aber diese traurige Geschichte geht mir doch ans Herz.

 

A first class hotel with bad reputation
Ein erstklassiges Hotel mit teilweise schlechtem Ruf

 

Seltsame Souvenirs

Wir essen eine Kleinigkeit auf der Terrasse, schwatzen über Gott und die Welt, machen einen Rundgang durch das wirklich herzige Kaff.

An allen Ecken raucht und riecht es nach allerhand Köstlichkeiten, und manchmal steht irgendwo an einer Ecke der Überrest einer Fliegerbombe aus dem Vietnamkrieg. Seltsame Souvenirs! Eine grosse Anzahl Backpackers streunen durch die Gassen und unbefestigten Strässchen. Es ist genauso wie überall auf der Welt, wo sich Backpackers treffen, für eine Weile ihre Ruhe haben, bis sich der Massentourismus anmeldet und die Karawane weiterzieht, einem neuen Backpacker Hotspot entgegen.

 

Middle Ages in Muang Ngoi
Mittelalter in Muang Ngoi

 

Main street - just like a long time ago
Hauptstrasse – wie im Mittelater

 

Strange Souvenirs from the Vietnam War
Seltsame Souvenirs vom Vietnamkrieg

 

Perfect place for a cold beer in the evening
Perfekter Ort für ein kühles Bier am Abend

 

Das Dorf gefällt mir wirklich, und deshalb entschliesse ich mich kurzfristig, noch etwas hierzubleiben und am nächsten Tag einen Trip ins nächste Dorf zu unternehmen. Der Abend ist kühl, um zehn wird der Strom abgestellt, und ich stehe mit meiner Zahnbürste im Dunkel …

 

PS Song zum Thema:  The Killers – This River is wild

Und hier geht’s weiter …