Eigentlich habe ich die Wasserfälle abgehakt, besser kann es nicht werden.
Allerdings werde ich immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass die brasilianische Seite der Fälle ebenso spannend und vor allem anders ist. Na gut.
Der Bus Nr. 120 fährt direkt direkt zum Eingang des Parks, eine kurze halbstündige Fahrt. Ich setze mich neben einen hellhäutigen Mann, der mit einiger Sicherheit als Tourist identifiziert werden kann. Stimmt, es ist Jakob, ein Lehrer aus Dänemark, der sich ein Sabbatical Jahr genommen hat und nach acht Monaten in Afrika und weiss der Henker wo überall nun in Südamerika gelandet ist.
Er schwärmt in den höchsten Tönen von Afrika (‚einmal Afrika, immer Afrika‘, das habe ich schon oft gehört), von Tansania und Malawi und Sambia, also Destinationen, denen ich bisher immer aus dem Weg gegangen bin. Vielleicht wäre es an der Zeit, sich ein paar Gedanken darüber zu machen.
Iguaçu Falls – Argentinien vs. Brasilien 0 :1
Die Organisation der Brasilianer übertrifft diejenige der Argentinier um Längen (die beiden Länder können sich ja bekanntermassen, nicht nur des Fussballs wegen, nicht ausstehen).
Alles geht schnell, effizient und nach kurzer Zeit ist man mitten drin im Geschehen. Blickt man von der argentinischen Seite von seitwärts und von oben herab auf die Fälle, so ist man hier sozusagen Zaungast von unterhalb, was eine ganz eigene Faszination ergibt.
Auch hier ist der Anblick der stiebenden Massen überwältigend. Auch hier führen Brücken auf den Fluss hinaus, und hier wird man nun wirklich nass. Es ist ein eigentlicher Wet-T-Shirt-Contest, und es ist ratsam, Kamera und iPhone sparsam zu benutzen, und sie immer mal wieder zu trocknen.
Es herrscht im Gegensatz zum letzten Sonntag eine sehr entspannte Atmosphäre, weniger Leute machen sich den beschränkten Platz streitig. Natürlich sind auch hier die Selfie-Künstler am Werk, manchmal kommt man vor lauter in die Lüfte gestreckter Selfie-Sticks kaum mehr vorwärts.
Zwergnasenbären
Das Restaurant ist spärlich besetzt, doch die wenigen Tische sind ein Angriffsziel der besonderen Art. Im Park leben nämlich zahlreiche Zwergnasenbären, die sich jeglicher Scheu vor dem Mensch entledigt haben und nun sorglos zwischen den Beinen der Touristen nach etwas Essbarem suchen, und falls es dort nichts zu finden gibt, dann halt vielleicht auf den Tischen. So herrscht eine Art Dauerfehde zwischen den Bären und den Angestellten; aus heutiger Sicht würde ich sagen Vorteil Zwergnasenbären.
Und eine Tarantel
Auf dem Weg zurück ein seltenes Bild. Mitten auf dem Kies ruht sich eine Tarantel aus. Einen pressierten Vater mit seinem Kinderwagen kann ich im letzten Moment davon abhalten, darüber hinwegzufahren. Es ist ein noch junges Exemplar, allerdings auch in dieser Grösse ein Anblick, der vielen Leuten das Blut in den Adern gefrieren lässt. Ich wünsche ihr alles Gute und dass sie den Tag überlebt …
Das Hostel Poesia
Zurück im Hostel Poesia in Foz do Iguaçu, das erstaunlicherweise beinahe soviel Poesie ausstrahlt wird wie der Name verspricht.
Das Etablissement ist auf das jugendliche Alter der Gäste eingestellt; laute Musik dröhnt aus im ganzen Haus angebrachten Boxen, an einer Bar soll es am Abend hoch zu und her gehen, und haufenweise Sessel und Bänke und Holzstühle im mehr oder weniger heruntergekommenem Zustand laden zum Sitzen und Chillen ein.
Don’t do it
Am letzten Abend verbringe ich einige Stunden mit der Planung der nächsten Etappen.
Nicht ganz einfach, wie sich herausstellt. Die geplante Fahrt von Asuncion in Paraguay nach Santa Cruz in Bolivien stellt eine Herausforderung besonderer Art dar. Die Lektüre der verschiedenen Beiträge im Internet, vor allem aber die Reiseberichte in den Foren verheissen nichts Gutes. So sehr ich mich auch bemühe, ein halbwegs positives Feedback zu finden, es gelingt mir nicht.
‚The worst road by the worst Bus“, ‚One trip into Hell‘, ‚Fifty degrees, no working air-con, no working Toilets, instead of 18 hours 40 hours‘.
Unter dem Strich – DON’T DO IT.
Stille beim letzten Frühstück
Es lohnt sich, den Frühstücksraum etwas näher anzusehen, denn hier ist schliesslich die Zukunft dieses Planeten versammelt.
Man stelle sich also einen netten, ziemlich grossen Raum im ersten Stock vor, fünf, sechs runde Holztische, ein Buffet mit Toastbrot (der Toaster fehlt allerdings), Kaffee, Fruchtsäfte und alles andere Dazugehörige. Die Leute, vielleicht zehn an diesem Morgen, bedienen sich wortlos, setzen sich hin, essen, trinken. Ich kenne in der Zwischenzeit (obwohl täglich neue dazukommen) die meisten und auch ihre Nationalität. Alter: irgendwo zwischen 20 und 30. Herkunft: alle Kontinente. Eine ziemlich aussagekräftige statistische Gruppe also.
Nun, diese Vertreter unserer glorreichen Zukunft, was tun sie, kauender- und schlürfenderweise? Miteinander sprechen, lachen, diskutieren? Das wäre das, was man erwartet, oder das, wie ich es aus früheren Zeiten kenne. Denkste. Diese Zeiten sind längst vorbei. Die jungen Leute tun das, was mittlerweile die ganze Welt tut – sie starren ins Handy, den hypnotisierten Blick auf SMS, Whatsapp, Facebook, Twitter, Snapchat, in seltenen Fällen sogar Mails oder News gerichtet.
Im Grunde kommunizieren sie also mit mehr oder weniger fiktiven ‚Freunden‘ (je mehr, je besser) und scheinen dabei zu vergessen, dass die wirklichen Freunde daneben sitzen. Es gibt eine ganze Menge, die ich an der heutigen Welt nicht verstehe (oder verstehen will), aber dies ist tatsächlich die Spitze des Eisbergs.
Kilometerstand: 2073
Song zum Thema: Tito y Tarantula – After Dark
Und hier geht die Reise weiter … nach Paraguay