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Trans Swiss Trail

Trans Swiss Trail – Licht und Schatten

Schweb wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene!

Wer sich an Muhammed Ali erinnert, kennt diesen Spruch. Einer seiner vielen unvergesslichen Bonmots, die zu jeder Zeit und in den unmöglichsten Situationen zum eigenen Vorteil benützt werden können.

Ich bin ihm ewig dankbar, diesem Grossmaul. Er hat meine Jugend begleitet, er hat mich genervt, begeistert, zum Zwerg degradiert. Lang sollst du leben, du bester Boxer aller Zeiten!

Warum ich auf Ali zurückgreife an diesem Morgen?

Keine Ahnung. Aufwachen und sich an etwas erinnern, was den Tag zur Freude macht, ist immer gut. Und an einem Tag, der soviel Anstrengung bedeutet, umso mehr!

 

Seelisberg City

Eigentlich würde es mir hier gut gefallen. Das D0rf hat seinen Charakter erhalten können. Es gibt nicht viel, aber das wenige ist mehr, als man erwarten könnte.

Der Travel Guide ist derselben Meinung:

Seelisberg ist ein kleiner Ferienort mit herrlicher Aussicht auf den Vierwaldstättersee. Zur Gemeinde gehört auch das Rütli. Das Dorf ist mit dem Postauto erreichbar oder der nostalgischen Standseilbahn vom Uferort Treib aus (mit Schiffstation und Badestrand).

Aber eben, das Urnerland lockt, der lange Weg dem Reusstal entlang, heute der erste Abschnitt bis Attinghausen (im eigentlichen Etappenort Erstfeld war kein Hotel zu finden).

Diese Etappe folgt bis hinunter nach Seedorf dem Weg der Schweiz, der vom Rütli herkommend über Flüelen nach Brunnen führt. Im Abstieg nach Bauen überblickt man die ganze Route und das Rütli. Am Wegrand interessante Schlösschen und Herrschaftshäuser.

Für einmal dürften heute meine jämmerlichen Zeitüberschreitungen gegenüber dem Plan in Grenzen bleiben. Allerdings wird das, was heute eingespart wird, morgen zum eh schon anstrengenden Teil hinzugefügt. Ach Gott, wie schön ist doch das Wandern.

 

From Seelisberg to Attinghausen

 

Die glücklichen Beine

Seltsamerweise fühle ich mich nach der gestrigen Etappe so frisch wie schon lange nicht mehr. Schon die ersten paar Meter spüre ich meine Beine, die sich für einmal richtig glücklich anfühlen. Der Grund dafür ist mir wie in den meisten solchen Fällen unklar, aber egal. Hauptsache ist, dass ausgerechnet vor den anstrengensten Etappen mein Körper nahezu am Optimum zu sein scheint.

Anyway, es geht kurz nach dem Start in einen sommerlich duftenden Wald hinein, rechts irgendwo die Strasse, links der Abgrund zum See hinunter. Irgendwo da unten befindet sich das Rütli, das sogenannte Herz der Schweiz.

Nun, wie jeder andere Schüler eines gewissen Alters wird man per Schulausflug an diesen Ort gebracht. Der Lehrer hält eine Rede, die den Zusammenhalt und die Geschichte unseres Landes beschwört, während wir Schüler uns entweder langweilen oder uns gegenseitig auf die Füsse treten.

Na ja, Tempi passati. Gottseidank.

 

Deep down - the Urnersee Just rocks and water

 

Spiel mit Licht und Schatten

Manchmal muss man sich selbst davon abhalten, sich in die Etappe zu stürzen.

Es geht nicht um Geschwindigkeit oder Leistung, es geht ausschliesslich um Genuss. Das Wetter ist zwar heute wieder mal ein unzuverlässiger Zeitgenosse, Wolken ziehen immer wieder vorbei, als müssten sie ihre Wichtigkeit zeigen. Im Wald ist nichts davon zu spüren, ich wandere durch Licht und Schatten.

Denn das ist es wieder mal. Der Wald, der See, die Wolken, die Gerüche, die Dörfer am anderen Ufer des Urnersees. Und ich, ganz allein. So wie es sein muss.

