Wenn heute alles einigermassen normal abläuft und der Motor oder sonstwas keine Probleme macht, sollten wir heute Abend in Griechenland sein. Heureka, das gelobte Land.

Tatsächlich, der schwache Verkehr tut sein Gutes, wir kommen schnell vorwärts, erreichen schon im Vormittag Skopje (heute die Hauptstadt von Nordmazedonien). Ein verschlafenes Kaff, so kommt es uns vor, obwohl dies überhaupt nicht zutrifft. Hier kamen wir vor zwei Jahren durch, und auch damals erschien uns die Stadt als zuwenig sehenswert, vielleicht aus dem gleichen Grund wie dieses Mal: man will möglichst schnell weiter, zur griechischen Grenze, zum Meer, zur Wärme.

Dabei hätte Skopje einiges zu bieten.

Skopje ist die Hauptstadt Nordmazedoniens und mit über 540.000 Einwohnern zugleich die größte Stadt des Landes. Etwa ein Viertel der Bevölkerung Nordmazedoniens lebt in der Großstadt. Skopje weist eine mehr als zwei Jahrtausende zurückreichende Besiedlungsgeschichte auf und gehört somit zu den ältesten noch bestehenden Städten des Landes.

In Erinnerung geblieben ist das Erdbeben, das 1963 die Stadt fast vollständig zerstörte.

Die Stadt am Vardar ist sowohl Sitz des Parlamentes als auch der Regierung. Sie ist ebenso das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum des Landes, orthodoxer Bischofssitz der mazedonisch-orthodoxen Kirche und des autonomen Erzbistums Ohrid der serbisch-orthodoxen Kirche und Sitz eines Großmuftis. (Wikipedia)

Skopje - Capital of North Mazedonia Skopje North Mazedonia

Aber eben, Skopje fällt durch, genauso wie letztes Mal, wir fahren durch, ebenso schnell und so ungeduldig wie jetzt.

Titov Veles (heute nur noch Veles), noch so eine Stadt, mit der wir nicht viel anfangen können, wahrscheinlich einfach eine kleine Stadt mit viel Geschichte, vielleicht hübsch, mit angenehmen freundlichen Menschen, wo sich ein Aufenthalt lohnen würde, aber nein, wir preschen durch, ohne einen Blick nach links oder rechts zu werfen.

Es drängt uns vorwärts, die Strecke zur griechischen Grenze scheint endlos, wir kennen sie, man gibt Gas und nimmt den Fuss erst wieder vom Pedal, wenn wir da sind.

Die griechische Grenze, das beinahe gelobte Land

Und tatsächlich, am späteren Nachmittag, der Himmel begrüsst uns mit einem strahlenden Lächeln, erreichen wir die Grenze, doch die Freude dauert nicht lange.

Denn die griechischen Zollbeamten, ihrer Wichtigkeit bewusst, begutachten unser seltsames Gefährt mit Argusaugen. Man würde meinen, dass wir nicht die ersten Indienfahrer und auch nicht diejenigen mit dem auffälligsten Vehikel sind, aber offenbar sticht ihnen etwas ins Auge, etwas Unpassendes, etwas Schräges, was man besser unter die Lupe nimmt.

Aber das Interesse lässt schnell nach, offenbar entsprechen wir doch nicht ihrem Feindbild (Hippies? Freaks? Drogenabhängige?) aus dem Katalog der Feinde des griechischen Volkes, und wir werden mit einer lässigen Handbewegung durchgewunken. Kann es sein, dass wir im Rücken grimmige Blicke spüren, so nach dem Motto „Das nächste Mal kriegen wir euch?“

Griechische Trauben und andere Köstlichkeiten

Es gibt Augenblicke, vor allem wenn man eine anstrengende Reise hinter sich und das gelobte Land nun vor sich hat, wo alles stimmt. Es dunkelt zwar bereits, als wir uns Thessaloniki nähern, ein Sonnenuntergang, wie er nur am Mittelmeer vorkommt, verschwimmt am Horizont, macht griesgrämig Platz für die schnell einsetztende Dunkelheit.

Eine süsse Erinnerung wird wach, als wir am Strassenrand einen Traubenverkäufer sehen, wir stoppen, eilen hin, kaufen eine Tüte (viel teurer als vor zwei Jahren), stecken noch vor dem Stand die süssen Früchte langsam und mit geschlossenen Augen in den Mund, und in diesem Augenblick wissen wir, dass wir angekommen sind. Noch nicht sehr weit, aber doch irgendwie.

