Kann sich noch jemand – ausser uns alten Säcken – an Hồ Chí Minh erinnern?
Bei uns ist der Vietnamkrieg noch mmer präsent. Ho-Ho-Ho Chi Minh, das war die Losung auf den Strassen, doch das ist lange her, und genauso lange ist Uncle Ho zu seinen Vorfahren abberufen worden (im September 1969).
Seinem letzten Wunsch, eingeäschert zu werden, wurde aber nicht entsprochen, und so liegt er nun in einem riesigen Mausoleum. Ich liebe diese morbiden Orte, und so mache ich mich auf den langen Weg durch die Strassen, um Uncle Hos letzte Ruhestätte zu besuchen …
Ein anderes Hanoi
Das ist nicht das alte Hanoi, wie ich es gestern kennengelernt habe; es ist der moderne Teil mit breiten Alleen entlang pompöser Gebäude, die von grimmigen Soldaten bewacht werden. Karte in der Hand folge ich den schnurgeraden Boulevards bis zur Straße, die zum Mausoleum führt.
Vor einem riesigen Platz stehend, entscheide ich mich für den direkten Weg zu dem seltsam aussehenden Gebäude in der Mitte, aber ich werde sofort zurückgerufen. Soldaten mit (geladenen?) Gewehren zeigen in die Richtung, in der ich gehen soll, und so muss ich wie alle anderen um das riesige Feld herumgehen.
Der Grund dafür ist irgendwie schwer zu verstehen, aber fremde Länder, fremde Sitten.
Ho-Ho-Ho Chi Minh – Erinnerungen an Hồ Chí Minh
Wie erwartet, bin ich nicht der einzige.
Neben tausend Vietnamesen und anderen schlitzäugigen Nachbarn hat sich auch eine beachtliche Anzahl westlicher Touristen eingefunden, darunter erstaunlich viele Amerikaner. Ich bin fast sicher, dass dies der ultimative Triumph des alten Haudegens wäre, könnte er erleben, wie sich diese brav in Zweierreihen einteilen und anschliessend gemessenen Schrittes zum Eingang des Mausoleums führen lassen.
Makabre Momente
Ich habe schon einige wirklich makabre Momente erlebt, aber dies ist einer der Höhepunkte. In der Mitte des Raumes, beleuchtet von grellem weissem Licht, liegt der Sarkophag, darin, bleich, von der Totenstarre gezeichnet, mit spitzer Nase, liegt Uncle Ho, für die Ewigkeit der Neugier seiner Nachfahren ausgesetzt.
Eine wirkliche Totenstille umgibt ihn, man hört lediglich das leise Tapsen der Füsse auf dem Boden, manchmal das erschreckte Einatmen eines Kindes, das leise Hüsteln eines Ergriffenen. Und Ergriffenheit herrscht fürwahr. In fünf Minuten, die Zeit, die man braucht, um einmal um den Sarkophag herum zu gehen, ist alles vorbei, und man kommt nicht umhin, um an der frischen Luft einmal tief durchzuatmen. Ho-Ho–Ho-Chi-Minh …
Das Ho-Chi-Minh Museum
Im Museum, nur ein paar Schritte vom Mausoleum gelegen, ist alles dem grossen Vaterlandshelden Ho gewidmet. Es gibt im Englischen ein wunderbares, auch lautmalerisch zutreffendes Wort dafür: DULL. Und das ist es tatsächlich. Heldenverehrung pur, doch banal, uninspiriert, ohne jegliche Klasse. Man verlässt den Ort des Schreckens mit eiligen Schritten …
Auf der Suche nach dem Rückweg
Und dann ein neuer Schrecken, als hätte Uncle Ho nicht schon genügt – der Stadtplan, der überlebenswichtige Kompass zurück in bekanntere Gefilde, ist verschwunden. Wie findet man nun als ausgewiesener Orientierungs-Nerd den langen komplizierten Weg zurück? Na klar, man könnte ein Taxi nehmen oder eine Rischka, doch dabei ist eines von entscheidender Bedeutung: der Name des Hotels. Der ist mir allerdings entfallen.
Ohne grosse Überzeugung, doch mit der Erfahrung, dass schliesslich noch immer alles gut gegangen ist, macht sich der Nerd auf den Weg, sucht nach bekannten Orientierungspunkten, findet überraschenderweise solche, und nähert sich Schritt um Schritt der Welt, die er zu kennen glaubt. Dem kleinen Laden, wo ihm der Besitzer frische Mangos andrehen wollte oder der knallgelb gestrichenen katholischen Kirche, wo ihm der Eintritt verwehrt wurde. Und dann plötzlich und unerwartet – Cua Dong.
Meine Strasse. Mein Hotel. Meine Rettung.
PS Song zum Thema: Jimmy Cliff – Vietnam
Und hier geht die Reise weiter …