Die gelegentlichen Abschnitte auf den Teerstrassen sind zwar mühsam, aber erklärbar. Der steile Abgrund verunmöglicht manchmal den Wanderweg. Immerhin komme ich damit in den Genuss der Kletterkünste von ein paar Ziegen, die sich auf der Felswand oberhalb der Strasse auf die nicht ungefährliche Suche nach etwas Essbarem machen.

Seid vorsichtig, meine Lieben.

 

Goats searching for food

 

Schlaf im Stroh

Man lernt nie aus.

Im Verlauf meiner Reisen und Wanderungen müsste ich eigentlich jede Art Übernachtung kennengelernt haben. Ich erinnere mich an allerhand unbequeme, eiskalte, stinkende Unterkünfte, die man sich nur antut, wenn es nichts anderes gibt.

Die Unterkunft am Wegrand, euphemistisch als „Schlafen im Stroh“ bezeichnet, stellt tatsächlich etwas Neues dar. Es gibt also eine Art Holzverschlag (leicht brüchig), gefüllt mit Stroh, darauf liebevoll zugedeckt ein Teddybär, einen Nachttisch in Form einer hässlichen Kiste, mit Dach (immerhin), drei Wände rund herum, fertig ist das Hotel.

Ich stehe etwas ratlos davor, und erst nach langem Nachdenken und dem Check auf www.stroh-traum.ch wird mir klar, dass es sich (wahrscheinlich?) um einen Scherz bzw. um eine leicht schräge PR-Aktion handelt. Mal etwas anderes, das auf jeden Fall …

 

Sleeping in straw - a bizarre opportunity to spend the night

 

Steil nach unten

Dann hat das gemütliche Wandern ein plötzliches Ende, denn unvermittelt neigt der Weg sich nach unten, er entwickelt sich – soviel wird bald klar – als ungemütlich für die bisher so glücklichen Beine. Und so erhalte ich eine Lehrstunde in Topographie und den lästigen Launen der Natur, die wieder mal nichts Besseres weiss, als mir die Freude am Wandern zu vermiesen.

Immerhin ist das Dorf am See – es handelt sich um Bauen – mit allem Sehenswerten ausgestattet, was ein richtiges Dorf zu bieten hat. Eine Kirche (wir befinden uns wie erwähnt in der schwarzkatholischen Innerschweiz) mit stolzem Turm, gepflasterten Gassen und einem Dorfbrunnen wie in alten Zeiten.

Und natürlich mit einem stattlichen Hafen mit jeder Menge Booten. Das Wetter hat in der Zwischenzeit nämlich den Sonntagsanzug übergezogen und verführt ganze Heerscharen zu Ausflügen auf dem See.

Eines ist allerdings etwas nervig: das einzige Gasthaus ist voll besetzt und zwar mit lauter Gästen, die garantiert nicht zu Fuss unterwegs sind. Also muss ich zähneknirschend auf den Kaffee verzichten, werfe den im Gartenrestaurant sitzenden Gästen zumindest einen grimmigen Blick zu.

 

The Urnersee - coming close And suddenly a village at the lake

A Village with everything And of cousre with a church

 

Dem See entlang

Es ist wieder mal eine dieser Etappen, wo man sich nicht sattsehen kann an der Schönheit der Umgebung. Das erinnert mich doch gleich an eine Rede, die Robert Redford 2015 anlässlich der damaligen Klimakonferenz hielt. Ich habe mir das Wichtigste notiert. Hier ist es.

Das ist vielleicht unsere letzte Chance. Die Ressourcen unseres Planeten sind begrenzt, aber andererseits kennt die menschliche Vorstellungskraft und unsere Fähigkeit, grosse Probleme zu lösen, keine Grenzen.

In diesen kurzen Sätzen stecken zwar Zweifel und Warnungen, aber auch Zuversicht und Mut. Ich habe Redford immer gemocht, aber nach diesem Vortrag hat er meine Bewunderung auf ganz andere Höhen geschraubt. Wir brauchen solche Menschen, die Wahrheiten aussprechen, ohne dabei mit dem Finger zu zeigen.