Aber der Tag ist noch nicht vorbei, warum sollte er auch, wir sind an der Wärme, die Hitze des Tages steigt immer noch vom Asphalt auf, und so setzen wir uns ins erstbeste Restaurant am Strassenrand und bestellen Souflaki, bekommen beinahe feuchte Augen vor Glück.

Am Nebentisch sitzt ein alter Grieche und trinkt mit seligen Augen Weisswein.

Manchmal meinen es die (griechischen) Götter gut mit uns. Mal sehen, wie lange ihr Wohlwollen anhält …

Ein Morgen für die Götter?

Sonntagmorgen, ein Morgen für die Götter, der Himmel eine Ode an die Schönheit, die Luft zart und mit einem Hauch Lavendelduft durchzogen.

Einen solchen Tag sollte man feiern, vor allem unsere Ankunft in Griechenland, deswegen haben wir für uns ein besonderes Geschenk ausgedacht. Wir fahren auf der Strecke von Thessaloniki nach Kavala ans Meer und frühstücken irgendwo am Strand. Griechisches Brot mit Butter und Konfitüre und Kaffee.

Etwas frugal, aber was braucht man mehr. Unsere Wünsche sind bescheiden geworden.

Ein Knall und das Ende der Frühstücksträume am Meer

Nach dreissig Kilometern, das Meer ist nahe und der Magen knurrt empört, werden wir von einem Knall aufgeschreckt. Er ist nicht sehr laut, aber ich merke sofort, dass etwas ganz und gar falsch ist.

Nach unseren anfänglichen Problemen hat uns der Wagen für ein paar Tage eine trügerische Ruhe vorgegaukelt, die nun ein jähes Ende gefunden hat.

Natürlich haben wir nicht die geringste Ahnung, was passiert sein könnte, auf jeden Fall hat der Motor keine Kraft mehr. Wir fahren also höchstens noch im zweiten Gang, so ungefähr mit 20-30 km pro Stunde. Und kommen unserem Tagesziel etwa gleich schnell näher, wie wenn wir mit dem Fahrrad unterwegs wären.

Da sind wir also, einmal mehr ziemlich am Ende unseres Lateins. Weit und breit kein Haus in Sicht, kein Dorf, nur von der Sommerhitze verbrannte Wiesen, ein paar Sträucher und Bäume. Und wir mit unserem verflixten VW-Bus, der uns einmal mehr einen bösen Streich gespielt hat.

Eine unvergessliche Zitterfahrt

Da sich die nächste Garage erst in Kavala befindet, steht uns eine ziemliche Zitterpartie über die nächsten 120 Kilometer bevor. Wir fahren los, ziemlich still und kleinlaut, und einmal mehr könnten wir dem Verkäufer des Wagens den Hals umdrehen. Unseren eigenen Hals allerdings auch.

Es wird also nichts mit dem Frühstück am Meer, obwohl der Hunger seinen Beitrag zur schlechten Gefühlslage beiträgt. Wir müssen einfach versuchen, irgendwie nach Kavala zu kommen.

Nun gut, die ersten Kilometer sind ganz ok, auch ein Motor, der nur noch auf zwei Zylindern fährt (wie wir etwas später erfahren), bewältigt ebene Strassen ohne Steigungen zwar hustend und röhrend, aber immerhin. Langsam atmen wir auf, der Optimismus, offenbar nicht kleinzukriegen, kriegt Oberwasser.

Irgendwie werden wir es schaffen.

Doch die Strecke will sich nicht unserem positiven Gefühl unterwerfen. Wir glauben ein höhnisches Gelächter zu hören. Wahrscheinlich der Motor. Oder die Strasse. Oder einfach irgendein gelangweilter griechischer Gott, der sich einen sonntäglichen Spass erlaubt.

Es dauert erwartungsgemäss nicht lange, bis die ersten Steigungen kommen. Am Anfang nur leichte, die uns aber bereits ansehnlich ins Schwitzen bringen. Der Motor dröhnt, als würde er im nächsten Moment explodieren. Im Nachhinein wird uns klar, was der kleine tapfere Motor ausgehalten hat. Wir werden uns nie mehr über ihn lustig machen.

