Manchmal frage ich mich, was das für Menschen sind, die eine lange und anstrengende Weitwanderung unternehmen. Und erst noch ganz allein.

Ich bin ja einer davon, aber eigentlich weiss ich es trotzdem nicht. Alles, was mir einfällt ist die Tatsache, dass ich mich nie besser fühle, nie weniger Stress habe, mich nie besser dem zuwenden kann, was wirklich wichtig ist.

Aber ein bisschen merkwürdig ist es schon.

Aber was soll’s – man könnte Dümmeres machen.

Eine Etappe ganz auf der Seite des Stanserhorns, das man fast umrundet. In Stans befindet sich das Winkelried-Denkmal. Der Held spiesste sich in der Sempacher Schlacht von 1386 auf, um den Eidgenossen eine Bresche zu schlagen.

Länge 22 km; Aufstieg | Abstieg 1015 m | 1315 m; Wanderzeit 8 h 07 min (wie immer keine Ahnung, woher die Abweichungen stammen)

 

From Flüeli to Stans

Es gilt zuerst mal, in die Schlucht hinunter zu steigen, zur Kapelle und zur Klause, wo der Eremit lebte.

Ich würde gerne herausfinden, ob es stimmt, dass er einen Stein als Kopfkissen benutzte, aber wahrscheinlich entspricht dies einer Fabel. Aber als Narrativ würde man heute sagen, eine geniale Idee. Ob er sich das harte Kopfkissen als Strafe für den Verrat an seiner Familie ausgesucht hat, ist fraglich.

Wie dem auch sei, seine Klause scheint geschlossen zu sein, also bleibt die Kopfkissenmär im Dunkeln. Und dort soll sie auch bleiben.

 

Bruder Klaus Chappel and his hermitage A quite impressive interior

 

Merkwürdige Leute

Ich verlasse den frommen Ort und steige hangaufwärts der nicht vorhandenen Sonne entgegen. Der Aufstieg ist steil und nass, die nächtlichen Regenfälle haben ihre Spuren hinterlassen.

Ist es unangemessen zu behaupten, dass auf der Via Jacobi ein paar sehr merkwürdige Leute unterwegs sind? Nicht nur Weitwanderer, sondern vor allem Pilger aus aller Herren Länder, die sich hier in Gruppen oder einzeln aufhalten.

Nichts gegen diese Leute, sie sind auf der Suche, nach Gott oder was auch immer, und das ist ja nicht per se schlecht. Aber ein bisschen seltsam sind sie schon. Eine Dame, ihrer Sprache nach aus unserem nördlichen Nachbarland, kreuzt meinen Weg, wir kommen ins Gespräch.

Sie schwärmt von der Gegend, vom Wallfahrtsort Flüeli-Ranft, von Bruder Klaus. „Sein Ruf hat mich erreicht, ich kann es spüren.“ Dabei gleitet ein derart ergriffenes Lächeln über ihr Gesicht, dass ich ihr glauben muss.

Sogar der alte Zyniker kann nicht anders als zustimmend nicken.

Merkwürdig? Zumindest ein bisschen …

 

If the Rain comes …

Ich bin kaum zwei Stunden unterwegs, als klar wird, dass mich das Wetterglück verlassen hat.

Eigentlich ist es egal, ich werde mich ohne mit der Wimper zu zucken auch der schlimmsten Wetterattacke stellen. Aber warten wir mal ab, ich stehe auf jeden Fall bereit.

Es beginnt schon ziemlich dramatisch. Mit Wolkentürmen, die sich auf bedrohliche Art über den Bergspitzen sammeln. Schwarz und grau, Farben aus der Hölle.

Und dann nimmt es seinen Lauf …

 

There is something looming over the mountains

It looks like the Iguaçu-Waterfalls

Als ob das Wetter ein für alle Mal zeigen wollte, zu was es fähig ist, nimmt es die Gestalt eines vom Himmel fallenden Sturzbaches an, es erinnert mich irgendwie an die Wasserfälle von Iguaçu in Brasilien, nur breiter, höher, dafür lautlos, zumindest im Moment noch.

Bei einer Kapelle klatschen die ersten schweren Tropfen auf die Strasse, es bleibt kaum Zeit, den Regenumhang überzuziehen. Dann marschiere ich tollkühn los, mitten in die Sturzbäche, bis mir der Regen das Wasser ins Gesicht und um die ungeschützten Beine weht, sodass ich schleunigst einen Unterstand suchen muss.

Ganze Bäche rinnen mir übers Gesicht, doch da, ein Haus im Bau, niemand zu sehen, eine offene Garage, genau das Richtige.

Und so verbringe ich die nächste halbe Stunde in der im Bau begriffenen Garage, während das Wetter tobt und den Regen in alle Himmelsrichtungen verteilt.

 

Wet path through wet forest ... and a wet path across wet meadows

 

Es geht feucht weiter

Irgendwann, nach gefühlten Stunden, lässt der Regen etwas nach, der ersehnte der Anstoss, um die blöde Garage zu verlassen.

Es ist nun alles ziemlich nass, auch die Bäume, die mich mit schweren Tropfen begiessen, oder der Pfad, der einem Sumpf gleicht. Und immer wieder bläst der Regen zum nächsten Angriff.  Manchmal bleibt nichts anderes mehr übrig, als mich in einen Hauseingang zu flüchten, bis das Schlimmste vorbei ist.

Aber ich komme vorwärts, wenn auch weniger frohgemut als normal, und das Tagesziel Stans kommt näher.

 

Stans, today's destination

Die ersten menschlichen Spuren rund um Stans gehen zurück ins 2. Jahrhundert vor Christus.

Der Stanser Dorfbrand zerstörte im Jahr 1713 zwei Drittel der Ortschaft. Die herrschaftlichen Barockhäuser, der Winkelried-Brunnen und das Rathaus verdankt Stans den einschneidenden Bauvorschriften, die anschliessend beschlossen wurden.

 

The Winkelried Fountain in Stans

Und nicht nur Stans wartet, sondern auch ein gemütliches Heim für eine Nacht, der Gasthof Schützenhaus in Oberwil, knapp ausserhalb von Stans, wo ich von einem ausgesprochen freundlichen Wirteehepaar begrüsst werde.

Mehr braucht es an diesem Tag nicht.

 

Passender Song:  AC/DC – Thunderstruck

Und hier geht der Trail weiter … nach Seelisberg

 

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