Mit diesen Gedanken folge ich den Gestaden, mal auf schmalen Wegen knapp dem Wasser entlang, dann wieder durch düstere Tunnels, wo man kaum etwas sieht, und einmal sogar eine ganze Weile durch einen Strassentunnel, der so ziemlich das Letzte ist, was man sich wünscht.

Der Urnersee liegt still und gibt vor, ganz und gar friedlich zu sein. Dabei hat er den Ruf, sich bei Föhnstürmen zu einem rasenden Ungeheuer zu entwickeln.

Hätte ich dem Kerl gar nicht zugetraut.

 

Tunnels, just for the hikers Again and again - through water and forest

You night a lighht to get through Just blue and wild (sometimes)

Mighty boat on the lake  Strange obelisk

And suddenly inside a massive tunnel In and out of darkness and light

The more you the more you get For once a peaceful lake (not always)

 

Die letzten Kilometer

Links liegt immer noch der See, immer noch friedlich und blau, doch sein Ende (oder sein Anfang) ist bereits in Sicht. Ich könnte hier sitzen bleiben, seine Schönheit bestaunen und mir einreden, dass es nirgends schöner ist als hier. Aber dieses Gefühl habe ich immer. Es sind schöne und wehmütige Gedanken zugleich, denn man ist sich jeden Moment bewusst, dass alles flüchtig ist.

Zeit also, die schweren Gedanken mit einem längst verdienten Kaffee (und einer ebenso verdienten Cremeschnitte) im Seerestaurant zu verscheuchen.

Ich habe das obere Ende des Sees erreicht, ich sitze sozusagen auf dem Delta der Reuss, die sich irgendwo in der Nähe in den See ergiesst. Natürlich nicht für immer, denn nach einem langen Ausflug durch den Vierwaldstättersee verlässt sie den See und fliesst weiter gegen Osten, wo sie irgendwo im Aargau ihre letzten Züge macht und sich mit Aare und Limmat vereint.

Der Wanderweg führt quer durch das Delta, bevor er endgültig den Fluss erreicht, einen schnurgeraden Kanal, der mich in Richtung des Tagesziels in Attinghausen führt.  Meine Beine sind zwar immer noch im Schuss, aber doch massiv weniger glücklich als frühmorgens.

 

Poulet im Korb

Das Hotel Krone in Attinghausen bietet alles, was ich mir vorstelle, allerdings kein Restaurant. Also lasse ich mich von der Wirtin überreden, in der Burg zu essen oder besser gesagt, im Burghotel oder noch besser in der Pouletburg.

Die Burg macht schon von weitem einen eher ungewöhnlichen Eindruck. Sieht gar nicht nach diesem kleinen verschlafenen Dorf aus, eher als ob man einen Fremdkörper mitten hinein versetzt hätte.

Nun gut, Hauptsache es gibt was zu futtern.

In Unkenntnis über diese besonderen kulinarischen Angebote setze ich mich im ziemlich überdimensionierten Esssal an einen Tisch und checke die Menükarte, die ausser Poulet im Korb tatsächlich nicht viel anderes zu bieten hat.

Und so esse ich halt das gleiche wie alle die zahlreichen Gäste, die gemäss der Bedienung von weit her kommen (aus der ganzen Welt, Donnerwetter!), um die Spezialität des Hauses zu geniessen.

Nun gut, das Huhn ist okay, die Frites so, wie sie sein sollten, mehr nicht. Und bezahlen muss man bar, ja wo sind wir denn hier gelandet? Keine Kreditkarten trotz Gästen aus aller Welt?

 

Passender Song:  McGee Brothers – C-h-i-c-k-e-n Spells Chicken

Und hier geht der Trail weiter … ziemlich anstrengend das Reusstal hinauf dem Gotthard entgegen

 

Trans Swiss Trail

Trans Swiss Trail – Erinnerungen an die Vergangenheit

„Bewegung ist eine elementare Form des Denkens“, so meinte der Genfer Entwicklungspsychologe Jean Piaget.

Ich weiss zwar nicht, ob diese These richtig ist, meine Denkprozesse sind doch eher auf das Nächstliegende fokussiert. Oder ist es gerade das, was gemeint ist? Das Gehirn ist ja eine Assoziationsmaschine, verbindet Elemente, speichert sie, erkennt Muster.