Aber eben, die Strasse hat sich entschieden, uns den Tag zu verderben. Aus den leichten Steigungen werden steilere Abschnitte, die nicht mehr zu bewältigen sind. Wir müssen zurückfahren, um Anlauf zu nehmen, um dann in Höchstgeschwindigkeit (falls man dem so sagen kann) den Hügel runter zu rasen, in der Hoffnung, irgendwie die Steigung hochzukommen.

Ein triumphaler Einzug in Kavala

Das geht eine Zeitlang recht gut, bis etwa 40 Kilometer vor Kavala. Nichts kann uns noch überrraschen. Mitten in einer starken Steigung bleiben wir trotz Anlauf stehen: Zurückfahren ist ebenfalls keine Option mehr, denn hinter uns fängt nach ein paar Metern eine Steigung an.

Da sind wir nun also. In einem Loch gefangen, es geht weder vorwärts noch rückwärts. Wenn es nicht so ärgerlich wäre, könnte man darüber lachen. Irgendwann werden wir das tun. Aber nicht jetzt, nicht an diesem gottverlassenen Ort, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen.

Doch unser griechischer Hausgott zeigt Gnade, denn nach einer halben Stunde nähert sich in Form eines freundlichen Bauern Hilfe. Er hängt uns kurzentschlossen an seinen Traktor an und und schleppt uns den Hügel hinauf. Unsere Dankbarkeit kennt keine Grenzen, doch der Mann will partout kein Trinkgeld annehmen und knattert weiter.

Our tractor - in a few years
Unser Traktor – in einigen Jahren

Anschliessend geht das Zittern weiter, doch kurz vor Kavala, an einem Lichtsignal vor der letzten Steigung, bleiben wir endgültig stehen. Ein Streifenwagen der Polizei, glücklicherweise in der Nähe postiert, ruft den Abschleppdienst herbei, der uns die letzten Kilometer bis vor eine Garage in der Stadt schleppt.

Ein wahrhaft triumphaler Einzug!

Tja, das Tagesziel haben wir geschafft, wir sind in Kavala, allerdings etwas anders als vorgestellt. Wir sind auf dem Gehsteig an einer stark frequentierten Strasse parkiert, weit und breit weder ein Restaurant noch ein Laden (Sonntag!), also bleiben wir halt in unserem mobilen, wenn auch momentan gestrandeten Heim und kochen uns endlich was für die immer noch leeren Mägen.

Dann, es ist zappenduster geworden, sinken wir erschöpft und voll düsterer Gedanken in einen unruhigen Schlaf.

Das Grinsen der Mechaniker

Der Lärm des Verkehrs reisst uns früh aus den Federn. Um halb acht trudeln die Arbeiter ein und grinsen anfänglich etwas verwirrt unser gestrandetes Gefährt an.

Uns selbst ist nicht zum Grinsen zumute.

Immerhin, man hat Erbarmen mit uns (man erinnere sich an das erste Problem in Italien, ach ihr Automechaniker, wir lieben euch alle), man stellt unseren Wagen kurzentschlossen auf den Lift und geht dem Problem auf den Grund. Es wird erstaunlich schnell klar, was passiert ist. Eine der Befestigungsschrauben an der Kipphebelwelle ist abgebrochen.

Da ich selbst nicht den  Hauch einer Ahnung habe, worum es sich dabei handelt, hier ein kurzer Einblick in die Geheimnisse eines klassischen Verbrennungsmotors.

Die Kipphebelwelle oder Nockenwelle wird verwendet, um das Öffnen und Schließen der Ein- und Auslassventile im Zylinderkopf zu steuern, wodurch das Kraftstoff/Luft Gemisch in die Verbrennungskammer gelangt und die verbrannten Abgase für den nächsten Zyklus ausgestoßen werden.

Was sogar für mich Laien klar wird: durch die gebrochene Schraube hat sich die Welle gelöst. Zwei der vier Ventile konnten nicht mehr bedient werden, was natürlich bedeutete, dass zwei der vier Zylinder nicht mehr liefen.

Ein anderer Motor hätte die gestrigen Strapazen wohl kaum überstanden. Tapferer kleiner Wagen!

