Wie kann man bloss an einem uralten, abgewrackten Bus soviel Freude haben?
Das junge Mädchen aus Südkorea möchte unbedingt ein Selfie mit dem alten Schweizer, wozu ist mir schleierhaft, wir sitzen im gleichen Songthaw (einem hier üblichen Sammeltaxi, bestehend aus einer überdachten Ladebrücke und zwei längs angebrachten Bänken; man sitzt zusammen mit anderen Passagieren einigermassen bequem, ausser wenn noch zwanzig Säcke Reis dazugeladen werden) und fragen uns, wo wir hinfahren, denn die Richtung scheint uns falsch.
Mit einem uralten Bus nach Chiang Saen
Aber wie so oft stellt sich unsere Annahme als falsch heraus, denn irgendwie kommen wir irgendwann irgendwo an. Nach einer guten Stunde erreichen wir Mae Chan, bezahlen 50 Baht und winken uns gegenseitig zu, denn hier trennen sich die Wege der unterschiedlichen Generationen aus unterschiedlichen Ländern, die sich in kürzester Zeit so gut verstanden haben. Der Fahrer zeigt mir einen bereit stehenden Bus, der mich an das heutige Tagesziel Chiang Saen bringen soll.
Darauf gibt es keine rationale Antwort (wie auf alle anderen nach dem Warum und Wieso und überhaupt auch nicht), ich weiss nur, dass sobald ich mich in einem der zerschlissenen Sitze niedergelassen habe, rings um mich herum technische Komponenten im allerletzten Stadium der Zerstörung, es mir wunderbar geht und ich mir wünsche, dass die Fahrt nie enden möge. Verrückt, ich weiss, aber es ist so.
Unser altes Gefährt schnaubt und kracht und donnert aus allen Rohren. Alle paar Kilometer ein Halt, um irgendwelche Sachen (vom Postpaket bis zu einem neuen Kotflügel) aus- bzw. einzuladen.
Das Glitzern von weitem
Ja, und dann, ich sehe das Glitzern schon von weitem, mein alter Freund, der Mekong. Ich muss zugeben, dass mir das alte Monstrum ans Herz gewachsen ist. Denn ursprünglich war ja Pai geplant, das Kiffer- und Hippieparadies im Nordwesten, aber das habe ich zugunsten des Mekongs sausen lassen.
Hier in Chiang Saen werde ich eine Nacht verbringen, um Morgen, wenn es denn eine Möglichkeit gibt, den Mekong hinunter bis nach Chiang Khong zu fahren.
Chiang Saen
Bevor ich mich auf die Suche nach einem Bootsvermieter mache, der mich den Fluss hinunter fahren soll, erkundige ich das Städtchen. Es strahlt wieder einmal diese typisch asiatische Mischung zwischen höchster Dynamik und entspannter Ruhe aus, die mir so sehr gefällt.
Der Grund, warum man durch diese verschiedenen Welten wandert, ist nicht einfach zu erklären. Wir sind – wie es andernorts gesagt wurde – im Dunkel der Unwissenheit gefangen.
Wo gibt es ein Boot, das mich nach Chiang Khong bringt?
Das stellt sich allerdings als schwieriger heraus als gedacht. Schon beim ersten Gebäude (Port, Immigration) stelle ich meine Frage, die ich die nächsten 2 Stunden x-mal stellen werde. Wo gibt es ein Boot, das mich nach Chiang Khong bringt? Es gibt zwei zentrale Probleme.
Erstens: auch hier versteht mich kein Mensch (im Nachhinein muss ich die Burmesen loben: sie sind des Englischen tatsächlich mächtiger als die Thais), also trifft meine Frage nicht nur inhaltlich sondern auch sprachlich auf absolutes Unverständnis. Zweitens: falls mich überhaupt jemand versteht, dann scheint klar zu sein, dass es ein solches Boot nicht gibt.
Aufgeben? Niemals. Ich quatsche jeden an, auch jeden der seltenen Touristen, die mich anfänglich etwas abwehrend taxieren, wahrscheinlich denken sie angesichts meines inzwischen etwas verwilderten Aussehens an einen um ein Almosen bettelnden Ausländer, der hier gestrandet ist. Niemand, wirklich niemand hat etwas von einem Boot gehört, man spricht von Polizei, Verboten, von weiss-ich-was.
BOAT TO CHIANG KHONG
Aber dem Tüchtigen gehört bekanntlich die Welt. Kurz bevor ich das Ende des Piers erreiche, taucht ein kleiner heruntergekommener Stand auf, mit grossen Buchstaben steht auf seiner kaum mehr lesbaren Front: Boat to Golden Triangle und – mein Herz verpasst ein paar Schläge – BOAT TO CHIANG KHONG.
Na, wer sagt’s denn. Der gelangweilte Typ hinter dem Tresen scheint genauso verblüfft, einen potentiellen Kunden gefunden zu haben, wie ich einen potentiellen Dienstleister. Allerdings, das wollen wir mal nicht vergessen, der Preis von 2500 Bahts (unabhängig von der Anzahl Personen) hat’s schon in sich. Ich bin zuerst etwas nachdenklich, dann aber, nach kurzer Überlegung, treffe ich eine Entscheidung (schliesslich kostet ein blödes halbes Nachtessen in einem der überteuerten Restaurants in Zürich mindestens soviel).
Tomorrow will be the day of all days! Das wird stark!
Ein TukTuk bringt mich zu meinem Hotel (ziemlich weit draussen), es ist ausnahmsweise tatsächlich ein gutes, sogar sehr gutes. Ich fühle mich verwöhnt, geniesse die heisse Dusche, die sauberen Laken, einfach alles.
PS Song zum Thema: Lana Del Rey – Summertime Sadness
Und hier geht die Reise weiter …