Das ist eine ungeheure Leistung der Evolution, vielleicht sogar die wichtigste.

Aber vielleicht hat er etwas anderes gemeint, nämlich dass man in Bewegung sehr viel Zeit hat und dabei auf Gedanken kommt, die sich normalerweise sofort verflüchtigen, sobald sie zum Vorschein drängen. Man entdeckt unversehens Zusammenhänge, und daraus ergeben sich gelegentlich Eingeständnisse von allerhand Vergessenem oder Verdrängtem.

Nun gut, das Gehen und Denken geht weiter, hoffentlich zu neuen Erkenntnissen. Und Eingeständnissen.

Eine Seepromenade entlang des Vierwaldstättersees führt von Beckenried in die imposante Risletenschlucht, wo sich uralte Dinosaurierspuren befinden. Nach steilem Aufstieg romantischer Höhenpfad Richtung Seelisberg. Tief unten schimmert der grünblaue See.

 

From Stans to Seelisberg

 

Der See, ganz blau

Das Wirteehepaar winkt mir doch tatsächlich hinterher, offenbar habe ich einen positiven Eindruck hinterlassen.

Das muss ich mir merken.

Der Weg führt sogleich ins Grüne hinaus, aufwärts, abwärts, an Bauernhöfen und Kühen vorbei, der Himmel ist blau, die Beine ausgeruht, der Geist befreit von allem Abfall, der sich ansammelt und auf seine Entsorgung wartet. Heute ist einer dieser Tage, so hoffe ich zumindest.

Nach Buochs, nichts Besonderes, aber immerhin bereits am Vierwaldstättersee gelegen, gibt es nur noch mich, den blauen See und blöderweise eine Strasse, die parallel führt und der ich heute offenbar nicht entgehen kann.

Ein letzter Blick zurück, das Stanserhorn gleicht wieder mal einem eben ausgebrochenen Vulkan, aber es sind nur Wolken, die sich für heute eine besonders ausgefallene Form überlegt haben. Es scheint, dass man sich in dieser Gegend bemüht, den Touristen etwas zu bieten, und wenn es nur ein paar wunderliche Wolken über einem Berggipfel sind.

 

It's just a montain and not a volcano

Wie gesagt, nur noch der See, geschmückt von niedrigen Hügeln mit ein paar verstreuten Häusern oder Dörfern, begleitet mich auf langen Wegen, heute nun gegen Osten führend. Ab Morgen wechselt die Richtung ein letztes Mal, dann geht es definitiv nur noch dem Süden, dem Ziel, entgegen. Das scheint aber immer noch sehr weit entfernt zu sein.

Gemäss einer japanischen Weisheit ist man am glücklichsten an Orten, wo man noch nie gewesen ist bzw. um es korrekt zu übersetzen, an Orten, von deren Existenz man nichts geahnt hat. Auch wenn dies heute nicht zutrifft, so fühle ich mich genau hier und genau jetzt am glücklichsten, warum weiss ich auch nicht genau.

Auch wenn es wie eine Wiederholung des ewig Gleichen aussieht, es wäre schlimmstenfalls die Wiederholung von etwas, was immer wieder neu erlebt werden kann.

Vielleicht ist es die süsse Luft, die ein kleiner Wind um die Nase zelebriert. Oder der Geruch von Wasser oder Bäumen und Gras. Und natürlich von Auspuffgasen, die sozusagen das Bild vervollständigen.

Und so wandere ich, einen Schritt nach dem anderen, mal setze ich mich auf einer der sehr willkommenen Bänke, oder lasse mich ablenken durch unerwartete Kunstwerke am Ufer, die darauf schliessen lassen, dass man der Kunst in Kombination mit der Natur ihren Platz geben will.

 

The lake, the trees and me Sometimes a welcome bench, that's all it takes

Offenbar hat die moderne Art, sich auf dem Wasser fortbewegen, das Stand-up Paddling, auch die Innerschweiz erreicht. Es sieht irgendwie gleichzeitig unnatürlich und elegant aus. Das würde ich ausprobieren, wenn meine Wasserphobie nicht derart ausgeprägt wäre.