Nun, am Nachmittag ist die Sache in Ordnung, und wir werden weitere Fr. 300.- los. Unser eh schon bescheidenes Budget schmilzt in periodischen Abständen, meistens in Form von Reparaturleistungen. Wenn das so weitergeht …

Kavala, ein Ort zum Träumen

Kavala war bereits vor zwei Jahren das absolute Highlight der Reise. Wikipedia sagt dazu folgendes:

Kavala (griechisch Καβάλα) ist eine Handels- und Hafenstadt in Nordgriechenland in der Verwaltungsregion Ostmakedonien und Thrakien unmittelbar am Golf von Thasos (Golf von Kavala) des Thrakischen Meers. Die nach Drama zweitgrößte Gemeinde der Region hat etwa 70.500 Einwohner. Sie besitzt den Haupthafen Ostmakedoniens und verfügt über einen etwa 30 km östlich der Stadt gelegenen Verkehrsflughafen, der hauptsächlich für Inlandsflüge und den touristischen Charter-Verkehr genutzt wird.

Was den Reiz eines Ortes ausmacht, ist nicht immer ganz klar. Manchmal genügt ein einziger Augenblick, ein Geruch, das freundliche Gesicht des Mannes am Nebentisch, die kräuselnden Wellen auf dem Meer, verwinkelte Gassen, Frauengesichter hinter verstaubten Fenstern.

Oder es ist noch viel einfacher: aus irgendeinem Grund fühlt man sich wohl. Einfach so.

Das genügt.

So geht es uns heute. Nach der erfolgreich Instandstellung unseres Lieblingsvehikels entschliessen wir uns, auch den morgigen Tag auf dem Zeltplatz am Meer zu verbringen.

Und so landen wir an einem Ort, der uns noch in bester Erinnerung ist. Und plötzlich ist alles wieder in Ordnung. So schnell geht’s, wenn man jung und blöd ist …

Sonne, Strand und Meer

Eigentlich sind wir ja in den Ferien oder was immer das heissen mag. Allerdings bin ich am Abend jeweils ziemlich geschafft, die langen Stunden am Steuer, die aggressiven Autofahrer, die schlechten Strassen machen das Abenteuer gelegentlich zu alles anderem als Ferien.

Nun also der erste richtige Ferientag. Keine Hetze, keine Probleme, keine Frustrationen. Nur Sonne, Strand, Meer,  dazwischen harzig schmeckenden Retsina, der uns schläfrig macht, und griechisches Essen. Endlich Zeit für andere Dinge als Routen und Tankstellen und Sorgen wegen dem Wagen. Lesen, diskutieren. Den weiteren Verlauf der Reise planen, überdenken, Alternativen suchen.

Kavala Beaches
Strand in Kavala

Man könnte sich durchaus daran gewöhnen.

Doch die Saison geht spürbar dem Ende entgegen. Die Touristen sind wieder in ihre Heimatländer zurückgekehrt, zeigen ihre griechisch gebräunten Körper und reden bereits über den nächsten Urlaub. Ausser uns sind lediglich noch zwei, drei andere Autos auf dem Campingplatz. So lernt man schnell die letzten Mohikaner dieses Sommers kennen. Darunter auch einen Franzosen aus Paris und seine Cousine, nett und undurchsichtig und etwas schlüpfrig.

Er redet viel und schnell, nichts Aussergewöhnliches bei Parisern, während sie es vorzieht, vornehm zu schweigen. Irgendwann wird aus seinem Maschinengewehr-Französisch klar, dass man sie bestohlen hat. Geld, Zelt und alles andere weg. Und nun braucht man sozusagen einen Überbrückungskredit, damit man wenigstens bis Istanbul kommt.

Natürlich hätten alle Alarmglocken schlagen sollen, doch wir sind genauso naiv und selbstlos und dumm, dass wir ihnen, zwar etwas zähneknirschend, die gewünschten hundert Franken in die Hände drücken. Das Versprechen, uns das Geld in Instanbul zurückzugeben, klingt sogar für uns Hohlköpfe ziemlich leer.

Nach einer halben Stunde verschwindet das seltsame Paar und mit ihnen unser Geld. Wir sind ausserordentlich gespannt, ob wir sie in Istanbul wiedersehen werden.

Die Wette steht eins zu tausend.

 

Song zum Thema:  The Allman Brothers – Southbound

Und hier geht der Trail weiter … in Richtung Istanbul

 

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