 

Paddle boarding on the Lake Lucerne

 

Lange her – Saurier unterwegs

Irgendwann ist die Plage mit den vorbeifahrenden Autos vorbei, der Weg mündet endlich wieder in einen normalen Pfad, allerdings immer noch dem See entlang. Es geht Risleten entgegen, wo nicht nur ein Steinbruch wartet, sondern ein Steinbruch mit Saurierspuren.

Es ist seltsam, wie sehr die Erinnerungen an die vor 60 Millionen Jahren ausgestorbenen Saurier die Phantasie beflügeln.

Kaum haben Kinder ein Alter erreicht, das ihrem Gehirn neue Möglichkeiten eröffnet, wird der Teddybär zur Seite gelegt, jetzt übernehmen der furchteinflössende Tyrannosaurus Rex, der Triceratops mit seinen mächtigen Hörnern,  der Brontosaurus, einer der grössten, und natürlich die Velociraptoren, meine besonderen Lieblinge. Ist es die Grösse, das Aussehen oder schlicht die beruhigende Erkenntnis, dass diese alptraumhaften Wesen nicht mehr existieren?

Wie auch immer, es braucht etwas Geduld und gute Augen, um an der steilen Wand tatsächlich ein paar tiefe Eindrücke zu erkennen.

Der Phantasiemechanismus beginnt zu drehen, man versucht sich das Bild vorzustellen. Wie eines dieser mächtigen Tiere hier vor Millionen Jahren durchgewatschelt ist, natürlich noch auf ebenem Boden, die Faltung des Gebirges fand erst später statt.

Vielleicht zusammen in einer Gruppe, mit jungen Sauriern, nur kleiner, aber genauso furchteinflössend. Man stellt sich das Röhren vor, von dem niemand weiss, wie es sich angehört hat, aber durch Stephen Spielberg in Jurassic Park auf eindrückliche Art entwickelt wurde.

 

there are traces of dinosaurs at this quarry And there they are, just visible

 

Die Risletenschlucht

Offenbar stellt der Choltalbach von Emmetten hinunter zum Vierwaldstättersee den letzten unverbauten Wildbach dar. Er hat sich im Verlauf der Jahrtausende in den Felsen eingegraben und dabei die Risletenschlucht geformt.

Komischerweise hat dieser Wasserfall, imponierend in seiner Wildheit und seinem Tosen, keinen Namen, was für diese Gegend doch eher unüblich ist. Natürlich ist er nur ein winziger Bruder der Iguaçu Wasserfälle in Südamerika, aber er bemüht sich redlich, ein möglichst imponierendes Gehabe an den Tag zu legen.

Er röhrt und tost und gurgelt, hinterlässt auf dem kleinen Teich an seinem Fuss schäumende Wellen. Man möchte trotz seinem verhältnismässig geringen Ausmass nicht in seine Nähe kommen, geschweige denn ein Bad im Teich nehmen.

 

Risleten Gorge 1 Risleten Gorge 2

 

Der steile Berg

Eigentlich ist es ja nur ein Hügelchen, das zu bezwingen ist, will man auf die Höhe von Seelisberg, dem Tagesziel gelangen will. Allerdings ist der Aufstieg mühsam, steil und kräfteraubend. Immerhin erlauben die erzwungenen Pausen, um Luft zu holen, grandiose Ausblicke auf die Umgebung.

In der Ferne grüssen die beiden Mythen, stolz erhobenen Hauptes natürlich, dafür setzen umgeknickte, ehemals prächtige Bäume einen Kontrapunkt in ihrem bemitleidenswerten letzten Zustand. Aber eben, man keucht und schwitzt und flucht wieder mal, obwohl man sich das alles ja selbst ausgesucht hat.

 

Last remnant of a once proud tree The proud Mythen greet from afar

The Lake Lucerne from above, still magnificent And this is the damned ascent with a lot of puffing and swearing

 

Eine planerische Dummheit

Manchmal glaubt man, ziellos unterwegs zu sein.

Das geschieht immer dann, wenn der Weg endlos erscheint, wenn sich eine Kurve, ein Anstieg an den anderen legt, wenn der verzweifelte Blick nach oben keine Helligkeit sieht, die auf das Erreichen des Gipfels oder der Anhöhe deutet. Aber immerhin gibt es da und dort einen Platz, wo man eine willkommene Pause einlegen kann, so wie auf diesem vermaledeiten Aufstieg.

Man kommt ins Gespräch mit anderen Leidensgenossen, man erzählt sich Anekdoten ähnlicher Geschehnisse, man lacht und schwatzt und erholt sich dabei wunderbar.

Das gehört auch dazu. Und macht alles ein bisschen einfacher.

Anyway, irgendwann erreiche ich die erzwungene Höhe, der Weg führt eine ganze Weile dem Hang entlang, bis die Bäume weichen und man sich unversehens auf einer ungewöhnlich breiten Asphaltstrasse findet. Die Stirn runzelt sich von selbst, es sieht irgendwie surreal aus, etwas was nicht hierher gehört, nicht in diesen Ausmassen. Erst im Hotel wird mir erzählt, was es damit auf sich hält.

Ich zitiere aus einem der damaligen Artikel:

«Weit grösser und erwünschter ist die Zahl derjenigen, die die neue Straße befahren werden, um die einzigartige See- und Berglandschaft zu erleben. Und da böte die über Seelisberg ziehende Straße geradezu eine Offenbarung.

Der Ausblick von der Höhe von Beroldingen auf den in der Tiefe liegenden Urnersee und die Schneeberge, die ihn abschließen, würde bald zu einem der berühmtesten der ganzen Schweiz. Und dann ermöglichte die Straße die lang vermißte Rundfahrt um den Vierwaldstättersee, die wohl auch für den Schweizer zu einer der schönsten Ferien- und Sonntagsfreuden würde.»

Die spätere Entwicklung sollte diese Ansicht eines Besseren belehren: 1980 eröffnete man den Seelisbergtunnel, der damals mit seinen gut 9 Kilometern Länge der weltweit längste doppelröhrige Strassentunnel war und von Rüttenen bei Beckenried bis nach Seedorf im Kanton Uri unter dem Seelisberger Bergmassiv durchführt.

Das Lustige (aber ziemlich Kostspielige) dabei ist, dass tatsächlich bereits ein Abschnitt der geplanten Strasse gebaut wurde, nämlich genau der Streckenteil, auf dem ich mich nun gegen Seelisberg bewege. Ein, zwei Traktoren kreuzen mich, sie sind wahrscheinlich die einzigen Vehikel, die auf dieser Strasse verkehren.

Na ja, Träume sind Schäume, und falsche Planungen basieren auf falschen Annahmen.

 

Und ein wirklich grandioser Abschied

Seelisberg empfängt mich erfreut, vielleicht auch nicht, denn weit und breit ist keine menschliche Seele zu sehen. Im Gartenrestaurant des Hotels Montana sitzen allerdings ein paar Gäste, die mir verwunderte Blicke zuwerfen. Sehe ich tatsächlich so sonderbar aus?

Wie auch immer, nach dem Einchecken macht mich die Dame des Hauses darauf aufmerksam, dass in ein paar Minuten ein echter Genuss zelebriert wird, und das erst noch gratis. Es geht um den Sonnenuntergang.

Nun, da habe ich einige Erfahrungen, aus Laos oder Vietnam oder Burma, an eindrücklichen Sonnenuntergängen gibt es keinen Mangel.

Dieser von heute Abend stellt allerdings eine echte Alternative dar. Ich lasse die Bilder und die Videos für sich selbst sprechen.

 

Sunset over Lake Lucerne 1 Sunset over Lake Lucerne 2

Sunset over Lake Lucerne 3 Sunset over Lake Lucerne 4

Mit den letzten, wie immer melancholischen Gedanken, nachdem die orange Kugel endgültig hinter dem Horizont entglitten ist, verabschiede ich mich von einem wirklich denkwürdigen Tag, manchmal mühsam, manchmal zum Nachdenken anregend, manchmal rätselhaft, so wie unsere Existenz tagtäglich.

 

Passender Song: The Edgar Broughton Band – Evening over the Rooftops

Und hier geht der Trail weiter … endgültig dem Süden entgegen